Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.06.2015, Az.: 5 A 1706/14
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 10.06.2015
- Aktenzeichen
- 5 A 1706/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44825
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungskosten für seine verstorbene Schwester.
Der Kläger ist der Bruder der Frau M. R. und der am 5. Oktober 2013 verstorbenen Frau C. H. F.. Frau F. wurde am 6. Oktober 2013 tot in ihrem Zimmer in der Obdachlosenunterkunft der Beklagten aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft Aurich veranlasste eine Obduktion des Leichnams in Oldenburg und beauftragte das in Emden ansässige Beerdigungsinstitut S. mit der Überführung. Anschließend genehmigte die Staatsanwaltschaft Aurich gem. § 159 Abs. 2 StPO die Beerdigung mit Bestattungsgenehmigung vom 7. Oktober 2013 - NZS 310 UJs 22278/13 -. Im Hinblick auf die Bestattung der Schwester führte der Kläger ein Telefongespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten, dessen Inhalt zwischen den Beteiligten strittig ist. U.a. wurde in dem Telefonat die Kostentragung der Angehörigen hinsichtlich der Bestattung der Frau F. angesprochen. Am 10. Oktober 2013 beauftragte die Beklagte das Beerdigungsinstitut S. mit einer Feuerbestattung und anschließender anonymer Urnenbeisetzung in Emden entsprechend den Sozialhilfesätzen. Die Beerdigung fand am 28. Oktober 2013 auf dem Stadtfriedhof T. statt. Das Beerdigungsinstitut S. stellte der Beklagten in der Folge 1.422,53 € in Rechnung. Die Friedhofsverwaltung der Stadt Emden zog die Beklagte zu Beisetzungsgebühren in Höhe von 762,00 € heran. Aus dem Nachlass der verstorbenen Schwester des Klägers konnte die Beklagte ein Bankguthaben bei der Oldenburgischen Landesbank N. in Höhe von 182,28 € und weitere 13,80 € Bargeld liquideren.
Mit Bescheid vom 16. April 2014 forderte die Beklagte den Kläger auf, die ihr entstandenen Kosten für die Bestattung seiner Schwester zu erstatten. Den Betrag bezifferte sie unter Verrechnung der aus dem Nachlass vereinnahmten Mittel auf 1.988,45 €. Für die Heranziehung des Klägers stützte sie sich auf die Bestattungspflicht der Geschwister nach § 8 Abs. 3 Nds. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (NBestattG) und führte aus, dass vorrangige Bestattungspflichtige nicht vorhanden seien.
Der Kläger hat am 16. Mai 2014 Klage gegen seine Heranziehung zur Erstattung der Bestattungskosten erhoben. Rechtlich sei die Beklagte für die Durchführung der ordnungsgemäßen Bestattung verantwortlich gewesen. Seine Heranziehung zu den Kosten sei indes rechtsfehlerhaft. Eine Prüfung der Angemessenheit der geltend gemachten Kosten sei ihm in Anbetracht fehlender Belege nicht möglich. Jedenfalls hätte es in der Region andere Bestattungsmöglichkeiten zu günstigeren Konditionen gegeben. Nach der Obduktion hätte eine anonyme Beisetzung in Oldenburg preiswerter durchgeführt werden müssen. Die Schwester habe nach seinem Kenntnisstand zudem Hausrat, ein Bankkonto und in einer Garage eingelagerte Wertegegenstände, u.a. ein Silberbesteck, besessen. In dem Telefonat mit der Sachbearbeiterin der Beklagten habe er diese darauf hingewiesen, dass er in der Vergangenheit bereits die Kosten für die Beerdigung der gemeinsamen Mutter allein getragen habe. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe ihm daher anlässlich des Telefonats erklärt, dass die verbleibende Schwester, Frau M. R., zu den Bestattungskosten herangezogen werden solle.
Unabhängig davon dürfe der Landesgesetzgeber bereits keine Regelung treffen, die eine Pflicht zur Erstattung von Beerdigungskosten für Geschwister zum Gegenstand hat. Dies gebiete die in Art. 31 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) niedergelegte Regelung, wonach Bundesrecht das Landesrecht bricht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als bundesgesetzliches Normenwerk sehe keine Unterhaltspflichten zwischen Geschwistern zu Lebzeiten vor. Eine Pflicht zur Tragung von Beerdigungskosten sei in § 1968 BGB und § 1615 Abs. 2 BGB nur in dem Verhältnis zwischen Erbe und Erblasser sowie dem Verhältnis zwischen Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem normiert. Eine bundesrechtliche Grundlage für die Heranziehung der Geschwister zu Beerdigungskosten sei nicht ersichtlich. Die auf Landesrecht gestützte Heranziehung von Geschwistern zu Beerdigungskosten im Sterbefall stelle danach einen Bruch des Bundesrechts dar. Eine solche Verpflichtung in den Landesgesetzen sei willkürlich und bedeute einen Verstoß gegen das Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip. Schließlich verstoße eine Heranziehung von Geschwistern zu Beerdigungskosten auch gegen europäisches Recht, so dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angezeigt sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert ergänzend, der Hausrat der verstorbenen Schwester des Klägers habe aufgrund seines Zustandes weitgehend entsorgt werden müssen. Es befänden sich noch vier Briefmarkenalben, eine Stofftasche mit Schmuck, ein Aktenordner und ein Aktentrog bei ihr, die einem Erben bei Vorlage eines Erbscheins ausgehändigt würden. Zwar habe die Beklagte auch Hinweise auf eine in Norden angemietet Garage erhalten. Sie habe aber auch nach Recherche keine Garage ausfindig machen können. Die Beklagte habe die kostengünstigste Bestattungsform gewählt. Sie habe sich anhand der vorgelegten Auflistung der Stadt Emden zu den erforderlichen Kosten einer Bestattung (Bl. 18, 19 VV) an den Beträgen orientiert, die im Rahmen der Sozialhilfe nach § 74 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) Berücksichtigung fänden.
Der Kläger persönlich sei nach der bei der Beklagten am 10. Oktober 2013 eingegangenen schriftlichen Mitteilung der Polizeistation N. durch diese am 9. Oktober 2013 erstmals telefonisch über das Ableben seiner Schwester informiert worden. In dem Telefongespräch mit der Sachbearbeiterin der Beklagten sei ihm keinesfalls in Aussicht gestellt worden, die Beklagte werden die verbleibende Schwester, Frau M. R., zu den Bestattungskosten heranziehen. Im Übrigen seien ihr auch lediglich der Name und die Anschrift des Klägers bekannt gewesen, nicht aber die Kontaktdaten seiner Schwester. Dem Kläger hätte es freigestanden, die Bestattung selbst zu übernehmen. Die Behauptung, eine Bestattung wäre in Oldenburg günstiger möglich gewesen, sei unsubstantiiert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Die mit Leistungsbescheid der Beklagten vom 16. April 2014 vorgenommene Heranziehung des Klägers zu den Kosten für die Bestattung seiner Schwester in Höhe von 1.988,45 € ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die nach Art. 20 Abs. 3 GG erforderliche Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten ist § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG. Danach haften die nach § 8 Abs. 3 NBestattG vorrangig Bestattungspflichtigen der Gemeinde als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten.
Neben der Möglichkeit, die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 NBestattG ergebenden Bestattungspflichten gegenüber den nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär gesetzlich Bestattungspflichtigen im Wege des Verwaltungszwangs mittels einer Ersatzvornahme durchzusetzen und anschließend deren Kosten auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) bei den primär Bestattungspflichtigen zu liquidieren, sieht § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG im Rahmen der subsidiären Bestattungspflicht der Gemeinde einen spezialgesetzliche Erstattungsanspruch vor, der allein an die Erfüllung der Bestattungspflicht durch die Gemeinde anknüpft (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris).
Durchgreifende Bedenken an der Vereinbarkeit der Rechtsgrundlage mit dem GG und dem Europarecht bestehen nicht. Das Bestattungswesen fällt aufgrund der allgemeinen Zuständigkeit der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Horn, NBestattG, 2. Aufl. 2009, S. 20).
Art. 31 GG regelt die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht und setzt daher voraus, dass Regelungen des Bundes- und des Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Rechtsfolgen führen (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 -, juris; Beschluss vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, juris) bzw. unvereinbare Normbefehle enthalten. Wertungswidersprüche, Zielkonflikte und unterschiedliche Zielsetzungen stellen demgegenüber keine Kollision i.S.d. Art. 31 GG dar (Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 31 Rn. 4).
Eine Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht liegt ersichtlich nicht vor. Es gibt keine bundesgesetzlichen Regelungen über die Bestattungspflichten der Angehörigen, weil der Bund hierfür keine Gesetzgebungskompetenz besitzt (OVG Bremen, Urteil vom 21. Oktober 2014 - OVG 1 A 253/12 -, juris Rn. 31).
Die vom Kläger zitierten Vorschriften des BGB über den zivilrechtlichen Unterhalt und die zivilrechtliche Pflicht zur Tragung der Beerdigungskosten werden durch die ordnungsrechtlichen Bestattungsvorschriften des Landes nicht abgeändert.
Die allgemeinen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten betreffen bereits einen anderen Sachverhalt. Unterhalt ist als das zu bezeichnen, was der Befriedigung des unmittelbaren menschlichen Lebensbedarfs dient. In einem engeren Sinne ist darunter der Beitrag zu verstehen, den ein Dritter leistet, solange und soweit der betroffene Mensch nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (Born, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. VI, 6. Aufl. 2012, Vorb zu §§ 1601 - 1615o Rn. 1). Beerdigungskosten sind nicht Bestandteil des unmittelbaren menschlichen Lebensbedarfs und daher nicht Gegenstand der Regelungen zum Unterhalt.
Die zivilrechtlichen Vorschriften zur Kostentragung begründen einen Anspruch auf Ersatz der für die Beerdigung aufgewendeten Kosten oder auf Befreiung von den zum Zwecke der Beerdigung begründeten Verbindlichkeiten. Ebenso wie die zivilrechtliche Kostentragungspflicht, die von dem Bestattungspflichtigen gegenüber einem Beerdigungsunternehmer eingegangene Verpflichtung nicht berührt, schließt sie auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, die sich aus einem ordnungsbehördlichen Einschreiten gegenüber dem Bestattungspflichtigen ergeben, nicht aus, und zwar unbeschadet eines etwaigen Ersatzanspruchs des Bestattungspflichtigen gegenüber dem zivilrechtlich zur Kostentragung Verpflichteten. Derartige öffentlich-rechtliche Ansprüche beruhen auf einem vom Zivilrecht unabhängigen, der Kompetenz des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgrund (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 1 B 149.94 -, juris Rn. 5).
Die im NBestattG zugelassene Heranziehung von Geschwistern stellt sich auch im Übrigen nicht als willkürlich und verfassungswidrig dar. Die Bestattungspflicht der Angehörigen einschließlich der Geschwister dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 C 8.00 -, juris Rn. 14). Es liegt im öffentlichen Interesse, dass jeder menschliche Leichnam bestattet wird. Die Bestattung dient dazu, Gefahren für die öffentliche Gesundheit und eine Verletzung des in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung zu verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl. 2010, S. 115).
Dabei ist die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Bestattungsvorschriften dahingehend, dass auch eine Verantwortlichkeit der Geschwister begründet wird, nicht willkürlich. Die Einbeziehung der Geschwister in die Bestattungspflicht unter Anknüpfung an die Totenfürsorge drängt sich von der Natur der Sache her schon deshalb auf, weil deren Inhabern grundsätzlich die Bestimmung von Ort und Art der Bestattung zusteht und deren gegebenenfalls erforderliche ordnungsrechtliche Inpflichtnahme im Interesse der Konfliktvermeidung auf eine im Einklang mit dem familienrechtlichen Pflichtenkreis stehende Bestattung angelegt ist. Angesichts dessen, dass seit alters her die Bestattung Verstorbener den nächsten Angehörigen obliegt und dies, auch soweit es um die Totenfürsorge von Geschwistern geht, einer weit verbreiteten bzw. vorherrschenden Anschauung in der Gesellschaft entspricht, ist die den gemeindeutschen Rechtsbestand berücksichtigende Normierung der Bestattungspflicht nicht zu beanstanden. Danach ist davon auszugehen, dass auch eine Heranziehung von Geschwistern zu den Kosten nicht unzumutbar ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15. Oktober 2001 - 19 A 571/00 -, juris Rn. 41 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 -, juris Rn. 4; Beschluss vom 9. Dezember 2002 - 8 LA 158/02 -, juris Rn. 5).
Der Vortrag des Klägers, auch das europäische Recht normiere keine Rechtspflichten unter Geschwistern, führt nicht dazu, dass solche durch den zur Gesetzgebung berufenen Landesgesetzgeber im Landesbestattungsrecht nicht festgelegt werden dürfen.
Ein Verstoß gegen das im Europarecht verankerte Sozialstaatsprinzip, auf den sich der Kläger allgemein unter Bezugnahme auf das Sozialhilferecht und Unterhaltspflichten beruft, ist nicht ersichtlich. Weder handelt es sich bei der Heranziehung zu Bestattungskosten durch die Gemeinde um eine Frage des Unterhaltsrechts (s.o.), noch ist der Kostenerstattungsanspruch der ordnungsrechtlich subsidiär bestattungspflichtigen Gemeinde als sozialhilferechtlicher Erstattungsanspruch zu qualifizieren. Gründe für eine vom Kläger begehrte Vorlage an den EuGH sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) liegen nicht vor.
Die Beklagte war aufgrund des § 8 Abs. 4 Satz 3 NBestattG ausdrücklich berechtigt, ihren Erstattungsanspruch durch einen Leistungsbescheid geltend zu machen.
Die Kostentragung der Geschwister für die Bestattung der verstorbenen Frau C. H. F. war nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten Gegenstand des zwischen dem Kläger und der Sachbearbeiterin der Beklagten geführten Telefonats. Der Kläger hat im Verlauf des Telefonats dargelegt, dass er bereits für die Kosten der Bestattung der gemeinsamen Mutter aufgekommen sei. Im Rahmen des Telefonats hat er von der nach § 1 Abs. 1 Nds. Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetzt (VwVfG) gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich zu den für die Entscheidung über die Heranziehung erheblichen Tatsachen zu äußern.
Voraussetzung für die Heranziehung nach § 8 Abs. 3 NBestattG gesetzlich Bestattungsverpflichteten zur den Kosten einer Bestattung auf der Grundlage des § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG ist lediglich, dass die subsidiäre Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG entstanden und durch die Gemeinde erfüllt worden ist (Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 33).
Die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde greift nur, sofern auch die nach § 8 Abs. 3 NBestattG Bestattungspflichtigen ihrer primären Bestattungspflicht nicht nachkommen. Die subsidiäre Bestattungspflicht entsteht nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG bereits dann, wenn niemand für die Bestattung sorgt. Ausgehend von der gesetzlich angeordneten Subsidiarität der gemeindlichen Bestattungspflicht entsteht diese nur, wenn für die Gemeinde nach eigener Prüfung feststeht, dass die gesetzlichen Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den in § 9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden. Die Anforderungen hieran sind einzelfallabhängig zu bestimmen (Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 36).
Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass Leichen nach § 9 Abs. 2 Satz1 NBestattG grundsätzlich innerhalb von acht Tagen seit dem Eintritt des Todes bestattet oder eingeäschert werden sollen. Der Tod der Schwester des Klägers ist laut Sterbeurkunde am 5. Oktober 2013 eingetreten. Auch in Anwendung der allgemeinen Regelungen zur Berechnung von Fristen in § 188 Abs. 1 i.V.m. § 193 BGB wäre die im NBestattG bestimmte Frist am 14. Oktober 2013, einem Montag, abgelaufen. Die Beklagte hat das Bestattungsinstitut S. unter dem 10. Oktober 2013 schriftlich damit beauftragt, eine Feuerbestattung mit anschließender anonymer Urnenbeisetzung durchzuführen.
Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt durfte die Beklagte im Hinblick auf das bevorstehende Wochenende und den Ablauf der sich aus § 9 Abs. 2 Satz 1 NBestattG ergebenden Frist rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass die gesetzlichen Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen voraussichtlich nicht rechtzeitig erfüllt werden. Eine zwingende Veranlassung zu weiteren – die Bestattung weiter verzögernden – Ermittlungen insbesondere betreffend die weitere Schwester des Klägers bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Bestattungspflicht der Gemeinde besteht gerade nicht darin, die nach § 8 Abs. 3 NBestattG pflichtigen Personen im Wege des Verwaltungszwanges zum Einhalten der ihnen obliegenden Pflicht anzuhalten (Horn, NBestattG, 2. Aufl. 2009, S. 108).
Da nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten in dem Telefonat des Klägers mit der Beklagten vorrangig die Kostentragungspflicht für eine von der Beklagten zu veranlassende Beerdigung thematisiert wurde und der Beklagten überdies keine weiteren Anhaltspunkte für eine bestattungswillige Person aus dem Kreis der nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär Bestattungspflichtigen hatte, ist am 10. Oktober 2013 die subsidiäre Bestattungspflicht der Beklagten entstanden. Die Beklagte durfte auf der Grundlage der ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen die Bestattung veranlassen.
Das Bestehen einer subsidiären Bestattungspflicht der Beklagten nimmt der Kläger im Übrigen selbst an, in dem er schriftsätzlich ausdrücklich anerkennt, dass die Beklagte für die Durchführung der ordnungsgemäßen Bestattung des Leichnams der Schwester verantwortlich war.
Ihrer subsidiäre Bestattungspflicht ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen. § 10 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz NBestattG sieht vor, dass die Gemeinde, die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG für die Bestattung zu sorgen hat, über Art und Ort der Bestattung entscheidet. Damit ist im Gesetz kein Standard für die Bestattung durch die Gemeinde vorgesehen (Horn, NBestattG, 2. Aufl. 2009, S. 110). Die Gemeinde darf daher die Bestattung nach Maßgabe von Sozialhilferichtlinien durchführen, wenn diese ein ortsübliches Begräbnis einfacher, aber der Würde des Toten entsprechenden Art vorsehen, ohne dass sie gehalten ist, die billigste Bestattung zu wählen (Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 -, juris Rn. 9).
In diesem Rahmen hat sich die von der Beklagten veranlasste Bestattung in Emden unter Anlehnung an die örtlichen Sozialhilferichtlinien der Stadt Emden gehalten.
Es ist darüber hinaus auch bereits nicht ersichtlich, dass eine vergleichbare Beisetzung in Oldenburg preiswerter möglich gewesen wäre, nachdem sich der Leichnam zum Zweck der Obduktion bereits in Oldenburg befunden hat. Kosten der Überführung des Leichnams von Oldenburg nach Emden sind der Beklagten mit der Rechnung des Beerdigungsinstituts S. vom 7. November 2013 nicht auferlegt worden und somit auch nicht Bestandteil der vom Kläger geforderten Kostenerstattung geworden. Damit dürften sich die abgerechneten Dienstleistungen aber im Rahmen dessen halten, was auch bei einer Beerdigung in Oldenburg erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls hat die Beklagte unter Bezugnahme auf zwei weitere Bestattungen glaubhaft dargelegt, dass die gewählte Bestattung in Emden erheblich kostengünstiger als eine u.U. ebenfalls in Betracht zu ziehende Beisetzung auf der Insel erfolgen konnte.
Dem Kläger wurden im Bescheid vom 16. April 2014 die Kosten als addierte Beträge der Forderungen des Beerdigungsinstituts S. und der Friedhofsverwaltung Emden mitgeteilt. Eine Aufstellung der Einzelpositionen lässt sich der im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Rechnung des Beerdigungsinstituts S. vom 7. November 2013 (Bl. 29 VV) und dem Gebührenbescheid der Friedhofsverwaltung der Stadt Emden vom 28. November 2013 (Bl. 42 VV) entnehmen.
Eine rechtliche Grundlage für eine weitergehende Pflicht der Beklagten, vor einer Inanspruchnahme der primär Bestattungspflichtigen den Umfang und den Gegenstand des Nachlasses der verstorbenen Person zu ermitteln, ist nicht ersichtlich. Damit war die Beklagte auch nicht gehalten im Hinblick auf die Bestattungskosten, den Hinweisen auf das Vorhandensein einer angemieteten Garage mit Wertegegenständen der verstorbenen Schwester – die überdies Bestandteil der Erbschaft i.S.d. § 1922 Abs. 1 BGB wären – nachzugehen.
Die Beklagte durfte den Kläger als von § 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG gesetzlich primär bestattungspflichtigen Bruder daher im Leistungsbescheid zu den Kosten heranziehen. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 NBestattG vorrangig (§ 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG) bestattungspflichtige Personen sind nicht vorhanden. Die verbleibende Schwester des Klägers ist mit diesem gleichrangig bestattungspflichtig. Sie haftet mit dem Kläger gesamtschuldnerisch, vgl. § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG. Aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung kann die Gemeinde als Gläubigerin i.S.d. § 421 BGB die Leistung nach ihrem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern (vgl. Horn, NBestattG, 2. Aufl. 2009, S. 111). Eine unbillige Härte hat der Kläger nicht dargelegt. Allein der Umstand, dass er nach eigenen Angaben in der Vergangenheit bereits allein für die Kosten der Beerdigung der gemeinsamen Mutter aufgekommen ist, begründet keine unbillige Härte. Die Unbilligkeit kann in der Sache selbst oder in der Person des Pflichtigen begründet sein. Ein sachlicher Billigkeitsgrund liegt dann vor, wenn ein Sachverhalt zwar den buchstäblichen Teil des Gesetzes erfüllt, dies aber im Einzelfall zu einer mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Härte führt (VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16. Oktober 2014 - 6 A 219/13 -, juris). Der Gesetzgeber geht mit der im NBestattG getroffenen Regelung zur Haftung der primär Bestattungspflichtigen aufgrund der verwandtschaftlichen bzw. familiären Beziehung davon aus, dass die Kosten der Bestattung nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind. Das eine Person daher u.U. mehrfach zu Bestattungskosten herangezogen wird, liegt in der Natur der Sache und begründet keine Unbilligkeit im Einzelfall. Aufgrund der gesetzlich angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung der primär Bestattungspflichtigen besteht überdies die Möglichkeit, sich die Kosten im Innenverhältnis anteilig erstatten zu lassen, vgl. § 426 BGB.
Die in § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG angeordnete Gesamtschuldnerschaft verfolgt den erkennbaren Zweck, den Gesetzesvollzug in Abgabenangelegenheiten zu vereinfachen und effizient zu gestalten (Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris). Das Ermessen, von welchem Gesamtschuldner die gesamte Leistung gefordert werden soll, ist sehr weit und regelmäßig nur durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 -, NJW 1993, 1667). Anhaltspunkte für eine willkürliche oder offenbar unbillige Heranziehung des Klägers sind nicht ersichtlich. Es steht der Gemeinde im Rahmen ihres Erstattungsanspruchs grundsätzlich frei, denjenigen Bestattungspflichtigen aus dem Kreis der primär Bestattungspflichtigen heranzuziehen, der für sie zunächst am einfachsten erreichbar erscheint und damit die Geltendmachung von Ausgleichsansprüche unter den primär Bestattungspflichtigen auf diese selbst zu verlagern (VG Stade, Urteil vom 17. Februar 2009 - 1 A 653/08-). Die Ermessensentscheidung ist mit dem von der Beklagten gegebenen Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung und der damit einhergehenden Möglichkeit des internen Ausgleichs zwischen den Gesamtschuldnern regelmäßig hinreichend begründet (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 42; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 15. November 2007 - 1 S 1471/07 -, juris Rn. 19). Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer weiteren Begründung gerade seiner Inanspruchnahme ist nicht erkennbar und würde das mit der gesetzlichen Anordnung der Gesamtschuldnerschaft verfolgte Ziel einer Vereinfachung des Gesetzesvollzuges konterkarieren (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10. November 2011 - 8 LB 238/10 -, juris, m.w.N.).
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die von ihm behauptete Aussage der Sachbearbeiterin der Beklagten berufen, seine Schwester M. R. werde zu den Bestattungskosten herangezogen. Ob eine dahingehende Aussage in dem gemeinsamen Telefonat getätigt wurde, kann dahinstehen. Hierbei hätte es sich der Sache nach um eine Zusage gehandelt, einen bestimmten Verwaltungsakt – den gegen ihn gerichteten Leistungsbescheid nach § 8 Abs. 4 Satz3 NBestattG – zu unterlassen. Eine darin zu erblickende Zusicherung bedarf indes nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ohne Einhaltung der essentiellen Schriftform ist die Zusicherung unwirksam (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 38 Rn. 20). Eine wirksame Zusicherung kommt damit in Ermangelung der Einhaltung des Schriftformerfordernisses auch nach dem klägerischen Vortrag nicht in Betracht.