Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.12.1999, Az.: 11 B 4532/99

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Abschiebung nach Herze-Gowina; Unzulässigkeit der Abschiebung wegen ungewisser Gewährung von Asyl durch einen sicheren Drittstaat; Betreibung eines Asylverfahrens in Belgien nach den Bestimmungen der UNHCR

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
15.12.1999
Aktenzeichen
11 B 4532/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 15999
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:1999:1215.11B4532.99.0A

Verfahrensgegenstand

Abschiebung

Prozessführer

der bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige C ,

Proz.-Bev.:Rechtsanwälte Hausin und andere, Cloppenburger Straße 391, 26133 Oldenburg, - 1199/99H01 -

Prozessgegner

den Landkreis Leer ,

der Landrat, Friesenstraße 46, 26789 Leer, - III P 224/99 -

In der Rechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
am 15. Dezember 1999
beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, den Antragsteller nach Bosnien und Herzegowina abzuschieben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

1

Der Antragsteller ist bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger. Er hielt sich seit September 1994 in Deutschland als Bürgerkriegsflüchtling auf und wurde am 17. November 1997 nach Sarajewo abgeschoben. Im Jahre 1998 reiste er nach Belgien ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Sein Antrag wurde abgelehnt. Über seine am 8. Februar 1999 erhobene Klage haben belgische Gerichte noch nicht entschieden.

2

Von Belgien aus kam der Antragsteller nach Deutschland und wollte am 4. November 1999 über die Niederlande zurückreisen. Weil er nicht im Besitz gültiger Einreisepapiere für die Niederlande war, wiesen diese ihn zurück. Der Antragsgegner ließ ihn in Abschiebehaft nehmen. Er betreibt die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina und hat. Rückreisedokumente beschafft. Eine schriftliche Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ist nicht bekannt. Die Abschiebung scheint aber für den 16. Dezember geplant zu sein.

3

Der Antragsteller hat am 8. Dezember 1999 um Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nachgesucht. Er möchte nach Belgien ausreisen. Eine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina sei rechtswidrig, weil dadurch sein Asylanspruch in Belgien vereitelt werde. Der UNHCR in Belgien habe mitgeteilt, dass die belgischen Behörden ihn aufnehmen wollten. Die belgische Einwanderungsbehörde habe sich vergeblich bemüht, den Antragsgegner zu erreichen.

4

Dem Antragsteller ist gem. § 123 Abs. 1 VwGO vorläufiger Rechtsschutz gegenüber der drohenden Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zu gewähren.

5

Zwar ist der Antragsteller ausreisepflichtig und kann auch abgeschoben werden, wenn er der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommt. Das wird von ihm auch nicht in Abrede gestellt. Der Rechtsstreit wird ausschließlich wegen des Zielstaates für die Ausreise geführt.

6

Der Antragsteller hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass dem Antragsgegner vorläufig untersagt wird, ihn nach Bosnien und Herzegowina abzuschieben, solange nicht feststeht, dass er nicht von Belgien aufgenommen wird. Nach seiner Asylantragstellung ist das Königreich Belgien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Daran ändert auch die unerlaubte Einreise in die Bundesrepublik nichts. Nach Art. 33 Abs. 1 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990, BGBl II 1993, S. 1010 (Schengen II) ist Belgien zur Rückübernahme verpflichtet. Gleiches gilt nach Art. 10 Abs. 1 lit. c des Übereinkommens vom 15. Juni 1995 (Dubliner Übereinkommen). Diese Pflicht ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand auch nicht abgelehnt worden.

7

Wegen der hohen Bedeutung des Asylrechts und des Asylverfahrens ist zunächst die Ausreise nach Belgien zu ermöglichen. Soweit es erforderlich ist, hat der Antragsteller dabei mitzuwirken. Dem ist er nachgekommen. Er hat den Hohen Flüchtlingskommissar der UN eingeschaltet, der versucht hat, mit dem Antragsgegner Kontakt aufzunehmen. Nach einer Mitteilung des UNHCR wird ein Asylverfahren in Belgien betrieben. Der UNHCR hat weiter mitgeteilt, dass die belgischen Einwanderungsbehörden grundsätzlich nichts gegen die Rückübernahme des Antragstellers einzuwenden haben. Er hat Kontaktadressen benannt, an die der Antragsgegner sich für die Durchführung des Rückübernahmeverfahrens wenden kann. Es ist nicht bekannt, dass der Antragsgegner von diesen Angeboten Gebrauch gemacht hat. Jedenfalls ist seine Annahme, die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina sei zulässig, weil es an der belgischen Rücknahmebereitschaft fehle, unzutreffend. Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass Belgien die Rücknahme ablehnt. Es ist Sache des Antragsgegners, die Rückübernahme zu beantragen. Solange dazu keine Ergebnisse vorliegen, darf der Antragsteller nicht nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben werden.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO.

Janssen
Dr. Hoffmeyer
Ahrens