Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.11.1998, Az.: 7 W (L) 69/98
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.11.1998
- Aktenzeichen
- 7 W (L) 69/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 34096
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:1116.7W.L69.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Otterndorf - 17.06.1998 - AZ: 6 Lw 37/97
In der Landwirtschaftssache
betreffend den Antrag auf vorzeitigen Erbausgleich gemäß § 1934 d BGB a. F.
hat der 7. Zivilsenat -; Senat für Landwirtschaftssachen -; des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht . den Richter am Oberlandesgericht . und die Richterin am Oberlandesgericht . als Berufsrichter sowie die Landwirtin . und der Landwirt . als ehrenamtliche Richter am 16. November 1998 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird das am 17. Juni 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts -; Landwirtschaftsgericht -; Otterndorf aufgehoben.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Zahlung von vorzeitigem Erbausgleich wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 39. 580 DM.
Tatbestand:
I.
Die am 24. Oktober 1974 geborene Beteiligte zu 1, Antragstellerin und ehemals Klägerin, hat von dem Beteiligten zu 2, ihrem nichtehelichen Vater, die Zahlung des vorzeitigen Erbausgleiches gemäß § 1934 d BGB a. F. verlangt. Der Beteiligte zu 2, der die letzten Jahre einen monatlichen Unterhalt von 300 DM gezahlt hatte und aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 3. Mai 1995 ab 15. Juli 1995 monatlich 450 DM, hat mit der am 8. Mai 1996 beim Amtsgericht Stade eingereichten Klage Abänderung des Unterhaltstitels mit dem Ziel, dass er nichts mehr zu zahlen habe, beantragt. In dem Rechtsstreit 61 C 233/96 AG Stade hat die Beteiligte zu 1 mit ihrer Widerklage die Verurteilung des Beteiligten zu 2 zur Zahlung eines vorzeitigen Erbausgleichs in Höhe von 47. 520 DM beantragt. Mit Beschluss vom 30. Januar 1997 hat das Amtsgericht den Rechtsstreit wegen der Widerklage an das Landgericht Stade verwiesen. Dieses hat durch Beschluss vom 12. Mai 1997 den Rechtsstreit wegen der Widerklage an das Landwirtschaftsgericht Otterndorf abgegeben. Die dagegen von dem Beteiligten zu 2 erhobene sofortige Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 4. Juli 1997 (7 W 43/97) zurückgewiesen.
In der öffentlichen Sitzung des Landwirtschaftsgerichts Otterndorf vom 2. September 1997 hat der Beteiligte zu 2 einen Ausgleichsanspruch von 7. 920 DM anerkannt und diesen Betrag sodann auch gezahlt.
Die Beteiligte zu 1 ist aufgrund eines unverschuldeten Unfalls gesundheitlich beeinträchtigt. Sie brach verschiedene Berufsausbildungen ab und bezog zuletzt Einkünfte in Höhe von 2.151,74 DM brutto monatlich. Der Beteiligte zu 2 ist Landwirt und Eigentümer des im Grundbuch von . Bl. 528 eingetragenen Hofes im Sinne der Höfeordnung zur Größe von 10.19.72 ha, für den der zuletzt 1996 vom Finanzamt festgestellte Einheitswert 23. 600 DM beträgt.
Die Beteiligte zu 1 hat auf der Grundlage eines in den letzten fünf Jahren durchschnittlich gezahlten Unterhalts von 3. 960 DM und mit Rücksicht auf den Verkehrswert des Hofes des Beteiligten zu 2 den zwölffachen Jahresbetrag als vorzeitigen Erbausgleich mit 47. 520 DM errechnet und demgemäß beantragt,
den Beteiligten zu 2 zu verurteilen, der Beteiligten zu 1 einen vorzeitigen Erbausgleich in Höhe von 47. 520 DM abzüglich gezahlter 7. 920 DM zu zahlen.
Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, lediglich zur Zahlung des dreifachen Jahresunterhaltsbetrages verpflichtet zu sein, weil er ein nicht gerade vermögender Landwirt sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat durch Einholung des Gutachtens des Sachverständigen . zu der Frage Beweis erhoben, ob der Hof des Beteiligten zu 2 noch ein Hof im Sinne der Höfeordnung sei. Sodann hat es den Beteiligten zu 2 zur Zahlung von 39. 580 DM verurteilt und dies damit begründet, nach den Feststellungen des Sachverständigen . handele es sich bei dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beteiligten zu 2 nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, weil der Wirtschaftswert unter 10. 000 DM gesunken sei, sodass die privilegierenden Vorschriften der Höfeordnung zugunsten des Beteiligten zu 2 nicht eingriffen, vielmehr vom Wert des Betriebes in Höhe von 450. 000 DM auszugehen sei.
Das am 17. Juni 1998 nach mündlicher Verhandlung in öffentlicher Sitzung vom 2. Juni 1998 verkündete Urteil, das dem Beteiligten zu 2 ohne Rechtsmittelbelehrung am 22. Juni 1998 zugestellt worden ist und auf das auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat der Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 7. Juli 1998 Berufung bzw. sofortige Beschwerde eingelegt und diese auch zugleich begründet. Er hat auf die Unzulässigkeit des Urteils und die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache hingewiesen und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass die Hauptsache erledigt ist,
hilfsweise
das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären.
Die Beteiligte zu 1, die über die falsche Behandlung der Sache unterrichtet worden ist, beantragt,
- 1
das Verfahren gemäß Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit des Art. 225 Abs. 1 Ziff. 2, 2. Alt. EGBGB vorzulegen wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG,
- 2
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass sie darauf habe vertrauen dürfen, dass während des laufenden Verfahrens die Rechtslage nicht zu ihrem Nachteil geändert werde. Das Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16. Dezember 1997 verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 GG, weil es gegen das Verfassungsprinzip der Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz auf die Bestandskraft staatlichen Handelns verstoße.
Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
II.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist zulässig und auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung des Antrages der Beteiligten zu 1 auf vorzeitigen Erbausgleich. Für eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht hat der Senat keinen Anlass gesehen.
1. Das Verfahren des Landwirtschaftsgerichts leidet an schweren Mängeln, die -; jeder für sich genommen -; zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss.
Das Landwirtschaftsgericht hat unzulässigerweise als Prozessgericht verhandelt und entschieden. Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVG) zählt in § 1 die Verfahren auf, in denen das Landwirtschaftsgericht entscheidet. Dabei gilt in fast allen Verfahren das durch das LwVG modifizierte FGG-Recht. Lediglich in den Verfahren der Ziff. 1 a, der sog. streitigen Landpachtsachen, entscheidet das Landwirtschaftsgericht gemäß § 48 LwVG nach den Bestimmungen der ZPO als Prozessgericht, wofür einzelne Ausnahmen gelten. Dass das vorliegende Verfahren keine streitige Landpachtsache ist, liegt auf der Hand. Demgemäß durfte das Landwirtschaftsgericht nicht in öffentlicher Sitzung verhandeln und durch Urteil entscheiden.
Das Landwirtschaftsgericht durfte überhaupt nicht mehr in der Sache entscheiden. Durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz -; KindRG) vom 16. Dezember 1997 ist das nichteheliche Kind mit Wirkung ab 1. April 1998 dem ehelichen Kind rechtlich gleichgestellt worden. In Verfolg dessen sind durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz -; ErbGleichG) ebenfalls vom 16, Dezember 1997 mit Wirkung ab 1. April 1998 die das Erbrecht des nichtehelichen Kindes betreffenden Vorschriften des BGB, insbesondere § 1934 d BGB, ersatzlos aufgehoben worden. Das nichteheliche Kind hat nunmehr wie ein eheliches Kind die gesetzlichen Erbansprüche gegen seinen nichtehelichen Vater. Einen vorzeitigen Erbausgleich gibt es nicht mehr. Nach Art. 2 Ziff. 1 ErbGleichG sind die bis zum 1. April 1998 geltenden Vorschriften über das Erbrecht des nichtehelichen Kindes nur dann weiter anzuwenden, wenn der Erblasser vor diesem Zeitpunkt gestorben ist oder über den vorzeitigen Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar hat der Beteiligte zu 2 einen Erbausgleich der Beteiligten zu 1 vor dem 1. April 1998 vor dem Landwirtschaftsgericht in Höhe von 7. 920 DM anerkannt und auch gezahlt. Nach Auffassung der Beteiligten zu 2 ist dies aber nur ein Teilbetrag eines ihr insgesamt zustehenden Erbausgleichs von 47. 520 DM, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzung des Art. 225 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erfüllt ist. Ob der vom Beteiligten zu 2 auf den vorzeitigen Erbausgleich gezahlte Betrag von 7. 920 DM der tatsächlich allein geschuldete Betrag ist, wird sich erst im Erbfall nach dem Beteiligten zu 2 herausstellen, wenn die Beteiligte zu 1 diese Zahlung sich auf ihren Erbanteil anrechnen lassen muss, Art. 225 Abs. 2 EGBGB. Wenn aber in einem laufenden Verfahren eine Gesetzesänderung eintritt, die dem geltend gemachten Anspruch den Boden entzieht, ist dieses Verfahren in der Hauptsache erledigt und darf nicht mehr zu Ende geführt werden, Thomas-Putzo, ZPO, 19. Aufl., Rdnr. 5 zu § 91 a ZPO. Die Beteiligten des Verfahrens haben vielmehr, auch um evtl. Kostenlasten zu ersparen, entsprechend § 91 a ZPO die Hauptsache für erledigt zu erklären, sodass nur noch über die Kosten zu entscheiden ist.
Das Landwirtschaftsgericht hat schließlich seine Entscheidung ohne Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten zugestellt. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG sind die Beteiligten bei der Zustellung über das zulässige Rechtsmittel sowie über dessen Form und Frist zu belehren. Das gilt gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 LwVG auch für streitige Entscheidungen im ZPO-Verfahren.
2. Der Senat hat danach nicht mehr in der Hauptsache zu entscheiden, sodass auch nicht darüber zu befinden ist, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wirtschaftswert des landwirtschaftlichen Betriebes des Beteiligten zu 2 und dessen Verwertung mit der Folge, diesem Betrieb die Hofeigenschaft abzusprechen, obwohl der Hofvermerk noch eingetragen war und ist und selbst bei Absinken des Wirtschaftswerts unter 10. 000 DM die Hofeigenschaft noch besteht, § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO, unzulässig waren. Einheitswert und Wirtschaftswert eines Hofes werden zwingend allein durch das zuständige Finanzamt bestimmt, § 3 a HöfeVfO.
3. Die Beteiligte zu 1 hat sich der Anregung des Senats, das Verfahren in der Hauptsache zu erklären, verschlossen und statt dessen Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht beantragt. Dem brauchte der Senat nicht zu folgen. Die Regelung des § 225 EGBGB n. F. stellt nach Auffassung des Senats keinen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG dar. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich um ein rückwirkend belastendes Gesetz handelt, wie die Beteiligte zu 1 meint, ohne dass das letztlich entschieden werden muss. Die rechtliche Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern ist für die nichtehelichen Kindern zu allererst vorteilhaft, weil sie jeglicher möglichen Diskriminierung den Boden entzieht. Im Erbrecht ist zwar die Stellung des nichtehelichen Kindes gelegentlich als Bevorzugung vor den Abkömmlingen des Erblassers bezeichnet worden, weil ihm nach § 1934 a anstelle eines Erbanteils ein in Geld auszahlbarer Erbersatzanspruch zustand und es auch den vorzeitigen Erbausgleich verlangen konnte, § 1934 d BGB a. F. Indessen ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich ohne isolierte Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles, und danach belastet die neue Regelung nichteheliche Kinder generell nicht. Der gesetzliche Erbanteil ist in der Regel höher als der nach der Höhe der letzten Unterhaltszahlungen zu gewährende vorzeitige Erbausgleich. Dass vorliegend die Beteiligte zu 1, wie sie behauptet, bei Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs in voller Höhe möglicherweise besser stehen würde als zu einem späteren Zeitpunkt als Miterbin, ist eine Besonderheit des Einzelfalles, die nicht Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung sein kann. Im Übrigen kann abgesehen davon, dass die Beteiligte zu 1 den noch beanspruchten vorzeitigen Erbausgleich voraussichtlich nicht in voller Höhe hätte durchsetzen können, die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung nicht davon abhängen, dass ein Betroffener seinen Anspruch im Verhältnis zur Gesetzesneuregelung sehr spät geltend macht und selbst das Verfahren durch Anrufung der nicht zuständigen Gerichte in die Länge zieht. Der Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich stand der Beteiligten zu 1 mit Vollendung ihres 21. Lebensjahres, also seit dem 25. Oktober 1995, zu. Sie hat ihn erst am 31. Mai 1996 geltend gemacht. Erst am 26. Mai 1997 war die Sache bei dem zuständigen Landwirtschaftsgericht anhängig. Zu diesem Zeitpunkt war die Diskussion um die rechtliche Gleichstellung des nichtehelichen Kindes mit dem Entwurf der Bundesregierung vom 18. März 1994 schon längst im Gange. Andererseits hätte die Beteiligte zu 1 mit der Geltendmachung ihres Anspruchs auch bis zur Vollendung ihres 27. Lebensjahres warten können und wäre dann ebenfalls der Neuregelung unterfallen. Dass ihr Anspruch nicht bis zum 31. März 1998 rechtskräftig entschieden worden ist, ist danach nur die Folge einmaliger Umstände und war letztlich lange vorhersehbar. Die Möglichkeit, gleichwohl Verfassungsbeschwerde einzulegen, ist der Beteiligten zu 1 damit selbstverständlich nicht abgeschnitten.
5. Die Beteiligte zu 1 hat verfahrenswidrig nicht das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, sondern Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Beteiligten zu 2 beantragt. Sie ist deswegen im Beschwerdeverfahren unterlegen und hat ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren die Gerichtskosten beider Instanzen zu tragen, §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG. Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat aus Billigkeitsgründen abgesehen, § 45 Abs. 1 Satz 1 LwVG.
Den Geschäftswert hat der Senat gemäß § 19 Buchst. d bzw. h HöfeVerfO mit § 30 KostO festgesetzt.