Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.11.1992, Az.: 4 W 47/92
Zulässigkeit eines Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Umstellung der Heizung auf den Betrieb mit Erdgas
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.11.1992
- Aktenzeichen
- 4 W 47/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 15817
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1992:1122.4W47.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 1 T 98/91
- AG Hannover - AZ: 71 II 39/91
Rechtsgrundlage
- § 22 Abs. 1 S. 1 WEG
Fundstelle
- WuM 1993, 89-91 (Volltext mit amtl. LS)
In der Wohnungseigentumssache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
am 22. November 1992
durch
den Vorsitzenden Richter ... und
die Richter ... und ...
beschlossen:
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. Februar 1992 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des weiteren Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Geschäftswert des weiteren Beschwerdeverfahrens: 20.000,00 DM.
Gründe
I.
In der Eigentümer Versammlung vom 9. April 1991 beschlossen die Wohnungseigentümer der vorliegenden Wohnungseigentumsanlage, deren Oel-Heizung 20 Jahre alt war, nach näheren Erläuterungen des Verwalters zu diesem Tagungsordnungspunkt (TOP 3, Bl. 4 d.A.) mehrheitlich, "bei einer technisch notwendigen Erneuerung der Heizungsanlage die neue Heizungsanlage mit Erdgas zu betreiben" und weiter:
"Die hierfür erforderliche Einrichtung eines Gasanschlusses je Haus soll auf 1991 vorgezogen werden, damit auch die Selbstbewohner die steuerliche Förderung nützen können. Die Finanzierung erfolgt aus der Rücklage."
Die Antragsteller haben die Feststellung der Ungültigkeit dieses Beschlusses begehrt. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landgericht hat ihn auf die Beschwerde der Antragsgegner mit dem angefochtenen Beschluß, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Mit der weiteren Beschwerde, um deren Zurückweisung die Antragsgegner bitten, verfolgen die Antragsteller ihr Begehren, den Beschluß vom 9. April 1991 für ungültig zu erklären, weiter.
II.
Die weitere sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Senat sieht auch das Erfordernis des § 45 Abs. 1 WEG n.F., wonach der Wert des Gegenstandes der Beschwerde und der weiteren Beschwerde 1.200,00 DM übersteigen muß, als gegeben an. Zwar bemißt sich der Beschwerdewert nicht nach dem - hier im Einklang mit den Vorinstanzen mit 20.000,00 DM angenommenen - Geschäftswert des Verfahrens, sondern allein nach dem Vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (BGH Beschl, v. 17. September 1992 - 5 ZB 21/92 - für BGHZ bestimmt). Nach dem Vorbringen der Antragsteller kann aber ihr vermögenswertes Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens - im Hinblick auf die dauerhaften Auswirkungen der Realisierung des hier streitigen Eigentümer-Beschlusses - durchaus oberhalb der gesetzlichen Mindestgrenze liegend gesehen werden.
2.
Die weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet; die Entscheidung des Landgerichts, die von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossene Umstellung der Heizung auf den Betrieb mit Erdgas stelle keine über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehende bauliche Veränderung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG) dar, sondern eine, einem Mehrheitsbeschluß zugängliche Verwaltungsmaßnahme (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Das Landgericht führt aus, die beabsichtigte Umstellung der Heizung von Oel auf Gas sei "als Maßnahme modernisierender Instandsetzung" anzusehen. Mit der geplanten Umstellung werde nämlich eine übliche und erprobte Heizungsart gewählt, die sich sehr weitgehend durchgesetzt habe. Die Heizung mit Erdgas sei jedenfalls in ökologischer Hinsicht als technisch fortschrittlich zu werten, weil zum einen bei der Gasfeuerung nicht die Gefahr bestehe, daß der Brennstoff beim Transport oder bei der Lagerung auslaufe und Boden und Grundwasser kontaminiere, zum andern aus der Stellungnahme der Stadtwerke Hannover AG vom 29. Oktober 1991 hervorgehe, daß beim Einsatz von Erdgas ca. 30 % weniger CO(2) entstehe und auch die Emission von Schwefeldioxyd oder schwefliger Säure und von Staub ganz erheblich geringer sei als bei der Verwendung von Heizoel. Die beschlossene Umstellung der Heizung halte sich auch, wie das Landgericht näher darlegt, im Rahmen einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Analyse.
Daß die Heizungsanlage zur Zeit noch funktionstüchtig sei, stehe nicht entgegen, weil die Umrüstung auf Erdgasbefeuerung, insbesondere der Einbau eines neuen Kessels und eines neuen Brenners, erst erfolgen sollten, wenn die Erneuerung der vorhandenen Heizungsanlage technisch notwendig sei. Es sei nicht zu beanstanden, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft die Entscheidung über die Art der Feuerung, die dann angewendet werden sollte, schon vorab getroffen habe, denn bei einem Alter einer Heizungsanlage von 20 Jahren sei es angemessen und vertretbar. Vorsorge für den Fall zu treffen, daß die Anlage endgültig ausfalle.
Die Entscheidung, die Gasanschlüsse schon 1991, bevor die Heizungsanlage erneuert werden müsse, herzustellen, betreffe zwar wohl eine über das zur ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung erforderliche hinausgehende bauliche Veränderung. Dadurch erwachse den Antragstellern jedoch kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinausgehender Nachteil.
b)
Gegen diese Beurteilung sind durchgreifende rechtliche Bedenken nicht zu erheben.
aa)
Die weitere Beschwerde der Antragsgegner bekämpft den vom Landgericht verwendeten Begriff der "modernisierenden Instandsetzung" als geeigneten rechtlichen Anknüpfungspunkt, jedoch zu Unrecht: In der neueren Rechtsprechung ist anerkannt, daß im Spannungsfeld zwischen § 22 Abs. 1 und § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG unter bestimmten Voraussetzungen Instandsetzungs-/Instandhaltungsmaßnahmen auch in der Form einer Modernisierung in Betracht kommen können. Insbesondere das Bayerische Oberste Landesgericht hat wiederholt ausgesprochen - und der Senat teilt diesen Standpunkt -, daß zur Instandhaltung und Instandsetzung auch die Beschaffung von Ersatz in verbessertem, modernem Standard und eine sinnvolle Modernisierung gehören, die die Vorteile neuerer technischer Entwicklungen nutzen (BayObLGZ 1988, 271, 273; BayObLG 1990, 28, 31; BayObLG WE 1992, 290, 291). Dabei muß, wenn an sich eine Reparatur- oder Erneuerungsmaßnahme ansteht, eine modernisierende oder nur veränderte Maßnahme nicht einmal der allein gebotene oder allein übliche Weg zur Behebung des Mangels sein (BayObLGZ 1990, 28, 31; BayObLG WuM 1991, 56, 57). Wie das Bayerische Oberste Landesgericht ebenfalls herausgearbeitet hat (BayObLGZ 1988, 271, 273), können für die Beurteilung der Frage, wo im Einzelfall die Grenzen ordnungsmäßiger Instandsetzung liegen, verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle spielen, insbesondere die Funktionsfähigkeit der bisherigen Anlage, das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Aufwand und zu erwartendem Erfolg, die künftig laufenden Kosten, die langfristige Sicherung des Energiebedarfs, Gesichtspunkte der Unverträglichkeit und insbesondere auch, inwieweit sich die geplante Modernisierung bereits bewährt und durchgesetzt hat.
bb)
Unter diesem Blickwinkel ist zwar die Umstellung des Heizsystems in einer Wohnungseigentumsanlage von Oel auf Gas nicht generell (= jederzeit) als modernisierende Instandhaltungs-/Instandsetzungsmaßnahme anzusehen (OLG Ff m DWE 1987, 51), sie kann sich aber auch dann im Rahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung bewegen, wenn ohnehin die Erneuerung der Heizungsanlage notwendig ist und eine Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, wie sie oben erwähnt wurden, aus der Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und erprobten Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Hauseigentümers diese Umrüstung nahe legt. Das gilt nicht nur für eine Umrüstung dergestalt, daß die Heizung wahlweise mit Heizoel oder Erdgas betrieben werden kann (der Fall BayObLGZ 1988, 271, 274), sondern nach Auffassung des Senats im Einklang mit dem Landgericht auch für die bloße Umrüstung auf eine neue Heizenergie, hier von Oel auf Gas.
cc)
Dabei bedarf - wiederum im Spannungsfeld zwischen § 22 Abs. 1 und § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG - die allgemeine Formulierung, daß ohnehin "eine Erneuerung der Heizanlage notwendig" sein muß, noch der Klarstellung: Diese Situation ist nicht erst gegeben, wenn die Heizanlage (endgültig) ausfällt, sondern schon dann, wenn sich die Heizanlage altersbedingt oder aus anderen Gründen in einem Zustand befindet, in dem jederzeit damit gerechnet werden muß, daß wesentliche Teile (etwa der Heizkessel) mit einem Schlag technisch unbrauchbar werden. Daß die vorliegende Heizungsanlage sich in diesem Zustand befand, hat das Landgerichts rechts fehlerfrei angenommen, indem es festgestellt hat, bei einem Alter einer Heizungsanlage von 20 Jahren sei es angemessen und vertretbar, Vorsorge für den Fall zu treffen, daß die Anlage endgültig ausfalle. Das entspricht allgemeinen Erfahrungen (siehe die Hinweise in dem Schriftsatz der Antragsgegner vom 21. September 1992, Bl. 104). Diese Erfahrung schließt nicht aus, daß im Einzelfall eine Heizung auch nach Ablauf der ihr zugewiesenen allgemeinen Lebenserwartung noch über Jahre hinaus weiterbetrieben werden kann. Entscheidend ist, daß sich dies nicht sicher voraussagen läßt. In einer solchen Situation liegt es für vernünftige Wohnungseigentümer, wie das Landgericht mit Recht aus führt, nahe, Vorsorge für den Fall zu treffen, daß die Anlage endgültig ausfällt, verbunden mit der Gefahr, daß, wenn etwa Bauarbeiten für eine Umrüstung der Heizungsanlage erforderlich sind, diese aus Witterungsgründen nicht sogleich durchgeführt werden können und eine Übergangslose Erneuerung der Heizung nicht möglich ist.
dd)
Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben ist die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, abgesehen von einem Punkt, auf den weiter unten noch näher eingegangen wird (ee), nicht zu beanstanden. Soweit es ausführt, mit der geplanten Umstellung der Heizung auf den Betrieb mit Gas werde eine übliche und erprobte Heizungsart gewählt, die sich sehr weitgehend durchgesetzt habe, und die Heizung mit Erdgas sei jedenfalls in ökologischer Hinsicht als technisch fortschrittlich zu werten, rügt die weitere Beschwerde der Antragsteller zu Unrecht, daß das Landgericht sich insoweit wesentlich auf die Stellungnahme der Stadtwerke Hannover AG vom 29. Oktober 1991 gestützt hat. Zwar ist nicht zu verkennen, daß diese Stellungnahme und die beigefügte "Argumentationshilfe zum Thema Heizkostenvergleich contra Brennstoffkostenvergleich" von einem im Wettbewerb der Anbieter verschiedener Brennstoffenergien stehenden Unternehmer stammt. Es gibt jedoch keine sachlichen Gründe, die - im Kern als allgemeinkundig anzusehenden - Angaben in diesen Unterlagen (Bl. 79 ff. d.A.) in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht insoweit Zweifel angeführt haben (Bl. 90), sind diese nicht näher (etwa durch gegenteilige Publikationen usw.) abgesichert, und das Landgericht hatte im WEG-Verfahren, einem "echten Streitverfahren" der freiwilligen Gerichtsbarkeit - unbeschadet der allgemeinen Geltung des Amtsermittluhgsprinzips, § 12 FGG - keinen Anlaß, derartigen unsubstantiierten Zweifeln nachzugehen. Soweit das Landgericht im Rahmen seiner, im übrigen nachvollziehbaren, Kosten-Nutzen-Analyse für die beschlossene Umstellung der Heizung auf Gas den Kosten für die Gasanschlüsse von ca. 35.000,00 DM bis 40.000,00 DM Kosten von ca. 35.000,00 DM bis 40.000,00 DM für die Erneuerung der kellergeschweißten Oeltanks gegenüberstellt, die bei der Umstellung auf Gas entfallen würden, findet dies allerdings, wie die weitere Beschwerde der Antragsteller im Ansatz zutreffend rügt, in dem den Tatsacheninstanzen vorliegenden Verfahrensstoff keine Grundlage. Die Antragsgegner hatten nämlich nicht behauptet, die Oeltanks müßten, falls es nicht zu einer Umrüstung der Heizungsanlage käme, demnächst erneuert werden; sie hatten lediglich angeführt, es stehe eine Reinigung und eine innere Überprüfung der Oeltanks auf Korrosionsschäden an, die 21.948,42 DM kosten werde (Bl. 32, 36 d.A.). Dadurch wird jedoch nicht etwa die gesamte Kosten-Nutzen-Analyse des Landgerichts unbrauchbar. Der Senat kann diese vielmehr, obwohl er an sich nur Rechtsbeschwerdegericht ist, auf der Grundlage des vorliegenden Verfahrensstoffs ohne zusätzliche Ermittlungen insoweit ergänzen, als zum einen wiederholte Reinigungen der Oeltanks einzukalkulieren wären und zum andern die Notwendigkeit gewisser Reparaturen oder sogar einer Erneuerung der Oeltanks in späteren Jahren nicht völlig auszuschließen wäre.
ee)
Konnte sich aber nach allem die Wohnungseigentümergemeinschaft in der gegebenen Situation dafür entscheiden, die Heizungsanlage in der Form der Umstellung von Oel auf Gas zu erneuern, so war auch eine Instandsetzungsregelung der Art möglich, daß die Herstellung der Gasanschlüsse schon für 1991 und die Umrüstung im übrigen für den Fall der technisch notwendigen Erneuerung der Heizungsanlage beschlossen wurde. Aus dieser Sicht sind die weiteren Ausführungen des Landgerichts, zwar betreffe der Beschluß, die Gasanschlüsse schon 1991 herzustellen, eine über das zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung erforderliche hinausgehende bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG. durch die vorzeitige Installation der Gasanschlüsse würden jedoch die Rechte der Antragsteller nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, gegenstandslos. Die Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft (wenn auch erst beim Ausfall der alten Heizungsanlage) eine Umrüstung auf Gas vorzunehmen und zu diesem Zweck die Gasanschlüsse herzustellen, kann nach Auffassung des Senats rechtlich nur einheitlich, nämlich aus den obigen Ausführungen als Entscheidung über die Art und Weise einer Instandsetzungsmaßnahme gewürdigt werden, die nicht nach § 22 Abs. 1, sondern nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG zu beurteilen ist.
III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 47 WEG.
Streitwertbeschluss:
Geschäftswert des weiteren Beschwerdeverfahrens: 20.000,00 DM.