Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2014, Az.: 3 K 118/14

Bindung einer einmal getroffenen Tilgungsbestimmung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.09.2014
Aktenzeichen
3 K 118/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 35988
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0924.3K118.14.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 01.12.2015 - AZ: VII R 46/14

Fundstellen

  • AO-StB 2015, 75
  • EFG 2015, 269-271

Amtlicher Leitsatz

Hat sich der Steuerpflichtige mit dem FA auf eine bestimmte Verrechnung seiner Zahlung geeinigt, ist er daran nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gebunden.

Tatbestand

1

Streitig ist die Frage, ob eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung bindend ist.

2

Die Mutter der Klägers, KL, schenkte mit notariellem Vertrag vom 25. Februar 2003 dem Kläger und seinen zwei Brüdern, BL und JL, in Vorwegnahme der testamentarisch verfügten Erbfolge vier Grundstücke zu je einem Drittel. Hierbei behielt sich die Mutter des Klägers auf ihre Lebensdauer den Nießbrauch an den Grundstücken vor.

3

Am 5. März 2003 gingen beim Beklagten drei gleichlautende Schenkungsteuererklärungen ein, in denen der Kläger und seine beiden Brüder die Grundstückschenkungen angaben und auf das bestehende Nießbrauchsrecht hinwiesen. Im Zusammenhang mit der Frage nach einer Stundung der Schenkungsteuer erklärte der Kläger, dass der zu stundende Betrag nicht mit dem Barwert abgelöst werden solle (Ziffer 3.2. der Schenkungsteuererklärung). Im Mantelbogen ist vermerkt, dass der Steuerberater Gerhard W bei der Anfertigung der Schenkungsteuererklärung mitgewirkt habe; der Kläger hat die Steuererklärung unterzeichnet.

4

Nach Eingang der vier Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum Besteuerungszeitpunkt 25. Februar 2003 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger und seinen beiden Brüdern mit Schenkungssteuerbescheiden jeweils vom 17. November 2003 die Schenkungsteuer jeweils in Höhe von 25.465,- € fest. Gemäß Anlage zu diesem Bescheid stundete der Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 22.427,- €, so dass ein sofort, d.h. am 22. Dezember 2003 fälliger Betrag verblieb. Weiterhin ergingen ebenfalls unter dem Datum des 17. November 2003 jeweils gleichlautende Bescheide über die Ablösung gestundeter Schenkungsteuer. Der zum 22. Dezember 2003 fällige Ablösebetrag beträgt danach 12.446,98 €.

5

Mit Wertstellung am 17. Dezember 2003 überwiesen der Kläger und seine beiden Brüder jeweils einen Betrag in Höhe von 12.446,98 € unter Angabe der Steuernummer 30/643/09619 und des Erläuterungstextes "Ablösung Schenkungsteuer" an den Beklagten. Die verbleibende, nicht gestundete und sofort fällige Schenkungsteuer in Höhe von 3.038,- €, welche bis zum 22. Dezember 2003 hätte entrichtet werden müssen, zahlten der Kläger und seine Brüder indes nicht.

6

In der Steuerakte findet sich sodann ein Vermerk der Sachbearbeiterin, Frau G, über eine persönliche Rücksprache mit dem Steuerberater W am 14. Januar 2004. Darin heißt es: "Habe ihm erklärt, dass die sofort fällige Steuer noch nicht gezahlt ist. Er weiß nicht, ob die Beschenkten tatsächlich ablösen wollen. Habe ihm gesagt, dass die Sz [Säumniszuschläge] natürlich nicht erhoben werden!". Am 3. Februar 2004 gingen beim Beklagten drei in der Sache gleichlautende Schreiben des Steuerberaters W vom 23. Januar 2004 ein. Darin teilt dieser mit, dass "ein Gesellschafter der Erbengemeinschaft L" sich zur Zeit aus beruflichen Gründen in China befinde und erst in ca. 4 Tagen zurückerwartet werde, so dass erst nach der Rückkehr über die Wahlmöglichkeit der Zahlung der Schenkungsteuer entschieden werden könne. Er bitte deshalb um Stundung der festgesetzten Schenkungsteuer in Höhe von 3.038,- € bis zum 22. Februar 2004.

7

Mit Verfügung vom 9. Februar 2004 wies der Beklagte die Umbuchung des Betrages von 12.446,98 € von der Ablöse-Steuernummer auf die Schenkungsteuernummer an. Am 16. Februar 2004 erreichte den Beklagten ein Fax der "Hausverwaltung L", unterzeichnet mit GL, welches sich an den Steuerberater des Klägers richtete und für eine für eine Steuererstattung in Höhe von 9.408,98 € als Differenz aus dem an die Finanzkasse überwiesenen Betrag in Höhe von 12.446,98 € und der sofort fälligen Steuer in Höhe von 3.038,- € die jeweilige Bankverbindung der drei Beschenkten enthielt. Im Anschluss daran erstattete der Beklagte am 26. Februar 2004 den Betrag in Höhe von 9.408,98 € auf das Konto des Klägers. Den verbleibenden Betrag von 3.038,- € buchte der Beklagte auf die sofort fällige Schenkungsteuer und sah damit die Schenkungsteuer in Höhe von 22.427,- € als gestundet an.

8

Am 26. Juli 2006 fragte der Steuerberater W beim Beklagten an, welche Schenkungsteuer bei rückwirkender Aufhebung des Nießbrauchsrechts an zwei Grundstücken zum 1. Januar 2004 anfallen würde. Es kam zu einem schriftlichen und mündlichen Meinungsaustausch, im Rahmen dessen der Beklagte mit Schreiben vom 4. September 2006 darlegte, dass die Aufhebung des Nießbrauchsrechts keine zusätzliche Schenkungsteuer auslöse, sondern zur vorzeiten Fälligkeit der Steuer für die betreffenden Grundstücke führe. Tatsächlich kam es nicht zur Einschränkung des Umfangs des Nießbrauchsrechts der Schenkerin.

9

KL verstarb am 16. Januar 2012. Davon erfuhr der Beklagte im Rahmen von turnusmäßig durchgeführten Ermittlungen zur Belastung des geschenkten Vermögens. Er forderte darauf vom Kläger und seinen Brüdern mit Schreiben vom 11. September 2012 die gestundete Schenkungsteuer in Höhe von 22.427,- € zuzüglich der nach dem Tod der Schenkerin angefallenen Säumniszuschläge in Höhe von 1.568,- € an.

10

Die nunmehr vom Kläger beauftragte Steuerberaterin erklärte, dass nach ihren Unterlagen die Schenkungsteuer im Jahre 2003 in voller Höhe gezahlt worden sei. Nachdem der Beklagte die Steuerberaterin über die seinerzeitigen Vorgänge unterrichtet hatte, überwiesen der Kläger und seine zwei Brüder zum Jahresende 2012 die Schenkungsteuer in Höhe von jeweils 22.427,- € zuzüglich der Säumniszuschläge an den Beklagten, welche dieser zur Hälfte erließ.

11

Nach nochmaligem Beraterwechsel vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Schenkungsteuer durch die Überweisung vom 17. Dezember 2003 getilgt worden sei. Eine nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung sei nicht möglich. Er beantragte die Erteilung eines Abrechnungsbescheides.

12

Der Beklagte erließ am 3. Juni 2013 einen Abrechnungsbescheid, in dem er für das Jahr 2003 nur einen Teilbetrag der Steuerschuld in Höhe von 3.038,- € als getilgt ansah. Der Rest in Höhe von 22.427,- € sei gestundet und erst in 2012 bezahlt worden. Rechtsgrund für die Zahlung sei der Schenkungsteuerbescheid vom 17. November 2003; eine Erstattung komme nicht in Betracht.

13

Gegen diesen Bescheid legten der Kläger und seine beiden Brüder jeweils Einspruch ein. Den Einspruch von JL wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 2. April 2014 als unbegründet zurück. Der Kläger hat - ebenso wie sein Bruder BL - am 17. April 2014 Untätigkeitsklage erhoben; am 5. Mai 2014 hat JL Anfechtungsklage erhoben. Im Falle des Klägers und BLs erließ der Beklagte unter dem Datum des 2. Juli 2014 einen Einspruchsbescheid, so dass sich die Klage in eine Anfechtungsklage wandelte.

14

Der Kläger ist der Ansicht, dass mit der Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 12.446,98 € und unter Angabe des Verwendungszwecks "Ablösungsbetrag Schenkungsteuer" die Schenkungsteuer insoweit durch Zahlung erloschen sei. Das ergebe sich daraus, dass der Kläger centgenau den Ablösebetrag gezahlt habe, was zusätzlich zu dem Erläuterungstext deutlich mache, welcher Betrag hätte getilgt werden sollen.

15

Zwar sei in 2004 eine Steuererstattung in Höhe von 9.408,98 € ohne Rechtsgrund erfolgt. Eine Rückerstattung könne der Beklagte aber wegen inzwischen eingetretener Zahlungsverjährung nicht fordern. Aus diesem Grunde seien durch den Kläger in 2012 Zahlungen ohne Rechtsgrund erbracht worden und seien zu erstatten.

16

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten könne der einmal erloschene Steueranspruch durch eine nachträgliche und dazu unzulässige Umbuchung nicht wieder aufleben. Zur Begründung eines Steueranspruchs sei regelmäßig ein Steuerbescheid erforderlich, woran es hier fehle. Eine gegebenenfalls fehlerhafte Vorstellung des Klägers, er könne den Stundungsbetrag noch zu einem späteren Zeitpunkt ablösen, sei demgegenüber unerheblich. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen ein Telefonat zwischen der damaligen Sachbearbeiterin des Beklagten und dem Steuerberater W; jedenfalls habe er dem Steuerberater zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche oder mündliche Vollmacht zur Abgabe von Erklärungen für ihn oder zu deren Entgegennahme erteilt. Ein Stundungsbegehren bestreitet er mit Nichtwissen; jedenfalls habe er ein solches nicht veranlasst.

17

Soweit der Beklagte in dem Telefax vom 16. Februar 2004 eine Anfechtung der Tilgungsbestimmung erblicke, sei darauf hinzuweisen, dass das Schreiben an den Steuerberater adressiert sei. Hinweise auf einen Irrtum oder eine Anfechtung enthalte das Schreiben nicht. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Überweisung in einem Irrtum über die Erklärungshandlung, den Erklärungsinhalt, eine verkehrswesentliche Eigenschaft oder die Übermittlung befunden habe. Der Kläger meint unter Angabe zivilrechtlicher Fundstellen, dass selbst eine wirksame Anfechtung kein neues Bestimmungsrecht nach sich ziehen würde.

18

Weiterhin habe der Kläger von der angeblichen Umbuchung keine Kenntnis erhalten.

19

Der Kläger beantragt,

20

unter Abänderung des Abrechnungsbescheides vom 3. Juni 2013 in der Fassung der Einspruchsbescheide vom 2. Juli 2014 festzustellen, dass ein Erstattungsanspruchs des Klägers i.H.v. 22.427 € nebst Säumniszuschlägen (insgesamt 23.388 €) besteht.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

23

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe die Tilgungsbestimmung zur Zahlung von 12.446,98 € wirksam angefochten. Der Überweisungstext "Ablösung Schenkungsteuer" könne sowohl im Sinne der Ablösung der gestundeten Schenkungsteuer als auch im Sinne einer Ablösung der gesamten Schenkungsteuer verstanden werden. Gegen das erste spreche, dass dann zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zusätzlich die sofort fällige Steuer überweist. Wenn der Steuerberater auf den Hinweis, dass weitere Steuerbeträge noch offen sind, zunächst die Stundung der Steuer beantrage und dann, nach Rückkehr seines Ansprechpartners, nicht etwa der Restbetrag geleistet, sondern die Erstattung des überwiegenden Teiles der bereits geleisteten Zahlung begehrt werde, so spreche das dafür, dass zunächst nicht die Ablösung der gestundeten Steuer beantragt worden sei. Dem entspreche auch die Angabe in der Steuererklärung, dass keine Ablösung der gestundeten Steuer erfolgen solle. Insofern sei davon auszugehen, dass sich der Kläger bei der Überweisung des Betrages von 12.446,98 € in einem Irrtum über den Inhalt seiner Willenserklärung befunden habe.

24

Sei aber die ursprüngliche Tilgungsbestimmung wirksam angefochten worden, so könne der Kläger daher das Bestimmungsrecht erneut ausüben. Dies habe der Kläger dann auch getan, indem er entschied, dass seine Zahlung vom 18. Dezember 2003 für die fällige Steuer in Höhe von 3.038,- € bestimmt sein solle. Dies ergäbe sich aus dem Fax vom 16. Februar 2004. Die Schenkungsteuer in Höhe von 3.038,- € sei damit getilgt.

25

Da seinerzeit eine Ablösung der gestundeten Schenkungsteuer nicht erfolgt sei, hätte der gestundete Betrag in Höhe von 22.427,- € mit Schreiben vom 11. September 2012 angefordert werden dürfen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

27

Der Abrechnungsbescheid vom 3. Juni 2013 ist rechtmäßig. Der Kläger kann nicht die Feststellung begehren, dass der Beklagte an ihn einen Betrag von 23.388,- € zu erstatten hat.

28

Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis (§ 37 AO) betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Der Abrechnungsbescheid hat dabei für die Beteiligten die verbindliche Feststellung zum Inhalt, ob und inwieweit der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verwirklicht (erfüllt) oder noch zu verwirklichen ist (BFH Urteil vom 12. August 1999 VII R 92/98, BFH/NV 2000, 108), d.h. ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung z. B. durch Zahlung, Aufrechnung oder Verrechnung erloschen ist.

29

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat gem. § 37 Abs. 2 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Im Streitfall ist die Zahlung des Betrages von 23.388,- € Ende 2012 nicht rechtsgrundlos erfolgt, so dass kein Steuererstattungsanspruch besteht. Rechtsgrund der Zahlung sind der Schenkungsteuerbescheid vom 17. November 2003 und die kraft Gesetzes gem. § 240 AO verwirkten Säumniszuschläge zur Schenkungsteuer.

30

Allerdings hat der Kläger durch seine Überweisung vom 17. Dezember 2003 zunächst den gestundeten Teil der Schenkungsteuerforderung des Beklagten erfüllt und damit die Steuerforderung insoweit gem. § 47 i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht. Denn der Beklagte hat mit weiterem Bescheid vom 17. November 2003 den Ablösungsbetrag der gestundeten Schenkungsteuer mit 12.446,98 € festgelegt. Auf den Cent genau diesen Betrag hat der Kläger am 17. Dezember 2003 an die Finanzkasse überweisen. Für die Erfüllungswirkung ist die Tilgungszweckbestimmung entscheidend. Nach § 225 Abs. 1 AO ist bei freiwilliger Zahlung die Schuld getilgt, die der Leistende bei der Zahlung bestimmt. Maßgeblich ist, wie eine vernünftige Person die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte (objektiver Empfängerhorizont, vgl. insoweit Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Mai 2002 5 K 497/98, ). Der Kläger hat bei der Überweisung als Verwendungszweck den Text "Ablösebetrag Schenkungsteuer" angegeben. Dies musste der Empfänger der Überweisung eindeutig dahingehend verstehen, dass der gestundete, aber ablösbare Teil der Verbindlichkeit getilgt werden sollte. Im Übrigen hat die Finanzkasse die Zahlung seinerzeit auch entsprechend verbucht.

31

Diese einmal getroffene Tilgungsbestimmung konnte auch nicht durch eine anderweitige Tilgungsbestimmung ersetzt werden, da sowohl eine durch den Steuerpflichtigen getroffene Tilgungsbestimmung im Sinne des § 225 Abs. 1 AO als auch eine Tilgung ohne Tilgungsbestimmung entsprechend der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge gem. § 225 Abs. 2 AO grundsätzlich bindend sind (BFH Beschluss vom 8. September 1994 VII B 72/94, BFH/NV 1995, 373; BFH Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 63/98, BFH/NV 2000, 357).

32

Eine Tilgungsbestimmung ist jedoch dann nicht mehr wirksam, wenn sie der Steuerpflichtige wirksam angefochten hat. Die Tilgungsbestimmung ist eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Schuldners, die unter denselben Voraussetzungen erfolgreich angefochten werden kann wie eine zivilrechtliche Willenserklärung, d.h. wenn Anfechtungsgrund (§§ 119, 123 BGB) und Anfechtungserklärung vorliegen und die Anfechtungsfrist gewahrt ist (Klein-Rüsken, Kommentar zur AO, § 225 Rn. 3; Pahlke/Koenig-Fritsch, Kommentar zur AO, § 225 Rn. 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Alber, Kommentar zur AO, § 225 Rn. 18, 23; Tipke/Kruse-Loose, Kommentar zur AO, § 225 Rn. 7).

33

Der Senat kann dem Beklagten jedoch nicht darin folgen, dass sich aus den Telefonkontakten/persönlichen Gesprächen und dem Schriftverkehr zwischen Klägerseite und Beklagten in der Zeitspanne vom 14. Januar 2014 bis zum 16. Februar 2014 hinreichend sicher eine Anfechtung der Tilgungsbestimmung aufgrund eines Anfechtungsgrundes im Sinne des § 119 Abs. 1 1. oder 2. Alternative BGB - die anderen Anfechtungstatbestände sind hier ersichtlich nicht einschlägig - ableiten lässt. Zwar lässt sich aus dem chronologischen Ablauf eine Meinungsänderung auf der Klägerseite über die Frage erkennen, wie hinsichtlich der Alternative sofortige Zahlung oder Stundung der Steuer zu verfahren ist. Allerdings lässt sich angesichts der unvollständigen Wiedergabe der seinerzeit geführten Gespräche in Form von Aktenvermerken und des großen zeitlichen Abstands nicht mehr rekonstruieren, ob der Kläger und seine Brüder tatsächlich aufgrund eines zur Anfechtung berechtigenden Erklärungs- oder Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB (etwa, weil sie glaubten, mit der Zahlung den sofort fälligen Teil der Steuerforderung zu tilgen) von der ursprünglichen Tilgungsbestimmung Abstand genommen haben oder ob sie nicht vielmehr einem kein Anfechtungsrecht begründendem Motivirrtum (Palandt-Ellenberger, Kommentar zum BGB, § 119 Rn. 29) unterlegen sind, beispielsweise, weil sie erst nach der Zahlung durch den Steuerberater W über die wirtschaftlichen Konsequenzen ihres Handelns aufgeklärt worden sind. Die Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens einer aufgrund eines zulässigen Anfechtungsgrunds ausgeübten Anfechtung geht zu Lasten des Beklagten, der insoweit die Feststellungslast trägt.

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Im Ergebnis ist der Abrechnungsbescheid dennoch rechtmäßig. Der Senat sieht den Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als an die Umbuchung der in 2003 gezahlten Steuer auf den sofort fälligen Betrag in Höhe von 3.083,- € und die Auskehr des überschießenden Betrages von 9.408,98 € gebunden an mit der Folge, dass die gestundete Schenkungsteuer beim Tod der Schenkerin KL in 2012 immer noch offen war und die Zahlung des Klägers Ende 2012 auf diese Schuld erfolgte.

35

Nach Überzeugung des Senats hat der Beklagte Anfang 2004 mit ausdrücklicher Billigung der drei Brüder L die am 17. Dezember 2003 überwiesenen Geldbeträge auf die sofort fällige Steuer verbucht und den überschießenden Betrag erstattet. Dies ergibt sich in sich schlüssig aus den in den Akten dokumentierten Telefonkontakten und dem Schriftverkehr in den Monaten Januar und Februar 2004:

36

Der Kläger und seine beiden Brüder haben sich mit der Überweisung eines Geldbetrages in Höhe von 12.446,98 € unmittelbar vor Ablauf der Zahlungsfrist am 17. Dezember 2003 insoweit inkonsistent verhalten, als sie zwar den gestundeten Steuerbetrag, nicht aber die vorrangig zu entrichtende sofort fällige Steuer in Höhe von 3.038,- € bezahlt haben. Dies gab auf Seiten des Beklagten berechtigten Anlass zu einer Rückfrage, ob hier nicht ein Versehen vorliege; der Steuerberater war sich dessen auch nicht sicher. Der Gesprächskontakt mit dem Steuerberater W über diese Angelegenheit am 14. Januar 2004 ist durch die handschriftliche Gesprächsnotiz der Sachbearbeiterin G dokumentiert (Bl. 56 Schenkungsteuerakte JL). Der Inhalt dieses Gesprächs erschließt sich weiterhin durch das im Nachgang eingegangene Schreiben des Steuerberaters W vom 23. Januar 2004 (Bl. 57 Schenkungsteuerakte JL). Herr W macht darauf aufmerksam, dass sich sein Ansprechpartner auf Mandantenseite noch für vier Tage in China aufhalte, so dass erst dann über die "Wahlmöglichkeit" entschieden werden könne und bittet vorläufig um Stundung des sofort fälligen Betrages, d.h. die Frage: Sofortige Ablösung der Schenkungsteuer ja oder nein? sollte mit den Klägern erörtert werden.

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Der Umstand, dass der Beklagte nachfolgend am 9. Februar 2004 eine Umbuchung vornimmt und die Steuerpflichtigen per Fax mitteilen, auf welches Konto der Erstattungsbetrag jeweils zu überweisen ist, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass in der Zwischenzeit ein weiteres, nicht dokumentiertes Telefonat oder Gespräch stattgefunden hat, im Rahmen dessen die Steuerpflichtigen oder der Steuerberater W die Frage der sofortigen Zahlung der Schenkungsteuer oder alternativ einer Stundung im Sinne des letzteren beantwortet haben. Denn anderenfalls wäre nicht erklärlich, warum einerseits der Beklagte aus dem Nichts heraus eine Umbuchung der Steuerzahlung vornimmt und andererseits die Steuerpflichtigen unmittelbar anschließend Konten zur Entgegennahme der Steuererstattung benennen. Aus dem Fax vom 16. Februar 2004 lässt sich auch unzweifelhaft ableiten, dass der Kläger und seine Geschwister in die Entscheidungsfindung eingebunden waren. Denn in dem Fax wird auf den Cent genau der Betrag ausgewiesen, der zu erstatten war, wenn die geleistete Zahlung auf die sofort fällige Steuer umgebucht wird. Hätte es keine Entscheidung im Sinne einer Stundung gegeben, hätte es nicht der Mitteilung eines Erstattungskontos bedurft.

38

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass das Fax vom 16. Februar 2004 nicht an den Beklagten, sondern an den Steuerberater W adressiert war, ändert dies an der Beurteilung nichts. Denn das Fax war ersichtlich zur Weiterleitung an den Beklagten bestimmt. Das ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens: Die Steuererstattung war durch die Finanzkasse zu veranlassen; der Steuerberater erstattet seinen Mandanten nicht die von diesen an das Finanzamt gezahlten Beträge. Soweit der Kläger ausführt, der Steuerberater W sei von der Mutter KL, nicht aber von dem Kläger und seinen Geschwistern beauftragt worden, ist dem entgegenzuhalten, dass Herr W ausweislich des Mantelbogens der Steuererklärung bei der Erstellung der Steuererklärung mitgewirkt hat und dies dem Kläger auch bekannt war, weil er die Steuererklärung unterzeichnet hat. Auch im Weiteren ist der Kontakt zwischen Steuerpflichtigen und Beklagtem unter Einschaltung des Steuerberaters W erfolgt, so dass zumindest vom Vorliegen einer Duldungsvollmacht auszugehen ist.

39

Wenn der Kläger und seine beiden Brüder sich entgegen der ursprünglichen Angabe auf dem Überweisungsträger mit dem Beklagten dahingehend geeinigt haben, dass die gestundete Schenkungsteuer nicht abgelöst und die unter der Voraussetzung, dass es bei einer Stundung bleibt, zu hohe Steuerzahlung erstattet wird, er den Erstattungsbetrag entgegengenommen und diese Behandlung des Sachverhalts über fast ein Jahrzehnt hinweg akzeptiert hat - auch die Diskussion um die vorzeitige und rückwirkende Aufhebung des Nießbrauchsrechts für zwei Grundstücke im Jahre 2006 ist nur vor dem Hintergrund einer fortbestehenden Stundung der Schenkungsteuer nachvollziehbar -, dann handelt er treuwidrig, wenn er im Jahre 2012 wiederum geltend macht, der Stundungsbetrag sei in 2003 abgelöst worden und alle sich daraus ergebenden Zahlungspflichten zahlungsverjährt.

40

Der Grundsatz von Treu und Glauben und damit die Unzulässigkeit eines Verhaltens, durch das sich jemand zu seinem eigenen vorangegangenen Tun in Widerspruch setzt, (sog. "venire contra factum proprium") gilt uneingeschränkt auch im Steuerrecht (BFH Urteile vom 16. April 1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997, 738; vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BStBl. II 2005, 238; vom 18. April 2007 XI R 47/05, BStBl. II 2007, 736 vom 30. März 2011 XI R 30/09, BStBl. II 2011, 613; vom 15. Mai 2013 VIII R 18/10). Der Grundsatz von Treu und Glauben kann verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (BFH Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BStBl. II 1989, 990). In seiner Entscheidung vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105 führt der BFH aus, dass es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, wenn sich die Steuerpflichtigen im Rechtsbehelfsverfahren des Folgejahres - möglicherweise materiell-rechtlich zutreffend - auf eine einkünftemindernde Gehaltsrückzahlung berufen, wenn sie diese bereits im Veranlagungsverfahren des Vorjahrs mit der Gehaltszahlung verrechnet haben.

41

Damit in der Sache vergleichbar stellt sich der Streitfall dar: Nachdem der Beklagte den Kläger auf sein inkonsequentes Verhalten hingewiesen hat, haben sich Kläger und Beklagter dahingehend verständigt, dass die bereits geleistete Zahlung auf die sofort fällige Schenkungsteuer verrechnet und der überschüssige Betrag erstattet wird. Mit der Rückzahlung des größten Teiles der 12.446,98 € im Februar 2004 hat der Beklagte eine Disposition getroffen; gleichfalls hat er eine Disposition unterlassen, indem er auf eine zusätzliche Beitreibung der sofort fälligen 3.038,- € zu den gezahlten 12.446,98 € - dies wäre die Konsequenz gewesen, wenn sich der Beklagte so verhalten hätte wie es der Kläger von ihm einfordert - verzichtet hat. Der Kläger hat diese Handhabung bestätigt, indem er dem Beklagten die Kontonummer für die Steuererstattung mitgeteilt und die Erstattung bestätigt hat; auch später hat er die Stundung der Schenkungsteuer bestätigt, indem er im Jahre 2006 mit dem Beklagen die Rechtsfolgen einer teilweise rückwirkenden Aufhebung des Nießbrauchsrechts der Mutter diskutiert und die daraus resultierende Steuerzahlung hat ermitteln lassen. Schließlich hat sich der Kläger sogar noch in den Monaten Oktober und November 2012 im Sinne der Stundungsvereinbarung verhalten, indem er - nachdem der Beklagte der Steuerberaterin H den Sachverhalt dargelegt hat - die gestundete Steuer entrichtet hat. Wenn der Kläger sich nach Einschaltung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten darauf beruft, dass allein die ursprüngliche Tilgungsbestimmung maßgeblich sei und alles weitere Verhalten der Beteiligten ohne jegliche Bedeutung, so setzt er sich zu seinem vorangehenden Tun in Widerspruch und handelt treuwidrig, indem er die Rückzahlung der an die Finanzkasse geleisteten Steuerbeträge verlangt.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

43

Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.