Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.01.2005, Az.: 8 U 301/04

Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss; Haftung eines Herstellers für einen Produktmangel

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.01.2005
Aktenzeichen
8 U 301/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 17896
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:0119.8U301.04.0A

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 hat der Gesetzgeber den Gerichten zwingend aufgegeben, über nicht aussichtsreiche Berufungen im Wege dieser vereinfachten Erledigungsmöglichkeit zu entscheiden, sofern nicht - wie vorliegend auch nicht gegeben - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Rechtsfortbildung bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordern. Dabei hat der Gesetzgeber dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) dadurch Rechnung getragen, daß die Parteien auf die beabsichtigte Zurückverweisung der Berufung hinzuweisen sind, wobei in diesem Zusammenhang keine umfangreicheren Ausführungen als in der mündlichen Verhandlung notwendig sind. Ein knapper Hinweis, ggflls durch Bezugnahme auf die vom Berufungsgericht für zutreffend erachteten Feststellungen und Gründe der angefochtenen Entscheidung, kann im Einzelfall genügen (so der Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 14/6036, S. 123).

Vorliegend hat das Landgericht die Beklagte u.a. mit Recht verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld von 7.500,00 € nebst Verzugszinsen zu zahlen. Ebenso hat es zutreffend festgestellt, daß die Beklagte (auch) verpflichtet ist, der Klägerin einen immateriellen Zukunftsschaden zu erstatten. Diese Entscheidung wird im Ergebnis durch das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung nicht erschüttert. Das angefochtene Urteil beruht insoweit weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Beklagte verkennt selbst nicht, daß sie als Herstellerin für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Waren nach den §§ 823 ff. BGB haftet. Tritt - wie vorliegend geschehen - ein Mangel an einem Produkt, der rechten Pedale am Damenfahrrad Citybike 28, auf, wird nach den Grundsätzen des Anscheinbeweises ein Verschulden der Herstellerin vermutet. Dabei spielt es entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rolle, daß nicht sie selbst, sondern ihr Zulieferer, die streitverkündete Fa. Marwi CZ S.R.O. in Tschechien, die gebrochene Pedale hergestellt hatte. Die Beklagte hatte als Endherstellerin (sog. "Assembler") die von den Zulieferern hergestellten Einzelteile zu einer sicheren Gesamtkonstruktion zu montieren und das gefahrlose Zusammenwirken und Funktionieren der Einzelteile zu gewährleisten (MünchKomm/ Wagner, BGB, 4. Aufl., § 823, Rndnr. 558 mit weit. Nachw.). Wenn auch sie dabei nicht jede von ihrem Zulieferer bezogene einzelne Pedale auf ihre Ordnungsmäßigkeit überprüfen mußte (BGH, NJW 1975, 1827 f.), so war sie doch verpflichtet, sich von der grundsätzlich einwandfreien Beschaffenheit der Pedalen zu überzeugen. Zu diesem Zweck bedurfte es einer zumindest stichprobenhaften Materialprüfung (vgl. BGH, NJW 1977, 379 f. [BGH 24.11.1976 - VIII ZR 137/75]; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1988, 611 f. [OLG Saarbrücken 04.11.1987 - 5 U 48/86]). Die Intensität der gebotenen Materialprüfung war u.a. abhängig vom Ausmaß der bei Materialfehlern drohenden Schäden. Dieser Schaden kann im Falle eines plötzlichen Bruchs einer Pedale - wie dies nicht nur der vorliegende Fall zeigt, sondern allgemein bekannt ist - beträchtlich sein. Stichprobenhafte Materialprüfungen von Pedalen waren daher in gewissen zeitlichen Abständen zu wiederholen. Daß die Beklagte dieser Pflicht zu stichprobenhaften Materialprüfungen genügt hat, wird nicht dargetan. Aus diesem Grunde wird ein den Schaden herbeiführendes pflichtwidriges Verhalten der Beklagten vermutet, von dem sie sich nicht entlastet hat (zu den Anforderungen an den Entlastungsbeweis vgl. im einzelnen OLG Saarbrücken, NJW-RR 1988, 611, 613) [OLG Saarbrücken 04.11.1987 - 5 U 48/86].

Ebenso wenig ist die Höhe des erkannten Schmerzensgeldes und die Feststellung des zukünftigen immateriellen Schadens rechtlich zu beanstanden. In dem vom Landgericht bei der Güteverhandlung am 20.08.2002 vorgeschlagenen Betrag von 6.000,- € war noch einem im Vergleich geforderten Nachgeben seitens der Klägerin Rechnung zu tragen. Für die Höhe des gegenüber dem Vergleichsvorschlag auf 7.500,- € maßvoll heraufgesetzten Schmerzensgeldbetrags im zwei Jahre später verkündeten Urteil waren allein der Schadensumfang und die Schadensfolgen maßgeblich. Die Ausführungen des Landgerichts dazu bewegen sich im Rahmen des ihm gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens. Sie bieten dem Senat keinen Anlaß zur Herabsetzung des Schmerzensgeldbetrags.

Die Berufung der Beklagten hat nach allem im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO keine Aussicht auf Erfolg.

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, zum vorliegenden Hinweisbeschluss bis zum 19. Februar 2005 Stellung zu nehmen.