Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.12.2017, Az.: 21 UF 189/17
Zurechnung fiktiver Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in Wechselschicht beim bisherigen Arbeitgeber i.R. des Kindesunterhalts; Ausübung einer überobligatorischen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.12.2017
- Aktenzeichen
- 21 UF 189/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54374
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Geestland - AZ: 11a F 509/16
Rechtsgrundlage
- § 1601 BGB
In der Familiensache
M. St., ...,
gesetzlich vertreten durch J. St., wohnhaft ebenda,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin D. W., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
T. R., ...,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt S. O., ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... sowie die Richterin am Amtsgericht ... am 6. Dezember 2017 beschlossen:
Tenor:
- I.
Der Senat weist nach einer ersten Vorberatung darauf hin, dass für die Zeit ab September 2017 auf Seiten des Antragsgegners die Zurechnung fiktiver Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in Wechselschicht bei seinem bisherigen Arbeitgeber in Betracht kommt.
- II.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, Verdienstabrechnungen für die letzten 12 Monate vor seinem Wechsel in die ausschließliche Nachtschichttätigkeit binnen einer Frist bis zum 31. Dezember 2017 vorzulegen.
Gründe
Der am 19. Januar 2016 geborene Antragsteller streitet mit dem Antragsgegner, der sein Vater ist, über rückständigen und laufenden Kindesunterhalt. Die Kindeseltern sind nicht miteinander verheiratet und leben nicht zusammen. Der Antragsteller lebt bei der allein sorgeberechtigten Kindesmutter.
Der Antragsgegner ist als Hafenarbeiter bei der E. C. B. GmbH beschäftigt. Dort arbeitete er im streitgegenständlichen Zeitraum bis einschließlich August 2017 in Vollzeit ausschließlich in der Nachtschicht. Seit September 2017 hat er bei Fortsetzung der ausschließlichen Nachtschichttätigkeit seine Arbeitszeit deutlich reduziert. Insoweit verweist er darauf, dass seine Einkünfte immer noch höher seien als diejenigen, die er vor dem Wechsel in die Nachtschicht erzielt habe. Die reine Nachtschichtarbeit habe ihn sehr belastet, so dass er an Schlafstörungen leide.
II.
Nach einer ersten Beratung könnte die bis August 2017 ausgeübte vollschichtige Berufstätigkeit in ausschließlicher Nachtschicht möglicherweise dem Berufsbild eines Hafenarbeiters nicht entsprechend und unangemessen belastend gewesen sein, mit der Folge, dass dem Antragsgegner eine Änderung seiner Arbeitszeiten zuzugestehen sein könnte.
Eine Tätigkeit kann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist (BGH FamRZ 2013, 1558). Der Senat geht davon aus, dass ausschließliche Nachtarbeit eine solche über das zumutbare Maß hinausgehende physische und psychische Belastung darstellt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Unterhaltspflichtiger, der eine derartige überobligatorische Tätigkeit ausübt, unterhaltsrechtlich nicht gehindert, sie jederzeit zu beenden, auch wenn dadurch seine Leistungsfähigkeit herabgesetzt wird (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 9. Aufl., § 1 Rz. 801, BGH a.a.O.).
Dabei hat der Senat allerdings Zweifel daran, dass der Antragsgegner mit der von ihm seit September 2017 im Umfang deutlich reduzierten Arbeitszeit seiner gegenüber dem minderjährigen Kind bestehenden gesteigerten Unterhaltspflicht genügt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsgegner bei Ausübung einer vollschichtigen Berufstätigkeit in der für seinen Beruf üblichen Wechselschicht keine höheren als die aktuell erzielten Einkünfte erlangen könnte.
Dies kann vom Senat ohne Vorlage von Verdienstabrechnungen über den Zeitraum eines Jahres aus der Zeit, in der der Antragsgegner in der Wechselschicht gearbeitet hat, nicht ausreichend beurteilt werden, wobei inzwischen erfolgte Gehaltssteigerungen zusätzlich zu berücksichtigen sein werden.