Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.12.1992, Az.: 22 U 298/91

Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung zweier Sparguthaben; Abschluss eines Sparvertrages, um Dritte zu begünstigen; Gleichzeitiger Zugang des Widerrufs mit dem Angebotsschreiben; Verzicht auf das Recht zum Widerruf des Schenkungsangebots; Geltung des Verzichts auf den Widerruf für den Fall, dass die durch das Sparguthaben Begünstigten, den Verzichtenden überleben

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.12.1992
Aktenzeichen
22 U 298/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 17229
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1992:1223.22U298.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 01.10.1991 - AZ: 7 O 107/91

In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und Dr. ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 1. Oktober 1991 verkündete Teil-Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 70,07 %, die übrigen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger der Beklagte zu 1 zu 23,47 % und die Beklagte zu 2 zu 6,46 %, die übrigen außergerichtlichen Kosten jede Partei selbst. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM, die der Kläger der Beklagte zu 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 DM, die Beklagte zu 2 durch solche in Höhe von 400 DM abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Alle Parteien dürfen die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Volksbank leisten.

Beschwer: 66.814,62 DM.

Tatbestand

1

Die Kläger verlangen von den Beklagten Zustimmung zur Auszahlung zweier Sparguthaben.

2

Der Landwirt ... (im folgenden: Erblasser) und die Volksbank ..., deren Rechtsnachfolgerin die Volksbank ... ist, schlossen am 13. Juni 1986 einen Sparvertrag über die Sparkonten Nr. ... und .... Alle Rechte aus diesen Konten sollten mit dem Tode des Erblassers, ohne daß sie in dessen Nachlaß fielen, auf die Kläger übergehen. Zu Nummer 5 des Vertrages heißt es unter anderem:

"Für den Fall des Rechtsübergangs durch Tod verzichtet der Kunde auf das Recht zum Widerruf des Schenkungsangebots, das diesem Vertrag zugrunde liegt, und erteilt der Bank den unwiderruflichen Auftrag, dieses Angebot nach Kenntnis von dem Rechtsübergang durch seinen Tod, an die letzte, der Bank bekannt gewordene Adresse des Begünstigten/... zu übermitteln; ..."

3

Durch Testament vom 2. Oktober 1986 setzte der Erblasser die Beklagten als seine Erben ein. Nach dem Tode des Erblassers widerriefen die Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 13. November 1990 gegenüber den Klägern das diesen von dem Erblasser gemachte Schenkungsangebot. Die Kläger nahmen das Schenkungsangebot durch Schreiben ihrer Anwälte vom 16. November 1990 an die Volksbank ... an. Dieses teilten sie den Anwälten der Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 19. November 1990 mit, welchem das an die Bank gerichtete Schreiben vom 16. November 1990 beigefügt war. Die zu den Konten gehörenden Sparbücher werden inzwischen von der Bank verwahrt.

4

Die Kläger haben Zustimmung zur Auszahlung der Sparguthaben begehrt und Teil-Anerkenntnisurteil bezüglich Auskunft der Stände beider und zweier weiterer Konten beim Tode des Erblassers erwirkt. - Die Beklagten haben Klagabweisung und widerklagend ihrerseits Zustimmung zur Auszahlung der Guthaben erstrebt, der Beklagte zu 1 vorab wegen eines Betrages von 100.000 DM, beide Beklagten wegen des Restes (ausweislich Schreibens des Genossenschaftsverbandes ... e.V. vom 3. Dezember 1990 bei einem Aktivsaldo von 281,96 DM auf dem Girokonto nochmals 12.596,58 DM). Sie haben die Ansicht vertreten, sie hatten das Schenkungsangebot des Erblassers an die Kläger wirksam widerrufen.

5

Das Landgericht hat durch Teil-Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Erblasser habe das Widerrufsrecht, das er selbst gehabt habe, den Erben außer durch letztwillige Verfügung entsprechenden Inhalts, an der es fehle, nicht nehmen können; das Widerrufsrecht des Erblassers folge daraus, daß er berechtigt gewesen sei, die Konten aufzulösen, was praktisch einem Widerruf gleichstehe. - Nach diesem Urteil haben die Beklagten die Widerklage zurückgenommen.

6

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wenden die Kläger sich mit der Berufung, mit der sie das vorbezeichnete Klagziel weiterverfolgen und darauf verweisen, daß der Erblasser, wie die Formulierung "verzichtet der Kunde" zeige, das Recht zum Widerruf des Schenkungsangebots schon für sich selbst, nicht erst für seine Erben vertraglich ausgeschlossen habe. - Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und meinen nun außerdem, die Annahmeerklärung der Kläger vom 16. November 1990 sei ins Leere gegangen, weil den Klägern die Schenkung bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht wirksam angeboten worden sei. - Die Parteien haben sich einverstanden erklärt, daß der Senat über den in erster Instanz anhängig gebliebenen Teil des Streites (die dort entstandenen Kosten) mitentscheidet.

Entscheidungsgründe

7

Die Berufung ist unbegründet.

8

Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) darauf, daß diese ihnen als Gesamtgläubigern gegenüber die Herausgabe der durch die Sparbücher Nr. ... und ... bei der Volksbank ... dokumentierten Geldbeträge bewilligen. Die Beklagten haben die der Vermögenswerten Rechtsstellung aus § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HinterlO vergleichbare Rechtsposition, daß die Kläger nach der stillschweigenden Vereinbarung zwischen den Beteiligten (Klägern, Beklagten und Volksbank ...) die Auszahlung des von dem Erblasser angesparten Geldes an sie ohne ihre - der Beklagten - schriftliche Bewilligung nicht erreichen können, nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Vor der Hinterlegung hatten die Beklagten gegen die Kläger Anspruch auf Abtretung der diesen nach § 607 Abs. 1, § 328 Abs. 1, § 331 Abs. 1, § 428 Satz 1 BGB gegen die Bank zustehenden Darlehensforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB).

9

Dieser Anspruch der Beklagten bestand unabhängig davon, ob Nummer 5 des zwischen dem Erblasser und der Bank am 13. Juni 1986 geschlossenen Vertrages so auszulegen ist, daß der Erblasser sich zum Unterlassen des Widerrufs seines an die Kläger gerichteten Schenkungsangebots nur unter der aufschiebenden Bedingung verpflichten wollte, daß diese ihn überlebten, oder dahin, daß die Verpflichtung bereits mit Vertragsschluß Rechtswirkung erlangen und die Formulierung "Für den Fall des Rechtsübergangs durch Tod" nur eine Erläuterung des Beweggrundes der Verpflichtung sein sollte. - Für die zweite Möglichkeit spricht immerhin, daß nur in diesem Falle ein "Verzicht" des Kunden selbst auf den Widerruf des Schenkungsangebots vorliegt und das mit der Vertragsklausel verfolgte Ziel, die Erben an das Schenkungsangebot zu binden, nach der Vorstellung der Vertragschließenden nur auf diese Weise zu erreichen war.

10

In beiden Fällen fehlte der Leistung des Erblassers an die Kläger (unentgeltliche Zuwendung der Darlehensforderung gegen die Bank mit seinem Tode) der rechtliche Grund; denn ein Schenkungsvertrag zwischen dem Erblasser und den Klägern ist nicht zustande gekommen. Das Schenkungsangebot des Erblassers an die Kläger ist nicht wirksam geworden. Durch Anwaltsschreiben vom 13. November 1990 ist den Klägern gleichzeitig mit diesem Angebot dessen Widerruf zugegangen (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB), der Rechtswirkung entfaltet hat.

11

Die Verpflichtung des Erblassers zum Unterlassen dieses Widerrufs ist wirkungslos geblieben, wenn sie nur unter der Bedingung gelten sollte, daß die Kläger ihn überlebten. Die Beklagten als dessen Erben, welche die Verpflichtung in diesem Fall originär und nicht als Rechtsnachfolger des Erblassers mit dessen Tode treffen sollte, konnte sie nicht treffen, weil die Begründung des Schuldverhältnisses (Verpflichtung zum Unterlassen des Widerrufs) nur durch Vertrag mit den Erben als den Beteiligten (§ 305 Fall 1 BGB) möglich gewesen wäre (vgl. auch BGH WPM 1976, 1132).

12

Im zweiten Falle ist schon zweifelhaft, ob einem unbedingten Versprechen des Erblassers gegenüber der Bank, das Schenkungsangebot an die Kläger nicht zu widerrufen, darüber hinaus entnommen werden kann, daß die Kläger nach dem Willen der Vertragschließenden infolgedessen unmittelbar den - gemäß § 1967 BGB auch gegen die Beklagten wirkenden - Anspruch auf Unterlassen des Widerrufs erwerben sollten (§ 241 Satz 1, § 305 Fall 1, § 328 Abs. 1 BGB); nur dann hätten die Kläger - und nicht bloß die Bank - gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterbleiben des Widerrufs gehabt. Die These, daß im Falle des Verzichts auf den Widerruf durch den Erblasser auch dessen Erben grundsätzlich nicht widerrufen könnten (s. BGH a.a.O.; Soergel-Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 130 Rdnr. 29), erscheint dem Senat in dieser Allgemeinheit als zu weitgehend oder wenigstens als mißverständlich. Denn dem "Verzicht" auf den Widerruf einer Willenserklärung kann nur mit den Mitteln des Schuldrechts zur Wirkung verholfen werden, d. h. nur entweder dadurch, daß der Begünstigte sich mit der Verpflichtung des anderen, den Widerruf zu unterlassen, einverstanden erklärt (Vertrag zwischen den Beteiligten), oder indem dem Begünstigten durch Vertrag anderer Personen zu seinen Gunsten ein Anspruch auf Unterlassen des Widerrufs zugewandt wird (Vertrag zugunsten Dritter).

13

Bei einer so weitgehenden Auslegung des Vertrages vom 13. Juni 1986, als Vertrag zugunsten Dritter zwischen dem Erblasser und der Bank, der den Erblasser zur Unterlassung des Widerrufs seines Schenkungsangebots verpflichtete, haben die Beklagten es jedenfalls nicht zu vertreten, daß sie trotz der sie dann als Erben treffenden Verpflichtung den Widerruf erklärt und sich dessen Unterlassung damit unmöglich gemacht haben. Sie wären deshalb auch nicht nach § 280 Abs. 1 BGB nach Erfüllung ihres Bereicherungsanspruchs sogleich zur Rückabtretung der Forderung gegen die Bank an die Kläger verpflichtet. Denn der Widerruf vom 13. November 1990, der die Unmöglichkeit herbeigeführt hat, war schon nicht rechtswidrig. Die Beklagten waren den Klägern gegenüber gemäß §§ 821, 334, 1922 Abs. 1 BGB berechtigt, die Erfüllung deren Anspruchs auf Unterlassen des Widerrufs zu verweigern. Der Erblasser hätte von der Bank aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, Abs. 2 BGB) verlangen können, daß diese ihm die Schuld, den Widerruf zu unterlassen, erließ. Mit Eingehen einer Verpflichtung zum Unterlassen des Widerrufs hatte der Erblasser der Bank ein abstraktes Schuldversprechen gegeben, für welches es im Verhältnis zu dieser keinen rechtlichen Grund gab. Der Grund dafür bestand einzig und allein im Verhältnis des Erblassers zu den Klägern, diesen für die Zeit nach seinem Tode eine unumstößliche Zuwendung zu machen. Die Möglichkeit hierzu bietet indessen nur das Erbrecht und das Schuldrecht insoweit, als der Begünstigte die Zuwendung rechtzeitig angenommen hat, woran es hier gerade fehlt.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 2, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Bei der Entscheidung über die Kosten erster Instanz hat der Senat die unterschiedlichen Streitwerte für die einzelnen Gebühren, die verschiedenen Quoten des Obsiegens bezüglich der einzelnen Gebühren und die unterschiedliche Beteiligung der Beklagten am Rechtsstreit (weitergehende Widerklage des Beklagten zu 1) berücksichtigt.

Streitwertbeschluss:

Beschwer: 66.814,62 DM.