Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.04.1994, Az.: 3 W 6/93

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.04.1994
Aktenzeichen
3 W 6/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 25340
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1994:0418.3W6.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend

Tenor:

  1. wird auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin der Beschluß des Landgerichts . vom 18. Januar 1993 geändert:

    Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Amtsgerichts . 17. Juli 1992 wird auch in dem Umfang in, dem das Landgericht ihr stattgegeben hat, zurückgewiesen.

    Die Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

    Die Antragstellerin hat 1/9 der erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie je 1/9 der beiderseitigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu tragen. Sämtliche weiteren Verfahrenskosten werden den Antragsgegnern auferlegt.

    Der Rechtsbeschwerdewert wird -; ebenfalls -; auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Braunschweiger Wohnungseigentumsanlage . und . sowie . in der den Beteiligten je eine von insgesamt zwölf Eigentumswohnungen gehört, wurde 1982 gegründet. Ihre Grundfläche umfaßt rund 2300 qm. Auf der Rückseite der drei einen Halbkreis bildenden 21/2 geschossigen Häuser befindet sich eine große Rasenfläche. Die Antragstellern ist seit 1985 Eigentümerin einer Obergeschoßwohnung. Die Antragsgegner erwarben eine der Erdgeschoßwohnungen, deren rund 6 m breite Terrassen nicht mehr auf die im Aufteilungsplan bestimmte Tiefe von 2 m begrenzt sind. So erweiterten die Antragsgegner im Frühjahr 1991 ihre ca. 1 m höher als die Rasenfläche gelegene und schon damals 2,50 m tiefe Terrasse durch Aufschüttung und Plattenverlegung um 9 qm auf ca. 4 m Tiefe. Sie erstellten dazu Sichtschutzwände und legten eine zur Rasenfläche hinabführende 5 stufige Steintreppe an.

2

Die Antragstellerin, die sogleich den Bauarbeiten widersprach, hat beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den Terrassenbau, soweit er über 1,75 m Tiefe hinausgeht, zu entfernen, Aufschüttung und Treppe sowie die über eine Tiefe von 1,75 m hinausgehende Holztrennwand zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des Gemeinschafteeigentums (Rasenfläche) wiederherzustellen.

3

Das Amtsgericht hat nach Augenscheinseinnahme vom 8. April am 17. Juli 1992 die Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags für verpflichtet erklärt, die Terrasse, soweit ihre Oberkante über eine Tiefe von 2 m hinausgeht, zu entfernen und die über das Höhenniveau der Rasenfläche hinausgehende Aufschüttung, soweit sei nicht zur Abstützung der Terrasse von 2 m Tiefe erforderlich ist, zu beseitigen, ferner die außerhalb von 2 m Terrassentiefe errichteten Baulichkeiten zu entfernen und den ursprünglich vorhanden gewesenen Zustand des Gemeinschaftseigentums durch Anlage einer Rasenfläche wiederherzustellen. Von den Verfahrenskosten hat das Amtsgericht der Antragstellern 1/9, den Antragsgegnern 8/9 auferlegt. Die Antragsgegner hätten die Unrechtmäßigkeit ihres Verhaltens ohne weiteres erkennen können.

4

Die Antragsgegner haben gegen den am 31. August 1992 zugesellten amtsgerichtlichen Beschluß, auf den zur Ergänzung der Sachdarstellung verwiesen wird, am 8. September 1992 sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluß vom 18. Januar 1993 -; unter Zurückweisung im übrigen -; bis zu einer Terrassentiefe von 2,50 m stattgegeben. Es hat ausgeführt: Die Antragstellerin könne bis zu Terrassentiefe von 2,50 m die Beseitigung der baulichen Veränderungen (Vergrößerung der Terrassenfläche auf annähernd das Doppelte unter Aufschüttung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Rasenfläche) beanspruchen. Die Terrassenflächenerweiterung beeinträchtige in Verbindung mit den aufgestellten Sichtschutzwänden optisch den einheitlichen Gesamteindruck der Anlage benutze eigenmächtig Gemeinschaftseigentum praktisch wie Sondereigentum. Über eine Terrassentiefe von 2,50 m hinaus sei der Beseitigungsanspruch allerdings unter dem Gesichtspunkt rechtsmißbräuchlichen Verhaltens verwirkt. Die Antragstellerin habe die vom Aufteilungsplan nicht gedeckte Terrassentiefe bis 1991 unbeanstandet gelassen und seit 1985 auch die Terrassenvergrößerungen anderer Wohnungseigentümer geduldet. Die Verfahrenskosten seien zu 3/4 von den Antragsgegnern und zu 1/4 von der Antragstellerin zu tragen. Die Antragsgegner hätten unschwer aus dem Aufteilungsplan entnehmen können, daß sie mit ihrer Terrassenerweiterung unzulässig Gemeinschaftseigentum in Anspruch nehmen.

5

Die Antragstellerin hat gegen den am 27. Dezember 1993 zugestellten landgerichtlichen Beschluß, auf den ebenfalls zur Ergänzung der Sachdarstellung verwiesen wird, am 10. Februar 1993 sofortige weitere Beschwerde erhoben. Sie macht unter anderem geltend: Sechs Jahre genügten nicht, um bei einer praktischen Umwidmung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum Verwirkung annehmen zu können. Außerdem sei ihr der Aufteilungsplan erst 1986 bekannt geworden. Dabei sei es um eine Carportstreitigkeit gegangen. Die Frage der Terrassentiefe habe sich erst später ergeben. Dabei habe sie nach Einsichtnahme in die Aufteilungspläne angenommen, daß die Terrassen 1,75 m tief sein sollten. Es habe keinen Anlaß gegeben, bei dem ein anderer Miteigentümer im Sinne der Verwirkung habe "aufatmen" können, kein Gespräch und keinen Beschluß der Miteigentümer zur Terrassentiefe. Sie habe auch gegenüber keinem der Mieter dazu eine Erklärung abgegeben. Sie habe allerdings, wie sie schon beim amtsgerichtlichen Ortstermin gesagt habe, gedacht, die ausschließlich durch Mieter vorgenommenen Terrassenerweiterungen solange zu dulden, bis ein Meterwechsel eintrete oder der Eigentümer einziehe. Sie habe den Mietern die Gelegenheit geben wollen, die mit dem Terrassenbau verbundenen Investitionen abwohnen zu können.

6

Die Antragsgegner haben mit dem ersichtlichen Ziel, daß die vorinstanzlichen Beschlüsse geändert werden und der Antrag der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen wird, am 31. März 1993 Anschlußrechtsbeschwerde erhoben. Sie machen unter anderem geltend: Der Antragstellerin sei durch die Terrassenerweiterung kein Nachteil, auch keine optische Beeinträchtigung erwachsen. Die verbliebene Rasenfläche sei "wirklich groß genug". Die Antragstellerin müsse sich daran festhalten lassen, die Änderungen geduldet zu haben. Die Gemeinschaft habe die Gestaltung der Terrassenoberfläche hinzunehmen.

Gründe

7

Rechtsbeschwerde und Anschlußrechtsbeschwerde, deren weitere Begründungen in Bezug genommen werden, sind zulässig. Erstere hat Erfolg, letztere ist erfolglos.

8

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den amtsgerichtlichen Beschluß zurückgewiesen hat. Die Antragstellerin kann aus dem Gemeinschaftsverhältnis, dem die Wohnungseigentümer sich unterstellt haben, mangels einer die Terrassenvergrößerung vorsehenden Änderungsvereinbarung aller Wohnungseigentümer die Beseitigung sämtlicher baulicher Veränderungen an der Rasenfläche verlangen. Sie braucht die Überbauung nicht hinzunehmen, da diese rechtswidrig in das gemeinschaftliche Eigentum eingreift. Die Abgrenzung zwischen möglichen Sondereigentum (§§ 8, 5 WEG) und Gemeinschaftseigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) ergibt sich zwingend aus den Eintragungen im Wohnungsgrundbuch und den dort gemäß § 7 Abs. 3 WEG in zulässiger Weise in Bezug genommenen Urkunden, nämlich der Teilungserklärung, die nach den §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4, 10 Abs. 1 WEG einer allseitigen Vereinbarung gleichsteht, nebst dem Aufteilungsplan, welcher der Teilungserklärung zugrundeliegt. Danach ist für den im Sondereigentum (Alleineigentum) der Antragsgegner stehenden Terrassenbereich lediglich eine Größe von rund 6 × 2 m = rund 12 qm vorgesehen, wie vorinstanzlich einwandfrei festgestellt wurde. Die dazu im Widerspruch stehende Erstreckung des Terrassenraumes auf den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grund und Boden liegt nicht im Belieben einzelner Wohnungseigentümer. Nicht nur, daß die Terrassenvergrößerung offensichtlich § 14 Nr. 1 WEG verletzt, eine gegen § 22 Abs. 1 WEG verstoßende bauliche Veränderung darstellt (Überschreitung der Grenzen ordnungsgemäßer Instandsetzung/Instandhaltung, siehe dazu die Senatsentscheidung 3 W 49/93 vom 22. Dezember 1993 -; Der Wohnungseigentümer 1994, 34 f) und unzulässig die äußere Gestaltung der Wohnungseigentumsanlage verändert, auf die selbst bei den Bodenplatten des im Sondereigentum stehenden Terrassenraumes gebührend Rücksicht zu nehmen ist, weil diese nach unabdingbarer Gesetzesvorschrift (§ 5 Abs. 1 a.E. WEG, vgl. auch § 2 Ziffer 4 der Teilungserklärung) gemeinschaftliches Eigentum sind. Vor allem kann die Antragstellerin einen bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums (Terrasse ohne deren eigenmächtige Erweiterung) und der Rasenfläche (Gemeinschaftseigentum) beanspruchen (§ 15 Abs. 3 WEG). Die Antragsgegner sind nach § 13 Abs. 1 WEG nicht befugt, gemeinschaftliches Eigentum wie Sondereigentum zu behandeln und insoweit entgegen § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer praktisch vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen. Eigentums auszuschließen. Vielmehr müssen sie die für alle Gemeinschafter verbindlich gehenden Eigentumsbereiche (Sondereigentum und gemeinschaftliches Eigentum) wahren, auch die Miteigentumsanteile, die zu dem Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer gehören, respektieren und dürfen das ihnen gleichfalls nur anteilig zustehende Gemeinschaftseigentum nicht zu Lasten der anderen Gemeinschafter wie von ihnen allein erworbenes Sondereigentum behandeln.

9

Eine statthafte Änderung von Gemeinschafts- und Sondereigentum, die nur im Rahmen des § 5 Abs. 1 WEG möglich ist, setzt als Inhaltsänderung eines Grundstücksrechts gemäß §§ 873, 877 BGB das allseitige Einverständnis der Gemeinschafter in grundbuchmäßiger Form voraus. Die Änderung der Aufteilung von Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum kann nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bewirkt werden, und zwar auf dem von § 4 WEG vorgeschriebenen Wege. Dazu ist es trotz des stillschweigenden Zuwartens des Senats indes nicht gekommen. Die Wohnungseigentümer haben auch nicht den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums in der Weise geregelt, daß etwa den Antragsgegnern an dem nicht in ihrem Sondereigentum stehenden Teil der erweiterten Terrasse ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wurde. Der Zuweisung eines solchen Rechts zur dauernden ausschließlichen Benutzung von Gemeinschaftseigentums, die gleichfalls die Zustimmung aller Gemeinschafter voraussetzt (§§ 15 Abs. 1, 10 Abs. 1, 5 Abs. 4 WEG), könnten hier zudem die anerkannten sachen- und grundbuchrechtlichen Grundsätze eindeutiger Klarheit und Bestimmtheit entgegenstehen.

10

Soweit das Landgericht von dem amtsgerichtlichen Beschluß abgewichen ist, hat seine Entscheidung keinen Bestand. Es war und ist Sache der Antragsgegner, als Wohnungseigentümer von sich aus auf Dauer die maßgebenden wohnungseigentumsrechtlichen Regelungen zu beachten statt trotz des ausdrücklichen Widerspruchs der Antragstellerin die Übergröße der Terrasse sogar noch zusätzlich zu erweitern. Der vom Landgericht zum Nachteil der Antragstellerin angewendete Rechtsgedanke der unzulässigen Rechtsausübung wegen Verwirkung versagt hier schon Kraft der nicht schuldrechtlichen, sondern sachenrechtlichen Zuordnung des Rechtsfalles (siehe dazu z.B. Palandt/Heinrichs BGB 53. Aufl. 1994 § 242 Rdnr. 79, Soergel/Zeichmann BGB 12. Aufl. 1990 § 242 Rz. 72, 78, 312 ff). Denn die Ausnahmevoraussetzungen unzulässiger Rechtsausübung liegen bei demgemäß gebotener restriktiver Anwendung nicht vor und erscheinen zudem angesichts der vom Landgericht nicht hinreichend berücksichtigten Erklärungen, welche die Antragstellerin ausweislich des amtsgerichtlichen Ortsterminsprotokolls vom 8. April 1992 zur Frage der Duldung abgegeben hat (Seite 3 des Protokolls- Bl. 112 d.A.), sowie den amtsgerichtlichen Ausführungen dazu (Seite 6 des amtsgerichtlichen Beschlusses Bl. 127 d.A.) ohnedies nicht gegeben. Irgendein sachlicher Grund, aus dem die Antragstellerin etwa verpflichtet sein könnte, bezüglich der Terrassenvergrößerung einer entsprechenden Rechtsänderung nebst deren Verlautbarung im Grundbuch zuzustimmen, ist weder geltendgemacht noch ersichtlich.

11

Die Entscheidung über die Gerichtskosten trägt gemäß § 47 WEG dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Aus den schon von beiden Vorinstanzen angeführten Gründen entspricht auch die übrige Kostenentscheidung billigem Ermessen. Hinsichtlich der Wertfestsetzung folgt der Senat ebenfalls den beiden Vorinstanzen.