Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.01.2021, Az.: 5 E 21/21

Ausreiseweigerung; Ausreiseweigerung; prophylaktische Anordnung; Straftaten; Verhältnismäßigkeit; Verwaltungsrechtsweg

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.01.2021
Aktenzeichen
5 E 21/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70639
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen A. in der B. (D.) in E. sowie die Durchsuchung von Nebenräumen und sonstigem befriedetem Besitztum des Betroffenen zum Zweck der Ergreifung des Betroffenen zur Durchführung seiner Abschiebung wird angeordnet.

Die Durchsuchung ist nur zur Tagzeit (6:00 Uhr bis 21:00 Uhr) zulässig.

Die Durchsuchungsanordnung wird bis zum 20. Juli 2021 befristet.

Gründe

Der Antrag vom 18.01.2021, über den gem. § 5 Abs. 3 VwGO die Kammer entscheidet, ist zulässig und begründet.

Das nach einem erfolglosen Antrag der Stadt Braunschweig beim Amtsgericht Braunschweig nunmehr von der Antragstellerin angerufene Verwaltungsgericht ist zuständig.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da Rechtsgrundlage und damit streitentscheidende Norm für den Erlass der begehrten Durchsuchungsanordnung Art. 13 Abs. 2 GG i. V. m. § 58 Abs. 6 und 8 AufenthG ist und insofern eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt.

Die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO). Eine abdrängende Sonderzuweisung besteht nicht in § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. mit den Vorschriften in Buch 7 des FamFG, weil eine Durchsuchungsanordnung keine Freiheitsentziehung im Sinne dieser Vorschrift zur Folge hat (vgl. im Einzelnen zum freiheitsentziehenden Charakter der Durchsuchung VG Arnsberg, Beschl. v. 11.11.2019 - 3 I 24/19-, juris Rn 20 ff.). Auch enthält § 58 Abs. 10 AufenthG keine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO. Nach dieser Vorschrift bleiben weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG betreffen, unberührt. § 58 Abs. 10 AufenthG weist Anträge nach § 58 Abs. 8 AufenthG nicht ausdrücklich einer anderen Gerichtsbarkeit zu. Die Vorschrift nimmt lediglich allgemein Bezug auf Regelungen der Länder zu Durchsuchungen.

Eine abdrängende Sonderzuweisung ergibt sich auch nicht aus § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach öffentliche öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden können. Um eine Streitigkeit nach Landesrecht handelt es sich bei einer Durchsuchung nach der bundesrechtlichen Bestimmung des § 58 Abs. 6 AufenthG nicht.

Der Bundesgesetzgeber hat durch § 58 Abs. 10 AufenthG auch keine neben § 40 Abs. 1 VwGO eigenständige Zuständigkeitsregelung geschaffen, mit der im Sinne einer Öffnungsklausel den Ländern ermöglicht wird, bereits bestehende Rechtswegregelungen für Wohnungsdurchsuchungen auf die Durchsuchung nach § 58 Abs. 6 AufenthG zu erstrecken oder hierfür neue landesrechtliche Rechtswegzuweisungen zu schaffen. In Niedersachsen ist für die Durchsuchung von Wohnungen nach § 24 NPOG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Wohnung liegt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 NPOG).

Nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 10 AufenthG lässt lediglich der Begriff „Regelungen“ eine Interpretation zu, die Vorschriften über den Rechtsweg umfasst. Bereits das Adjektiv „weitergehende“ spricht aber dafür, dass damit materiellrechtliche Befugnisse für die Durchsuchung von Wohnungen und nicht Vorschriften über gerichtliche Zuständigkeiten gemeint sind, weil - mit Ausnahme des Richtervorbehalts in § 58 Abs. 8 Satz 1 1. Halbs. AufenthG - nur diese in den Absätzen 5 bis 9 enthalten sind. Deutlich wird dieses Verständnis des Gesetzgebers durch die Entstehungsgeschichte der Norm. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/10706, S. 14) heißt es:

„Durch den Satz „Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt“ wird geregelt, dass durch die Absätze 5 bis 9 bundeseinheitlich ein Mindestmaß für Betretensrechte bei Abschiebungen vorgegeben wird. Bestehende Regelungen der Länder, die weitergehende Befugnisse geben, gelten fort, ohne dass hierzu ein Rechtsakt der Länder notwendig wäre.“

Damit wird deutlich, dass zur Durchführung einer Abschiebung landesrechtliche Regelungen nur insoweit Anwendung finden sollen, als sie Befugnisse einräumen, die über die in § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG vorgesehenen Befugnisse – also das in der Gesetzesbegründung erwähnte „Mindestmaß an Betretensrechten“- hinausgehen (OLG Köln, Beschl. v. 07.08.2020 I-2, Wx 178/20, 2 Wx 178/20, juris Rn. 13; vgl. auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.10.2020, Beschl. v. 06.10.2020 - 22 I 28/70 -, juris Rn. 11 - 14; VG Karlsruhe, Beschl. v. 10.12.2019 - 3 K 7772/19 -, juris Rn. 23). Danach wird die Organisationsregelung über das zuständige Gericht in § 25 Abs. 1 Satz 2 NPOG von § 58 Abs. 10 AufenthG gar nicht erfasst. Sie wird auch nicht über § 24 NPOG und die weiteren Bestimmungen des § 25 NPOG „aktiviert“, weil diese Vorschriften keine weitergehenden Betretensrechte für Behörden bei der Durchführung von Abschiebungen enthalten.

Auch das Ziel des Gesetzgebers, eine Zersplitterung der Befugnisse in den Ländern durch § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG zu beseitigen (s. dazu VG Karlsruhe, a. a. O.), spricht gegen eine Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 2 NPOG.

Soweit in der Rechtsprechung § 58 Abs. 10 AufenthG teilweise dahin ausgelegt wird, der Gesetzgeber habe lediglich Mindeststandards für Wohnungsdurchsuchungen im Rahmen von Abschiebungen regeln, nicht aber bestehende Rechtswegzuweisungen für solche Durchsuchungen ändern wollen (VG Arnsberg, Beschl. v. 11.11.2019, a. a. O., Rn 43 - 45), wird unter Verweis auf die zitierte Bundestagsdrucksache gleichwohl eingeräumt, dass es dem Gesetzgeber bei dem Erlass des § 58 Abs. 10 AufenthG primär darum gegangen sei, die Fortgeltung landesrechtlicher Eingriffsbefugnisse zu erreichen, die nach ihrer Eingriffsintensität über die in § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG normierten Befugnisse hinausgingen (VG Arnsberg, a. a. O. Rn 41 f.; siehe als Beispiel für die Anwendung des Landesrechts über § 58 Abs. 10 AufenthG OVG Bremen, Beschl. v. 30.09.2019 - 2 S 262/19-, juris Rn 10- 12).

Ob § 58 Abs. 8 AufenthG, der Entscheidungen über Durchsuchungen nach Abs. 6 lediglich einem Richtervorbehalt unterstellt, anders als § 56 a Abs. 9 Satz 1 AufenthG aber die zuständige Gerichtsbarkeit nicht regelt, als defizitär bezeichnet werden muss (so OVG Schleswig Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.07.2020 - 4 O 25/20, juris Rn. 10, dagegen OLG Köln, Beschl. v. 07.08.2020, a. a. O. Rn. 14), kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist mangels Sonderzuweisung die allgemeine Rechtswegregelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. VwGO einschlägig (ebenfalls für die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO: OLG Köln, Beschl. v. 07.08.2020, a. a. O.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.20.2020, a. a. O.; VG Karlsruhe, Beschl. v. 10.12.2019, a. a. O.; VG Gießen, Beschl. v. 26.11.2019, a. a. O.; OVG Bremen, Beschl. v. 30.09.2019, a. a. O.; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 58 Rn. 40; für die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach Landesrecht: OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.07.2020, a. a. O.; VG Arnsberg, Beschl. v. 11.11.2019, a. a. O.).

Für eine andere Auslegung des § 58 Abs. 10 AufenthG spricht im Übrigen auch nicht ein praktisches Bedürfnis. Denn mit Abschiebungen von ausreisepflichtigen Ausländern sind auch bisher schon sowohl die Amtsgerichte hinsichtlich der Abschiebungshaft nach § 62 AufenthG, des Ausreisegewahrsams nach § 62b AufenthG und der ergänzenden Vorbereitungshaft nach § 62 c AufenthG (s. § 23a Abs. 2 Nr. 6 GVG) als auch die Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Ausreisepflicht und deren Vollziehbarkeit befasst. Außerdem ist die Anordnung von Wohnungsdurchsuchungen nach dem Vereinsrecht ebenfalls der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen (vgl. § 4 Abs. 2 VereinsG), sodass nicht davon gesprochen werden kann, dass für diese Materie lediglich Ermittlungsrichter der Amtsgerichte im Rahmen der Anwendung des Polizei- und Ordnungsrechts (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 2 NPOG) und der Strafverfolgung (vgl. § 105 Ab. 1 StPO) zuständig sind.

Die Antragstellerin ist antragsberechtigt, denn sie ist die nach § 71 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i. V. m. Ziff. 2.7.3. des Runderlasses des Innenministeriums vom 13.08.2019 die für die Vollziehung rsp. Durchführung von Abschiebungen zentral zuständige Stelle (Ausländerbehörde). Nach dem Rückführungserlass des Innenministeriums vom 24.08.2016 (Nds. MBl. 2016, 1134) umfasst die Zuständigkeit der Antragstellerin für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen die Abholung der Ausreisepflichtigen aus der Wohnung einschließlich der Aufforderung des Ausreisepflichtigen, sich der Abschiebung zu stellen, wenn die kommunale Ausländerbehörde vor Ort nicht vertreten ist. Danach ist die Antragstellerin die die Abschiebung durchführende Behörde im Sinne des § 58 Abs. 6 und 8 AufenthG.

Rechtsgrundlage für die beantragte richterliche Durchsuchungsanordnung ist § 58 Abs. 6 und 8 Satz 1 AufenthG. § 58 Abs. 6 AufenthG bestimmt, dass die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen kann, soweit der Zweck der Abschiebung es erfordert (Satz 1). Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet (Satz 2). Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs-und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum (§ 58 Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 AufenthG).

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen einschließlich der von ihm genutzten Nebenräume und - als befriedetes Besitztum - der Kellerräume des Betroffenen und seiner Garage, nicht aber seines Kraftfahrzeugs, liegen vor. Mit der Durchsuchung als ziel- und zweckgerichteter Suche nach dem Betroffenen dürfen auch verschlossene Türen geöffnet werden.

Der Betroffene ist nach § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abzuschieben, weil er vollziehbar ausreisepflichtig ist. Er ist ausreisepflichtig, weil er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Denn seine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 2 AufenthG ist letztmalig bis zum 14.09.2018 verlängert worden. Mit Bescheid vom 15.05.2019 hat die Bevollmächtigte der Antragstellerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Ein gegen diese Entscheidung erhobener Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist von der erkennenden Kammer mit Beschluss vom 08.08.2019 (5 B 230/19) abgelehnt worden. Dass der Betroffene darüber hinaus mit demselben Bescheid ausgewiesen worden ist, ist für die vollziehbare Ausreisepflicht unerheblich.

Die Antragstellerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sich der Betroffene in einer Wohnung (D.) unter der Anschrift B. in F. aufhält, weil er dort gemeldet ist. Sollte es sich bei dem Klammerzusatz „D.“ nicht um die Wohnung des Betroffenen, sondern um die Wohnung von Herrn oder Frau G. handeln, was die Antragstellerin näher hätte ausführen müssen, so sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 58 Abs. 6 Satz 2 AufenthG erfüllt. Denn der Betroffene wird sich jedenfalls in einem Zimmer zur Untermiete oder in einer gemeinsam genutzten Wohnung aufhalten.

Die Durchsuchung der Wohnung ist zur Ergreifung des Betroffenen für den Fall erforderlich, dass er den die Abschiebung durchführenden Personen am Tag der Abschiebung nicht folgt, sondern sich in der Wohnung oder in einzelnen Räumen bzw. Nebenräumen versteckt und/oder die Türen verschließt.

Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Durchsuchungsanordnung sind vorliegend erfüllt. Die Maßnahme erweist sich insbesondere als verhältnismäßig.

Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält und damit eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz vorsieht; der Richter darf die Wohnungsdurchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund einer eigenverantwortlichen Prüfung der Ermittlungen davon überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (BVerfG, Beschl. v.14.07.2016 - 2 BvR 2474/14 -, juris Rn 18). Der Beschränkung auf Grundrechtseingriffe, die dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen, trägt der Wortlaut des § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG damit Rechnung, dass er die Durchsuchung der Wohnung nur zulässt, soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es „erfordert“. Die Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen (vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 10.12.2019, a. a. O., Rn 28; VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.10.2020, a. a. O. Rn. 26).

Die Antragstellerin hat hinreichend Tatsachen dargelegt, die eine Durchsuchung der Wohnung in der B. im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz tragen, wonach das oben genannte Verhalten des Betroffenen mit dem Ziel, die Abschiebung zu vereiteln, sehr wahrscheinlich ist.

So hat sie darauf verwiesen, dass der Betroffene mehrfach von Strafgerichten verurteilt worden ist. Insoweit wird auf die Darstellung in der Antragsschrift verwiesen. Der Zentralregisterauszug für den Betroffenen enthielt am 10.11.2020 zwölf Einträge. Der erkennenden Kammer ist darüber hinaus aus dem Klageverfahren gegen den erwähnten Bescheid vom 15.05.2019 (5 A 229/19, mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter am 08.01.2021) bekannt, dass zuletzt eine weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Braunschweig (rechtskräftiges Urteil v. 21.10.2020: Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen gefährlicher Körperverletzung und Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 Abs. 1 Gewaltschutzgesetz in 16 Fällen) und die Erhebung einer weiteren Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 05.12.2020 (Anstiftung zu Wohnungseinbruchsdiebstahl) hinzugekommen sind. Der Kläger hat dadurch wiederholt verdeutlicht, dass er nicht gewillt ist, sich an die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Rechtsordnung zu halten, was den Schluss nahelegt, er werde versuchen, sich der Abschiebung durch ein Verstecken in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten entziehen.

Dafür spricht vor allem auch die von der Antragstellerin dargelegte Tatsache, dass der Betroffene bereits seit dem 15.05.2019 vollziehbar ausreispflichtig ist und sich damit der Ausreisepflicht bereits seit 21 Monaten entzogen hat. Auch angesichts seines langen Aufenthaltes im Bundesgebiet, in das er bereits 2001 eingereist ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene versucht, sich der Abschiebung zu entziehen.

Sein Auffinden in der Wohnung bzw. den anderen von der Durchsuchungsanordnung erfassten Räumen stellt den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes in einer verfassungskonformen Weise sicher. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtseingriff von einer geringen Intensität ist. Denn die Wohnungsdurchsuchung ist nur zum Zweck der Ergreifung des Betroffenen zulässig. Sie ist nicht erlaubt, um Beweismittel oder Hinweise auf Straftaten zu erlangen. Angesichts des sich anschließenden Aufenthaltes im Irak mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Bundesrepublik Deutschland von insgesamt sieben Jahren ist eine Nutzung der betroffenen Wohnung danach in der nächsten Zeit ohnehin nicht mehr möglich.

Die Antragstellerin muss auch nicht dartun, zunächst erfolglos eine Abschiebung versucht zu haben. Sie muss ebenso wenig darlegen, dass bereits einmal oder mehrfach die Betretenserlaubnis nach § 58 Abs. 5 AufenthG, für die der Richtervorbehalt nicht gilt, für eine erfolgreiche Abschiebung nicht ausreichend war. Dagegen spricht bereits der gegenüber beispielsweise der Abschiebungshaft als Maßnahme der Freiheitsentziehung geringere Grundrechtseingriff (vgl. z. B. die höheren Voraussetzungen in § 62 Abs. 3 und 3a und 3b AufenthG). Wohnungen dürfen zur Durchführung der Abschiebung hingegen ohne richterliche Anordnung betreten werden, wenn das Betreten der Wohnung im Sinne des § 58 Abs. 5 AufenthG ausreicht. Ist dies nicht der Fall, so greift (auch hier) der Richtervorbehalt, was § 58 Abs. 8 Satz 2 AufenthG zum Ausdruck bringt, der für diesen Fall einen Rückgriff auf das Tatbestandsmerkmal Gefahr im Verzug ausschließt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die richterliche Durchsuchungsanordnung nach § 58 Abs. 6 und 8 Satz 1 AufenthG sind also geringer. Auch sogenannte prophylaktische Anordnungen der Durchsuchung sind bei Vorliegen hinreichender Tatsachen wie einer nachhaltigen Ausreiseverweigerung verhältnismäßig (ebenso VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.10.2020, a. a. O., Rn 33 - 35).

Tatsachen, die eine Durchsuchung zur Nachtzeit auf der Grundlage des § 58 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfordern, hat die Antragstellerin nicht dargelegt.

Ein wirksamer Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung verlangt regelmäßig - so auch hier - eine Befristung der Durchsuchungsanordnung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.05.1997 - 2 BvR 1992/92 -, juris Rn. 29).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gerichtskostenfrei ist und die Auslagen der Antragstellerin nicht erstattungsfähig sind. Angesichts der fehlenden Beteiligung des Betroffenen handelt es sich nicht um ein kontradiktatorisches Verfahren (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 30.09.2019 a. a. O., Rn. 24).

Von einer Anhörung des Betroffenen einschließlich der Übermittlung der Antragsschrift sowie der unmittelbaren Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung an diesen wird abgesehen, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass er sich der Abschiebung entzieht. Außerdem darf der Abschiebungstermin dem Ausländer nach § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG nicht angekündigt werden.

Die Durchsuchungsanordnung ist nach dem Rechtsgedanken des § 9 Abs. 2 Satz 3 NVwVG bei der Vollstreckung vorzuzeigen und damit dem Betroffenen bekannt zu geben.