Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 07.10.2015, Az.: L 2 R 349/15

Erstattungsanspruch wegen Krankengeldleistungen; Teilleistungsvermögen und stufenweise Wiedereingliederung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
07.10.2015
Aktenzeichen
L 2 R 349/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 31323
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2015:1007.L2R349.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - AZ: S 60 R 656/13

Fundstelle

  • NZS 2016, 31

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der vom Gesetz geforderte "unmittelbare" Anschluss der beruflichen Wiedereingliederung nicht beinhaltet, dass sich die stufenweise Eingliederung völlig nahtlos an die vorangegangene Reha-Leistung anschließen muss.

2. Vielmehr muss insoweit den praktischen Umsetzungsproblemen Rechnung getragen werden, dass vor der stufenweisen Wiedereingliederung nicht nur das Einverständnis des Versicherten, sondern auch des Arbeitgebers (vgl. § 74 SGB V) sowie die Bewilligung durch den zuständigen Träger eingeholt werden müssen.

3. Mit der Vorschrift des § 28 SGB IX soll die Wiedereingliederung der Rehabilitanden in das Berufsleben bei entsprechendem Bedarf durch eine stufenweise Wiedereingliederung gefördert werden.

4. Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen nach dieser Regelung die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielsetzung erbracht werden.

5. Erst nach Wiedererlangung eines solchen Teilleistungsvermögens kann eine stufenweise Wiedereingliederung sinnvollerweise in Betracht gezogen werden.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse macht mit der Leistungsklage gegenüber dem beklagten Rentenversicherungsträger einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X bezüglich der von ihr für den Versicherten H. im Zeitraum vom 30. Oktober 2009 bis zum 5. März 2010 erbrachten Krankengeldleistungen in einer Gesamthöhe von 11.622,93 EUR geltend.

Bei dem 1962 geborenen Versicherten, der als Servicetechniker und Betriebsschlosser in einem Postbriefzentrum beruflich tätig ist, wurde 2009 ein Malt-Lymphon diagnostiziert. Nach mehrmonatiger Behandlung gewährte ihm die Beklagte, vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung im Lande Nordrhein-Westfalen, vom 1. bis 29. Oktober 2009 eine stationäre Heilmaßnahme in der Nordseefachklinik I. in J ... Für die Dauer dieser Maßnahme gewährte die Beklagte dem Versicherten Übergangsgeld.

Zum Abschluss der Maßnahme gelangten die Klinikärzte zu der Einschätzung, dass bei dem als weiterhin arbeitsunfähig entlassenen Versicherten noch Beschwerden in Form insbesondere von deutlicher psychophysischer Erschöpfung, Kraftminderung, Gedächtnisstörungen sowie aufgrund von Wirbelsäulenproblemen fortbestanden. Auch vor dem Hintergrund einer seinerzeit akuten Zehenfraktur sowie einer passageren Norovirusinfektion stellte sich aus ihrer Sicht bei Entlassung eine abschließende sozialmedizinische Beurteilung als noch nicht möglich dar, wenngleich die Klinikärzte auf etwas längere Sicht prognostisch von der Wiedererlangung der Fähigkeit zur weiteren Ausübung des bisherigen Berufes ausgingen. Es wurde daher empfohlen, eine entsprechende sozialmedizinische Beurteilung am Heimatort, und zwar frühestens zwei bis drei Monate nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme, nachzuholen, wobei vorsorglich zugleich eine berufliche Wiedereingliederung "in Absprache mit dem behandelnden Arzt am Heimatort" über das sog. "Hamburger Modell" (d.h. im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28 SGB IX) empfohlen wurde.

Mitte Dezember 2009 empfahl der am Heimatort konsultierte Facharzt für Allgemeinmedizin K. in einem Wiedereingliederungsplan eine stufenweise Wiedereingliederung des Versicherten am Arbeitsplatz im Zeitraum vom 4. Januar bis 13. Februar 2010, wobei die tägliche Arbeitszeit in diesem Zeitraum stufenweise von zunächst drei auf schließlich acht Arbeitsstunden je Tag erhöht werden sollte. Mit Zustimmung des Arbeitgebers wurde die Maßnahme zum 4. Januar 2010 aufgenommen, wobei sich im Rahmen ihrer Durchführung (entsprechend einem weiteren von der Fachärztin für Allgemeinmedizin L. erstellten modifizierten Wiedereingliederungsplan) die Notwendigkeit einer Verlängerung bis zum 5. März 2010 ergab. In der Folgezeit hat der Versicherte seine bisherige Tätigkeit wieder vollschichtig ausgeübt.

Die Klägerin gewährte dem Versicherten für den Zeitraum vom 30. Oktober 2009 bis zum 5. März 2010, d.h. für den Zeitraum nach der Beendigung der o.g. von der Beklagten erbrachten Anschlussheilbehandlung bis zum erfolgreichen Abschluss der stufenweisen Wiedereingliederung (wie auch schon in der Zeit vor Beginn der Anschlussheilbehandlung) Krankengeld (in Höhe von anfänglich 92,15 EUR je Kalendertag), und zwar in einer Gesamthöhe von 11.623,93 EUR (einschließlich der von der Klägerin erbrachten Sozialversicherungsanteile).

Mit Schreiben vom 25. Juni 2010 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr diesen Betrag in Höhe von 11.623,93 EUR gemäß § 102 SGB X zu erstatten und machte geltend, dass die Beklagte nach § 51 Abs. 5 SGB IX zur Weitergewährung von Übergangsgeld verpflichtet gewesen sei.

Nachdem die Beklagte dem Anspruch entgegengetreten war, hat die Klägerin am 15. November 2013 eine entsprechende Leistungsklage erhoben und geltend gemacht, dass im vorliegenden Fall die stufenweise Wiedereingliederung im unmittelbaren Anschluss an die von der Beklagten erbrachte stationäre Anschlussheilbehandlung im Sinne des § 51 Abs. 5 SGB IX erforderlich gewesen sei.

Mit Urteil vom 22. Mai 2015, der Klägerin am 16. Juli 2015 (so ihre eigene Angabe in der Berufungsschrift) bzw. am 24. Juli 2015 (so die Angabe im Empfangsbekenntnis der Klägerin) zugestellt, hat das Sozialgericht Braunschweig die Klage abgewiesen. Im vorliegenden Fall habe sich die stufenweise Wiedereingliederung nicht in der von § 51 Abs. 5 SGB IX geforderten Weise unmittelbar an die zuvor erbrachte stationäre Heilmaßnahme angeschlossen. Vielmehr sei eine deutliche Zäsur angesichts des Umstandes festzustellen, dass bei Entlassung des Versicherten aus dieser Maßnahme noch gar nicht abschließend zu überblicken gewesen sei, ob und wann dieser die Fähigkeit zur Teilnahme an einer solchen stufenweisen Wiedereingliederung wiedererlangen werde.

Mit der am 24. Juli 2015 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Angesichts des bereits am 10. Dezember 2009 erstellten Wiedereingliederungsplans sei im vorliegenden Fall entsprechend den vom BSG im Urteil vom 5. Februar 2009 (B 13 R 27/08 - SozR 4-3250 § 28 Nr 3) dargelegten Auslegungsgrundsätzen noch der erforderliche unmittelbare Anschluss der stufenweisen Wiedereingliederung an die stationäre Heilmaßnahme zu bejahen, so dass sich ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten in Anwendung des § 102 Abs. 1 SGB X ergebe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 11.617,57 EUR zu verpflichten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie vermag mit ihrer zulässigerweise erhobenen Leistungsklage nicht durchzudringen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht vorliegen.

Gemäß § 102 Abs. 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Gemäß § 105 Abs. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Im vorliegenden Fall scheitert ein Anspruch der Klägerin sowohl nach § 102 Abs. 1 SGB X als auch nach § 105 Abs. 1 SGB X jedoch bereits daran, dass die Beklagte nicht zu einer Gewährung von Übergangsgeld an den Versicherten für die vom 4. Januar bis 5. März 2010 durchgeführte stufenweise Wiedereingliederung und dementsprechend auch nicht für eine entsprechende Gewährung für den vorausgegangenen Zeitraum nach Abschluss der stationären Heilbehandlung am 29. Oktober 2009 zuständig war.

Nach den Vorgaben des § 51 Abs. 5 SGB IX hat der Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld im Anschluss an eine von ihm zuvor gewährte medizinische Rehabilitationsmaßnahme bis zum Ende einer stufenweise Wiedereingliederung (§ 28 SGB IX) weiter zu gewähren, wenn diese stufenweise Wiedereingliederung "im unmittelbaren Anschluss" an die zuvor erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

Damit hat das SGB IX die stufenweise Wiedereingliederung ausdrücklich als eine auch von der Rentenversicherung zu erbringende Leistung der medizinischen Rehabilitation eingeführt. Nach § 45 Abs. 1 SGB IX hat ein Versicherter "im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" Anspruch gegen den Träger der Rentenversicherung auf Übergangsgeld "nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20 und 21 des Sechsten Buches" (Nr 3). In diesem Zusammenhang ist damit nicht isoliert auf die Vorschriften des SGB VI (§§ 20, 21) abzustellen; der Anspruch auf "Leistungen zum Lebensunterhalt" ist - auch soweit er den Rentenversicherungsträger betrifft - vielmehr (zusätzlich) im SGB IX (§ 45) verankert. Insoweit lassen sich dem SGB IX auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Anspruch auf Übergangsgeld während der stufenweisen Wiedereingliederung die gleichzeitige Gewährung einer "Hauptleistung" voraussetzen könnte. Vielmehr ist die stufenweise Wiedereingliederung die "Haupt"- und das Übergangsgeld die ergänzende Leistung (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 44/08 R -, BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9).

Nach einer vom Rentenversicherungsträger gewährten stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation - wie hier der vom 1. bis 29. Oktober 2009 gewährten Anschlussheilbehandlung - bleibt die Rentenversicherung für die stufenweise Wiedereingliederung gemäß § 15 Abs. 1 SGB VI iVm § 28 SGB IX und damit für die Zahlung von Übergangsgeld gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX iVm § 20 Nr. 1 SGB VI zuständig, solange sich die stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Ge- samt-)Maßnahme darstellt. Dies ist der Fall, wenn das "rentenversicherungsrechtliche" Rehabilitationsziel noch nicht erreicht ist, d.h. der Versicherte die bisherige Tätigkeit noch nicht in vollem Umfang aufnehmen kann, weil er den berufstypischen (nicht: arbeitsplatzspezifischen) Anforderungen dieser Tätigkeit gesundheitlich noch nicht gewachsen ist, der weitere Rehabilitationsbedarf spätestens bei Abschluss der stationären Maßnahme zutage getreten ist, und die Voraussetzungen des § 28 SGB IX bis zum Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung durchgehend vorliegen (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - aaO. mwN).

Sollte der Zeitraum zwischen der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und der stufenweisen Wiedereingliederung weniger als eine Woche betragen, kann von Letzterem ohne weiteres ausgegangen werden (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - aaO. mwN). Im vorliegenden Fall ist eine solche - die tatbestandlichen Voraussetzungen allerdings nach der erläuterten Rechtsprechung nicht abschließend konkretisierende - Frist von einer Woche allerdings deutlich überschritten worden; zwischen dem Abschluss der stationären medizinischen Rehabilitation und dem Beginn der stufenweise Wiedereingliederung lagen mehr als neun Wochen.

Auch im Übrigen geht die Rechtsprechung davon aus, dass der vom Gesetz geforderte "unmittelbare" Anschluss der beruflichen Wiedereingliederung nicht beinhaltet, dass sich die stufenweise Eingliederung völlig nahtlos an die vorangegangene Reha-Leistung anschließen muss. Vielmehr muss insoweit den praktischen Umsetzungsproblemen Rechnung getragen werden, dass vor der stufenweisen Wiedereingliederung nicht nur das Einverständnis des Versicherten, sondern auch des Arbeitgebers (vgl. § 74 SGB V) sowie die Bewilligung durch den zuständigen Träger eingeholt werden müssen (BSG, Urteil vom 05. Februar 2009 - aaO.).

Bei einer Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts anhand der vorstehend erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen ist zunächst festzuhalten, dass bei Beendigung der stationären Heilmaßnahme am 29. Oktober 2009 das "rentenversicherungsrechtliche" Rehabilitationsziel noch nicht erreicht war, d.h. dass seinerzeit der Versicherte die bisherige Tätigkeit noch nicht wieder in vollem Umfang aufnehmen konnte, weil er den berufstypischen Anforderungen dieser Tätigkeit damals gesundheitlich noch nicht gewachsen war. Dieser weitere Rehabilitationsbedarf war auch bereits bei Abschluss der stationären Maßnahme zutage getreten; der Entlassungsbericht der Nordseefachklinik I. hat ihn deutlich beschrieben.

Der Senat vermag jedoch nicht die weitere der erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Beklagten festzustellen, wonach die Voraussetzungen des § 28 SGB IX bis zum Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung durchgehend vorgelegen haben müssen. Mit der Vorschrift des § 28 SGB IX soll die Wiedereingliederung der Rehabilitanden in das Berufsleben bei entsprechendem Bedarf durch eine stufenweise Wiedereingliederung gefördert werden. Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen nach dieser Regelung die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielsetzung erbracht werden.

Zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift, d.h. zu ihren tatbestandlichen Voraussetzungen, gehört neben der - im vorliegenden Fall bereits bei Abschluss der Anschlussheilbehandlung im Rahmen einer sich über mehrere Monate erstreckenden mittelfristigen Prognose zu bejahenden - Erwartung, dass der Versicherte durch eine stufenweise Wiederaufnahme seiner Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden könne, auch die ärztliche Feststellung eines Teilleistungsvermögens des Versicherten in dem Sinne, dass dieser gesundheitlich in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit bereits "teilweise" wieder zu verrichten. Erst nach Wiedererlangung eines solchen Teilleistungsvermögens kann eine stufenweise Wiedereingliederung sinnvollerweise in Betracht gezogen werden.

Ein solches Teilleistungsvermögen, wonach er die zuvor ausgeübte berufliche Tätigkeit eines Servicetechnikers wieder, wenn auch zunächst nur stundenweise ausüben konnte, wies der Versicherte bei Abschluss der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am 29. Oktober 2009 jedoch gerade noch nicht auf. Der Abschlussbericht der der Nordseefachklinik I. bringt einleuchtend zum Ausdruck, dass dem Versicherten seinerzeit eine Fortführung der zuvor ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht einmal stundenweise zuzumuten war. Die Klinikärzte konnten seinerzeit noch gar nicht näher überblicken, zu welchem Zeitpunkt sich der Gesundheitszustand des Klägers wieder insoweit gebessert haben würde, dass auch nur die Aufnahme einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in Betracht kam. Dementsprechend haben sie empfohlen, zunächst zwei bis drei Monate nach Beendigung der Anschlussheilbehandlung abzuwarten und erst dann den weiteren Heilungserfolg erneut beurteilen zu lassen.

Damit korrespondiert, dass auch der nachbehandelnde Hausarzt zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Gesundheitszustand des Versicherten den Beginn einer stufenweise Wiedereingliederung erst ab Januar 2010 zuließ, mithin lagen auch die Voraussetzungen des § 28 SGB IX erst ab diesem Monat vor. Bis einschließlich Dezember 2009 kam hingegen entsprechend der Einschätzung der Klinikärzte im Entlassungsbericht vom 29. Oktober 2009 für den Versicherten auch nur der Beginn einer stufenweisen Wiedereingliederung aufgrund der damaligen von deutlichen psychophysischen Erschöpfung, der Kraftminderung und aufgrund von Gedächtnisstörungen geprägten, schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch nicht in Betracht. Der Versicherte vermochte seinerzeit mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen den berufstypischen Anforderungen an das Leistungsvermögen eines Servicetechnikers nicht einmal für einen nur stundenweisen Einsatz zu genügen.

Der Klägerin ist allerdings zuzugestehen, dass eine Passage in dem vorstehend herangezogenen Urteil des 13. Senates des BSG den Eindruck nahelegen mag, dass dieser Senat von dem - auch in seinem Urteil zunächst ausdrücklich bejahten - Erfordernis eines Vorliegens der Voraussetzungen des § 28 SGB IX im Zeitraum zwischen Abschluss der stationären Rehabilitationsmaßnahme bis zum Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung im Ergebnis partiell abrücken will. Nach dieser Entscheidung soll auch "zu berücksichtigen" sein, dass einem Versicherten nach einer Bypassoperation regelmäßig eine "Zeit der Rekonvaleszenz" von etwa drei Monaten zugestanden werden muss, während derer er (beruflichen) Belastungen noch nicht oder nur in geringem Maße ausgesetzt werden könne (BSG, Urteil vom 05. Februar 2009 - B 13 R 27/08 R -, SozR 4-3250 § 28 Nr 3, Juris-Rn. 23).

Damit sollen offenbar auch "Zeiten der Rekonvaleszenz"(vgl. auch die Begriffsbestimmung unter wikipedia: Rekonvaleszenz - lateinisch reconvalescere' wieder kräftig werden, wieder stark werden', zu valere 'gedeihen, heil sein', valescere 'heilen' - auch Konvaleszenz, bedeutet Genesung, nicht zu verwechseln mit Remission, d.h. Zurückgehen bzw. Nachlassen, oder Restitution, d.h. Wiederherstellung. Konvaleszenz ist eines der letzten Stadien einer Erkrankung. Die Krankheitszeichen, zum Beispiel Fieber, Schwäche, Schwindel, Schmerzen, verschwinden nach und nach bis zur endgültigen Wiederherstellung der Gesundheit.), während derer der Versicherte "nicht" (also auch nicht einmal stundenweise) beruflichen Belastungen ausgesetzt werden darf, eine Relevanz in dem Sinne erlangen können, dass aufgrund ihrer auch eine tatsächlich erst deutlich nach Abschluss der medizinischen Rehabilitation einsetzende stufenweise Wiedereingliederung im Rechtssinne gleichwohl "im unmittelbaren Anschluss" an diese medizinische Rehabilitation erbracht wird. Dabei ist bislang offen, ob auch Zeiträume einer "Rekonvaleszenz" von (ggfs. auch deutlich) mehr als drei Monaten nach Auffassung des 13. Senates des BSG den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang noch wahren können und welche Relevanz dem Umstand zukommen soll, inwieweit die im Einzelfall erforderliche Rekonvaleszenzzeit mit einer - soweit überhaupt bestimmbar - "regelmäßig" zu erwartenden "Zeit der Rekonvaleszenz" übereinstimmt.

Abgesehen von Bedenken angesichts der begrifflichen Unschärfen und der bislang nur unzureichenden dogmatischen Einordbarkeit eines solchen Rekonvaleszenzansatzes vermag der Senat daraus im Ergebnis jedenfalls nicht zu entnehmen, dass in Fallgestaltungen der vorliegend zu beurteilenden Ausprägung noch ein "unmittelbarer Anschluss" der stufenweisen Wiedereingliederung an die einige Monate zuvor durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme festzustellen sein könnte.

Ein solches Interpretationsergebnis würde den vom Wortlaut des § 51 Abs. 5 SGB IX vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen sprengen und seine Zielvorstellungen missachten. Der Gesetzgeber hat selbst zum Ausdruck gebracht, dass nach seinem Verständnis § 51 Abs. 5 SGB IX heranzuziehen ist, wenn die Feststellungen nach § 28 regelmäßig spätestens bis zum Abschluss der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu treffen sind (BT-Drs 15/1783, S. 13). Letztlich würde bei der von der Klägerin befürworteten weiten Auslegung das Tatbestandserfordernis eines "unmittelbaren Anschlusses" an die medizinische Rehabilitationsleistung eliminiert und durch einen letztlich nur vagen sachlichen Zusammenhang zwischen der vorausgegangenen medizinischen Rehabilitation und einer nachfolgenden beruflichen Wiedereingliederung ersetzt.

Angesichts der bereits angesprochenen in der Praxis ohnehin gegebenen Notwendigkeit eines begrenzten Zeitraums (von etwa ein bis drei Wochen) für die verwaltungstechnische Umsetzung einer geplanten stufenweisen Wiedereingliederung spricht viel dafür, diesen zeitlichen Rahmen nicht überschreitende kurzfristige Zeiträume eines gesundheitlich bedingten Unvermögens zur Einleitung einer solchen Wiedereingliederung (beispielsweise aufgrund eines gegen Ende der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme aufgetretenen vorübergehenden Infekts oder einer aus ärztlicher Sicht festzustellen Notwendigkeit einer lediglich noch kurzfristigen weiteren Erholung nach Abschluss der medizinischen Rehabilitation in einem Umfang von etwa ein bis zwei Wochen vor Aufnahme der stufenweisen Wiedereingliederung) als nicht ausschlaggebend und damit der Annahme eines unmittelbaren Anschlusses nicht entgegenstehend zu werten. Soweit, wie im vorliegenden Fall, zwischen Abschluss der medizinischen Rehabilitation und dem Zeitpunkt der Wiedererlangung des auch nur zur Einleitung einer stufenweisen Wiedereingliederung erforderlichen gesundheitlichen Leistungsvermögens ein Zeitraum von rund neun Wochen liegt, ist der insoweit in Betracht kommende Rahmen aber deutlich überschritten. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall bei Abschluss der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme aus ärztlicher Sicht noch gar nicht beurteilt werden konnte, ob nicht sogar ein längerer Zeitraum als die im Ergebnis benötigten ca. neun Wochen erforderlich sein würde, bevor überhaupt eine stufenweise Wiedereingliederung eingeleitet werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.