Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 22.10.2009, Az.: S 21 SO 287/05

Festsetzung eines Investitionsbetrages; Versorgungsvertrag mit den Verbänden der gesetzlichen Pflegekassen; Nachvollziehbarkeit einer Schiedsstellenentscheidung; Voraussetzung für die Aufhebung einer Schiedsstellenentscheidung

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
22.10.2009
Aktenzeichen
S 21 SO 287/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 30471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2009:1022.S21SO287.05.0A

Tenor:

Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Niedersachsen vom 3. November 2005 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land E. beim Niedersächsischen Ministerium für F. - im Folgenden: Schiedsstelle - über die Festsetzung eines Investitionsbetrages nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII für das Seniorenzentrum G., H., I., für die Zeit ab dem 01. Januar 2005.

2

Der Kläger ist Träger mehrerer Alten-Pflegeeinrichtungen, u.a. dem Seniorenzentrum G., H. in I ... Die Errichtung des Alten- und Pflegeheimes G. erfolgte in Abstimmung mit der Beklagten, wobei insbesondere die aufgrund von denkmalschutzrechtlichen Anforderungen bedingten hohen Investitionskosten thematisiert wurden. So ist in dem Grundstückskaufvertrag vom 13. Dezember 1988 aufgeführt, dass der Kläger sich verpflichte, in dem Hauptgebäude bis Ende 1990 Altenwohnungen einzurichten und nach Abbruch der Nebengebäude auf der Freifläche Bauten für Altenheim, Altenpflege und Kurzzeitpflege zu errichten. Die Planung der Baumaßnahmen habe der Kläger mit der Beklagten abzustimmen.

3

Mit Bescheid vom 13. September 2002 hat die Beklagte gesondert berechenbare Investitionsfolgeaufwendungen gemäߧ 82 Abs. 3 SGB XI i.V.m. § 19 Niedersächsisches Pflegegesetz (NPflegeG) in Höhe von 27,32 EUR pro Pflegeplatz und -Tag anerkannt. Für die Zeit ab dem 01. Januar 2004 hatten die Beteiligten eine Entgeltvereinbarung nach §§ 93 ff. Bundessozialhilfegesetz über Investitionsbeträge geschlossen, die der Kläger mit Schreiben vom 23. November 2004 zum 31. Dezember 2004 gekündigt hat. Sich anschließende Verhandlungen über einen ab dem 01. Januar 2005 geltenden Investitionsbetrag blieben ohne Ergebnis. Die Beklagte hatte während dieser Verhandlungen einen Investitionsbetrag von 16,50 EUR angeboten.

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Die Alten- und Pflegeeinrichtung "G. " verfügte zum 01. Januar 2005 über 112 zugelassene Pflegeplätze, wobei zu dieser Zeit bis zu 30 Bewohner auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen waren. Für die Einrichtung besteht ein Versorgungsvertrag nach§ 72 SGB XI, der am 14. Dezember 2000 rückwirkend zum 01. November 2000 geschlossen worden ist.

5

Mit einem am 29. Dezember 2004 bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle nach § 88 SGB XII für das Land E. beim Niedersächsischen Ministerium für F. - Außenstelle J. - eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger die Festsetzung der Investitionskosten u.a. für die Einrichtung "G. " in Höhe von 27,32 EUR pro Pflegeplatz und -Tag für die Zeit ab dem 01. Januar 2005. In seiner ersten Sitzung am 24. Mai 2005 schlug der Vorsitzende der Schiedsstelle den Beteiligten einen Vergleich vor, der aber nicht zustande kam. Daraufhin fand am 12. Oktober 2005 eine weitere Sitzung der Schiedsstelle statt, in der am Ende der Beschluss gefasst wurde, dass der Investitionsbetrag ab dem 01. Januar 2005 17,59 EUR pro Pflegetag betrage. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Protokolls der Schiedsstelle Bezug genommen. Die schriftliche Schiedsstellenentscheidung, die aufgrund der Sitzung am 12. Oktober 2005 erging, datiert vom 03. November 2005. Zur Begründung der Schiedsstellenentscheidung ist ausgeführt, dass der Investitionsbetrag in einem externen Vergleich ermittelt und gleichzeitig überprüft worden sei, ob sich in einem internen Vergleich unter Beachtung eines Vertrauensschutzes eine andere Vergütung ergeben würde. Bei der Prüfung des "externen Vergleiches" wurde die Einrichtung des Klägers mit verschiedenen anderen Einrichtungen verglichen, die von der Beklagten benannt worden sind. Dabei stellte die Schiedsstelle eine Bandbreite der Vergütung der Vergleichseinrichtung zwischen 8,27 EUR und 16,50 EUR bzw. zwischen 10,78 EUR und 16,50 EUR fest. Das Angebot des Klägers von 27,32 EUR liege damit erheblich außerhalb der Bandbreite dieser Vergleichseinrichtungen. Bei dem sich anschließenden Internen Vergleich/Vertrauensschutz gelangte die Schiedsstelle zu der Einschätzung, dass der Investitionsbetrag mit 17,59 EUR pro Pflegetag zutreffend bemessen sei. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die finanziellen Belastungen, die bei der Sanierung des von der Beklagten erworbenen Gebäudes aus Denkmalschutzgründen entstanden seien, nicht zu berücksichtigen, da sich die denkmalschutzrechtlichen Auflagen auf ein Gebäude bezögen, welches für die Hilfe zur Pflege so gut wie nicht genutzt werde.

6

Nach Abschluss des Schiedsstellenverfahrens hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2005 an die Schiedsstelle gewandt und mitgeteilt, dass die Zusammensetzung der von der Schiedsstelle ermittelten Beträge leider nicht nachvollzogen werden könnten. Im Hinblick auf zukünftige Verhandlungen - auch und insbesondere mit dem Kläger - sei es aber erforderlich, die Ergebnisse der Berechnung aufzuschlüsseln. Der Vorsitzende der Schiedsstelle hat daraufhin der Beklagten mit Schriftsatz vom 02. Januar 2006 im Einzelnen über insgesamt drei Seiten die rechnerischen Grundlagen für die Entscheidung der Schiedsstelle erläutert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug genommen, der in der beigezogenen Akte der Schiedsstelle enthalten ist.

7

Der Kläger hat daraufhin am 01. Dezember 2005 gegen die Schiedsstellenentscheidung Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Schiedsstellenentscheidung sei rechtswidrig, weil sie an einem Begründungsmangel leide. Es sei nicht möglich, das gefundene Ergebnis der Schiedsstelle nachzuvollziehen. Die Berechnungen seien unvollständig, maßgebliche Berechnungsgrundlagen seien weder in der schriftlichen Schiedsstellenentscheidung vom 03. November 2005 noch sonst in der Akte enthalten. So sei es beispielsweise in keiner Weise nachvollziehbar, wie die Schiedsstelle zu einer "fiktiven Miete/Pacht" in Höhe von 423.172,51 EUR gelangt sei. Auch die von der Schiedsstelle offensichtlich der Berechnung zugrunde gelegten Werte für "AfA", "Zinsen", "sonst. Mieten" und "Inst.Haltung" seien nicht nachvollziehbar. Die Schiedsstellenentscheidung sei darüber hinaus auch materiell rechtswidrig, da der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht beachtet worden sei. Denn die Beklagte habe mit Bescheid vom 13. September 2002 der gesonderten Berechnung von Investitionsfolgeaufwendungen in Höhe von 27,32 EUR pro Pflegeplatz und -Tag gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI i.V.m. § 19 NPflegeG zugestimmt. Die Schiedsstellenentscheidung sei schließlich auch deshalb fehlerhaft, weil sich die Schiedsstelle nicht mit den von ihm vorgetragenen Berechnungen auseinandergesetzt habe. Als Indiz für den durchgreifenden Begründungsmangel der Schiedsstellenentscheidung sei zu werten, dass die Beklagte sich selbst an die Schiedsstelle mit der Bitte um Erläuterung gewandt habe.

8

Der Kläger beantragt,

die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land E. vom 03. November 2005 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie vertritt die Auffassung, dass die streitgegenständliche Schiedsstellenentscheidung nicht zu beanstanden sei. Insbesondere liege kein Begründungsmangel vor. Die maßgeblichen Gesichtspunkte und Umstände seien den Beteiligten hinreichend bekannt gewesen. Die Anforderungen an die Begründungspflicht dürften nicht überspannt werden. Ihre Nachfrage bei der Schiedsstelle habe lediglich allgemeinen Charakter gehabt. Die Nachfrage sei erfolgt, um für künftige Verhandlungen auf die Berechnungswege der Schiedsstelle zugreifen zu können und so eine Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Schiedsstellenentscheidung vornehmen zu können. Im Übrigen sei die Schiedsstellenentscheidung auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

11

Das Gericht hat am 03. September 2009 in dieser Sache mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll dieses Erörterungstermines Bezug genommen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die beigezogene Akte der Schiedsstelle (K.) verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

14

Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land E. beim Niedersächsischen Ministerium für F. vom 03. November 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

15

Das streitgegenständliche Seniorenzentrum "G. " in I. ist eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI für die am 14. Dezember 2000 ein Versorgungsvertrag zwischen dem Kläger und den Verbänden der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe gemäß § 72 Abs. 2 SGB XI geschlossen worden ist. Damit handelt es sich vorliegend um eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI für die nach § 75 Abs. 5 SGB XII keine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII abzuschließen ist. Nach § 82 Abs. 4 SGB XI können nicht nach Landesrecht geförderte Pflegeeinrichtungen ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Der Träger der Sozialhilfe ist nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII zur Übernahme gesondert berechneter Investitionen nach § 82 Abs. 4 SGB XI nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende Vereinbarungen nach dem 10. Kapitel (des SGB XII) getroffen worden sind. Vorliegend bestand eine solche Vergütungsvereinbarung, die allerdings von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. November 2004 mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 gekündigt worden ist. Den Beteiligten ist es nicht gelungen, für den Folgezeitraum eine neue Vereinbarung über die Investitionskosten abzuschließen. In diesem Fall kann - wie hier geschehen - der Träger der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung von § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII die zuständige Schiedsstelle mit der Bitte um Entscheidung nach§ 80 SGB XII anrufen. Dies folgt aus dem Verweis in § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII auf das "10. Kapitel", das die Schiedsstelle mit einschließt (Hauck-Noftz, SGB XII, Kommentar, Stand: 18. Lieferung 9/09, § 75 Randnummer 60). Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist daher die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII vom 03. November 2005. Nach § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist gegen die Entscheidung einer Schiedsstelle der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die Klage richtet sich dabei gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht etwa gegen die Schiedsstelle (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XII).

16

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist allerdings gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Auflage 2008, § 80 SGB XII Randnummer 22 m.w.N; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. September 2008, L 20 SO 92/06, zit. nach [...]). Zu beachten ist insoweit, dass die Schiedsstelle aufgrund ihrer paritätischen Besetzung aus Vertretern der Einrichtung sowie der Sozialhilfeträger gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB XII als mit der zu regelnden Materie vertrauten und zu einer vermittelnden Zusammenführung von unter Umständen gegenläufigen Interessen der Beteiligten berufenden Gremium eine besondere Beurteilungskompetenz zugemessen wird. Aufgrund dieser besonderen Kompetenz ist die gerichtliche Überprüfung auf die der Schiedsstelle gesetzten rechtlichen Vorgaben zu beschränken und der Schiedsstelle für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (Beispiel: Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit, leistungsgerechtliches Entgelt etc.) einen Spielraum im Sinne einer Einschätzungsprärogative zu überlassen (Mergler/Zink, SGB XII, Kommentar, Stand: September 2008, § 77 SGB XII, Randnummer 14 m.w.N.). Die gerichtliche Überprüfung ist deshalb nach richtiger Auffassung darauf beschränkt, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt hat, sie alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat, und ob ihre Abwägung frei von Einseitigkeit, in einem fairen und willkürfreien Verfahren sowie inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts vorgenommen wurde (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. September 2008, a.a.O.; Mergler/Zink, § 77 SGB XII, Randnummer 14, mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01. Dezember 1998, 5 C 17/97, FEVS 49, 337). Welche gerichtlichen Anforderungen dabei an die Begründung der Schiedsstellenentscheidung im Einzelfall zu stellen ist, ist strittig (vgl. Hauck/Noftz, SGB XII, Kommentar, a.a.O., § 77 SGB XII, Randnummern 21 ff. m.w.N.) Nach richtiger Auffassung müssen in Anlehnung an § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X bei der Begründung der Schiedsstellenentscheidung die wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt werden. Da die Beteiligten an dem Zustandekommen der Schiedsstellenentscheidung mitgewirkt haben, haben sie in der Regel eingehende Kenntnisse von der Sach- und Rechtslage, so dass die Anforderung an die Begründungspflicht der Schiedsstelle nicht überspannt werden dürfen. Dessen ungeachtet muss die Schiedsstellenentscheidung aber zumindest auf einer nachvollziehbaren Begründung beruhen (Hauck/Noftz,SGB XII, Kommentar, a.a.O., § 77 SGB XII, Randnummer 22 a.E.).

17

Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII vom 03. November 2005 nicht. Es ist dem Gericht nicht möglich anhand der Begründung dieser Schiedsstellenentscheidung nachzuvollziehen, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Beteiligten richtig ermittelt hat und ob sie in einem fairen und willkürfreien Verfahren ihre Entscheidung getroffen hat. Die Begründung der Schiedsstellenentscheidung vom 03. November 2005 erfüllt in Teilbereichen nicht die dargelegten Mindestanforderungen. Selbst bei großzügiger Betrachtungsweise ist nicht ansatzweise erkennbar, wie die Schiedsstelle in dem Abschnitt "II. Interner Vergleich/Vertrauensschutz" zu den Werten für "fiktive Miete/Pacht" in Höhe von 423.172,51 EUR gelangt ist. Gleiches gilt für die dort genannten Werte für "AfA; "Zinsen", "sonst. Mieten" und "Inst.-Haltung". Der Kläger hat daher zu Recht wiederholt darauf hingewiesen, dass die streitgegenständliche Schiedsstellenentscheidung für ihn insoweit nicht nachvollziehbar ist.

18

Das Vorbringen der Beklagten zur behaupteten Nachvollziehbarkeit der Schiedsstellenentscheidung ist wenig überzeugend. Offensichtlich erfolgte dieser Vortrag während des gerichtlichen Verfahrens vor dem Hintergrund, dass Einverständnis mit dem Ergebnis der Schiedsstellenentscheidung besteht.

19

Die Widersprüchlichkeit der Argumentation der Beklagten wird deutlich anhand des Schriftwechsels mit der Schiedsstelle, der nach dem Ergehen der streitgegenständlichen Schiedsstellenentscheidung stattgefunden hat. Die Beklagte hat sich nämlich mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2005 unmittelbar an die Schiedsstellte gewandt und bezogen auf den vorliegenden Fall mitgeteilt: "Die Zusammensetzung der von der Schiedsstelle ermittelten Beträge kann - bis auf die Instandhaltungsaufwendungen - , leider nicht nachvollzogen werden". Zugleich bat die Beklagte die Schiedsstelle um Mittelung der Berechnungen für die im Rahmen des Vertrauensschutzes festgelegten Beträge. Die Schiedsstelle hat diesen Schriftsatz der Beklagten mit Schreiben vom 02. Januar 2006 ausführlich beantwortet. In dem Antwortschreiben wird auf drei Seiten detailliert ausgeführt, auf welcher rechnerischen Grundlage die Entscheidung der Schiedsstelle basierte.

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Obwohl im vorliegenden Verfahren bereits am 01. Dezember 2005 Klage erhoben war, hat die Beklagte weder das Gericht noch die Gegenseite von sich aus über diesen durchaus entscheidungserheblichen Schriftwechsel mit der Schiedsstelle in Kenntnis gesetzt. Vielmehr ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Gericht dieser Schriftwechsel - mehr zufällig - bei Durchsicht der beigezogenen Schiedsstellenakte aufgefallen. Die daraufhin von der Beklagten abgegebene Begründung, dass der Schriftwechsel mit der Schiedsstelle ohne Bezug auf die zugrundeliegende Schiedsstellenentscheidung erfolgt sei, ist abwegig und als reine Schutzbehauptung zu werten. Die Problematik der Nachvollziehbarkeit und Begründung der angefochtenen Schiedsstellenentscheidung bildete von Beginn an das Kernelement des vorliegenden Rechtsstreites. Aus dem Schreiben der Beklagten an die Schiedsstelle vom 02. Dezember 2005 ergibt sich unzweifelhaft der unmittelbare Bezug zum vorliegenden Verfahren. So wird beispielsweise als Betreff der Nachfrage genau das vorliegende Verfahren benannt. Das in der Nachfrage aufgeführte Aktenzeichen ist das Aktenzeichen der streitgegenständlichen Schiedsstellenentscheidung vom 03. November 2005. Bereits im ersten Satz des Schreibens vom 02. Dezember 2005 nimmt die Beklagte darauf Bezug, dass die Schiedsstelle in ihrer 93. Sitzung in dem o.g. Verfahren folgende Entscheidung getroffen habe: "Der Investitionsbetrag nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII für das Seniorenzentrum G., H., L. I., wird für die Zeit ab dem 01.01.2005 auf 17,59 EUR festgelegt". Ganz offensichtlich ist somit auch der Beklagten die Berechnung in der Schiedsstellenentscheidung in den genannten Teilbereichen nicht verständlich gewesen.

21

Die fehlende Nachvollziehbarkeit der Schiedsstellenentscheidung lässt sich auch nicht dadurch relativieren, dass die in der beigezogenen Schiedsakte enthaltenen umfangreichen Unterlagen ausgewertet werden. Zwar hat der Vorsitzende der Schiedsstelle ganz offensichtlich eingehende Berechnungen durchgeführt. Diese sind aber nicht zur Schiedsakte gelangt. Bezeichnenderweise ist in dem Protokoll der 93. Sitzung der Schiedsstelle vom 12. Oktober 2005 folgender Passus enthalten: "Die detaillierte Berechnung des Vorsitzenden ist Bestandteil des Bescheides, insoweit wird darauf verwiesen." Die entsprechende Berechnung ist aber weder dem Protokoll noch der nachfolgenden Schiedsstellenentscheidung vom 03. November 2005 beigefügt.

22

Da die angefochtene Schiedsstellenentscheidung vom 03. November 2005 somit an einem erheblichen, durchgreifenden Begründungsmangel leidet und in Teilbereichen nicht nachvollziehbar ist, war sie aufzuheben. Eine die Schiedsstellenentscheidung ersetzende gerichtliche Leistungsbestimmung ist aufgrund der oben dargelegten Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle ausgeschlossen. Die Aufhebung der Schiedsstellenentscheidung bewirkt allein eine Fortsetzung des nunmehr nicht mehr wirksam abgeschlossenen Schiedsverfahrens und verpflichtet die Schiedsstelle über den Schiedsantrag erneut und unter Beachtung der gerichtlichen Aufhebungsgründe zu entscheiden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. September 2008, L 20 SO 92/06, zit. nach [...] m.w.N.; vgl. auch: Hauck/Noftz, SGB XII, Kommentar, a.a.O., § 77 Randnummern 27 ff.).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.