Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.05.2014, Az.: 1 Ws 103/14

Umdeutung einer Beschwerde in einen Antrag auf Aufhebung einer vor einem Zuständigkeitswechsel ergangenen Maßnahme

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
05.05.2014
Aktenzeichen
1 Ws 103/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 16262
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2014:0505.1WS103.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 29.01.2014

Fundstelle

  • wistra 2014, 327-328

Amtlicher Leitsatz

1. Die Beschwerde gegen eine vor einem Zuständigkeitsübergang erlassene vorläufige Maßnahme ist - unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Zuständigkeitsübergang eingelegt wurde - regelmäßig in einen Antrag auf Aufhebung der Maßnahme umzudeuten.

2. In diesen Fällen kann ein Nichtabhilfebeschluss in einen ablehnenden Beschluss bezüglich der Aufhebung der Maßnahme umgedeutet werden, wenn er mit Gründen versehen und den Beteiligten bekannt gemacht worden ist.

3. Eine Abhilfeentscheidung ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts.

4. Die Staatsanwaltschaft kann im Rahmen des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO jedenfalls dann eine weitere Beschwerde zuungunsten des Betroffenen einlegen, wenn ein angeordneter dinglicher Arrest durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben wurde und das Ziel der weiteren Beschwerde die Wiederherstellung des dinglichen Arrestes ist.

5. Bei Begehung einer (auch) gegen fremde Vermögensinteressen gerichteten Tat besteht mindestens eine widerlegliche Vermutung für einen Arrestgrund.

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Braunschweig wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 29. Januar 2014 aufgehoben.

Die Beschwerde der Arrestbeteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 25. November 2013 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Die Kosten der weiteren Beschwerde hat die Arrestbeteiligte zu tragen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 31.08.2012 ordnete das Amtsgericht Braunschweig - Ermittlungsrichter - einen dinglichen Arrest in Höhe von 460.634,- € in das Vermögen der Arrestbeteiligten an (Bl. 407 ff. Bd. II d. SH Vermögensermittlungen). Dem lag der Verdacht zugrunde, dass die Geschäftsführerin und der Betriebsleiter der Arrestbeteiligten mit Lebensmittelabfällen gemischte, nicht verkehrsfähige Lebensmittel in den Verkehr gebracht haben sollen.

Am 29.04.2013 erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig beim Amtsgericht Braunschweig - Schöffengericht - unter anderem gegen den Betriebsleiter und die Geschäftsführerin der Arrestbeteiligten wegen dieser Tatvorwürfe Anklage (Bl. 18 ff. Bd. II d. A.). Nach der Anklage kommt gegen die dort als Verfallsbeteiligte aufgeführte Arrestbeteiligte die Anordnung von Verfall von Wertersatz in Höhe von 523.490,35 € in Betracht (Bl. 20 Bd. III d. A.).

Am 07.11.2013 legte die Arrestbeteiligte Beschwerde gegen die Arrestanordnung durch das Amtsgericht Braunschweig vom 31.08.2012 ein (Bl. 203 ff. Bd. IV d. A.). Daraufhin erließ das Amtsgericht Braunschweig - Schöffengericht - am 25.11.2013 einen Nichtabhilfebeschluss, der mit Gründen versehen war und dem Verfahrensbevollmächtigten der Arrestbeteiligten bekannt gemacht wurde (Bl. 256 Bd. IV d. A.).

Mit Verfügung vom gleichen Tag wurden die Akten dem Landgericht Braunschweig vorgelegt (Bl. 256 Bd. IV d. A.). Am 20.12.2013 nahm der Bevollmächtigte der Arrestbeteiligten Stellung, wobei er nochmals zum Ausdruck brachte, dass er den Beschluss vom 31.08.2012 für rechtswidrig halte und um Abhilfe bitte (Bl. 266 ff. Bd. IV d. A.).

Mit dem hier angefochtenen Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 29.01.2014 hat das Landgericht Braunschweig den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 31.08.2012 aufgehoben (Bl. 289 ff. Bd. IV d. A.). Zur Begründung hat das Landgericht Braunschweig ausgeführt, dass kein Arrestgrund gemäß §§ 111 d Abs. 2 StPO, 917 Abs. 1 ZPO bestehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit ihrer weiteren Beschwerde vom 05.02.2014 (Bl. 2 ff. Bd. V d. A.).

Das Landgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 10.03.2014 entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen und das Verfahren dem Senat vorgelegt. (Bl. 99 ff. Bd. V d. A.).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt (Bl. 128 ff. Bd. V d. A.).

II.

Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.

1. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 28.01.2014 ist nicht gegenstandslos.

Allerdings war das als "Beschwerde" bezeichnete Schreiben der Arrestbeteiligten vom 07.11.2013 nicht als Beschwerde gegen den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 31.08.2012, sondern als Antrag auf Aufhebung der Arrestanordnung auszulegen. Durch die Anklageerhebung vom 29.04.2013 war nicht mehr der Ermittlungsrichter, sondern nach § 162 Abs. 3 S. 1 StPO das mit der Sache befasste Gericht für richterliche Untersuchungs- und Zwangsmaßnahmen zuständig, mithin das Schöffengericht des Amtsgerichts Braunschweig. Der Senat schließt sich dabei der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 23.01.2003, 1 Ws 9/03, juris, Rn. 5 - 9) an, wonach sich den Regelungen der §§ 126 Abs. 2 S. 1, 98 Abs. 2 S. 3 StPO ein allgemeiner prozessualer Rechtsgedanke dahingehend entnehmen lässt, dass die Beschwerde gegen eine vor einem Zuständigkeitsübergang erlassene vorläufige Maßnahme - unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Zuständigkeitsübergang eingelegt wurde - in einen Antrag auf Aufhebung der Maßnahme umzudeuten ist (vgl. auch OLG Jena, Beschluss vom 29.05.2009, 1 Ws 204/09, juris, Rn. 11 für den dinglichen Arrest).

Das Amtsgericht Braunschweig hätte somit nicht über die Abhilfe der Beschwerde, sondern über die Aufhebung der Maßnahme entscheiden müssen, wobei erst gegen diese Entscheidung die Beschwerde eröffnet war (OLG Stuttgart aaO., Rn. 11; OLG Jena aaO., Rn. 12).

Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Braunschweig kann jedoch in einen ablehnenden Beschluss bezüglich der Aufhebung der Maßnahme umgedeutet werden (so auch OLG Jena, aaO., Rn. 5, 12). Dies ist hier deshalb möglich, weil die Nichtabhilfeentscheidung in einem mit Gründen versehenen (§ 34 StPO) Beschluss erfolgte, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Arrestbeteiligten bekannt gemacht wurde.

Es fehlt auch nicht an einer gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde. Der Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arrestbeteiligten vom 20.12.2013 lässt sich entnehmen, dass weiterhin eine Aufhebung des Arrestes angestrebt wird. Das Schreiben kann daher in eine Beschwerde gegen den als "Nichtabhilfebeschluss" bezeichneten Beschluss vom 25.11.2013 umgedeutet werden.

Dass das Amtsgericht Braunschweig diesbezüglich keine Abhilfeentscheidung getroffen hat, stand der Entscheidung des Landgerichts nicht entgegen, da die Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 306 Rn. 10).

2. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist auch statthaft.

Für § 310 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO ist fast einhellige Meinung, dass der Staatsanwaltschaft die weitere Beschwerde zum Nachteil des Betroffenen eröffnet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.1990, StB 5/90, juris, Rn. 2; Matt in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 310 Rn. 18 m. w. N.). Auch nach der einschränkenden vom Oberlandesgericht Braunschweig in seinem Beschluss vom 17.02.1965 (JR 1965, 473) vertretenen Auffassung kommt eine weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft nur dann nicht in Betracht, wenn die von der Staatsanwaltschaft erstrebte Maßnahme weder vom Amts- noch vom Landgericht erlassen worden war. Es kann dahinstehen, ob an dieser Einschränkung festzuhalten ist. Auch hier ist die ursprünglich angeordnete belastende Maßnahme erst in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden, so dass die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft auch nach den Maßstäben der damaligen Entscheidung zulässig wäre.

Nach Auffassung des Senats gilt für die Anfechtungsmöglichkeit im Rahmen des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO nichts anderes als im Rahmen der § 310 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO. Bereits in dem Beschluss vom 11.05.2007 (Ws 54/07, veröffentlicht auf www.iww.de, Abrufnummer: 090165) hatte der Senat die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die dortige landgerichtliche Entscheidung, mit der ein vom Amtsgericht angeordneter dinglicher Arrest aufgehoben wurde, - allerdings ohne nähere Begründung - für statthaft erachtet.

Dem Wortlaut des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO lässt sich eine Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen (so auch OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2008, 2 Ws 155/08, juris, Rn. 7; OLG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2008, 2 Ws 197/08, juris, Rn. 6 f.; KG, Beschluss vom 16.04.2010, 1 Ws 171/09, juris, Rn. 7; OLG Jena, Beschluss vom 15.04.2011, 1 Ws 129/11, juris, Rn. 13; a. A. OLG München, Beschluss vom 12.11.2007, juris, Rn. 8; OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.05.2011, 1 Ws 227/11, Rn. 4). Jedenfalls ein Beschluss, mit dem ein zunächst angeordneter Arrest aufgehoben wurde, "betrifft" eine Anordnung des dinglichen Arrestes. Ob dies auch dann gilt, wenn schon erstinstanzlich ein Arrestantrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

Dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Ziel einer Beschränkung der Anfechtbarkeit § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO bewusst anders als § 310 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO formuliert hat, als er die Formulierung "eine Anordnung des dinglichen Arrestes" statt "einen dinglichen Arrest" wählte, ist nichts ersichtlich. Die Einführung des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist zwar nach den Gesetzgebungsmaterialien damit begründet worden, dass es wegen der mitunter die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen berührenden Bedeutung des Arrestes angemessen sei, dem Betroffenen das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zu eröffnen (Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT DRs 16/2021, Seite 6 unter IV zu Nr. 2). Ob diese Möglichkeit auch für die Staatsanwaltschaft bestehen soll, findet in der Gesetzesbegründung hingegen keine Erwähnung. Es hätte aber nahegelegen, im Rahmen der Gesetzesbegründung darauf hinzuweisen, wenn durch die Formulierung der Nr. 3 eine von der Praxis bezüglich der Nr. 1 und 2 abweichende Anfechtbarkeit geregelt werden sollte (so auch OLG Jena, aaO., Rn. 13). Die spricht dafür, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung der Anfechtbarkeit nicht intendiert hatte.

Es sind auch keine Gründe ersichtlich, warum der Staatsanwaltschaft eine weitere Beschwerde zu Ungunsten des Betroffenen zur Erwirkung einer Untersuchungshaft und einer einstweiligen Unterbringung zustehen sollte, bezüglich eines dinglichen Arrests in Höhe von mehr als 20.000,- € aber nicht. In allen Fällen sind die Maßnahmen nicht nur mit tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigungen für den Betroffenen verbunden, sondern dienen im Fall des Vorliegens ihrer Voraussetzungen auch der Sicherung gewichtiger Allgemeininteressen, wie im Fall des Arrestes der Sicherung der Rückgewinnungshilfe und der Abschöpfung von aus Straftaten erlangter Vermögensvorteile. Es erscheint daher auch sinnvoll, der Staatsanwaltschaft insoweit die weitere Beschwerde auch zu Ungunsten des Betroffenen zu eröffnen (vgl. OLG Hamburg, aaO., Rn. 14).

Zu beachten ist ferner, dass dort, wo die Strafprozessordnung wie in § 210 Abs. 1 und Abs. 2 StPO eine einseitige Anfechtbarkeit vorsieht, dies deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Auch dies spricht dagegen, dass der subtile sprachliche Zusatz "eine Anordnung" eine Beschränkung der Rechtsmittelberechtigung bedeuten sollte (vgl. OLG Celle, aaO., Rn. 8; OLG Hamburg, aaO., Rn. 11; KG, aaO., Rn. 10; OLG Jena, aaO., Rn. 14).

Die weitere Beschwerde verfolgt auch das Ziel der Anordnung des Arrestes und ist damit auf den Kern des mit der Maßnahme verfolgten Sicherungszwecks gerichtet, so dass die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft auch nicht deshalb unzulässig ist, weil sie lediglich Fragen betrifft, die für den Bestand der Maßnahme ohne Belang sind (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.03.2013, Ws 49/13, juris, Rn. 10 hinsichtlich des Beschwerdeziels der Erstreckung eines bestehenden Haftbefehls auf weitere Taten).

3. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist auch begründet.

Das Amtsgericht Braunschweig hat den Arrestbefehl zu Recht nicht aufgehoben.

Die Voraussetzungen für einen auch über 12 Monate andauernden dinglichen Arrest in das Vermögen der Arrestbeteiligten gemäß §§ 111 b Abs. 2, Abs. 3, 111 d Abs 1 StPO liegen vor.

a) Es bestehen dringende Gründe dafür, dass eine Verfallsanordnung gegen die Arrestbeteiligte in mindestens der vom dinglichen Arrest umfassten Höhe ergehen wird.

aa) Es besteht ein dringender Tatverdacht dahingehend, dass sich der Angeschuldigte X als Betriebsleiter und die Angeschuldigte Y als Geschäftsführerin der Arrestbeteiligten jedenfalls des Inverkehrbringens nicht verkehrsfähiger Lebensmittel gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 1a LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 schuldig gemacht haben.

Nach dem bisherigen Sachstand ist mit dringender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Mitarbeiter der Arrestbeteiligten auf Veranlassung der Angeschuldigten X und Y aus von der Firma A des Angeschuldigten Z in 500 Liter-Kübeln beförderten Lebensmittelabfällen der Kategorie III, die von den Fleischereibetrieben zur Entsorgung bei der Firma B vorgesehen waren, Schweinepfötchen und Brustrippchen aussortiert und sodann mit als Abfall der Kategorie III eingestuften - ebenfalls von der Firma A angelieferten - Schweinepfötchen der Firma C sowie mit als Lebensmitteln erworbenen Schweinepfötchen und Rippchen vermischt und diese für den Weiterverkauf an die Firma D zum Export nach Asien verpackt haben.

Des Weiteren ist mit dringender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auf Veranlassung der Angeschuldigten X und Y aus den Fleischabfallkübeln auch Fleischabschnitte von Schwarten mit selbsterzeugten Fleischabschnitten vermischt und an verschiedene inländische Fleischereien verkauft worden sind.

Dies folgt aus den Aussagen der Zeugen Z1 (Bl. 64 ff. Bd. II), Z2 (Bl. 124 ff. Bd. I) und Z3 (Bl. 341 ff. Bd. II), die ihre Wahrnehmungen über die Sortier- und Verpackungsvorgänge bekundet haben. Nach den Angaben des Zeugen Z1 seien jedenfalls seit 2009 bis zu seiner Krankschreibung im September 2011 täglich zwischen vier und acht Kübel á 500 Liter mit Fleischabfällen angeliefert worden, aus denen in großem Umfang Schweinepfötchen und Brustrippchen aussortiert und mit anderen Schweinepfötchen und Brustrippchen vermischt verpackt worden seien (Bl. 66 f. Bd. II d. A.).

Dafür, dass der Angeschuldigte Z die ihm von den Fleischereien übergebenen Fleischabfälle nicht unverändert bei der Firma B abgeliefert hat, sondern es zu Umsortierungen gekommen ist, sprechen auch die Ermittlungen bei der Firma E . Diese hat von der Firma A des Angeschuldigten Z für die Ablieferung von Fleischabfällen Handelsdokumente erhalten, die die Firma E als Herkunfts-, die Firma B als Empfängerbetrieb und die Firma A als Beförderungsunternehmen ausweisen. Aus bei der Firma A sichergestellten Unterlagen ergibt sich jedoch, dass dort ein neues Handelsdokument hergestellt wurde, das die Firma A als Herkunftsbetrieb ausweist und auf dem lediglich unter Bemerkungen die Firma E neben einer Vielzahl von anderen Firmen aufgeführt wurde (Bl. 155 ff. Bd. II d. A.).

Schließlich spricht auch ein Vergleich der verkauften und erhaltenen Pfötchen für den Tatvorwurf. Aus der vorgenommenen Auswertung der Geschäftsunterlagen der Arrestbeteiligten ergibt sich, dass zum Beginn des Jahres 2010 ein Lagerbestand an Schweinepfötchen von 24.330 kg vorhanden war. Im Jahr 2010 wurden sodann 74.001,5 kg Schweinepfötchen bei der F, 26.654 kg bei dem C und 7.859 kg bei der Fleischerei G erworben. Des Weiteren ergeben die bei der Firma A sichergestellten Unterlagen, dass im Jahr 2010 11.482,7 kg Schweinepfötchen (die von der Firma C stammten) an die Arrestbeteiligte geliefert wurden. Zusammengerechnet ergeben sich daraus 144.327,2 kg Schweinepfötchen. Nach einer Auswertung der Rechnungen hat die Arrestbeteiligte jedoch im Jahr 2010 192.300 kg und laut elektronischer Buchführung 154.030 kg Schweinepfötchen an die Firma D verkauft und ausgeliefert (Bl. 390 ff. Bd. I d. A.). Dies stützt den Verdacht, dass zusätzlich zu den angekauften Schweinepfötchen in erheblichem Umfang auch aus den Fleischabfällen stammende Schweinepfötchen verkauften worden sind.

Soweit die Arrestbeteiligte einwendet, dass es wirtschaftlich unvernünftig sei, ordnungsgemäße Ware mit einem relativ geringfügigen Anteil kontaminierter Ware zu strecken, ist eine solche Verfahrensweise angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation der Arrestbeteiligten, die kaum Gewinne abwarf (vgl. Aussage des alleinigen Gesellschafters W, Bl. 353 ff. Bd. II d. A.) durchaus denkbar.

Ausweislich der ausgewerteten Geschäftsunterlagen der Arrestbeteiligten sind die Schweinepfötchen und Brustrippchen an die Firma D verkauft worden (siehe Bl. 3 ff. d. BWO I). Diese hat die Ware wiederum an Firmen in Hongkong verkauft (siehe Bestätigung der Firma D, Bl. 148 f. Bd. V d. A.). Der Zeuge Z1 hat ferner bekundet, dass die Fleischabschnitte an verschiedene Fleischereien verkauft worden seien (Bl. 74 Bd. II d. A.). Dies hat auch eine Auswertung der Geschäftsunterlagen ergeben (siehe Bl. 1 f. d. BWO I).

Unabhängig von der Verarbeitung von Fleischabfällen aus den 500-Liter-Kübeln ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Z4 (Bl. 263 ff. Bd. I) und Z5 (Bl. 254 ff. Bd. I d. A.) von der Firma C, dass die C früher Schweinepfötchen als Lebensmittel an die Arrestbeteiligte geliefert hatte, jedoch seit der Übernahme der Abfallentsorgung durch die Firma A im September 2010 Schweinepfötchen nur noch als Kategorie III - Abfälle zur Entsorgung von dem Angeschuldigten Z abgeholt worden sind. Die Firma A besaß auch lediglich eine Genehmigung zum Transport tierischer Nebenprodukte der Kategorie III gemäß Art. 6 Abs. 1a und b der Verordnung (EG) 1774/2002 (Bl. 232 f. Bd. I d. A.). Dass der Angeschuldigte Z diese an die Arrestbeteiligte geliefert hatte, hat auch der Anschuldigte X eingeräumt, wobei er allerdings ausführte, davon ausgegangen zu sein, dass es sich um Lebensmittel handele (Bl. 150 Bd. I d. A.).

Die mit den Fleischabfällen vermischte Ware dürfte allein aufgrund der Vermischung insgesamt im Sinne des Art. 14 Abs. 5 der Verordnung (EG) 178/2002 für den menschlichen Verzehr inakzeptabel und daher nicht verkehrsfähig sein. Hinzu kommt, dass die Zeugen Z1 und Z2 bekundet haben, dass übelriechende, verfärbte und schleimige Fleischabfälle verpackt worden seien. Bei der Durchsuchung in den Räumlichkeiten der Arrestbeteiligten am 25.08.2011 wurde zudem aus im Kühlhaus befindlichen 270 kg Schweinevorderpfoten eine Probe von 10 kg entnommen, die mikrobiell verdorben und nach Einschätzung des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zum menschlichen Verzehr nicht geeignet war (Bl. 335 f., 360 ff. Bd. I d. A.). Ob die Ware auch gesundheitsschädlich war und daher auch eine Strafbarkeit nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2a der Verordnung (EG) 178/2002 gegeben war, bedarf hier keiner Entscheidung.

Dass es bei der Abnehmerin D keine Reklamationen gegeben hat (Bl. 148 Bd. V d. A.) und die für den Export bereitgestellte Ware veterinäramtlich geprüft worden war, steht dem dringenden Tatverdacht nicht entgegen, da die Eigenschaft als nicht für den menschlichen Verzehr geeignete Ware nicht ohne Weiteres erkennbar ist (siehe auch Vermerk der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 26.08.2011, Bl. 1 Bd. II d. A.), zumal die Fleischabfälle mit anderer Ware vermischt worden waren, die Ware tiefgekühlt war und in den Abnehmerländern zudem andere Kontroll- und Qualitätsstandards gelten könnten.

bb) Es bestehen auch dringende Gründe dafür, dass die Angeschuldigten Z und Y für die Arrestbeteiligte gehandelt (§ 73 Abs. 3 StGB) und diese aus diesen Straftaten einen Betrag in Höhe von mindestens 460.634,- € erlangt hat.

Da die mit Lebensmittelabfällen gemischte Ware insgesamt nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet war, ist der Erlös für die gesamte gemischte Ware als aus einer Straftat nach dem LFGB erlangt anzusehen.

Die Arrestbeteiligte hat von der Firma D im Jahr 2010 Zahlungen für Schweinepfötchen und Rippchen in Höhe von 208.857,- € erhalten. Hierfür wurden 29.097,- € für eine Lieferung im Jahr 2009 erzielt. Im Jahr 2011 ergaben sich Zahlungseingänge in Höhe von 201.692,70 € für Lieferungen aus den Jahren 2010 und 2011 (Bl. 6 d. BWO I). Des Weiteren hat die Arrestbeteiligte für den Verkauf von Fleischabschnitten im Jahr 2010 einen Betrag in Höhe von 79.181,13 € erlöst (Bl. 1 d. BWO I).

Für die Lieferungen in den Jahren 2010 und 2011 an die Firma D, sowie die Lieferung von Fleischabschnitten an die Fleischereien im Jahr 2010 ergibt sich somit mit nachfolgender Berechnung der Gesamtbetrag von 460.633,83 €, der Gegenstand des Arrestantrags der Staatsanwaltschaft war: 208.857,- € - 29.097,- € + 201.682,70 € + 79.181,13 € = 460.633,83 €.

cc) Es ist auch nicht ersichtlich, dass ganz oder teilweise gemäß § 73c StGB von der Anordnung von Verfall abzusehen wäre. Auch wenn der erlangte Betrag selbst nicht mehr im Vermögen der Arrestbeteiligten vorhanden ist und sich feststellen ließe, dass die vorhandenen Vermögenswerte (hier insbesondere die Kaufpreisforderung für die Veräußerung des Betriebsgrundstückes in Höhe von 1.100.000,- € (Bl. 120 ff. Bd. V d. A.)) in keinem denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten stehen (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2011, 5 StR 14/11, juris, Rn. 8), liegt es fern, hier im Rahmen des dann eröffneten Ermessens nach § 73 c S. 2 StGB von der Anordnung des Verfalls abzusehen.

c) Es besteht auch ein Arrestgrund.

Hierfür reicht es aus, wenn ernstlich zu erwarten ist, dass die Arrestforderung vom Betroffenen bei einem Zuwarten nicht mehr beigetrieben werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 06.03.2013 in diesem Verfahren, Bl. 432 ff. Bd. II d. SH Vermögensermittlungen).

Der Senat kann offen lassen, ob er weiterhin daran festhält, dass ein Arrestgrund im Rahmen des § 111 d StPO schon allein dann besteht, wenn der Beschuldigte sich nach dem bisherigen Ermittlungsstand Vermögensvorteile durch Straftaten verschafft hat (Beschluss vom 11.05.2007, aaO.), denn nach überzeugender Auffassung ist bei Begehung einer gegen fremde Vermögensinteressen gerichteten Straftat mindestens eine widerlegliche Vermutung dahingehend anzunehmen, dass der Täter versuchen werde, die erlangten Vermögenswerte vor der Entziehung zu sichern, da er durch sein Verhalten gezeigt hat, dass es ihm auf eine rechtswidrige Bereicherung ankommt (vgl. Johann in Löwe-Rosenberg, StPO, aaO., § 111 d, Rn. 20).

Die im Raum stehenden Straftaten sind (auch) gegen fremde Vermögensinteressen gerichtet, da nicht verkehrsfähige und daher minderwertige Ware als Lebensmittel verkauft wurde und deshalb auch dringender Tatverdacht wegen Betruges besteht.

Gegen die Redlichkeit der für die Arrestbeteiligten handelnden Personen sprechen zudem noch weitere Indizien.

So fehlten nach dem Ergebnis der Ermittlungen in der Buchführung der Arrestbeteiligten nicht nur die Ankäufe der von der Firma A angelieferten - von der Firma C stammenden - Schweinepfötchen, sondern wurden auch die an die Fleischereien gelieferten Fleischabschnitte falsch deklariert, da diese nach den Bekundungen des Zeugen Z1 statt der angegebenen 30 % Fett in Wahrheit 50 oder gar 60 % Fett enthielten (vgl. Bl. 74 Bd. II d. A.). Des Weiteren gab es Widersprüche zwischen der elektronischen Buchführung und den Belegrechnungen (144.030 kg gegenüber 192.300 kg verkaufter Pfötchen an die D, Bl. 390 Bd. I d. A.).

Für die Besorgnis einer Vereitelung oder wesentlichen Verschlechterung der Vollstreckung spricht insbesondere auch die Veräußerung des Betriebsgrundstücks. Schon die Veräußerung des einzigen körperlichen Vermögensgegenstandes wird vielfach als ein tragender Arrestgrund angesehen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.03.2005, juris, Rn. 21; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 917, Rn. 5). Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens legt der Verkauf des Betriebsgrundstückes nahe, dass der Geschäftsbetrieb aufgegeben werden soll. Dies lässt eine baldige Liquidierung oder jedenfalls weitgehende Entnahme des Kapitals der Gesellschaft befürchten, was den Zugriff der Staatskasse wesentlich erschweren würde.

c) Dem Senat erscheint es auch sachgerecht, im Rahmen des nach § 111 b Abs. 2 StPO eröffneten Ermessens von der Anordnung des dinglichen Arrestes Gebrauch zu machen. Insbesondere ergibt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen hier ein Überwiegen des staatlichen Sicherungsinteresses, zumal nicht ersichtlich ist, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs durch die Arrestbeteiligte nach Veräußerung des Geschäftsgrundstücks beabsichtigt ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Beschwerde auf § 473 Abs. 1 StPO und bezüglich der weiteren Beschwerde auf einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO.