Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 12.12.2003, Az.: 2 A 57/02
Abwägung; Ausfallstraße; Baugenehmigung; Bestimmtheitsgebot; Eigentum; Einschränkung; Euro-Format; Fremdwerbung; Geltungsbereich; Inhaltsbestimmung; Materielle Anforderung; Maß der baulichen Nutzung; Mischgebiet; ortstypische Baustruktur; Plakatanschlagtafel; Satzung; Schutzwürdigkeit; tatsächliche Nutzung; unbeplanter Innenbereich; Verhältnismäßigkeit; Verträglichkeit; Werbeanlage; Werbegestaltungssatzung; Werbung; örtliche Bauvorschrift
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 12.12.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 57/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48308
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 14 Abs 1 S 2 GG
- § 34 Abs 2 BBauG
- § 6 Abs 1 BauNVO
- § 49 Abs 4 BauO ND
- § 56 Abs 1 Nr 2 BauO ND
- § 75 Abs 1 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur (Teil-)Unwirksamkeit einer örtlichen Werbegestaltungssatzung, mit der an sämtlichen Haupt- und Ausfallstraßen im Stadtgebiet - ungeachtet dessen, dass sich dort auch Misch-, Kern- und ggf. sogar Gewerbegebiete befinden - Anlagen der Fremdwerbung weitestgehend ausgeschlossen werden sollen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück F. Straße 67 in G..
Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich und ist im Flächennutzungsplan der Beklagten als gemischte Baufläche dargestellt. Auch die tatsächliche Nutzung der an der F. Straße (u.a. im hier interessierenden Bereich) gelegenen Grundstücke entspricht nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten einem Mischgebiet; dort finden sich sowohl ein- bis zweigeschossige Wohnhäuser in überwiegend offener Bauweise als auch Gewerbe- bzw. Einzelhandelsbetriebe unterschiedlicher Art sowie Verwaltungsgebäude, Banken u.ä.. Das Grundstück F. Straße 67 ist mit einem zweigeschossigen, straßenseitig errichteten Gebäude bebaut; eine vergleichbare Bebauung findet sich auf den nordwestlich und südöstlich benachbarten sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Grundstücken, wobei die aufstehenden Gebäude teilweise allein zu Wohnzwecken, teilweise gemischt genutzt werden. Auf dem in nordwestliche Richtung gesehen übernächsten Grundstück F. Straße 71 steht - deutlich von der Straße abgesetzt - eine ehemalige, im Jahre 1927 errichtete Fabrikantenvilla, die als Baudenkmal ausgewiesen ist; auf dem daran nach Nordwesten anschließenden Grundstück befinden sich die Gebäude des Fernmeldeamtes mit einem größeren Parkplatz.
Das vorgesehene Baugrundstück lag darüber hinaus ursprünglich im Geltungsbereich einer vom Rat der Beklagten beschlossenen und am 10.05.2001 bekannt gemachten Werbegestaltungssatzung, die wesentliche Teile des Stadtgebietes erfasste und Beschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Anlagen der Fremdwerbung enthielt. Zu diesem Zweck wurden in § 1 der Satzung zwei Geltungsbereiche festgelegt, von denen der eine den historischen Stadtkern und die I. (Geltungsbereich 1), der andere „bedeutende, das Stadtbild prägende Haupt- und Ausfallstraßen“, u.a. die F. Straße ab H. Weg (Geltungsbereich 2), umfasste; damit korrespondierend war in § 2 Abs. 3 der Satzung vorgesehen, dass in den Geltungsbereichen der Satzung Werbeanlagen - mit Ausnahme von amtlichen Mitteilungen und Hinweisen auf kirchliche, kulturelle, sportliche, politische und ähnliche Veranstaltungen - nur an der Stelle der Leistung zulässig seien. Zur Begründung dieser Beschränkungen wurde - soweit es den Geltungsbereich 2 betrifft - u.a. ausgeführt, dass die charakteristische kleinteilige Baustruktur der Hauptverkehrsstraßen, an denen sich größtenteils offene ein- bis zweigeschossige, nur stellenweise durch größere Gewerbeeinheiten unterbrochene Bauweise befinde, den städtebaulichen Gesamteindruck präge; im Übrigen seien an den betreffenden Straßen die ersten Siedlungen der Textilarbeiter entstanden. Diese ortstypische Baustruktur werde in allen Bereichen zunehmend durch Werbeanlagen überlagert und verfremdet, wobei die damit verbundenen Störungen mittlerweile über ein verträgliches Maß hinausgingen.
Mit Schreiben vom 24.09.2001 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage - in Form einer Plakatanschlagtafel für Fremdwerbung - mit einer Werbefläche von 3,80 m x 2,80 m (sog. Euro-Format), die an der südöstlichen Hauswand des auf dem Grundstück F. Straße 67 befindlichen Gebäudes angebracht werden soll.
Mit Bescheid vom 04.10.2001 lehnte die Beklagte die Erteilung einer solchen Genehmigung ab und begründete dies damit, dass der vorgesehene Standort der Werbetafel den Bestimmungen ihrer Werbegestaltungssatzung widerspreche. Das Grundstück F. Straße 67 liege innerhalb des Geltungsbereichs 2 dieser Satzung; dort aber seien allein Werbeanlagen an der Stelle der Leistung, nicht dagegen Anlagen der Fremdwerbung zulässig.
Die Klägerin erhob hiergegen am 19.10.2001 Widerspruch, den sie unter ausführlicher Darlegung ihrer Rechtsauffassung damit begründete, dass ein genereller Ausschluss von Fremdwerbung an Hauptverkehrsstraßen, an denen sich regelmäßig Misch-, Gewerbe- oder Kerngebiete befänden, unzulässig und die Werbegestaltungssatzung der Beklagten deshalb nichtig sei. Auch im Übrigen sei nicht erkennbar, dass die vom Geltungsbereich 2 der Satzung erfassten Ausfallstraßen eine besonders schutzwürdige Bebauung aufwiesen.
Nachdem über diesen Widerspruch in der Folgezeit nicht entschieden worden war, hat die Klägerin am 01.07.2002 unter Bezugnahme auf ihre Widerspruchsbegründung (Untätigkeits-)Klage erhoben.
Im Laufe des Klagverfahrens hat der Rat der Beklagten - nach Auslegung des Änderungsentwurfs und Beteiligung der Träger öffentlicher Belange - am 06.02.2003 die 1. Änderung der Werbegestaltungssatzung beschlossen, die anschließend am 01.08.2003 in Kraft getreten ist. Die Änderungssatzung sieht in § 1 nunmehr - unter Beibehaltung der Geltungsbereiche 1 und 2 im Übrigen - einen neuen Geltungsbereich 3 vor, der bestimmte Teilabschnitte der im Geltungsbereich 2 genannten Hauptverkehrsstraßen - die sodann sowohl im Satzungstext als auch in einem der Satzung als Anlage beigefügten Straßenverzeichnis sowie Lageplan näher bezeichnet werden - von diesem Geltungsbereich ausnimmt. Dieser veränderte Zuschnitt der Geltungsbereiche betrifft u.a. auch die F. Straße; das Grundstück F. Straße 67 liegt allerdings nach wie vor im Geltungsbereich 2. Die in § 2 Abs. 3 der Ursprungssatzung enthaltene Regelung, dass Werbeanlagen nur an der Stelle der Leistung zulässig sind, gilt nunmehr nur noch für die Geltungsbereiche 1 und 2 der Änderungssatzung. Der veränderte Zuschnitt der Geltungsbereiche wurde damit begründet, dass einige Abschnitte der Haupt- und Ausfallstraßen durch Einzelhandelsbetriebe oder gewerbliche Nutzungen geprägt würden, zu deren Erscheinungsbild Werbeanlagen gehörten. Die übrigen Bereiche dieser Straßen, in denen sich schützenswerte Bebauung und Grünanlagen befänden, sollten dagegen nicht durch Werbeanlagen über ein verträgliches Maß hinaus gestört werden, wie dies insbesondere auf großflächige Werbeanlagen mit wechselndem Plakatanschlag zutreffe.
Die Klägerin hält auch diese Änderungssatzung für nichtig, weil dadurch Anlagen der Fremdwerbung nach wie vor in wesentlichen Bereichen der städtischen Hauptverkehrsstraßen ausgeschlossen würden. Eine besondere Schutzwürdigkeit dieser Bereiche, die den Erlass einer entsprechenden Gestaltungssatzung ggf. rechtfertigen könne, sei nicht erkennbar; dies gelte insbesondere auch für die nähere Umgebung des vorgesehenen Baugrundstücks.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 04.10.2001 zu verpflichten, ihr die Genehmigung zur Anbringung einer Plakatanschlagtafel auf dem Grundstück F. Straße 67 in G. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die ursprünglichen Mängel ihrer Werbegestaltungssatzung dadurch geheilt worden seien, dass an bestimmten Abschnitten der Haupt- und Ausfallstraßen nunmehr auch Anlagen der Fremdwerbung zulässig seien. Soweit in den übrigen Bereichen dieser Straßen Werbeanlagen nach wie vor nur an der Stelle der Leistung zugelassen würden, sei dies zum Schutz der dort vorhandenen Wohnbebauung gerechtfertigt; dies gelte speziell auch für das hier interessierende Grundstück F. Straße 67. In dessen unmittelbarer Nachbarschaft befänden sich ein- und zweigeschossige Gebäude in offener Bauweise mit einheitlichen traufständigen Dächern, wobei das auf dem Grundstück F. Straße 67 befindliche Gebäude in einer Flucht mit den beiden Nachbargebäuden stehe; darüber hinaus handele es sich bei dem übernächsten Gebäude F. Straße 71 um ein Baudenkmal.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig, weil über den Widerspruch der Klägerin ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (§ 75 Sätze 1 u. 2 VwGO). Sie ist auch in der Sache begründet, weil das Bauvorhaben der Klägerin dem öffentlichen Baurecht entspricht und die Klägerin deshalb gemäß § 75 Abs. 1 NBauO einen Rechtsanspruch auf die beantragte Baugenehmigung hat.
Dem Vorhaben stehen zunächst keine bauplanungsrechtlichen Versagungsgründe entgegen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich im vorliegenden Fall nach § 34 BauGB, weil das Baugrundstück - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, der von seiner tatsächlichen Bau- und Nutzungsstruktur her als Mischgebiet einzustufen ist. In einem solchen Gebiet sind - soweit es die Art der Nutzung betrifft - Gewerbetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören, regelmäßig zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 4 BauNVO); zu derartigen Gewerbebetrieben gehört insbesondere auch die von der Klägerin geplante, als eigenständige (gewerbliche) Hauptnutzung zu qualifizierende Anlage der Fremdwerbung (vgl. BVerwG, U. v. 03.12.1992 -4 C 27.91 -, BVerwGE 91, 234). Auch soweit es das Maß der baulichen Nutzung betrifft, fügen sich Werbetafeln im sog. Euro-Format, wie sie die Klägerin hier beantragt hat, regelmäßig im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, sofern diese - wie hier - zumindest auch durch Gewerbebetriebe geprägt ist (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.1994 - 4 C 19.93 -, BauR 1995, 506).
Das Vorhaben der Klägerin verstößt auch nicht gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften. Die in § 49 Abs. 4 Satz 1 NBauO enthaltene Einschränkung, wonach in bestimmten Baugebieten Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung zulässig sind, greift im vorliegenden Fall nicht, weil das Baugrundstück in einem - von dieser Vorschrift nicht erfassten - Mischgebiet liegt. Dass die geplante Werbetafel zu einer erheblichen Belästigung im Sinne des § 49 Abs. 2 NBauO oder ggf. zu einer unzumutbaren Verkehrsbehinderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 NBauO führt, ist ebenfalls weder von der Beklagten selbst geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Dem Vorhaben stehen schließlich auch nicht die Bestimmungen der Werbegestaltungssatzung der Beklagten in der Fassung der 1. Änderung vom 06.02.2003 entgegen. Zwar liegt das Baugrundstück an dem Abschnitt der F. Straße, der auch nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 der Änderungssatzung dem Geltungsbereich 2 unterfällt und in dem nach § 2 Abs. 3 der Satzung Werbeanlagen nur an der Stelle der Leistung zulässig sind. Diese Satzung ist jedoch - jedenfalls soweit sie auch den Bereich entlang der F. Straße erfasst - unwirksam und stellt deshalb keine taugliche Grundlage für die Versagung der beantragten Baugenehmigung dar.
Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 NBauO können die Gemeinden, um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben, durch örtliche Bauvorschrift besondere Anforderungen an die Art, Gestaltung oder Einordnung von Werbeanlagen stellen, sie insbesondere auf bestimmte Gebäudeteile, auf bestimmte Arten, Größen, Formen und Farben beschränken oder in bestimmten Gebieten und an bestimmten baulichen Anlagen ausschließen. Diese Vorschrift rechtfertigt den in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Ausschluss von Anlagen der Fremdwerbung - jedenfalls an der hier in erster Linie interessierenden F. Straße - nicht. Zum einen ermächtigt § 56 Abs. 1 NBauO die Gemeinde lediglich dazu, „für bestimmte Teile des Gemeindegebiets“ - etwa für einen bestimmten Straßenzug, eine bestimmte (Wohn-)Siedlung, ein Altstadtviertel o.ä. - entsprechende Gestaltungsvorschriften zu erlassen (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl., § 56 Rn. 11, 14). Schon in dieser Hinsicht begegnet die Werbegestaltungssatzung der Beklagten nicht unerheblichen rechtlichen Bedenken, weil sie Anlagen der Fremdwerbung nicht nur im gesamten inneren Stadtkern einschließlich der I., sondern - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - auch an sämtlichen Haupt- und Ausfallstraßen im Stadtgebiet ausschließt. Zum anderen müssen Gestaltungsvorschriften sowohl hinsichtlich der entsprechenden gestalterischen Vorstellungen der Gemeinde als auch hinsichtlich ihrer räumlichen Reichweite, d.h. der konkreten Eingrenzung ihres Geltungsbereichs (vgl. dazu VGH Mannheim, U. v. 16.06.2003 - 3 S 2533/02 -) hinreichend bestimmt sein. Dies dürfte hier - wie sich gerade am Beispiel der F. Straße zeigt - zumindest nicht in jeder Hinsicht der Fall sein. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 der Änderungssatzung umfasst der neue Geltungsbereich 3, innerhalb dessen Anlagen der Fremdwerbung zulässig sind, u.a. die F. Straße beidseitig zwischen H. Weg und J. Straße; danach würde das für das Bauvorhaben der Klägerin vorgesehene Grundstück F. Straße 67 innerhalb des Geltungsbereichs 3 liegen. Zwar verweist die Satzung hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung dieses Geltungsbereichs gleichzeitig auf das als Anlage 1 beigefügte Straßenverzeichnis und den als Anlage 3 beigefügten Lageplan, wobei sich aus diesen Unterlagen - entgegen der allgemeinen Umschreibung im Satzungstext selbst - ergibt, dass das Baugrundstück außerhalb des Geltungsbereichs 3 liegt (eine vergleichbare Situation besteht etwas weiter nordwestlich in dem Abschnitt der F. Straße zwischen K. straße und L. straße ). Diese widersprüchlichen Darstellungen dürften mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr zu vereinbaren sein. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach § 1 Abs. 4 der Änderungssatzung für die Abgrenzung der einzelnen Geltungsbereiche „im Zweifelsfall die Lagepläne gelten sollen“, weil diese Lagepläne keinerlei Grundstücks- bzw. Flurstücksbezeichnungen enthalten und - anders als etwa das ebenfalls als Anlage beigefügte, insoweit aber nicht in Bezug genommene Straßenverzeichnis - auch keine konkrete Abgrenzung anhand der Hausnummern der einzelnen Grundstücke ermöglichen.
Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil die fraglichen Satzungsbestimmungen, soweit sie Anlagen der Fremdwerbung im hier interessierenden Bereich ausschließen, jedenfalls aus anderen (materiell-rechtlichen) Gründen unwirksam sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören baugestalterische Regelungen über die Nutzung von Grundstücken zum Zwecke der Werbung zu den Vorschriften, durch die Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt werden. Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen des Eigentums sind nach dieser Vorschrift jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachbereich her geboten und ihrer konkreten Ausgestaltung nach sachgerecht sind. Dabei müssen insbesondere die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und das daraus ableitbare Gebot an die rechtssetzende Gewalt berücksichtigt werden, bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts die Belange der Gemeinschaft und die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Im Rahmen einer solchen Abwägung ist es zwar grundsätzlich möglich, eine Beschränkung von Werbeanlagen in solchen Baugebieten oder sonstigen Bereichen vorzunehmen, die - wie dies etwa für Dorf-, Kleinsiedlungs- und Wohngebiete anerkannt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.1980 - 4 C 44.76 -, BRS 36, Nr. 149; U. v. 03.12.1992 - 4 C 27.91-, BRS 54 Nr. 126) - eines besonderen Schutzes vor funktionswidrigen Anlagen bedürfen. Andererseits muss die planende Gemeinde in diesem Zusammenhang aber berücksichtigen, was in bestimmten Baugebieten aufgrund ihrer allgemeinen Funktion als angemessen und was als funktionswidrig empfunden wird und darf deshalb beim Erlass einer baugestalterischen Regelung über die Zulässigkeit von Werbeanlagen nicht an der planungsrechtlich bestimmten bzw. vorgegebenen Nutzungsweise vorbeigehen. Angesichts dessen ist ein genereller Ausschluss von Anlagen der Fremdwerbung (oder auch eine generelle Beschränkung derartiger Anlagen auf bestimmte Höchstmaße) in einem Mischgebiet unzulässig, weil derartige Gebiete - ohne dass insoweit von Gesetzes wegen ein bestimmtes Verhältnis zwischen Wohn- und Gewerbenutzung bzw. ein entsprechender flächenmäßiger Anteil vorgegeben ist - in „gleichgewichtiger“ Weise dem Wohnen und der Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe dienen. Vielmehr sind Werbeanlagen der hier beantragten Art in einem Mischgebiet grundsätzlich zulässig und können deshalb nicht in generalisierender Weise aus einem solchen Gebiet verdrängt werden (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, U. v. 28.04.1972 - IV C 11.69 -, BRS 25 Nr. 127; OVG Münster, U. v. 29.01.1999 - 11 A 4952/97 -, BauR 2000, 92; ebenso für Kerngebiete: BVerwG, U. v. 16.03.1995 - 4 C 3.94 -, NVwZ 1995, 899; OVG Münster, U. v. 06.02.1992 - 11 A 2232/89 -, BRS 54 Nr. 112; für Gewerbe- und Industriegebiete: VGH Mannheim, U. v. 29.04.1981 - 5 S 1909/80 -, BRS 38 Nr. 147; U. v. 16.06.2003 - 3 S 2533/02 -; für Hauptverkehrsstraßen allgemein: OVG Koblenz, U. v. 22.07.1987 - 1 A 128/85 -, BRS 48 Nr. 120).
Dies räumt inzwischen offenbar auch die Beklagte selbst ein, da sie u.a. aus Anlass des vorliegenden Widerspruchs- und Klageverfahrens ihre Werbegestaltungssatzung vom 10.05.2001 nunmehr mit dem Ziel geändert hat, die ursprünglichen Beschränkungen für Anlagen der Fremdwerbung (etwas) zu lockern. Die diesbezüglichen Regelungen in der Änderungssatzung vom 06.02.2003 halten - jedenfalls soweit es den hier interessierenden Bereich entlang der F. Straße betrifft - einer rechtlichen Überprüfung jedoch ebenfalls nicht stand. Dies folgt im Grundsatz schon daraus, dass die Beklagte wiederum lediglich die von ihr für schützenswert angesehenen Bereiche entlang der Hauptverkehrsstraßen beschrieben bzw. näher eingegrenzt hat, ohne insoweit nach den einzelnen vorhandenen Baugebieten und den dort grundsätzlich zulässigen Nutzungsarten zu differenzieren (vgl. VGH Mannheim, U. v. 16.06.2003 - 3 S 2533/02 -; OVG Münster, U. v. 06.02.1992, aaO); damit aber hat sie im Rahmen der erforderlichen Abwägung wiederum nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass - wie bereits dargelegt - Anlagen der Fremdwerbung aus solchen Gebieten, die jedenfalls auch durch gewerbliche Nutzung geprägt werden und wie sie hier entlang der im Gebiet der Beklagten verlaufenden Hauptverkehrsstraßen tatsächlich auch existieren (insbesondere Misch- und Kerngebiete, ggf. auch Gewerbegebiete), grundsätzlich nicht in generalisierender Weise verdrängt werden können. Ein genereller Ausschluss von (Fremd-)Werbeanlagen kann zwar - unabhängig von der städtebaulichen Funktion des betreffenden Baugebiets und der dort an sich zulässigen Nutzungen - dann gerechtfertigt sein, wenn dies zum Schutz von bestimmten, aus geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Sicht bedeutsamen Teilen des Gemeindegebiets oder zum Schutz von Bau- und Kulturdenkmalen geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.1980 u. 16.03.1995, jew. aaO.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, entsprechende Gestaltungsvorschriften nur für bestimmte (eng umgrenzte) Teile ihres Stadtgebiets von besonderer geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung - wie etwa einzelne Bauten, Straßen, Plätze, Siedlungen oder Viertel - zu erlassen, sondern nahezu sämtliche Bereiche entlang der Hauptverkehrsstraßen unter Schutz gestellt. Eine derart weitgehende Ausschöpfung der durch § 56 NBauO ermöglichten - andererseits durch die o.g. verfassungsrechtlichen Grundsätze beschränkten - Gestaltungsmöglichkeiten wäre jedoch allenfalls dann gerechtfertigt, wenn davon auszugehen wäre, dass die dem Geltungsbereich 2 der Satzung unterfallenden Haupt- und Ausfallstraßen (einschließlich der F. Straße) als solche oder die an dieser Straße vorhandene Bebauung insgesamt besonders schützenswert wären. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich; speziell für die nähere Umgebung des Baugrundstücks selbst kann eine derartige Annahme angesichts der der Kammer vorliegenden Lichtbilder (umgekehrt) vielmehr ohne weiteres verneint werden. Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Begründung der Änderungssatzung, die sich - zumindest soweit es die „allgemeine“ Beschreibung und Bewertung der Siedlungsstruktur entlang der Hauptverkehrsstraßen betrifft - ohnehin im Wesentlichen mit der Begründung der ursprünglichen Satzung deckt. Auch soweit nunmehr ergänzend auf die Verhältnisse an den jeweiligen Straßen eingegangen wird, erschöpft sich die Begründung letztlich in einer Aufzählung bzw. Beschreibung der dort jeweils tatsächlich vorhandenen Baulichkeiten, Grünanlagen etc. sowie in der Feststellung, dass diese „in ihrer Gesamtheit“ schützenswert seien. Dies gilt insbesondere auch für den hier in erster Linie interessierenden Bereich der F. Straße, für den sich die Begründung auf den bloßen Hinweis beschränkt, dass sich dort (insbesondere in den westlichen Abschnitten) „kleine, zweigeschossige und überwiegend mit Wohnungen belegte Gebäude“ sowie in einem Teilabschnitt „Grünanlagen mit stadtbildprägendem Baumbestand“ befänden. Weitergehende Ausführungen dazu, warum diese Gebäude bzw. Grünanlagen unter den o.g. Kriterien insgesamt besonders schützenswert sind bzw. „als Gebiet“ eine einheitliche städtebauliche Funktion aufweisen, die durch Werbeanlagen nicht gestört werden darf, enthält die Begründung - soweit es die konkrete Bewertung der F. Straße (bzw. der anderen Hauptverkehrsstraßen) betrifft - dagegen nicht. Dasselbe gilt für die einleitenden Ausführungen zu § 1 Abs. 2 der Satzung; denn auch dort heißt es lediglich, dass an den Ausfallstraßen am Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert die ersten Siedlungen von Textilarbeitern (bzw. an einer dieser Straßen mehrere Anlagen mit öffentlichen Nutzungen sowie ein Textilunternehmen) entstanden seien und dass diese Bauten aus einem wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der Stadt zu einem bedeutenden Standort der Textilindustrie stammten, ohne die daraus gezogene Schlussfolgerung, die im Geltungsbereich 2 der Satzung gelegenen Haupt- und Ausfallstraßen besäßen - in ihrer Gesamtheit - eine „besondere Bedeutung“ für die Stadt, näher zu erläutern. Eine derart pauschale Begründung geht daher der Sache nach letztlich nicht über die - in der Vergangenheit auch von der Beklagten selbst mehrfach vertretene - Erwägung hinaus, die in Stadtgebieten existierenden Haupt- und Ausfallstraßen seien die „Visitenkarten einer Stadt“, die den Besuchern die ersten Eindrücke der städtebaulichen Gestaltung vermittelten und deshalb eines besonderen Schutzes vor (größeren) Werbeanlagen bedürften; ein derartiges „Konzept“ aber ist von der Rechtsprechung bereits mehrfach als städtebaulich nicht gerechtfertigt verworfen worden (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 29.04.1986 - 6 A 147/84 -, BRS 46 Nr. 120; VGH Mannheim, U. v. 16.06.2003 - 3 S 2533/02 -). Die Beklagte kann das von ihr verfolgte „Konzept“ auch nicht mit dem (wiederholten) Hinweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin (U. v. 14.10.1988 - 2 B 51.87 -, BRS 48 Nr. 121) rechtfertigen. Denn zum einen sind in dieser Entscheidung keine anderen als die oben dargelegten Rechtsgrundsätze aufgestellt worden; zum anderen ging es in jenem Verfahren - anders als hier - nicht um den generellen Ausschluss von Fremdwerbung aus größeren Teilen des Stadtgebiets durch eine örtliche Bauvorschrift, sondern allein um die - sich im vorliegenden Verfahren nicht stellende - Frage, ob die dort beantragte Werbeanlage angesichts der konkreten örtlichen Gegebenheiten im unmittelbaren Nahbereich des Baugrundstücks verunstaltende Wirkung hat. Schließlich hilft in diesem Zusammenhang auch der im Schriftsatz der Beklagten vom 21.11.2003 enthaltene Hinweis nicht weiter, bei dem etwas weiter nordwestlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstück F. Straße 71 handele es sich um ein Baudenkmal. Selbst wenn dieser Hinweis dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der in der Werbegestaltungssatzung vorgesehene weitgehende Ausschluss von Fremdwerbung im Bereich der F. Straße (jedenfalls) zum Schutz dieses Baudenkmals erforderlich wäre, könnte ein solcher Einwand nicht (im Nachhinein) zur Rechtfertigung der streitigen Regelung herangezogen werden. Denn weder aus der Satzung bzw. der hierfür gegebenen Begründung selbst noch aus dem sonstigen Inhalt der der Kammer vorliegenden Akten ergibt sich irgendein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte mit ihren Gestaltungsvorschriften gerade (oder gar ausschließlich) dieses konkrete Baudenkmal schützen wollte; im Übrigen ist für den im Einzelfall ggf. erforderlichen (Umgebungs-) Schutz eines bestimmten Denkmals auch nicht der nahezu vollständige Ausschluss von Werbeanlagen an der gesamten Straße, an der das Denkmal liegt, erforderlich.
Darüber hinaus erweist sich auch die konkrete Abgrenzung der Geltungsbereiche 2 und 3 entlang der F. Straße, wie sie sich aus dem der Satzung als Anlage beigefügten Straßenverzeichnis und Lageplan ergibt, jedenfalls zum Teil - nämlich zumindest in der unmittelbaren Umgebung des Baugrundstücks - als unwirksam. Denn wenn in diesem Bereich - wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.11.2003 vorgetragen hat - mit Ausnahme der ehemaligen Fabrikantenvilla und des darauf folgenden Gebäudes des Fernmeldeamtes eine im Wesentlichen einheitliche Bebauung bzw. Nutzung existiert, ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum der Geltungsbereich 3 an der Südseite der F. Straße schon mit dem Grundstück F. Straße 63 endet (und damit das Baugrundstück und das nordwestliche Nachbargrundstück sowie das nordwestlich an das Fernmeldeamt angrenzende Grundstück nicht mehr erfasst), während er sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch weiter in nordwestliche Richtung, nämlich bis zur Einmündung der J. Straße, erstreckt. Auch insoweit fehlt es daher an einer nachvollziehbaren städtebaulichen Rechtfertigung der von der Beklagten verfolgten Gestaltungsabsichten.
Von ihrem Standpunkt aus konsequent, in der Sache allerdings ebenfalls fehlerhaft hat es die Beklagte schließlich auch unterlassen, weitere Überlegungen dahingehend anzustellen, ob für bestimmte, eng umgrenzte Teile ihres Stadtgebiets (etwa einzelne Gebäude, Straßenabschnitte, Plätze, Siedlungen o.ä.) - soweit diese nach den oben dargelegten Grundsätzen besonders schutzwürdig sein sollten - anstelle des völligen Ausschlusses von Fremdwerbeanlagen in diesen Teilbereichen als milderes und damit im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG verhältnismäßiges Mittel nicht auch eine Beschränkung der Ausgestaltung von Werbeanlagen (etwa hinsichtlich ihrer Funktionsweise und Ausmaße oder ihres konkreten Aufstellungs- bzw. Anbringungsortes) in Betracht kommt (vgl. dazu BVerwG, U. v. 22.02.1980, aaO). Unter Berücksichtigung dessen ist der in § 2 Abs. 3 der Werbegestaltungssatzung vorgesehene Ausschluss von Anlagen der Fremdwerbung jedenfalls für den im Geltungsbereich 2 der Satzung gelegenen Teil der F. Straße unwirksam und kann dem Vorhaben der Klägerin deshalb nicht entgegengehalten werden.