Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 21.12.1999, Az.: 1 A 2249/95

Einsichtnahme in Umweltinformationen ; Umweltbezogener Handlungsauftrag einer Behörde; Naturschutzrechtliches Unterschutzstellungsverfahren ; Ausschluß des Informationsanspruchs

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
21.12.1999
Aktenzeichen
1 A 2249/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 16000
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:1999:1221.1A2249.95.0A

Verfahrensgegenstand

Einsicht in Umweltinformationen

Prozessführer

der Rentner M.

Proz.-Bev.:Rechtsanwälte Musch und andere, Delmenhorster Straße 13, 27793 Wildeshausen, - ...

Prozessgegner

die Gemeinde Ganderkesee ,

der Gemeindedirektor, Mühlenstraße 2, 27777 Ganderkesee, - -30- -

Redaktioneller Leitsatz

Soweit ein umweltbezogener Handlungsauftrag besteht, ist die Behörde für die Erfüllung des Informations-anspruches nach § 4 Abs. 1 S.1 UIG hinsichtlicher Umweltinformationen zuständig, bei der die die Umwelt-informationen - aus welchem Grunde auch immer - vorhanden sind, sofern der Informationsanspruch nicht gemäß § 7 UIG oder aus Gründen des Datenschutzes auszuschließen ist.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 1999
durch
den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die bei ihr vorhandenen Umweltinformationen betreffend das ehemalige K.-grundstück an der -allee (Lageplan, Blatt 26 der Gerichtsakte), soweit sie nicht das naturschutzrechtliche Unterschutzstellungsverfahren betreffen, und die Bundesbahndeponie B. gemäß dem Antrag des Klägers vom 9./11. Januar 1995 zu bewilligen.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1995 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1995 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Einsichtnahme in Umweltinformationen.

2

Am 9./11. Januar 1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Einsicht in alle Informationen betr. die Umwelt bezüglich des sog. K.grundstücks an der -allee (Flurstücke 101/10, 103/14, 103/46, 103/47, 103/48 der Flur 38 der Gemarkung G., Blatt 26 der Gerichtsakte) sowie der Bundesbahndeponie B..

3

Hinsichtlich des K.grundstücks hat die Beklagte mit Satzung vom 3. Juni 1999 eine Teilfläche zur Größe von 4.450 m² gemäß § 28 NNatSchG unter Schutz gestellt. Ferner hat beim Landkreis Oldenburg ein Baugenehmigungsverfahren für die Errichtung eines Gewerbebetriebes (Firma C.) auf einer anderen Teilfläche sowie ein wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Verrieselung von Abwässern über eine Kleinkläranlage stattgefunden.

4

Mit Bescheid vom 3. Februar 1995 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Das UIG betreffe nur Behörden, deren spezifische Aufgabe der Umweltschutz sei. Im Hinblick auf die Bundesbahndeponie sei sie - die Beklagte - jedoch nicht als Umweltbehörde tätig geworden, so dass das UIG gem. dessen §§ 2, 3 Abs. 1 nicht anwendbar sei. Über die Deponie sei sie nur deshalb unterrichtet, weil diese innerhalb ihres Gemeindegebiets belegen sei. Für das Baugenehmigungsverfahren betr. das K.grundstück sei der Landkreis Oldenburg zuständig. Sie sei lediglich im Rahmen des § 36 BauGB hieran beteiligt. Im Hinblick auf das naturschutzrechtliche Unterschutzstellungsverfahren für das K.grundstück bestehe gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG kein Anspruch auf Einsichtnahme, weil das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

5

Am 3. März 1995 hat der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor: Im Hinblick auf das Verfahren nach § 28 NNatSchG sei § 7 UIG nicht anwendbar. Die Umweltinformationsrichtlinie betreffe nur Verwaltungsverfahren mit strafrechtlichem Charakter. In übrigen erfülle auch die Beklagte Aufgaben einer Umweltbehörde. So sei sie etwa an Bauleitplanverfahren maßgeblich beteiligt. Sein Antrag sei auch nicht zu unbestimmt, da er erst durch die Einsichtnahme feststellen könne, welche Unterlagen bei der Beklagten vorhanden seien. Es sei auch unerheblich, dass er bereits über Teilinformationen verfüge.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: In Bezug auf die Bundesbahndeponie nehme sie keine Aufgaben des Umweltschutzes wahr. Der Antrag des Klägers sei auch zu unbestimmt, da er weder den ihn interessierenden Umweltzustand noch den für ihn maßgeblichen Umweltbereich erkennen lasse. Das Begehren sei mindestens teilweise auch missbräuchlich. Der Kläger verfüge in Bezug auf das Unterschutzstellungsverfahren für das K.grundstück über den maßgeblichen Satzungsentwurf. Im übrigen habe er beim Landkreis Oldenburg einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem UIG gestellt, dem auch entsprochen worden sei, soweit kein verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig gewesen sei. Soweit ein Baugenehmigungsverfahren anhängig sei, habe sie lediglich bauplanerische Gesichtspunkte zu beachten. Außerdem handele es sich insoweit um ein laufendes Verwaltungsverfahren, so dass jedenfalls deshalb ein Anspruch auf Einsicht ausgeschlossen sei.

7

Am 31. Mai 1995 hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung die Einsichtnahme in die Akten betreffend die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung eines Teils des K.grundstücks bewilligt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

8

Der Kläger trägt im wesentlichen vor: Er sammle Informationen über Umweltbelange in seinem Wohnort. Das K.grundstück solle bebaut werden, was Umweltbelangen widerspreche. Er habe bereits bei seinem Antrag geäußert, dass er alle floristischen und faunistischen Bestandsaufnahmen betr. dieses Grundstück einsehen wolle. Um festzustellen, welche Unterlagen es im einzelnen gebe, müsse er aber zunächst die Akten einsehen können. Das K.grundstück liege innerhalb der örtlichen Bebauung. Die sich insoweit stellenden naturschutzrechtlichen Fragen seien mithin ausschließlich Aufgabe der Gemeinde. Die Deponie B. sei auch eine solche der Beklagten, da diese früher dort ebenfalls Hausmüll abgelagert habe und somit Mitverursacherin von Umweltschäden sei. Insoweit sei ein Ratsbeschluss gefasst worden, wonach allen Bürgern der Beklagten die vorhandenen Gutachten zugänglich zu machen seien. Dies zeige deutlich, dass sie sich auch in Bezug auf diese Deponie mit Umweltschutzaufgaben auseinandergesetzt habe. Gerade deshalb lägen ihr die Gutachten vor.

9

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1995 aufzuheben

und

die Beklagte zu verpflichten, ihm Einsicht in die bei der Beklagten vorhandenen Umweltinformationen betr. das ehemalige "K.grundstück" an der -allee (Lageplan, Blatt 26 der Gerichtsakte), soweit sie nicht das naturschutzrechtliche Unterschutzstellungsverfahren betreffen, und die Bundesbahndeponie B. gemäß seinem Antrag vom 9./11. Januar 1995 zu bewilligen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie führt im wesentlichen aus: Das Begehren sei missbräuchlich, weil der Kläger die Informationen bereits erlangt habe. Er sei vom 22. August 1990 bis 31. Oktober 1991 Mitglied des Rates und des Umweltausschusses gewesen und kenne dadurch sämtliche Einzelheiten. Für das Satzungsverfahren habe man keine weiteren externen Gutachten bzw. Stellungnahmen eingeholt. Es gebe auch keine faunistischen oder floristischen Bestandsaufnahmen. Ihr liege lediglich eine Heuschreckenbestandserfassung und ein ökomykologisches Gutachten vor. Diese habe ihr der Landkreis Oldenburg als untere Naturschutzbehörde im Zuge seiner Prüfung, ob ein besonders geschützter Biotop im Sinne des § 28a NNatSchG vorliege, zur Verfügung gestellt. Auch diese Unterlagen dürfte der Kläger aufgrund der Einsicht in die Akten des Landkreises Oldenburg kennen. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens habe sie nur planerische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, da sie ihr Einvernehmen gem. § 36 BauGB erteilen müsse. Spezifische Aufgaben des Umweltschutzes stünden ihr insoweit aber nicht zu. Im Hinblick auf den angeführten Ratsbeschluss sei zweifelhaft, ob dieses Gemeindeorgan berechtigt sei, Gutachten öffentlich zu machen. Tatsächlich habe der Kläger vorhandene Gutachten wohl im Rahmen der Ratstätigkeit eingesehen.

12

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Landkreises Oldenburg Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in bezug auf die Einsichtnahme in die im Rahmen des naturschutzrechtlichen Unterschutzstellungsverfahrens für einen Teil des K.grundstücks entstandenen Unterlagen übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

14

Im übrigen ist die Klage als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Denn § 5 Abs. 2 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes vom 8. Juli 1994 (BGBl. I, Seite 1490) - UIG - sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Erst soll über den Antrag auf Einsicht in die Umweltinformationen ein Bescheid ergehen und dann ggf. die Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen oder eine sonstige Zurverfügungstellung der Daten gewährt werden (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 15. September 1998 - 4 L 139/98 - NVwZ 1999, 670, 671 [OVG Schleswig-Holstein 15.09.1998 - 4 L 139/98]; Beschluss vom 10. Juli 1996 - 4 L 222/95 - ZUR 1997, 43; OVG Münster, Beschluss vom 28. Juli 1997 - 21 A 4985/94 - NuR 1998, 106, 107).

15

Die Klage ist auch begründet. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Einsicht in die Umweltinformationen betr. das sog. K.grundstück an der -allee, auch soweit die Beklagte diese noch nicht bewilligt hat, und in Bezug auf die Bundesbahndeponie B..

16

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UIG hat jeder - unabhängig von einer rechtlichen Betroffenheit - Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, die bei einer Behörde vorhanden sind.

17

Die Beklagte ist eine Behörde im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG. Nach dieser Vorschrift ist dies jede Stelle im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen hat. Maßgeblich ist dabei nicht die Betrachtung der einzelnen Aufgabe einer solchen Behörde, sondern es ist generell zu prüfen, ob sie überhaupt irgendeine Aufgabe des Umweltschutzes wahrnimmt (vgl. Schomerus in: Schomerus/Schrader/ Wegener, UIG, 1995, Rn. 15 zu § 3). Dies ergibt sich nach Ansicht des Gerichts schon aus der Systematik des § 3 Abs. 1 UIG. Dieser enthält nach einer weiten Definition in Satz 1 in seinem Satz 2 lediglich Einschränkungen für einzelne Behörden in ihrer Gesamtheit (Nr. 1 und 3) sowie bestimmte Unterlagen (Nr. 2). Es ist in der Sache auch davon auszugehen, dass eine Behörde, die (irgendwelche) Aufgaben des Umweltschutzes wahrnimmt, grundsätzlich ein Interesse an der Sammlung von Umweltinformationen hat.

18

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die hier in Rede stehenden Informationen möglicherweise in verschiedenen Ämtern der Beklagten aufbewahrt werden, so dass auch nicht zu prüfen ist, ob gerade diese Aufgaben des Umweltschutzes erfüllen. Denn die Ämter einer Kommunalbehörde sind nicht jeweils gesonderte Behörden im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG. Es fehlt ihnen nämlich regelmäßig an der erforderlichen organisatorischen Selbständigkeit (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 5. Auflage 1998, Rn. 227 zu § 1; Knack, VwVfG, 6. Auflage 1998, Anm. 8.2 zu § 1). Etwas anderes gilt nur, wenn sie befugt sind, nach außen im eigenen Namen tätig zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1984 - 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 4, 13) [BVerwG 20.07.1984 - 7 C 28/83]. Dafür ist hier aber nichts erkennbar.

19

Ausreichend ist, dass die Behörde neben anderen Gesichtspunkten auch Umweltbelange zu beachten hat. Es sind mithin nicht nur die Behörden zur Auskunft verpflichtet, die umweltrechtliche Gesetze als Hauptaufgabe zu vollziehen haben. Erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr ein auf Rechtsvorschriften oder Anordnung einer vorgesetzten Stelle beruhender umweltbezogener Handlungsauftrag (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999 - 7 C 21/98 - NVwZ 1999, 1220, 1221 [BVerwG 25.03.1999 - 7 C 21/98] m.w.N.). Dies ergibt sich schon aus dem uneingeschränkten Wortlaut der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG. Ein weites Verständnis ergibt sich zudem auch aus Sinn und Zweck des UIG, wonach der Zugang zu Umweltinformationen möglichst uneingeschränkt gewährt werden soll. Diese Intention folgt insbesondere aus der 4. Begründungserwägung zur Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie des Rates 90/313/EWG vom 7. Juni 1990, Amtsblatt L 158, Seite 56), deren Umsetzung das UIG dient. Ziel ist es, die Umweltbelange dadurch zu stärken, dass die Verwaltung in Fragen, die den Umweltschutz betreffen, von den Bürgern besser kontrolliert werden kann. Diese Kontrollmöglichkeit kann beispielsweise dazu führen, dass Missstände öffentlich gemacht und dadurch abgestellt werden. Andere rechtliche Möglichkeiten Einfluss auf umweltrelevantes Handeln der Verwaltung zu nehmen, bestehen nämlich in rechtlicher Hinsicht aufgrund der Notwendigkeit, ein subjektives öffentliches Recht (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) geltend machen zu müssen, häufig nicht (vgl. auch BVerwG, aaO, Seite 1220 f.; Urteil vom 6. Dezember 1996 - 7 C 64/95 - NJW 1997, 753, 755) [BFH 27.03.1996 - I R 182/94]. Daher können die einschränkenden Formulierungen in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/7138, Seite 11) nicht maßgeblich sein.

20

Unerheblich ist daher auch, ob die auf die Umweltinformation angegangene Behörde die für den Vollzug einer die Umwelt betreffenden Aufgabe zuständige ist. Dies ergeben auch die §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 UIG. Danach ist die Behörde für die Erfüllung des Informationsanspruches zuständig, bei der die Umweltinformationen - aus welchem Grunde auch immer - vorhanden sind.

21

Die Beklagte nimmt in vielfältiger Weise auf gesetzlicher Grundlage Aufgaben des Umweltschutzes wahr. Dies gilt zunächst im Rahmen der Bauleitplanung, wonach bestimmte Umweltaspekte in die Abwägung der privaten und öffentlichen Belange einzustellen sind (§§ 1 Abs. 5 Nr. 7, 1 a BauGB). Auch im Baugenehmigungsverfahren sind im Zusammenhang mit dem Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB Umweltbelange zu berücksichtigen (vgl. § 35 Abs. 3 Nr. 3, 5 BauGB; vgl. auch Moormann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Rn. 6 zu § 3 UIG). Darüber hinaus kann die Gemeinde nach § 28 NNatSchG zuständige Behörde für die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung bestimmter Gegenstände oder Gebiete sein. Gem. § 56 Abs. 1 NNatSchG obliegt auch der Gemeinde die Unterstützung anderer Behörden, um die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu erreichen. In § 149 NWG ist die öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden geregelt, die einen spezifischen Umweltbezug aufweist. Im übrigen darf die Gemeinde auch sonst alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen (vgl. § 2 Abs. 1 NGO, Art. 57 Abs. 3 Nds. LV, Art. 28 Abs. 2 GG). Dies umfasst auch die Befassung mit Aufgaben, für deren Vollzug andere Stellen zuständig sind, sofern sie einen spezifisch örtlichen Bezug aufweisen (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1990 - 7 C 37/89 und 40/89 - NVwZ 1991, 682 und 684).

22

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UIG einschlägig wäre. Danach handelt eine Behörde dann nicht als Umweltbehörde, soweit sie Umweltbelange lediglich nach den für alle geltenden Rechtsvorschriften zu beachten hat. Dies sind vor allem die Fälle, in denen eine Person des öffentlichen Rechts rein fiskalisch handelt (vgl. BT-Drs. 12/7138, Seite 12), mindestens aber jeder öffentlich-rechtliche Aufgabenbezug fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, aaO, Seite 1221; Schomerus, aaO, § 3 Rn. 30). Dies ist hier nach der Überzeugung des Gerichts weder hinsichtlich der Unterlagen betr. das K.grundstück noch in Bezug auf die Bundesbahndeponie der Fall. Denn mindestens hat die Gemeinde von ihrem Recht Gebrauch gemacht, sich mit einer Frage, die die örtliche Gemeinschaft betrifft, zu befassen.

23

Im Hinblick auf das K.grundstück hat die Beklagte dementsprechend zutreffend in der mündlichen Verhandlung nunmehr Einsicht in die Unterlagen betr. das naturschutzrechtliche Unterschutzstellungsverfahren gewährt. Sie hat aber darüber hinaus auch Einsicht zu gewähren, soweit sie weitere Unterlagen, insbesondere aus dem maßgebllichen Baugenehmigungsverfahren und dem Verfahren betr. die wasserrechtliche Einleitungserlaubnis besitzt. Im Baugenehmigungsverfahren bedurfte es nämlich, wie die Beklagte angegeben hat, ihres Einvernehmens, dessen Erteilung - wie ausgeführt - auch von Umweltgesichtspunkten abhängen kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das Baugenehmigungsverfahren nicht isoliert von dem Unterschutzstellungsverfahren betrachtet werden kann. Vielmehr wird die Unterschutzstellung auch in einem Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen sein, wenn - wie hier - die Flächen unmittelbar benachbart sind. Nur aus diesem Grunde ist es überhaupt zu verstehen, dass der Landkreis Oldenburg der Beklagten in diesem Zusammenhang umweltrelevate Unterlagen übersandt hat. Dies gilt erst recht im Verfahren betr. die wasserrechtliche Einleitungserlaubnis. Die Verrieselung über eine Kleinkläranlage soll nämlich gerade auf der Fläche erfolgen, die von der Beklagten unter Schutz gestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zunächst eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang an die gemeindliche Kanalisation erteilt hat. Die Beklagte hat sich - wie die dem Gericht vorliegenden Unterlagen des Landkreises Oldenburg ergeben - auch selbst Informationen über das Erlaubnisverfahren eingeholt. Auch an entsprechenden Ortsbesichtigungen haben Mitarbeiter der Beklagten teilgenommen.

24

Nichts anderes ergibt sich auch für die ehemalige Bundesbahndeponie B.. Hier hat die Beklagte mindestens von dem bereits oben angesprochenen Recht auf Befassung mit einer Angelegenheit, die örtlichen Bezug aufweist, Gebrauch gemacht. Sie hat nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen Informationsveranstaltungen durchgeführt und Gutachten erhalten, die dort auch öffentlich vorgestellt werden sollten. Auch soweit die Beklagte Mitbenutzer der Deponie gewesen ist, ist sie im Rahmen der ihr damals obliegenden Aufgabe der Abfallentsorgung in ihrem Gebiet tätig geworden. Des weiteren würde sich nach den obigen Ausführungen ein Bezug zu Aufgaben des Umweltschutzes ergeben, soweit die Beklagte, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, inzwischen für den Bereich des Deponiegeländes ein Bauleitplanverfahren durchführt.

25

Der Antrag des Klägers durfte auch nicht nach § 5 Abs. 1 UIG abgelehnt werden. Danach muss ein Antrag hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Umweltinformationen er gerichtet ist. Angesichts des bereits oben angesprochenen Zieles des Gesetzes, wonach Informationen möglichst frei zugänglich sein sollen, dürfen an die Bestimmtheit des Antrages indes keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, damit der Informationszugang nicht unnötig erschwert wird (vgl. Moormann, aaO, Rn. 4 zu § 5). Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Betroffener, der bestimmte Vorgänge einsehen will, im Zweifel nicht im einzelnen darlegen kann, welche Unterlagen sich darin befinden. Denn gerade hierüber will er sich erst unterrichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, aaO, Seite 1220). Als ausreichend ist es daher anzusehen, wenn - wie hier - Umweltinformationen gerade betr. ein bestimmtes Grundstück bzw. eine bestimmte Anlage eingesehen werden sollen (vgl. Schomerus, aaO, Rn. 11 zu § 5).

26

Ein verwaltungsbehördliches Verfahren, welches den Informationsanspruch gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG ausschließen würde, wird nicht durchgeführt. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich der Umweltinformationsrichtlinie sind hiervon nur Verfahren erfasst, die auf die Verhängung einer Sanktion gerichtet sind (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 1999 - Rs C-217/97 - NVwZ 1999, 1209, 1210 [EGMR 18.02.1999 - 24645/94][EuGH 09.09.1999 - C 217/97]; Urteil vom 17. Juni 1998 - Rs C-321/96 - NVwZ 1998, 945, 946) [EuGH 17.06.1998 - C 321/96]. Solche Verfahren sind hier indes nicht erkennbar.

27

Es handelt sich bei den übersandten Unterlagen des Landkreises Oldenburg betr. das K.grundstück auch nicht um verwaltungsinterne Mitteilungen im Sinne des § 7 Abs. 2 UIG. Dies sind nämlich nur um solche, die nicht nach außen gelangt sind und die innere Organisation und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung betreffen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 15. September 1998, aaO, Seite 674). Hierum geht es jedoch in den hier in Rede stehenden Unterlagen nicht. Vielmehr handelt es sich um bestimmte naturschutzfachliche Bewertungen. Soweit Genehmigungsverfahren anhängig waren, sind die Unterlagen ohnehin nicht im Bereich der Verwaltung geblieben.

28

Das Begehren des Klägers ist auch nicht offensichtlich missbräuchlich (§ 7 Abs. 3 UIG). Dies ist nach der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Betroffene über die von ihm begehrten Daten bereits verfügt. Angesichts des weiten Informationsanspruchs ist auch hier eine enge Auslegung der Ausnahmevorschrift geboten. Offensichtlich missbräuchlich sind nur solche Begehren, die aus handgreiflichen Gründen schikanös sind. Ausreichend ist, dass die Möglichkeit besteht, weitere Informationen zu erhalten. Ob diese im Ergebnis vorliegen, ist dagegen unerheblich, weil dies gerade erst durch die Einsichtnahme in die Unterlagen geklärt werden soll. Deshalb liegt nicht schon deshalb ein missbräuchlicher Antrag vor, weil bereits in die Unterlagen eines anderen Verfahren betr. denselben Gegenstand Einsicht genommen worden ist, da unter Umständen weitere Umweltinformationen vorliegen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, aaO). Grundsätzlich besteht sogar die Berechtigung, wegen einer Information zwei verschiedene Behörden anzugehen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 10. Juli 1996, aaO, Seite 44). Dementsprechend können betreffend eines Grundstücks oder einer Anlage auch verschiedene beteiligte Behörden angegangen werden, weil regelmäßig nicht auszuschließen sein wird, dass die vorhandenen Umweltinformationen nicht identisch sind.

29

Es ist daher unschädlich, dass der Kläger beim Landkreis Oldenburg bereits in Teile der dort entstandenen Unterlagen betr. das K.grundstück Einsicht genommen hat. Abgesehen davon, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass ihm von der unteren Naturschutzbehörde bisher nicht alle Unterlagen vorgelegt worden sind, insbesondere nicht ein ihn besonders interessierendes Pilzgutachten sowie eine Heuschreckenbestandsaufnahme, zumal sich diese auch in den vom Landkreis Oldenburg dem Gericht vorgelegten Akten nicht befinden. Auch hat die Beklagte nicht substantiiert vortragen können, dass dem Kläger als früherem Rats- und Ausschussmitglied bereits sämtliche Informationen betr. die hier fraglichen Grundstücke vorliegen, zumal er diese Ämter bereits in den Jahren 1990/91 innehatte.

30

Schließlich ist nicht erkennbar, dass freiwillige Informationen privater Dritter vorliegen, die ohne dessen Einwilligung nicht zugänglich gemacht werden dürfen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 UIG). Insbesondere ist im Hinblick auf die Bundesbahndeponie darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Bahn AG erst seit dem 1. Januar 1994 privatrechtlich organisiert ist (vgl. das Gesetz über die Gründung einer Deutschen Bahn AG vom 27. Dezember 1993, BGBl. I S. 2378, 2386) und die davor bestehende Deutsche Bundesbahn ein nicht rechtfähiges Sondervermögen des Bundes war (§ 1 BBahnG). Die der Beklagten überlassenen Unterlagen stammen nach den dem Gericht vorliegenden Ratsbeschlüssen aus dem Jahre 1991.

31

Auch Gründe, wonach einzelne Unterlagen aus Gründen des Datenschutzes nach § 8 Abs. 1 UIG nicht eingesehen werden dürften, sind von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden. Im übrigen hat der Kläger auf die Einsicht in solche Unterlagen in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich verzichtet. Das Gericht sieht daher keinen Anlass, die Beklagte lediglich gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung des Antrages des Klägers zu verpflichten, um zunächst das in § 8 Abs. 2 UIG vorgesehene Beteiligungsverfahren durchzuführen (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil vom 8. November 1996 - 9 K 1341/95 - NVwZ 1997, 411, 413 [VG Freiburg 08.11.1996 - 9 K 1341/95]) [VG Freiburg 08.11.1996 - 9 K 1341/95].

32

Der Anspruch des Klägers ist im Wege des Akteneinsichtsrechts zu erfüllen. Grundsätzlich steht die Art und Weise, wie die Umweltinformationen übermittelt werden sollen, im Ermessen der Behörde (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UIG). Im Hinblick auf das Interesse an dem freien Zugang zu den Umweltinformationen ist jedoch die Gewährung grundsätzlich so vorzunehmen, wie dies der Antragsteller wünscht, es sei denn, hiergegen sprechen gewichtige Gründe (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. März 1999 und 6. Dezember 1996, aaO). Hier hat der Kläger Akteneinsicht beantragt. Grundsätzliche Bedenken gegen eine solche Einsichtnahme in die Akten hat die Beklagte nicht dargetan.

33

Die Beklagte wird, wie vom Kläger auch eingeräumt, allerdings zunächst zu prüfen haben, ob schutzwürdige Belange im Sinne des § 8 Abs. 1 UIG vorliegen und ggf. diese Unterlagen nicht zur Verfügung stellen. Im übrigen wird sie die Aktenvorgänge im Grundsatz ohne weitere Einschränkungen dem Kläger vollständig zur Verfügung stellen müssen. Sie kann dabei aber Vorgänge ganz oder teilweise vorenthalten, soweit sie keine Umweltinformationen im Sinne des § 3 Abs. 2 UIG beinhalten.

34

Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob der Kläger darüber hinaus aus dem Ratsbeschluss der Beklagten vom 3. Juli 1991 einen eigenständigen Anspruch auf Einsichtnahme in die dort genannte Gefährdungsabschätzung betr. die Bundesbahndeponie B. hat.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Beklagte hat nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch die Kosten des erledigten Teils zu tragen. Im Hinblick auf das Unterschutzstellungsverfahren betr. einen Teil des K.grundstücks hat sie nämlich in der mündlichen Verhandlung nunmehr die Akteneinsicht gewährt und insoweit dem Begehren des Klägers entsprochen. Außerdem hätte sie nach der oben angesprochenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während des Satzungsverfahrens die Akteneinsicht auch nicht im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG verweigern dürfen. Schließlich lagen - wie bereits ausgeführt - auch Ablehnungsgründe nach §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 3 UIG nicht vor.

36

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig, weil die aus den obigen Ausführungen ersichtlichen schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Fragen des Umweltinformationsrechts zu klären waren.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre rechtliche Grundlage in den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.