Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.08.2006, Az.: L 2 KN 17/05

Berufung auf Grund einer Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit eines Hausmeisters; Definition einer rentenauslösenden Berufsunfähigkeit vom Ausganspunkt des bisherigen Berufes ausgehend; Zumutbarkeitserwägungen für eine Zuweisung eines anderen Berufes mit einer bezüglich der vom Arbeitgeber zugeordneten Berufs- und Tarifgruppe entsprechenden Wertigkeit; Grundsätze zur Einhaltung der Zustellungsfrist eines Wiederspruchbescheids

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.08.2006
Aktenzeichen
L 2 KN 17/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 22568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0816.L2KN17.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 12 KN 76/03

Redaktioneller Leitsatz

Im Rahmen der Bewertung einer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit kommt den tariflichen Regelungen insoweit eine besondere Bedeutung zu, als die tarifliche Einstufung der Tätigkeit auch deren Qualität wiederspiegelt. Die Qualität der Tätigkeit ist neben der Art und Dauer der Ausbildung im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen.

Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch für den Zeitraum vom 01. Juli bis 31. Oktober 2002 zu gewähren. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

2

Der 1952 geborene Kläger legte 1969 in der damaligen DDR die Prüfung zum Betriebsschlosser erfolgreich ab. Nach dem Wehrdienst war er von 1973 bis 1976 als Reparaturschlosser und von 1976 bis 1979 als Mechaniker tätig. Ausweislich der Angaben des Klägers in der Anlage zum Rentenantrag musste dieser eine von 1979 bis 1980 ausgeübte Tätigkeit als Kfz-Schlosser aus gesundheitlichen Gründen aufgeben (Bl. 22 VV); aktenkundig ist allerdings auch ein Änderungsvertrag zwischen dem Kläger und seinem damaligen Arbeitgeber J. vom 30. Mai 1980, demzufolge der Kläger ab Juni 1980 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Kraftfahrer in der Abteilung Transport, sondern künftig als Betriebsschlosser in der Abteilung Technik/Werkstatt eingesetzt werden sollte (Bl. 191 GA).

3

Auch hinsichtlich des weiteren beruflichen Werdegangs gibt es unterschiedliche Angaben: In der Anlage zum Rentenantrag gab der Kläger an, dass er vom 01. Januar 1981 bis zum 31. Juli 1993 als Hausmeister tätig gewesen sei. Demgegenüber ist einer vom Kläger zur Gerichtsakte gereichten Aktennotiz des Kaderleiters der J. vom 30. Juli 1981 zu entnehmen, dass der Kläger ab dem 03. August 1981 im Werkstattbereich leichte Eisenbiegearbeiten durchführen sollte, da seine Arbeitsfähigkeit in der Rückenpartie gemindert und er daher nur für leichte Arbeiten einsetzbar sei. Ein weiterer - vom Kläger und jeweils von dem Kader-, dem Abteilungs- und dem Betriebsleiter unterschriebener Aktenvermerk vom 19. November 1981 dokumentiert das Ergebnis einer Aussprache, wonach einem ärztlich befürworteten Antrag auf Schonarbeit dadurch entsprochen werden sollte, dass der Kläger (der sich nach Aktenlage im September 1981 einer Bandscheibenoperation unterzogen hatte) ab dem 23. November 1981 im Betriebsschutz eingesetzt werden sollte.

4

Jedenfalls in späteren Jahren war der Kläger - abgesehen von vorübergehenden Zeiten der Arbeitslosigkeit - als Hausmeister tätig, und zwar zuletzt vom 15. Mai 1996 bis 30. Juni 2002 bei der K. L. GmbH (im Folgenden: K.). Im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses wurde er nach der Vergütungsgruppe BAT VII entlohnt.

5

In den Gästehäusern der K. übernachten schwerpunktmäßig - teilweise noch minderjährige - Schüler aus Berufsschulklassen. Neben den üblichen Tätigkeiten eines Hausmeisters oblag es dem Kläger, gegenüber den Gästen in den Abend- und erforderlichenfalls auch Nachtstunden die Aufgaben einer Aufsichts- und Betreuungsperson wahrzunehmen, namentlich auch Kontrollgänge durchzuführen und auf die Einhaltung der Hausordnung und insbesondere der Nachtruhe zu achten.

6

Am 10. Oktober 2002 stellte der Kläger der zuvor am 11. März 2002 einen Antrag auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitation gestellt hatte, den vorliegend zu beurteilenden Rentenantrag.

7

Mit Bescheid vom 24. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass er zumutbarerweise noch die Tätigkeiten eines Pförtners, Telefonisten, Fotokopierers oder einer Bürohilfskraft verrichten und daher weder eine Rente wegen voller noch eine solche wegen teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen könne.

8

Zur Begründung der am 20. August 2003 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere hervorgehoben, dass er an schweren degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule leide, wobei bereits 1981 eine Nukleotomie im Segment L5/S1 durchgeführt worden sei. Des Weiteren seien eine Gonarthrose links, eine rezidivierende Epicondylitis radialis humeri rechts und eine beidseitige Schallempfindungsstörung verbunden mit einem Tinnitus sowie eine depressive Erkrankung zu berücksichtigen. Nach dem morgendlichen Aufstehen fühle er sich zwei bis drei Stunden schmerzbedingt wie gelähmt.

9

Sein erhebliches Übergewicht sei auf die Behandlung mit cortisonhaltigen Medikamenten und mit Antidepressiva zurückzuführen. Der Kläger hat einen Behandlungsbericht der M. Kliniken N. über einen stationären Aufenthalt vom 02. bis 05. Dezember 2003 und ein Arbeitszeugnis der K. L. GmbH vorgelegt.

10

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. O. vom 05. April 2004 und ein orthopädisches Gutachten von Dr. P. vom 16. Juni 2004 (ergänzt um eine Stellungnahme vom 03. August 2004) eingeholt. Der Sachverständige diagnostizierte ein chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei lumbaler Gefügestörung bei Zustand nach Discotomie L5/S1; eine Adipositas per magna (BMI: 42,4) und eine beginnende Gonarthrose beidseits und erachtete den Kläger noch für in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen, von Arbeiten in gebückter, kniender oder hockender Haltung, von Arbeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten und unter Vermeidung des Hebens und Tragens von Lasten über 10 kg täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten; die sog. Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

11

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19. April 2005 ausgehend von dem Antrag des Klägers zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit "ab Antragstellung" die Beklagte zur Gewährung einer solchen Rente ausweislich des im Sitzungsprotokoll festgehaltenen Tenors "ab Antragstellung" und ausweislich des angefochtenen Urteils "ab 01.07.2002" verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die vom Kläger bei der K. ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister sei als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren. Der Kläger habe eine hohe Verantwortung für die sich auf dem Grundstück befindlichen Gäste gehabt. Diesen Beruf könne der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Für einen Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeiten seien weder von der Beklagten dargetan worden noch sonst ersichtlich.

12

Gegen dieses ihr am 20. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Juli 2005 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers als Hausmeister als angelernte Tätigkeit zu werten sei, zumal eine durch eine berufliche Bewährung bedingte tarifliche Höherstufung im Rahmen dieser Einstufung außer Betracht zu bleiben habe. Der Kläger könne daher zumutbarerweise auf die Tätigkeiten eines Pförtners, Telefonisten, Boten oder einer Bürohilfskraft verwiesen werden.

13

Darüber hinaus ständen ihm insbesondere die Tätigkeit eines Registrators oder eines Zigarettenautomatenauffüllers offen. Bezüglich letzterer Tätigkeit verweist die Beklagte insbesondere auf von ihr vorgelegte Stellungnahmen vom 29. Juli, 19. und 25. August, 25. Oktober und 28. Dezember 2004 und vom 14. März und 12. Juli 2005, die der Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen Ruhrgebiet e.V. Rechtsanwalt Dr. von Q. als Sachverständiger in einem Rentenstreitverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen abgegeben hat.

14

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Er beantragt weiter im Wege der Anschlussberufung,

17

die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit auch für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2002 zu verurteilen.

18

De Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

19

Seiner Auffassung nach kann er nicht zumutbarerweise auf die - ungelernte - Tätigkeit eines Zigarettenautomatenauffüllers verwiesen werden. Seitens der Arbeitsagentur sei ihm ohnehin eröffnet worden, dass seine Vermittlungsmöglichkeiten außerordentlich schlecht seien. Die Aussichten auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes als Zigarettenautomatenauffüller seien umso schlechter, als die Zahl der Zigarettenautomaten - auch im Zuge verschärfter Jugendschutzbestimmungen - in nächsten Jahren voraussichtlich abgebaut werde. Darüber hinaus könne er aus gesundheitlichen Gründen diesen Beruf gar nicht ausüben, da damit das Tragen von Lasten von ca. 16,8 kg verbunden sei.

20

Der Senat hat den berufskundlichen Sachverständigen R. gehört und eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. P. vom 11. April 2006 eingeholt.

21

Er hat ferner Auskünfte der K. vom 17. November 2005, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 25. November und 09. Dezember 2005, der Jugendherbergen (DJH) GmbH vom 08. Dezember betreffend mögliche tarifliche Regelungen des im Rahmen der Beaufsichtigung jugendlicher Herbergsgäste eingesetzten Personals, des Bundesverbandes Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller e.V. vom 11. April 2006 und der Gewerkschaft ver.di vom 14. März und 20. Juni 2006 beigezogen.

22

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Auskünfte und gutachterlichen Stellungnahmen verwiesen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

25

1.

Das Sozialgericht hat die Klage zutreffend für zulässig erachtet. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass der mit eingeschriebenem Brief nach § 85 Abs. 3 S. 2 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 VwZG zugestellte Widerspruchsbescheid nach Aktenlage am Mittwoch, den 16. Juli 2003 zur Post gegeben worden ist, sodass er nach § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG am dritten darauf folgenden Tag, d.h. am Samstag, den 19. Juli 2003, als zugestellt gilt, wohingegen die Klageschrift vom 19. August 2003 erst am Mittwoch, den 20. August 2003, beim Sozialgericht eingegangen ist. Die im Regelfall maßgebliche einmonatige Klagefrist beginnt erst zu laufen, wenn der Beteiligte zutreffend über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist (§ 66 Abs. 1 SGG). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 66 Abs. 2 S. 1 SGG).

26

Im vorliegenden Fall war die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft. Obwohl die Beklagte diesen Bescheid zugestellt hat, hat sie in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt seiner "Bekanntgabe" abgestellt. Die Rechtsmittelbelehrung eines mittels eingeschriebenen Briefes zugestellten Widerspruchsbescheides, nach der die Klage innerhalb eines Monats nach der "Bekanntgabe" des Widerspruchsbescheides erhoben werden kann, ist unrichtig (BSGE 79, 293 [BSG 06.12.1996 - 13 RJ 19/96]; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 66 Rn. 8).

27

2.

Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (BU) auch begründet.

28

Nach § 240 SGB VI können Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen. Dabei sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

29

Der Gesetzgeber räumt einem Versicherten einen Anspruch auf Rente wegen BU mithin nicht schon dann ein, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Vielmehr verlangt das Gesetz von dem Versicherten, dass er, immer bezogen seinen "bisherigen Beruf", einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden gibt. Erst werden der Versicherte in diesem Sinne nicht auf einen zumutbaren anderen Beruf "verwiesen" werden kann, ist er berufsunfähig i.S. des Gesetzes (BSG, Urt. v. 28.11.1985 - 4a RJ 51/84 -, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 132).

30

Ausgangspunkt der Beurteilung der BU ist danach der bisherige Beruf. Darunter ist im Allgemeinen diejenige versicherungspflichtige Beschäftigung zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet worden ist, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl. dazu und zum folgenden: BSG, U. v. 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

31

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur BU i.S. von § 43 SGB VI a.F. (bzw. § 1246 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), die auch im Rahmen der nunmehr maßgeblichen Bestimmung des § 240 SGB VI heranzuziehen ist, hat die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung in dieses Prüfungsmuster bestimmt die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zu Grunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Hierbei handelt es sich lediglich um Leitberufe. Die Dauer der Ausbildung erlaubt den Schluss, dass die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zu vermitteln sind, diese Lehrdauer benötigen und entsprechend umfangreich sind. Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf darf der Versicherte grundsätzlich auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

32

Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer dieser Gruppen sind jedoch nicht allein die Ausbildung, sondern die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren im Rahmen eines sog. "Gesamtbildes" ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der (früher in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. und heute in § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI am Ende genannten) Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

33

Neben Art und Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien beigemessenen qualitativen Wert abzustellen, wenn sich eine Einstufung als Facharbeiter - wie hier - nicht bereits aus der durchlaufenen Ausbildung ergibt und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in einem Umfang voraussetzt, die von einem Facharbeiter in regulärer Ausbildung und längerer Berufstätigkeit erworben werden. Auf Grund ihrer Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, dennoch einer gelernten oder angelernten gleichstehen (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

34

Hierbei kommt den tariflichen Regelungen unter zwei Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu. Zu unterscheiden ist die abstrakte - "tarifvertragliche" - Klassifizierung der Tätigkeit (im Sinne eines verselbstständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags von der - "tariflichen" - Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrags durch den Arbeitgeber. Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug auf die in § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale entspricht.

35

Diese "Tarifrechtsprechung" des BSG basiert auf der Überlegung, dass das Gesetz auf die in der Gesellschaft vorhandenen Wertvorstellungen verweist, wenn es in § 240 Abs. 2 SGB VI (so wie bereits zuvor in § 1246 Abs. 2 RVO bzw. § 43 Abs. 2 SGB VI aF) von der "Zumutbarkeit" einer Beschäftigung spricht, und dass die damit angesprochene soziale Wirklichkeit insbesondere von den Tarifvertragsparteien nicht bloß wiedergeben, sondern erst geschaffen wird. Diese in die Auslegung der genannten Vorschriften einbezogene Erkenntnis erlaubt es, gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und einen Wandel der sie begleitenden Wertungen zu berücksichtigen (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

36

Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

37

Daneben ist auch die tarifliche (konkrete) Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber zu prüfen. Sie ist Anhaltspunkt dafür, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Dies ist in der Rechtsprechung des BSG mitunter als "Indiz" oder "Anhalt" bezeichnet worden. Die Richtigkeit dieser Eingruppierung kann aber durchaus "widerlegt" werden (BSG, U. v. 20. Juli 2005, a.a.O.).

38

Rechtsbegründende Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU sind, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, d.h. für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, dass er seinen rentenversicherten "bisherigen Beruf", d.h. den sog. Hauptberuf, nicht mehr zumindest täglich sechsstündig vollwertig ausüben kann. Hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast. Ist im Sinne des Vollbeweises festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs (Verweisungsberufs) geprüft, also festgestellt werden, ob der Versicherte gesundheitlich fähig ist, einen Beruf, der im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf qualitativ zumutbar ist, noch vollwertig mindestens sechsstündig zu verrichten. Hierfür obliegt dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast (vgl. die - im Rahmen von § 240 SGB VI entsprechend heranzuziehenden - Ausführungen des BSG im U. v. 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - m.w.N. zu § 43 Abs. 2 SGB VI aF).

39

Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines zumutbaren Verweisungsberufs (d.h. dem sog. fachlichen Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (d.h. dem sog. gesundheitlichen Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht berufsunfähig. Liegen aber besondere ("spezifische") Leistungseinschränkungen oder eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen vor oder ist der benannte Vergleichsberuf nicht "arbeitsmarktgängig", wofür der Versicherte die Darlegungs- und Beweislast trägt, muss konkret festgestellt werden, ob es gleichwohl genügend (grundsätzlich mehr als 300) Arbeitsplätze des Vergleichsberufs gibt, an denen der Versicherte arbeiten könnte (vgl. ebenfalls das o.g. BSG, U. v. 29. Juli 2004).

40

Der vorstehend erläuterte Grundsatz, wonach der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden darf, ist für Facharbeiter dahingehend zu konkretisieren, dass ein Facharbeiter nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden kann, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlerntätigkeit gleichstehen (BSG, U. v. 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 26). Für die Prüfung, ob eine tarifliche Eingruppierung der Verweisungstätigkeit als Qualitätsmerkmal im Sinne des Mehrstufenschemas herangezogen werden kann, ist von dem zurzeit der Entscheidung des LSG zeitlich und örtlich einschlägigen Tarifvertrag auszugehen. Der Tarifvertrag ist sodann daraufhin zu überprüfen, ob die Lohngruppen allgemein nach Qualitätsstufen geordnet sind und ob der zu prüfende Beruf darin als solcher eingestuft ist, oder ob der Tarifvertrag insoweit lediglich allgemeine Merkmale enthält, anhand deren der jeweilige Arbeitgeber eine Eingruppierung der betreffenden Tätigkeit vorzunehmen hat (BSG, U. v. 25. Juli 2001 a.a.O.).

41

Nach Maßgabe der vorstehend erläuterten Grundsätze ist der Kläger seit Rentenantragstellung als berufsunfähig anzusehen.

42

a)

Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Hausmeister bei der K. stellte die Wahrnehmung einer Facharbeitertätigkeit dar. Der Kläger ist für diese Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe BAT VII entlohnt worden, dabei handelt es sich um eine Facharbeiterlohngruppe (vgl. nur die Zuordnung von Meistern mit mehrjähriger Tätigkeit als Handwerker oder Facharbeiter, die die Aufsicht über eine Gruppe von Handwerkern, Facharbeitern oder sonstigen handwerklich tätigen Arbeitern führen, zur Vergütungsgruppe VII in der Anlage 1 a BAT/BL Teil II Q).

43

Die Vergütungsgruppe VII aus der Anlage 1 a BAT/BL Teil II O-Hausmeister II ist wie folgt umschrieben: I. Hausmeister in Verwaltungsgebäuden Vergütungsgruppe VII Hausmeister mit einschlägiger Handwerker- oder Facharbeiterausbildung in Verwaltungsgebäuden mit einer genutzten Bodenfläche von mindestens 15.000 qm (wobei die Protokollnotizen unter Nr. 1 festhalten: Unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen auch Hausmeister in wissenschaftlichen Hochschulen, pädagogischen Hochschulen, Akademien, Fachhochschulen, Kunsthochschulen, Musikhochschulen, verwaltungseigenen Schulen, Archiven, Bibliotheken und Museen. Nicht hierunter fallen Hausmeister in Unterkünften der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Bereitschaftspolizeien der Länder sowie in Wohngebäuden).

44

Allerdings erfüllte die konkrete vom Kläger wahrgenommene Hausmeistertätigkeit nicht unmittelbar die tarifvertraglichen Einstufungsmerkmale; die von ihm zu betreuende Bodenfläche unterschritt den Grenzwert von 15.000 qm. Die K. hat jedoch überzeugend dargelegt, dass für die von den Vorgaben des BAT abweichende Einstufung des Klägers in die Vergütungsgruppe VII qualitätsbezogene Merkmale ausschlaggebend waren. Sie hat auch in der vom Senat eingeholten weiteren Auskunft vom 17. November 2005 einleuchtend dargelegt, dass ausschlaggebend für die Einstufung des Klägers in die Vergütungsgruppe VII ein zusätzlicher Aufgabenbereich war, der besondere Anforderungen namentlich in pädagogischer Hinsicht an die Kompetenz des Klägers stellte. Dieser musste neben den üblichen von einem Hausmeister zu erwartenden Tätigkeiten insbesondere in den Abendstunden Aufsichts- und Betreuungsaufgaben gegenüber den überwiegend jungen, teilweise noch minderjährigen, Gästen in den Übernachtungshäusern der K. wahrnehmen.

45

Es leuchtet ein, dass der Arbeitgeber ausgehend von diesem besonderen für einen Hausmeister atypischen Aufgaben- und Verantwortungsbereich für die Zuordnung der Tätigkeit nach Maßgabe ihrer qualitativen Bedeutung eine Orientierung allein an den sonst maßgeblichen Bodenflächengrößen für unangemessen und vor dem erläuterten Hintergrund eine Zuordnung zur Vergütungsgruppe VII für angemessen erachtet hat. Dementsprechend sind keine Gesichtspunkte erkennbar, auf Grund derer die erläuterte Vermutung, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der dieser vom Arbeitgeber zugeordneten Berufs- und Tarifgruppe entspricht, als widerlegt anzusehen sein könnte. Namentlich ist nach Maßgabe der eingeholten Auskünfte der K. nicht anzunehmen, dass der Gesichtspunkt eines sog. Bewährungsaufstiegs maßgeblich für die Einstufung des Klägers war, zumal dieser von Beginn seiner Tätigkeit bei der K. an der Vergütungsgruppe BAT VII zugeordnet war.

46

b)

Den Beruf eines Hausmeisters kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Nach den einleuchtenden Darlegungen des orthopädischen Sachverständigen Dr. P. ist das Leistungsvermögen des Klägers jedenfalls seit Rentenantragstellung insbesondere auf Grund des chronischen pseudoradikulären Lumbalsyndroms bei Zustand nach Discotomie L5/S1 dahingehend eingeschränkt, dass er nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten kann, wobei er namentlich nicht mehr in gebückter Haltung oder in einer sonstigen Zwangshaltung arbeiten und keine Lasten von mehr als 10 kg heben oder tragen darf.

47

Sowohl unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers als auch der überzeugenden Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen R. ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit eines Hausmeisters auch die Verrichtung schwerer Arbeiten - etwa beim Transport von Möbeln - beinhaltet. Darüber hinaus bedingt die Vornahme der von einem Hausmeister zu erwartenden Reparaturarbeiten nicht selten die Einnahme einer gebückten oder einer sonstigen Zwangshaltung.

48

c)

Zumutbare Verweisungstätigkeiten zumindest auf Anlernebene stehen nach den Darlegungen des berufskundlichen Sachverständigen R. nicht zur Verfügung; der Senat vermag solche Verweisungstätigkeiten auch unter Berücksichtigung des Vortrages der Beklagten nicht festzustellen.

49

(1)

Eine Einstellung als Registrator im öffentlichen Dienst nach Vergütungsgruppe BAT VIII kommt nur für Bewerber in Betracht, die - anders als der Kläger - über eine für eine solche Registratorentätigkeit einschlägige Berufserfahrung verfügen. Sonstige Bewerber können, wie der berufskundliche Sachverständige einleuchtend ausgeführt hat, frühestens nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit und einer sechsmonatigen Bewährungszeit, d.h. nach insgesamt neun Monaten, in die Vergütungsgruppe BAT VIII hochgestuft werden; Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IX BAT sind Facharbeitern - abgesehen von einer allenfalls drei Monate umfassenden Einarbeitungszeit - jedoch nicht zumutbar (BSG, U. v. 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17).

50

(2)

Eine Beschäftigung von Telefonisten bzw. Fernsprecher hat in der allgemeinen Verwaltung nach Auskunft der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 09. Dezember 2005 nur noch eine ganz untergeordnete Bedeutung; zugängliche Arbeitsplätze in diesem Bereich sind nicht ersichtlich, noch weniger solche, die (nach einer allenfalls dreimonatigen Einarbeitungszeit) der Vergütungsgruppe BAT VIII zugeordnet werden.

51

Soweit der Kläger anderweitig noch als Pförtner, Telefonist, Fotokopierer oder als Bürohilfskraft tätig sein könnte, würde es sich um ungelernte Tätigkeiten handeln, die ihm auf Grund des ihm als Facharbeiter zustehenden Berufsschutzes nicht zuzumuten sind.

52

(3)

Eine Tätigkeit als Zigarettenautomatenauffüller ist dem Kläger ebenfalls nicht zumutbar.

53

(a)

Der Kläger erfüllt bereits nicht die erforderlichen gesundheitlichen Anforderungen. Nach den Darlegungen des vom LSG Nordrhein-Westfalen gehörten Sachverständigen Dr. von Q. sind Zigarettenautomatenauffüller üblicherweise mit VW-Bussen (sog. "Bullis") oder vergleichbaren Fahrzeugen unterwegs, in deren Laderäumen sich Regale befinden, in die die mitzuführenden Zigarettenvorräte zunächst einsortiert werden, um dann jeweils zum Auffüllen eines Automaten in der benötigten bzw. vorsorglich mitgeführten Menge entnommen zu werden (vgl. insbesondere Auskünfte vom 29. Juli 2004 und 12. Juli 2005). Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass - was auch der Lebenserfahrung entspricht - ein Erwachsener in diesem Laderaum nicht aufrecht stehen, sondern die genannten Sortier- und Entnahmetätigkeiten nur in gebückter Stellung verrichten kann. Tätigkeiten in gebückter Haltung sind dem Kläger jedoch, wie dargelegt, nicht zumutbar.

54

Darüber hinaus hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2004 darauf hingewiesen, dass beim Beladen der Fahrzeuge üblicherweise Lasten von bis zu 20 kg zu tragen seien; bezeichnenderweise hat auch die Gewerkschaft ver.di dargelegt, dass häufiger Lasten von jedenfalls rund 17 kg zu heben seien. Nach den einleuchtenden Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen darf der Kläger aber maximal Lasten von bis zu 10 kg heben und tragen.

55

Soweit der Sachverständige Dr. von Q. in seiner weiteren Stellungnahme vom 19. August 2004 ausgeführt hat, dass ein einzelner Karton, wie er üblicherweise von einem Zigarettenautomatenauffüller zu heben sei, meistens nur 9 kg und nur ausnahmsweise bis zu 20 kg wiege, führt dies zu keinem anderen Ergebnis: Auch "ausnahmsweise" darf der Kläger aus orthopädischer Sicht keine Lasten von mehr als 10 kg tragen; im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass unter Heranziehung der nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblichen "üblichen" Arbeitsbedingungen von den leichten - jeweils nur bis zu 9 kg wiegenden - Kartons jeweils nur einer getragen wird.

56

Darüber hinaus hat der Sachverständige in seiner weiteren Stellungnahme vom 25. Oktober 2004 einleuchtend dargelegt, dass die Zigarettenautomatenauffüller üblicherweise jedenfalls beim Befüllen von Automaten, deren Standort nicht direkt mit dem Fahrzeug angefahren werden kann, einen größeren Vorrat an Zigaretten in einem gefüllt bis zu 20 kg wiegenden Korb mit sich nehmen, um auch bei einem unerwarteten Verbrauch einzelner Marken den Automaten ohne vermeidbare zusätzliche Wege in einem Arbeitsgang auffüllen zu können. Soweit der Sachverständige insbesondere in seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2005 demgegenüber ausgeführt hat, dass für den Auffüller auch die Möglichkeit bestehe, den Automaten zunächst allein zu dem Zweck aufzusuchen, den konkreten Auffüllbedarf differenziert nach den jeweiligen einzelnen Marken festzustellen, sich sodann zu seinem Fahrzeug zurückzubegeben, dort nur die konkret zum Auffüllen benötigten Zigarettenschachteln herauszusuchen, um mit diesen - dann weniger als 10 kg wiegenden - Schachteln sich erneut zu dem Automaten zu begeben, ist nicht ersichtlich, dass es sich um die übliche Arbeitsweise handelt. Vielmehr ist angesichts der augenscheinlichen Arbeitserleichterung und Zeitersparnis davon auszugehen, dass die von dem Sachverständigen in der Stellungnahme vom 25. Oktober 2004 geschilderte Vorgehensweise üblich ist.

57

(b)

Darüber hinaus handelt es sich bei der Tätigkeit eines Zigarettenautomatenauffüllers um eine ungelernte Tätigkeit, die nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. von Q. innerhalb von 14 Tagen durch einfaches Begleiten eines Auffüllers erlernt werden kann. Soweit der Sachverständige ergänzend darauf hingewiesen hat, dass das Kennenlernen der einzelnen Standorte üblicherweise weitere drei Monate erfordere, betrifft dies nicht die Fähigkeit zur Ausübung des Berufes als solchen. Dies wird auch daran deutlich, dass von einem Auffüller erwartet werden muss, dass er vertretungsweise auch in dem Bezirk eines Kollegen tätig wird, mag er dann auch insbesondere auf Grund des zusätzlich erforderlichen Kartenstudiums täglich etwas mehr Arbeitszeit benötigen als in seinem Stammbezirk.

58

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Tätigkeit eines Zigarettenautomatenauffüllers im Sinne der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch eine tarifvertragliche Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorgehoben ist.

59

Den für die Tätigkeit erforderlichen PKW-Führerschein besitzt ohnehin der ganz überwiegende Teil der Versicherten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren; soweit die Arbeitgeber von den Auffüllern mutmaßlich Zuverlässigkeit, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Pünktlichkeit und Sorgfalt erwarten, handelt es um Allgemeintugenden, über die jeder Arbeitnehmer ohnehin verfügen muss (BSG, U. v. 25. Juli 2001 a.a.O.).

60

Der Gehalts- und Lohntarifvertrag im Groß- und Außenhandel Niedersachsen, der hinsichtlich der Tarifsätze vom 01. Mai 2003 bis 30. April 2005 gültig war und hinsichtlich der Eingruppierung in die Lohn- bzw. Gehaltsgruppen weiterhin maßgebend ist, gibt keinen Anlass zu einer anderweitigen Wertung. Maßgeblich für die Einstufung sind nach § 2 Abs. 1 des Vertrages in erster Linie die Oberbegriffe der einzelnen Lohn- bzw. Gehaltsgruppen. Die Tätigkeitsbeispiele sind nach § 2 Abs. 2 des Vertrages nur "ergänzend und beispielhaft" den Lohn- bzw. Gehaltsgruppen zugeordnet. Dementsprechend kommt diesen Tätigkeitsbeispielen nur die Bedeutung von Regelbeispielen zu.

61

Dies bedeutet, dass beispielsweise eine Tätigkeit als Fahrverkäufer/-in, wie sie als Beispiel für die Gehaltsgruppe 3 aufgeführt wird, nicht zwangsläufig einen Anspruch auf eine Einstufung in diese Gehaltsgruppe vermittelt. Diese wird durch den Oberbegriff "Ausführen von Tätigkeiten nach Anweisungen, die ein abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel, als Bürokaufmann/-frau oder eine gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen ..." gekennzeichnet. Dem Tätigkeitsbeispiel Fahrverkäufer/-in kommt nur die Bedeutung eines Regelbeispiels zu. Es ist daher nach Maßgabe des § 2 des Tarifvertrages im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Tätigkeit - namentlich auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Sortimentbreite und des für die Verkaufstätigkeit erforderlichen Fachwissens - Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt, wie sie üblicherweise erst durch eine abgeschlossene Berufsausbildung vermittelt werden.

62

Für den Beruf eines Zigarettenautomatenauffüllers ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieser ohnehin von keinem der in dem Tarifvertrag aufgeführten Tätigkeitsbeispiele erfasst wird. Namentlich handelt es sich bei dem Zigarettenautomatenauffüller nicht um einen Fahrverkäufer/-in, da dieser nicht in unmittelbarem Kundenkontakt tätig ist; er vielmehr eher als Auslieferungsfahrer zu qualifizieren.

63

Da die Tätigkeit eines Zigarettenautomatenauffüllers, wie bereits dargelegt, lediglich eine Einarbeitungszeit von ca. zwei Wochen erfordert, ist sie ausgehend von den nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages maßgeblichen Oberbegriffen der Gehaltsgruppe 1 bzw. der Lohngruppe 1 oder allenfalls 2 zuzuordnen. Die von diesen Gruppen erfassten Tätigkeiten sind einem Facharbeiter nicht zuzumuten, namentlich erfordern sie keine Einarbeitungszeit von mindestens drei Monaten.

64

Soweit bereits ein Kraftfahrer mit Führerschein Klasse III als Tätigkeitsbeispiel im Tarifvertrag der Lohngruppe 3 zugeordnet wird, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Da ein Großteil der Versicherten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren über diese Fahrerlaubnis verfügt und da das Führen entsprechender Fahrzeuge im Alltag allgemein üblich ist, kann dies nicht zugleich als eine "schwierige Tätigkeit, die besondere Kenntnisse oder Erfahrung erfordert" im Sinne der Oberbegriffe der Lohngruppe 3 zu werten sein (BSG, U. v. 25. Juli 2001 a.a.O.). Soweit die Lohngruppe 3 überhaupt als Lohngruppe für angelernte Tätigkeiten zu qualifizieren sein sollte, könnte eine generelle Zuordnung von Kraftfahrern mit Führerschein Klasse III nur qualitätsfremden Erwägungen zugeordnet werden.

65

II.

Der Kläger dringt auch mit seiner Anschlussberufung durch, die sich an der im erstinstanzlichen Sitzungsprotokoll festgehaltenen Fassung des Tenors des angefochtenen Urteils ausrichtet.

66

Da der Rehabilitationsantrag des Klägers vom 11. März 2002 nach § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag gilt und da die vorstehend erörterten Voraussetzungen für den geltend gemachten Rentenanspruch sowohl in medizinischer Hinsicht als auch bezüglich der Leistungsanforderungen für in Betracht zu ziehende Verweisungstätigkeiten in gleicher Form bereits im Zeitraum Juli bis Oktober 2002 vorlagen, bestand der Rentenanspruch auch bereits in diesen Monaten.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.