Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.12.2017, Az.: 7 U 105/17

Berechnung des neuen Preises bei Überschreitung des Mengenansatzes im Rahmen eines VOB/Vertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.12.2017
Aktenzeichen
7 U 105/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 36324
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 08.08.2019 - AZ: VII ZR 34/18

Fundstellen

  • BauR 2018, 1275-1278
  • IBR 2018, 308
  • ZfBR 2019, 145-148

Amtlicher Leitsatz

1. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 VOB/B ist es, sicherzustellen, dass sich Leistung und Gegenleistung auch bei einer Überschreitung der im Einheitsvertrag vorgesehenen Mengen angemessen gegenüberstehen. Maßstab ist dabei nicht der übliche Preis, sondern der ursprüngliche Angebotspreis.

2. Die Berechnung des neuen Preises für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes richtet sich gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach den Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Einheitspreises. Verlangt der Auftraggeber eine Herabsetzung des Einheitspreises, so hat der Auftragnehmer ihm die dem vereinbarten Einheitspreis zugrundeliegende Kalkulation offenzulegen.

3. Bei einer Herabsetzung des Einheitspreises hat eine Anpassung des Angebotspreises nur insoweit zu erfolgen, als sich durch die Mengenmehrung Kostenersparnisse ergeben haben.

4. Stellt sich der kalkulierte Preis als unrealistisch dar, ist auf der Grundlage einer nach Treu und Glauben auszurichtenden Vertragsauslegung ein fairer neuer Preis zu bilden; dabei ist zu fragen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie die veränderten Umstände (hier die Mengenerhöhung) bei Vertragsabschluss gekannt hätten.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Mai 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.454,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Nebenkosten (vorgerichtliche Anwaltsgebühren) von 474,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. November 2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat vorab die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Braunschweig entstandenen Kosten zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz die Klägerin zu 87 % und der Beklagte zu 13 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens (bei einem Streitwert von bis 22.000 EUR) tragen zu 87 % die Klägerin und zu 13 % der Beklagte.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Beschwer für die Parteien: jeweils unter 20.000 EUR.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines restlichen Werklohns aus einem VOB-Einheitspreisvertrag in Anspruch.

Die Klägerin war im Mai 2013 in Bezug auf das Bauvorhaben des Beklagten in B., Museumstraße 1, mit dem Gewerk "Abbrucharbeiten" beauftragt worden (s. Anlage K2). Dem lag das Angebot der Klägerin vom 2. April 2013 zugrunde; dort hatte sie die unter der Position 02.02.0050 erfasste Leistung "Entsorgung von Bauschutt, Abfallschlüssel-Nr. 170106" bei einer vorgegebenen Menge von 1,0 Tonne zu einem Einheitspreis von 462,00 EUR/t netto angeboten (s. Anlage K1). Unstreitig wurden zum Abfallschlüssel Nr. 170106, der sich auf Bauschutt mit gefährlichen Stoffen bezieht, insgesamt 83,92 Tonnen entsorgt. In ihrer Schlussrechnung vom 23. September 2015 hatte die Klägerin demzufolge unter der Position 02.02.0050 einen Betrag von 38.771,13 EUR netto (83,92 x 462 EUR) abgerechnet. Anlässlich der Prüfung der Schlussrechnung wurde seitens des Beklagten diese Rechnungsposition auf einen Betrag von 9.221,47 EUR netto reduziert (s. Anlage K5), wobei ein Einheitspreis von 109,88 EUR netto je Tonne zugrunde gelegt wurde. Dieser Einheitspreis geht auf ein Schreiben des Planungsbüros des Beklagten vom 28. Februar 2014 zurück (s. Anlage K4).

Da die Klägerin der Ansicht ist, dass für die gesamte angefallene Menge der im Vertrag bestimmte Einheitspreis von 462 Tonnen maßgeblich sei, hat sie den Beklagten im Klagewege unter Berücksichtigung bereits erbrachter Zahlungen auf Zahlung von 33.208,25 EUR in Anspruch genommen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts (Bl. 135ff. GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 3. Mai 2017 der Klage nur hinsichtlich eines Betrages von 1.604,39 EUR stattgegeben und sie ansonsten abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts könne die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Urkalkulation und der tatsächlich angefallenen Fremdkosten (einschließlich der Kosten ihrer Nachunternehmerin) für die streitgegenständliche Leistung einen Einheitspreis von 149,88 EUR je Tonne in Ansatz bringen, was bei 83,92 Tonnen einen Betrag von 12.577,93 EUR ergebe. Hierauf habe der Beklagte bereits eine Zahlung von 10.973,54 EUR erbracht, so dass zugunsten der Klägerin noch ein Restwerklohn von 1.604,39 EUR offen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe die zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B entwickelten Grundsätze der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung bei einer Massenmehrung missachtet. Es komme nicht auf die tatsächlichen Fremdkosten an. Maßgeblich seien die Preisermittlungsgrundlagen gemäß der Ursprungskalkulation; diese hätten sich hier nicht geändert. Allerdings sei sie bereit, hinsichtlich der kalkulierten Containerkosten gemäß Angebot der Nachunternehmerin einen Preisabschlag einzuräumen, denn der kalkulierte Preis von 60 EUR pro Container habe sich nicht mehr nur auf 1 Tonne bezogen, sondern auf 15 Tonnen. Danach ergebe sich nunmehr ein Einheitspreis von 406 EUR/t für die über 110 % hinausgehenden Mehrmengen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin weitere 21.493,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von weiteren 877,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. November 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und bringt vor, die Klägerin habe auf der Basis von Nachunternehmerkosten kalkuliert, soweit es nicht um die Verladung gehe. Diese Nachunternehmerkosten würden sich einschließlich des kalkulierten Gewinnanteils von 20 % tatsächlich nur auf 109,88 EUR je Tonne belaufen. Hierauf habe das Landgericht abgestellt und dabei die Kalkulation der Klägerin für Transport und Deponierung fortgeschrieben. Im Übrigen komme es hier ohnehin auf die übliche Vergütung an, denn die Klägerin habe nicht alle Leistungsschritte ausgeführt. Hilfsweise sei einzuwenden, dass der verlangte Einheitspreis von 462 EUR je Tonne sittenwidrig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 18.12.2017 hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nur zum geringen Teil begründet.

Der Klägerin steht für die unter der Position 02.02.0050 abgerechnete Leistung im Ergebnis nur ein Vergütungsanspruch in Höhe von 15.427,55 EUR brutto zu. Da der Beklagte diesbezüglich bereits eine Zahlung von 10.973,54 EUR brutto erbracht hat, verbleibt zugunsten der Klägerin eine restliche Vergütung von 4.454,01 EUR, die den ausgeurteilten Betrag im erstinstanzlichen Urteil sonach um 2.849,62 EUR übersteigt. Soweit die Klägerin für die streitgegenständliche Leistungsposition, bezogen auf die angefallene Menge von 83,92 Tonnen, den im Vertrag vorgesehenen Einheitspreis von 462 EUR/t netto beansprucht, muss sie sich auf die von dem Beklagten auf der Grundlage des Schreibens vom 28. Februar 2014 verlangte Preisanpassung, bedingt durch eine eingetretene Mengenmehrung, verweisen lassen.

Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen einer Partei ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. Dabei gilt für die Ermittlung des neuen Preises, dass Ausgangspunkt für seine Berechnung die Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Einheitspreises sind (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 20. Auflage, § 2 Abs. 3 VOB/B Rdnr. 17 m.w.N.). Verlangt der Auftraggeber eine Herabsetzung des Einheitspreises, so hat der Auftragnehmer ihm die dem vereinbarten Einheitspreis zugrundeliegende Kalkulation offenzulegen (Ingenstau/Korbion/Keldungs aaO., Rdnr. 18).

Letzteres ist vorliegend geschehen. Danach setzt sich der im Vertrag vorgesehene Einheitspreis von 462 EUR/t netto nach der Kalkulation der Klägerin wie folgt zusammen:

Deponie- und Transportkosten gemäß Angebot der Fa. H.: 292 EUR/t netto

Containerstellung gemäß Angebot Fa. H.: 60 EUR/t netto

20 % GU-Zuschlag auf 352 EUR = 70,40 EUR netto

Eigene Verladekosten von 40 EUR/t netto.

Unstreitig ist, dass die Fa. Container H. GmbH, die die Klägerin als Nachunternehmerin eingesetzt hatte, für die Entsorgung der angefallenen 83,92 Tonnen Bauschutt von der Beklagten keine Kosten in Höhe von 352 EUR netto je Tonne beansprucht hatte. So hatte die Fa. Container H. GmbH der Klägerin gemäß Rechnung vom 27. Januar 2014 für den Transport und für die Containerstellung nur einen Betrag in Höhe von 2.296,80 EUR netto berechnet (wonach rechnerisch auf eine Tonne Bauschutt ein Betrag von 27,37 EUR entfällt), während der Klägerin von der Fa. N. am 4. Februar 2014 unmittelbar Deponiekosten in Höhe von 5.387,66 EUR netto (83,92 t x 64,20 EUR) in Rechnung gestellt wurden (s. Anlagen zu B4).

Ausweislich ihrer Berufungsbegründung ist die Klägerin nun zwar bereit, die kalkulierten Containerkosten unter Berücksichtigung der tatsächlichen Containerkosten in Höhe von 420 EUR netto (s. Rechnung vom 27.1.2014) herabzusetzen. Denn sie beansprucht für die über 110 % hinausgehende Mehrmenge nicht mehr 60 EUR, sondern nur noch 4 EUR je Tonne (s. Bl. 161 GA). Aber auch in Bezug auf die kalkulierten Deponie- und Transportkosten von 292 EUR/t netto muss sie eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B hinnehmen.

Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 VOB/B ist es, sicherzustellen, dass sich Leistung und Gegenleistung auch bei einer Überschreitung der im Einheitsvertrag vorgesehenen Mengen angemessen gegenüberstehen (Ingenstau/Korbion/Keldungs aaO., Rdnr. 7). Maßstab ist dabei nicht der übliche Preis, sondern der ursprüngliche Angebotspreis. Geht es - wie hier - um eine Herabsetzung des Einheitspreises, hat eine Anpassung des Angebotspreises nur insoweit zu erfolgen, als sich durch die Mengenmehrung Kostenersparnisse ergeben haben (OLG Hamm, NJW-RR 2013, 1176, 1178 [OLG Hamm 13.03.2013 - 12 U 74/12]).

Vorliegend kann kein Zweifel daran bestehen, dass die angefallene Mehrmenge nicht nur zu erheblichen Einsparungen bei den Containerkosten, sondern auch bei den Transportkosten geführt hat. Die Klägerin hatte die Deponie- und Transportkosten gemäß dem Angebot der Fa. Container H. GmbH mit 292 EUR/t kalkuliert. Bringt man hiervon die Deponiekosten von 64,20 EUR/t in Abzug, für die unabhängig von der Menge dieser Preis aufzubringen ist, entfällt auf die kalkulierten Transportkosten ein Betrag von 227,80 EUR netto je Tonne. Tatsächlich sind ausweislich der Rechnung der Fa. Container H. GmbH für den Abtransport der 83,92 ha aber lediglich Transportkosten in Höhe von 1.876,80 EUR netto, mithin von 22,36 EUR netto je Tonne angefallen, was 10 % des kalkulierten Betrages ausmacht. Diese Einsparung geht auf die Mehrmengen zurück, denn, worauf der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 11. November 2016 unstreitig hingewiesen hat, der Transport von 1 Tonne Bauschutt ist im Verhältnis zu einer Menge von 83,92 Tonnen in der Regel mit viel höheren Kosten verbunden.

Von der Klägerin wird zwar insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es für eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht auf die tatsächlichen Fremdkosten ankommt und dass deshalb die an den Nachunternehmer gezahlte Vergütung an sich keine Rolle spielt. Grundsätzlich hat auch im Verhältnis des Auftragnehmers zum Auftraggeber das Verhältnis des Auftragnehmers/Hauptunternehmers zum Nachunternehmer unberücksichtigt zu bleiben (Ingenstau/Korbion/Keldungs aaO., Rdnr. 43). Hat der Auftragnehmer die Leistung als Eigenleistung kalkuliert, hat es auch dann bei der Kalkulation des Auftragnehmers zu verbleiben, wenn er seinerseits einen Nachunternehmer einsetzt. Der Auftraggeber kann nicht verlangen, dass der geänderte Preis auf der Grundlage von nicht kalkulierten Nachunternehmerpreisen gebildet wird (Leinemann, VOB/B, Kommentar, 6. Auflage, zu § 2 Rdnr.154). Etwas anderes gilt aber, wenn - wie hier - der Auftragnehmer seinen Angebotspreis gerade auf der Grundlage von Nachunternehmerpreisen kalkuliert hat, die dann infolge einer erheblichen Mengenüberschreitung hinfällig geworden und von dem Nachunternehmer deshalb auch nicht verlangt worden sind. In diesem Fall haben die Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Einheitspreises aufgrund der Mengenmehrung eine Änderung erfahren, so dass eine Fortschreibung der kalkulierten Preise vorzunehmen ist.

Für die Ermittlung des neuen Preises sind vorkalkulatorisch die Mehr- und Minderkosten zu erfassen, und zwar so, als wären zur Zeit der Angebotsabgabe und dem darauf beruhenden Vertragsabschluss die erhöhte Ausführungsmenge bekannt gewesen und die Preise entsprechend ermittelt worden (Ingenstau/Korbion/Keldungs aaO., Rdnr. 19). Wäre vorliegend der Klägerin bei Angebotsabgabe bekannt gewesen, dass es nicht nur um 1 Tonne belasteten Bauschutt geht, der unter dem Abfallschlüssel Nr. 170106 zu entsorgen ist, sondern um 83,92 Tonnen, hätte sie, wovon mit dem Landgericht auszugehen, zwar weiterhin 40 EUR pro Tonne für ihre eigenen Verladeaufwendungen kalkuliert; denn es deutet mit dem Landgericht nichts darauf hin, dass es im Hinblick auf die Mehrmenge zu einer Ersparnis bezüglich des Verladeaufwands gekommen ist. Die Nachunternehmerin hätte aber, wenn ihr die tatsächliche Menge bei Abgabe ihres Angebots bekannt gewesen wäre, ihre Leistungen (Transport und Deponie sowie Containerstellung) nicht gegen eine Vergütung von 292 EUR/t und 60 EUR/t netto angeboten (s. Anlage B1), sondern hätte gerade wegen der erheblichen Menge von knapp 90 Tonnen weitaus geringere Preise verlangt, die die Klägerin dann ihrer Kalkulation zugrunde gelegt hätte. Dies folgt schlicht daraus, dass die Nachunternehmerin der Klägerin nicht ihre Angebotspreise in Rechnung gestellt, sondern ihr von sich aus weitaus geringere Preise berechnet hatte, so dass der Urkalkulation der Klägerin wegen der angefallenen Mehrmengen und der demzufolge von der Nachunternehmerin reduzierten Preise der Boden entzogen ist. Mithin kann vorliegend gesagt werden, dass es gerade aufgrund der Mengenmehrung bei der Klägerin zu konkreten Kostenersparnissen gekommen war, was den Beklagten berechtigt, eine Herabsetzung des Einheitspreises zu verlangen. Die angefallenen geringeren Nachunternehmerkosten/Fremdkosten sind hier zwingende Folge der Mehrmengen. Denn es gibt keinen anderen Grund dafür, dass die Fa. Container H. GmbH nicht auf der Grundlage ihrer Angebotspreise ihre Vergütung berechnet hat. Ist es hier deshalb zu einer Änderung der Preisermittlungsgrundlagen der Ursprungskalkulation gekommen, muss der vorkalkulatorische Preis fortgeschrieben werden. Der Grundsatz "Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis" kommt hier nicht zum Tragen.

Wie die Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zu erfolgen hat, lassen die Regelungen der VOB/B offen. Stellt sich der kalkulierte Preis als unrealistisch dar, ist auf der Grundlage einer nach Treu und Glauben auszurichtenden Vertragsauslegung ein fairer neuer Preis zu bilden; dabei ist zu fragen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie die veränderten Umstände (hier die Mengenerhöhung) bei Vertragsabschluss gekannt hätten (vgl. hierzu Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 5. Teil, Rdnr. 140, 141).

Vorliegend sind die Angebotspreise der Fa. Container H. GmbH, die die Klägerin ihrer Kalkulation zugrunde gelegt hat, bezogen auf eine Menge von knapp 90 Tonnen, schlicht unrealistisch, wie die eigene Abrechnung der Fa. Container H. GmbH zeigt, so dass hier eine Preisanpassung nach Treu und Glauben unter Ansatz einer ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmen ist. Hätten nicht nur die hiesigen Parteien, sondern auch die Fa. Container H. GmbH von der anfallenden Menge des unter dem Abfallschlüssel Nr. 170106 zu entsorgenden Bauschutts gewusst, hätten sie dies bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigt. Die Klägerin hätte auch bei Kenntnis von einer größeren Menge des belasteten Bauschutts ein Angebot der Fa. Container H. GmbH eingeholt, welches sie ihrer eigenen Preiskalkulation für die in Rede stehende Leistung zugrunde gelegt hätte. Dabei spricht die tatsächliche Vermutung dafür, dass das Angebot der Fa. Container H. GmbH sich im Ergebnis auf einen Preis belaufen hätte, der den tatsächlich angefallenen Kosten gleichkommt. Denn die tatsächlich angefallenen Kosten sind ein Indiz dafür, dass es sich hierbei um den Preis gehandelt hätte, den die Nachunternehmerin in ihrem Angebot in Ansatz gebracht hätte. Hätte die Nachunternehmerin also einen Angebotspreis für die Entsorgung von knapp 90 Tonnen Bauschutt des Abfallschlüssels Nr. 170106 abgegeben, hätte sie keine Deponie-, Transport- und Containerkosten von insgesamt 352 EUR/t netto verlangt, sondern nur Deponiekosten von 64,20 EUR/t sowie Transport und Containerkosten von 27,37 EUR/t (s. hierzu Anlage B4), also aufgerundet 92 EUR/t netto. Von diesem Preis wäre die Klägerin bei der Kalkulation ihres gegenüber dem Beklagten angebotenen Einheitspreises ausgegangen, den sie zum einen um den GU-Zuschlag von 20 %, also auf 110,40 EUR/t netto erhöht hätte. Ferner hätte sie die eigenen kalkulierten Verladekosten von 40 EUR/t netto hinzugerechnet, so dass sie die hier in Rede stehende Leistung dem Beklagten zu einem Einheitspreis in Höhe von 150,40 EUR/t netto angeboten hätte. Dafür, dass sich dies nicht so verhalten hätte, gibt es keine durchschlagenden Anhaltspunkte.

Sonach ist hier eine vorkalkulatorische Preisfortschreibung dahingehend vorzunehmen, dass für die über 1,1 t hinausgehende Menge anstelle des Angebotspreises von 462,00 EUR/t ein berichtigter Einheitspreis von 150,40 EUR/t in Ansatz zu bringen ist.

Danach ergibt sich folgende Abrechnung für die strittige Position 02.02.0050: Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gilt der neue Einheitspreis erst für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes; zuvor gilt der vereinbarte alte Preis. Dies bedeutet, dass hier für 1,1 Tonnen der Einheitspreis von 462 EUR/t anzusetzen ist, was zu einer Vergütung von 508,20 EUR netto führt. Für die restlichen 82,82 Tonnen gilt der neue Einheitspreis von 150,40 EUR/t, so dass sich eine weitere Vergütung in Höhe von 12.456,13 EUR netto ergibt. Damit beläuft sich die Gesamtvergütung auf 12.964,33 EUR netto bzw. 15.427,55 EUR brutto. Bezahlt hat der Beklagte hierauf bereits 10.973,54 EUR brutto, so dass ein Betrag von 4.454,01 EUR als Restvergütung verbleibt. Ausgeurteilt hat das Landgericht schon 1.604,39 EUR, so dass die Klägerin noch weitere 2.849,62 EUR beanspruchen kann.

Soweit von dem Beklagten eingewandt worden ist, dass der vereinbarte Einheitspreis wegen Sittenwidrigkeit nichtig und deshalb auf die übliche Vergütung abzustellen sei, kann er hiermit nicht gehört werden. Der Angebotspreis überschreitet den obigen berichtigten Einheitspreis lediglich um das Dreifache, so dass keine Vermutung dahingehend besteht, dass seitens der Klägerin bei der Preisbildung die für § 138 BGB notwendige verwerfliche Gesinnung vorgelegen hat.

Auch der weitere Einwand des Beklagten, wonach es deshalb auf die übliche Vergütung ankomme, weil die Klägerin die beauftragten Leistungen geändert ausgeführt habe, geht fehl. Den vorliegenden Leistungsverzeichnissen lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Klägerin Kleincontainer habe verwenden müssen. In der Leistungsbeschreibung zur Position 02.02.0050 ist zwar von Laden und Transport von zwischengelagerten Materialen zur Deponie die Rede (s. Anlage B1). Hierzu hat die Klägerin bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass ein Zwischenlager als extra vorgesehener Ablagerungsort zur Beprobung des Materials vor einem weiteren Transport zur Deponie nicht von ihr angeboten worden und demzufolge auch nicht vereinbart worden sei; mit zwischengelagertem Material sei das vorübergehende Lagern auf Containern gemeint gewesen; entsprechend sei auch verfahren worden (Bl. 112/113 GA). Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.

2. Der Zinsanspruch beruht nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin auf § 16 Abs. 5 Nr.3 VOB/B, § 288 Abs. 2 BGB.

3. Unter Schadensersatzgesichtspunkten kann die Klägerin den Beklagten auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert bis zu 4.500 EUR in Anspruch nehmen. Den Ausführungen der Klägerin dazu, aus welchem Grunde hier eine 1,5-fache Geschäftsgebühr angemessen ist, ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Da sich eine 1,5-fache Geschäftsgebühr hier auf 454,50 EUR beläuft, ergibt sich unter Hinzurechnung der Auslagenpauschale von 20 EUR ein von dem Beklagten zu erstattender Betrag von 474,50 EUR.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind hier gegeben im Hinblick auf die umstrittene und höchstrichterlich nicht hinreichend geklärte Frage, wie die Preisanpassung bei Mengenmehrungen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorzunehmen ist (vgl. dazu insbesondere Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil, Rdnr. 124 ff., 138 ff m.w.N.).