Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.12.1993, Az.: 3 W 49/93
Begehren der Zustimmung zu der Eindeckung des Daches eines Nebengebäudes unter Verwendung von Ziegeln; Interpretation der Begriffe Instandhaltung und Instandsetzung; Abhängigmachen der Auftragsvergabe von Kostenvoranschlägen; Einholung von Kostenvoranschlägen als ordnungsgemäße Verwaltung; Umfang und Zweck der Instandsetzung oder Instandhaltung von gemeinschaftlichem Eigentum
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 22.12.1993
- Aktenzeichen
- 3 W 49/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 18872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1993:1222.3W49.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 03.05.1993 - AZ: 7 T 113/92
Rechtsgrundlagen
- § 14 WEG
- § 16 Abs. 2 WEG
- § 21 WEG
- § 22 WEG
Fundstelle
- WuM 1994, 501-503 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Wohnungseigentumsanlage
Prozessführer
1. Studienrat..
2. Bibliothekar ...
3. Fa. ...
Redaktioneller Leitsatz
Zur Instandsetzung oder Instandhaltung gehört die Erhaltung des bestehenden und die Wiederherstellung eines vorhanden gewesenen Zustandes, dabei u. U. aber auch mit verbessernden, modernisierenden Maßnahmen, die wirtschaftlich vernünftig sind. Dies bedeutet für die Maßnahmen der Instandhaltung, dass einerseits die technische Lösung zu wählen ist, die eine dauerhafte, wirkliche Beseitigung von Mängeln verspricht, und andererseits auch die Wirtschaftlichkeit zu beachten ist, ein überteuerter Auftrag darf nicht erteilt werden.
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller der Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 3. Mai 1993 - 7 T 113/92 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht ... zurückverwiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten jeweils selbst.
Die Entscheidung zu den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird dem Landgericht übertragen, das auch über sämtliche anderen Kosten des Verfahrens zu entscheiden hat.
Der Wert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 16.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus einem alten Fachwerkhaus und einem alleinstehenden, 1970 errichteten 72 qm umfassenden Nebengebäude mit einem Spitzdach, das ursprünglich mit einer auf Latten genagelten Wellteerpappe abgedeckt war.
Die Wohnungeigentümer versuchten nach Abstimmung mit dem Verwalter, eine Reparatur des Daches des Nebengebäudes mit Teerpappe durchführen zu lassen. Ein Dachdeckergeselle lehnte nach dem Beginn der Reparaturarbeiten deren Fortführung ab, da er "unmöglich" so fortfahren könne.
Am 18.03.1992 beschlossen die Wohnungseigentümer einhellig, daß die Verwaltung zur endgültigen Abdichtung des Daches mindestens zwei Kostenvoranschläge einholen solle. Anschließend sollte eine Eigentümerversammlung über die Auftragsvergabe beschließen (Bl. 15 R).
Der Verwalter holte Kostenangebote vom 25.03.1992, 02.04.1992 und 05.05.1992 (Bl. 27 ff) ein. Die Angebote lauteten über Beträge zwischen 12.451,99 DM und 20.994,94 DM. Alle Angebote befaßten sich mit der Eindeckung unter Verwendung von Ziegeln.
In dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.08.1992 (Bl. 7 und 17, 21) ist festgehalten, daß während einer Begehung mit einem Dachdeckermeister dem Verwalter gegenüber geäußert worden sei, es sei aus ökonomischen Gründen unsinnig, das Dach zu reparieren. Die Antragsteller stimmten für die Durchführung der Maßnahme, der Antragsgegner stimmte dagegen.
Das Amtsgericht ... hat keinen vernünftigen Zweifel daran gehabt, daß das Dach des als Abstell- und Lagerraum sowie Garage genutzten Nebengebäudes erheblich beschädigt ist und repariert werden müsse, und in dem Beschluß vom 03.11.1992 (Bl. 38) die Verwalterin ermächtigt und verpflichtet, das Dach des Stallgebäudes gemäß den Kostenvoranschlägen neu einzudecken, wobei die Arbeiten erst in Auftrag gegeben werden sollten, wenn die erforderlichen Geldmittel eingezahlt worden sind.
Der Antragsgegner hat gemeint, der Aufwand für die Dacheindeckung mit Ziegeln stehe in keinem Verhältnis zu der Nutzung des Stalles (Bl. 48).
Auf seine rechtzeitig eingegangene sofortige Beschwerde hin hat das Landgericht ... nach der mündlichen Erörterung am 03.05.1993 (Bl. 59) den amtsgerichtlichen Beschluß abgeändert und den Antrag des Antragstellers vom 25.08.1992 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sich das Landgericht darauf gestützt, daß sich Instandhaltungen und Instandsetzungen nach dem Grundzustand des betroffenen Teiles richten würden, und zwar so, wie konzipiert und ausgeführt. Aus dem Mißlingen der bisher gewählten Reparaturart und der Auffassung von Dachdeckerfirmen, eine oberflächliche Sanierung werde nichts mehr einbringen, folge kein Anspruch der Antragsteller, eine Ziegeleindeckung durchführen zu lassen. Es komme nicht darauf an, ob eine entsprechende Reparatur sinnvoll sei. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner, der sich dieser Art der Dacheindeckung versage, sei nur gegeben, wenn eine solche Art der Instandsetzung die einzig mögliche sei. Dagegen spreche, daß es sich offenbar um Verschleißerscheinungen handele. Die endgültige Abdichtung des Daches könne in der vorhandenen Grundkonzeption erfolgen.
Gegen den am 20. August 1993 (Bl. 85) zugestellten landgerichtlichen Beschluß vom 03.05.1993 (Bl. 61) wendet sich der Antragsteller mit der am 01.09.1993 (Bl. 87) eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, der der Antragsgegner entgegengetreten ist (Bl. 100).
II.
Auf die zulässige Rechtsbeschwerde hin ist der landgerichtliche Beschluß aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Erwägungen des Landgerichts beruhen auf einer zu engen Interpretation des Begriffes "Instandhaltung, Instandsetzung".
1.
Den Inhalt des Begehrens der Antragsteller versteht das Landgericht dahin, daß die Antragsteller von dem Antragsgegner als weiterem Wohnungseigentümer die Zustimmung zu der Eindeckung des Daches des Nebengebäudes unter Verwendung von Ziegeln begehren.
Dagegen treten Bedenken letztlich nicht hervor. Darum, daß das Dach des Nebengebäudes abgedichtet werden muß, streiten die Beteiligten nicht. Der Beschluß der Wohnungseigentümer vom 18.03.1992 sollte offenbar zum Ausdruck bringen, daß Einigkeit über das Erfordernis einer Reparatur besteht, die Auftragsvergabe jedoch von Kostenvoranschlägen abhängig gemacht wird. Die Einholung von Kostenvoranschlägen entspricht einer ordnungsgemäßen Verwaltung.
2.
Zutreffend legt das Landgericht der Sache nach ferner zugrunde, daß die Wohnungseigentümer mit dem - nicht angefochtenen - Beschluß vom 18.03.1992 nicht entschieden haben, in welcher Weise die Dachreparatur durchgeführt werden sollte. Hätten die Wohnungseigentümer die Art der Reparaturmaßnahme in einem Beschluß festgelegt, wäre allerdings danach weiter zu verfahren gewesen.
3.
Zutreffend hält das Landgericht im Ergebnis auch den jeweiligen tatsächlichen, konkreten Nutzen den das Nebengebäude für den einen oder den anderen Wohnungseigentümer hat, für bedeutungslos. Nach der bisher festgestellten Sachlage haben sich sogar alle Wohnungseigentümer unabhängig von Sondernutzungsrechten letztlich an den Aufwendungen für die Instandsetzung oder Instandhaltung des Nebengebäudes zu beteiligen.
4.
Es fehlen jedoch erforderliche Feststellungen.
Zur Instandsetzung oder Instandhaltung gehört die Erhaltung des bestehenden und die Wiederherstellung eines vorhanden gewesenen Zustandes, dabei u.U. aber auch mit verbessernden, modernisierenden Maßnahmen, die wirtschaftlich vernünftig sind (vgl. KG NJW-RR 1989, 463 und Senatsbeschluß vom 27.11.1990, 3 W 67/90). Dies bedeutet für die Maßnahmen der Instandhaltung, daß einerseits die technische Lösung zu wählen ist, die eine dauerhafte, wirkliche Beseitigung von Mängeln verspricht, und andererseits auch die Wirtschaftlichkeit zu beachten ist, ein überteuerter Auftrag darf nicht erteilt werden.
Das Landgericht zeigt nicht auf, daß mit den bisherigen Reparaturarbeiten das Dach bereits vollständig abgedichtet worden ist. Die Rechtsbeschwerde rügt mit recht, daß der den Beschluß des Landgerichts tragenden Erwägung, die Dacheindeckung (mit Ziegeln) sei nicht notwendig, keine ausreichenden Feststellungen zugrundeliegen. Bei den unterschiedlichen, entgegengesetzten Sachdarstellungen der Beteiligten hat es einer Klärung der tatsächlichen Umstände zum bisherigen Zustand des Daches bedurft.
Das Protokoll der Verhandlung beim Landgericht enthält zu der technischen Seite der Dachreparatur keine Mitteilungen. Das Amtsgericht hat - gestützt auf die Angaben des Antragstellers - für wesentlich gehalten, daß allein die Verwendung von Ziegeln geeignet ist, das erforderliche Ziel, die Abdichtung des Daches, zu erreichen. Der Antragsgegner hat in dem Beschwerdeverfahren selbst zum Ausdruck gebracht, daß bisher nicht geklärt worden sei, daß eine Reparaturmöglichkeit gegeben sei (Bl. 48); die Antragsteller haben jede andere Art der Reparatur als durch Ziegel als ungeeignet bezeichnet (Bl. 51 f). Das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.08.1992 und der Inhalt der Kostenvoranschläge stützen die Darstellung der Antragsteller. Der ursprüngliche Antrag zielte sogar primär auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 2). Das Landgericht berichtet darüber, daß nach Auffassung des Antragsgegners selbst die Abdichtungen im Dachfirstbereich bisher nicht gelungen sind. Wenn aber der Dachfirst nicht abgedichtet ist, ist auch das Dach nicht abgedichtet. Läßt sich der Dachfirst nicht mit Wellpappe abdichten - wozu sich der landgerichtliche Beschluß nicht verhält -, kann von vornherein der Einsatz von Wellpappe keine geeignete Maßnahme darstellen.
Bei diesem Sachstand ist es naheliegend, zunächst zumindest mit Hilfe der Vernehmung von sachverständigen Zeugen und der Anhörung des erfahrenen Verwalters zu versuchen, Klarheit zu schaffen. Auf das Fehlen für erforderlich gehaltener Beweisantritte wäre hinzuweisen. Ggfs. wäre ein Sachverständiger zu beauftragen gewesen, der auch jetzt ggfs. einzuschalten sein wird. Erst wenn sich nach der Beweisaufnahme keine Überzeugung gewinnen läßt, mögen Beweislastkriterien greifen. Ergibt sich nach der Sachaufklärung jedoch, daß allein die Verwendung von Ziegeln dazu führt, daß das Dach des Nebengebäudes, das nicht mehr wie früher ausschließlich als Stall verwendet wird, abgedichtet sein wird, wird das Landgericht zu einer anderen Entscheidung kommen müssen.
4.Zudem hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung aus Rechtsgründen nicht allein auf die Wiederherstellung allein des Zustandes abstellen dürfen, der bei Erwerb des früheren Stallgebäudes vorgefunden worden sei.
Die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehört zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechenden Verwaltung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Entsprechende Verwaltungsmaßnahmen kann der einzelne Wohnungseigentümer verlangen (§ 21 Abs. 4 WEG), der einzelne Wohnungseigentümer hat entsprechende Kosten anteilig aufzubringen (§ 16 Abs. 2 WEG) und nach der allgemeinen Regel des § 14 WEG für die entsprechende Instandhaltung zu sorgen.
Von der Instandhandhaltung oder Instandsetzung heben sich bauliche Veränderungen i.S.d. § 22 WEG ab. Dazu bedarf es der Zustimmung eines Wohnungseigentümers nur dann nicht, wenn dieser Wohnungseigentümer bloß unwesentlich, nicht über das Maß des § 14 WEG hinaus beeinträchtigt wird. Eine bauliche Veränderung in dem dafür maßgebenden Sinn ist aber wiederum nur das, was über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht.
Ist eine Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll und hält sie sich im Bereich erprobter, bewährter Technik, kann diese Instandsetzungsmaßnahme aber auch dann noch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn der ursprüngliche Zustand eines Gebäudes verändert wird. Die modernisierende oder nur verändernde Maßnahme muß sogar noch nicht einmal der allein gebotene oder allgemein übliche Weg zur Behebung eines Mangels sein. Die Verwendung von Ziegeln an der Stelle von Wellpappe ist nicht zwangsläufig eine bauliche Veränderung. Beispielsweise kann sich sogar die Sanierung eines Flachdachs durch Anbringung eines Pultdachs aus Kupferblech im Rahmen der Instandsetzung halten (BayObLG WE 1991, 74), regelmäßig stellt sogar der Austausch von Holzfenstern gegen ähnlich gestaltete Kunststoffenster keine bauliche Veränderung dar (s. BayOblG WE 1991, 33).
Wenn - wie in dem landgerichtlichen Beschluß mit seinen Bezugnahmen angedeutet - die fragliche Maßnahme der Vervollständigung der Wohnanlage von deren natürlicher Zweckbestimmung her und der Beseitigung eines Mangels dienen sollte, geht es also nicht um eine bauliche Veränderung. Vielmehr gehört - gerade auch bei von Anfang an vorhandenen Mängeln - die erstmalige Herstellung eines einwandfreien Zustandes zur Instandsetzung und Instandhaltung. Dafür darf der Gesamtcharakter der Wohnanlage gegenüber dem möglicherweise früher vorhandenen Zustand des Hauses mit Nebenanlagen nicht außer acht gelassen werden. Die bauliche Veränderung setzt erst bei der Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, der auf Dauer angelegten gegenständlichen Veränderung, ein.
Von diesem rechtlichen Ansatz aus wird das Landgericht möglicherweise zu einer anderen Beurteilung kommen.
III.
Über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war bereits zu entscheiden. Da die maßgebende Lage für alle Beteiligten ungewiß ist, war von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 S. 2 WEG). Die Entscheidung zur Kostenlast im übrigen hängt von dem endgültigen Ausgang des Verfahrens ab und ist deswegen dem Landgericht zu übertragen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht im Anschluß an die amtsgerichtlichen Erwägungen, denen die Beteiligten nicht entgegengetreten sind, nach Maßgabe des Interesses der Beteiligten auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO, 48 Abs. 2 WEG. Das Landgericht wird seine bisherige Geschäftswertfestsetzung zu überprüfen haben.
Streitwertbeschluss:
Der Wert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 16.000,00 DM festgesetzt.