Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 29.10.2007, Az.: 1 A 2467/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 29.10.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 2467/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 62368
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2007:1029.1A2467.06.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Verkehrsrecht
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2007 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt, den Richter am Verwaltungsgericht Steffen, den Richter Kellmer sowie die ehrenamtliche Richterin Frau D. und den ehrenamtlichen Richter Herr E. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, wohnt - zumindest zeitweise - in F. und war seit 1994 in Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis der alten Klasse 3. Der Kläger hält sich auch zu Wohnzwecken in Polen auf, wobei streitig geblieben ist, wo der Kläger seinen Hauptwohnsitz genommen hat. Im Zeitraum vom 08.03.2005 bis zum 03.04.2005, vom 03.10.2005 bis zum 29.10.2005 sowie vom 10.01.2006 bis zum 10.04.2006 war der Kläger für einen vorübergehenden Aufenthalt bei der Stadt G. /Polen gemeldet. In der Zeit vom 05.04.2005 bis zum 03.07.2005 war der Kläger in der Stadt H. /Polen gemeldet. Laut einer erweiterten Meldeauskunft der Stadt F. war der Kläger seit dem 15.11.1986 ununterbrochen in der Wohnung "I. 21" in F. gemeldet.
Mit Strafbefehl vom 03.11.2003 und abschließend durch Urteil vom 08.03.2004 wurde dem Kläger durch das Amtsgericht F. wegen vorsätzlichen Führens eines Fahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss in zwei Fällen sowie einmal in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis u.a. der Führerschein entzogen; zugleich wurde eine Sperrzeit für die Wiedererteilung von einem Jahr verhängt (Ende der Sperre 07.03.2005). Zu den Tatzeitpunkten wies der Kläger Blutalkoholkonzentrationen von 2,52 ‰ bzw. 1,99 ‰ auf. Nach Ablauf der Sperrzeit beantragte der Kläger bei der Fahrerlaubnisbehörde in H. /Polen die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde H. fragte Ende Mai beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg an, ob gegen die Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Kläger Bedenken bestünden. Noch bevor das KBA der Fahrerlaubnisbehörde in H. unter dem 24.06.2005 mitteilte, dass Eintragungen im Verkehrszentralregister gegen den Kläger vorlagen und auf die Notwendigkeit der Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) hinwies, erteilte die Fahrerlaubnisbehörde in Stettin am 06.06.2005 dem Kläger eine Fahrerlaubnis der Klasse B. Anfang Januar 2006 wurde der Kläger von der Beklagten aufgefordert, bis Mitte Februar 2006 ein medizinisch-psychologisches Gutachten hinsichtlich der Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr vorzulegen, § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Nr. 2c Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Hierin solle zu der Frage Stellung genommen werden, ob der Kläger zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder ob infolge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellten.
Zwischenzeitlich hatte der Antragsteller seinen von der Stadt Stettin ausgestellten Führerschein (J.) als verloren gemeldet. Daraufhin war ihm durch die Stadtverwaltung der Stadt G. ein Ersatzführerschein (K.) ausgestellt worden.
Nach entsprechender Anhörung vom 19. Januar 2006 entzog der Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 08. Februar 2006 das Recht, in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (Ziffer 1), forderte ihn zur Vorlage seines polnischen Ersatzführerscheins, ausgestellt von der Stadt G., innerhalb von drei Tagen zum Zwecke der Eintragung des Aberkennungsvermerkes auf (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 3). Zur Begründung von Ziffer 1 des Bescheides führte der Beklagte aus, der Kläger habe nicht wie gefordert das medizinisch-psychologische Gutachten vorgelegt, so dass gem. § 11 Abs. 8 FeV von der Nichteignung des Klägers auszugehen sei. Die Pflicht zur Vorlage des Führerscheins zur Eintragung eines Aberkennungsvermerkes ergebe sich aus § 47 FeV.
Gegen diese Verfügung erhob der Kläger am 23. Februar 2006 Klage und suchte unter gleichem Datum um einstweiligen Rechtsschutz nach. Das Klageverfahren wird vor dem Verwaltungsgericht Stade unter dem Aktenzeichen 1 A 586/06 geführt. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde - nachdem das Verwaltungsgericht Stade dieses Begehren mit Beschluss vom 21.03.2006 abgelehnt hatte - durch Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 08.09.2006 wiederhergestellt.
Im April 2006 erhielt die Beklagte durch Mitteilung der Polizeistation F. davon Kenntnis, dass der Kläger am 26.04.2006 in einem stark angetrunkenen Zustand auf einem Spielplatz aufgefunden wurde und damit drohte, sich umzubringen. Er solle sich so geäußert haben, dass sein Leben nach der Trennung von seiner Frau - richtig ist jedoch Freundin - keinen Sinn mehr mache. Wegen der weiteren Äußerung von Suizidgedanken sei er freiwillig in die Psychiatrie des Krankenhauses L. eingeliefert worden.
Mit Schriftsatz vom 28.09.2006 ordnete der Beklagte auf Grund dieses Vorfalls wiederum die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen des Verdachts auf Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholabhängigkeit an; als Frist wurde der 29.11.2006 gesetzt. Der Kläger wurde aufgefordert, bis zum 13.10.2006 ein Institut zur Durchführung der Untersuchung zu benennen. Hierbei wies der Beklagte darauf hin, dass bei Nichtvorlage des Gutachtens gem. § 11 Abs. 8 FeV von einer Nichteignung des Klägers ausgegangen werden könne mit der Folge, dem Kläger das Recht abzuerkennen, von seiner polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Eine Vorlage der Institutsbenennung bzw. des Gutachtens erfolgte wiederum nicht. Daraufhin entzog der Beklagte dem Kläger mit streitgegenständlicher Verfügung vom 17.10.2006 das Recht, in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (Ziffer 1), forderte ihn zur Vorlage seines polnischen Ersatzführerscheins, ausgestellt von der Stadt Slupsk, innerhalb von drei Tagen zum Zwecke der Eintragung des Aberkennungsvermerkes auf (Ziffer 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 3) und drohte für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 2 der Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro an. Zur Begründung von Ziffer 1 des Bescheides führte der Beklagte aus, der Kläger habe nicht wie gefordert das medizinisch-psychologische Gutachten vorgelegt. Diese Vorlage habe der Beklagte auf Grund des Vorfalles vom 26.04.2006 verlangen können. Zwar habe es sich hier um einen Fall der Trunkenheit außerhalb der Teilnahme im Straßenverkehr gehandelt, jedoch begründe dieser Vorfall den Verdacht einer Alkoholabhängigkeit des Klägers. Auf Grund der Nichtvorlage des Gutachtens sei gem. § 11 Abs. 8 FeV von der Nichteignung des Klägers auszugehen sei. Die Pflicht zur Vorlage des Führerscheins zur Eintragung eines Aberkennungsvermerkes ergebe sich aus § 47 FeV.
Der Kläger hat am 25.10.2006 Klage erhoben. Hierin verweist der Kläger auf den zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 08.09.2006 im Verfahren gegen den Bescheid vom 08.02.2006. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Erwerbs des polnischen EU-Führerscheins bereits seit längerer Zeit in Polen wohnhaft gewesen. Lediglich seine weiterhin in Deutschland ansässigen Eltern habe der Kläger in zeitlichen Abständen besucht. Seine Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen habe er bereits durch den Erwerb des polnischen EU-Führerschein unter Beweis gestellt. Die polnischen Behörden hätten bei der Neuerteilung des Führerscheines Kenntnis von der Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland gehabt und aus diesem Grund die Eignungsprüfung auch im Hinblick auf eine etwaige Alkoholproblematik durchgeführt. Der Vorfall am 25.04.2006 stehe in keinem Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr; die Aberkennung der EU-Fahrerlaubnis könne darauf zumindest nicht gestützt werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.10.2006 aufzuheben.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf § 3 Abs. 1 S. 2 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, aberkennen kann, wenn ein Kraftfahrzeugführer sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweisen sollte. Der Vorfall am 25.04.2006 sowie die Bestrafung wegen des Klägers wegen Fahrens unter erheblichem Alkoholeinfluss begründeten Zweifel an der Fahreignung des Klägers, da hinreichende Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit des Klägers bestünden. Da der Kläger der Aufforderung der Beklagten zur Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht nachkam, müsse der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger Eignungsmängel verbergen wolle. Europäisches Recht stehe dieser Entscheidung nicht entgegen, da der Beklagte Ereignisse nach der Erteilung des EU-Führerscheines zum Anlass seines Einschreitens genommen habe.
Das Verwaltungsgericht Stade hat mit Beschluss vom 20.12.2006 die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 08.02.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die streitgegenständlichen Verwaltungsakte erweisen sich als rechtmäßig, der Kläger wird durch sie nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
Der Beklagte hat dem Kläger rechtmäßig das Recht aberkannt, von seiner Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, Gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 S. 1 und 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG), §§ 46 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 S. 2, 11 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 8, 13 Nr. 2a FeV in Verbindung mit Nr. 8 der Anlage 4 zu dieser Verordnung. Der Kläger hat sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeigen erwiesen. Diese Ungeeignetheit ergibt sich aus der Nichtbeibringung des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 11 FeV Rn. 22).
Die Aufforderung vom 28.09.2006 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens war gem. § 44a VwGO zunächst nicht selbstständig angreifbar und ist jetzt im Hauptsacheverfahren zu prüfen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 44a Rn. 7), erweist sich jedoch als rechtmäßig. Die Fälle, in denen die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen kann, sind in § 11 Abs. 3 FeV abschließend geregelt. Vorliegend ist zum einen § 11 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 13 Nr. 2d FeV einschlägig, da die Anordnung im Zusammenhang mit dem zuvor festgestellten Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zu sehen ist. Zwar ist der unmittelbare Anlass für die Untersuchung in dem Vorfall am 25.04.2006 zu sehen; dieser kann jedoch von den aktenkundig gewordenen Vorfällen nicht getrennt werden, auf die sich der Beklagte auch bezieht. Die Aufforderung zur Beibringung eines MPU-Gutachtens war bereits, ohne dass ihr nachgekommen war, an den Kläger Anfang Januar 2006 ergangen. Insoweit ist es auch unbeachtlich, dass der Vorfall am 25.04.2006 nicht im engen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr erfolgte. Die originären Eignungsbedenken resultieren aus einem Straßenverkehrsbezug und wurden gegenüber dem Beklagten nie ausgeräumt; der neuerliche Vorfall bekräftigt lediglich die bereits zuvor bestehenden Eignungsbedenken. Zum anderen und für diese Entscheidung auf Grund Europarechts tragend, ist der Grund gem. § 13 Nr. 2 lit. a 2. Alternative FeV. Der Alkoholmißbrauch ist in § 13 FeV nicht näher definiert, kann jedoch - auch ohne unmittelbaren Bezug zum Führen eines PKW im Straßenverkehr - bei wiederholtem Überschreiten hoher BAK-Werte angenommen werden (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 13 FeV Rn. 4; vgl. auch Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss in Az. 12 ME 90/07, S. 3 f.). Hierbei ist es nach Ansicht des Gerichtes irrelevant, dass der BAK-Wert des Klägers zum Zeitpunkt des Aufgreifens nicht konkret festgestellt wurde. Der Kläger wurde durch Polizeibeamte stark betrunken auf einer Parkbank aufgefunden mit zwei leeren Flaschen Korn sowie Selbstmordabsichten äußernd. Hinreichende Umstände, die auf einen die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauch hindeuteten, lagen demnach vor. Der Kläger verweist zu Unrecht darauf, dass kein enger Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges und dem Vorfall am 25.04.2006 bestünde. Die Gutachtenanforderung gem. § 13 Nr. 2 lit. a 2. Alternative FeV setzt den Nachweis eines Zusammenhanges zwischen Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr gerade nicht voraus (vgl. Begr. BR-Drs. 443/98 S. 260). Hierauf hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 08.02.2007 bereits hingewiesen (S. 4). Die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einlassung des Klägers, er sei zum Zeitpunkt des Aufgreifens auf dem Spielplatz nicht betrunken gewesen, da die beiden Flaschen mit hochprozentigem Alkohol zuvor durch einen Unfall zerstört wurden, ist unglaubwürdig und als reine Schutzbehauptung zu werten.
War somit die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtmäßig, so konnte der Beklagte wegen der Nichtbeibringung des Gutachtens gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen, da sie auf diese Rechtsfolge bereits gem. § 11 Abs. 8 S. 2 FeV hingewiesen hatte. Zwar muss festgestellt werden, dass der Beklagte bereits nach Ablauf der Frist, zu der der Kläger das Institut benennen sollte und vor Ablauf der eigentlichen Frist zur Vorlage des Gutachtens den streitgegenständlichen Bescheid erließ. Hierzu war er nicht berechtigt (vgl. OVG Hamburg, NZV 2000, 348 [OVG Hamburg 30.03.2000 - 3 Bs 62/00] - 2. LS). Jedoch muss berücksichtigt werden, dass es bei der Entscheidung über den Erfolg einer Anfechtungsklage ausschließlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt (vgl. BVerwG NJW 1995, 3068; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 113 Rn. 33). Insoweit muss festgestellt werden, dass der Kläger die Untersuchung weder bis zum 29.11.2006, noch bis heute durchführen ließ. Damit hat er erkennen lassen, dass er an der Ausräumung der Eignungszweifel nicht mitwirken will. Ein Abstellen auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides wäre insofern lediglich purer Formalismus.
Der Beklagte war als Fahrerlaubnisbehörde zuständig für die streitgegenständliche Entscheidung, § 73 FeV. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der Kläger in F. seinen Wohnsitz hat. Nach Mitteilung der zuständigen Meldebehörde ist der Kläger seit dem 15.11.1986 durchgehend in F. gemeldet. Selbst der Prozessbevollmächtigte des Klägers verweist in einem Schriftsatz vom 23.05.2006 im Parallelverfahren auf I. 21, M. als Wohnort des Klägers.
Europarecht im Anwendungsvorrang steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Grundsätzlich endet mit der Neuerteilung eines Führerscheines im EU-Ausland die Befugnis der innerstaatlichen Fahrerlaubnisbehörden, Eignungszweifel, die ihren Grund in Umständen hatten, die vor der Neuerteilung im EU-Ausland lagen, zum Anlass für die Abforderung einer (weiteren) innerstaatlichen Eignungsüberprüfung zu nehmen. Die Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (91/439/EWG, ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 1, zuletzt geändert durch, Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (Führerschein-RL) konstituiert in Art. 1 Abs. 2 das sog. Anerkennungsprinzip, wonach ein Mitgliedstaat grundsätzlich verpflichtet ist, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine ohne weitere innerstaatliche Prüfung anzuerkennen (vgl. EuGH, Urteile vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-230/97, Awoyemi, Slg. 1998, I-6781, Rn. 41 und 42 , vom 10. Juli 2003 in der Rechtssache C-246/00, Kommission/Niederlande, Slg. 2003, I-7485, Rn. 60 und 61, sowie vom 9. September 2004 in der Rechtssache C-195/02, Kommission/Spanien, Slg. 2004, I-7857, Rn. 53 und 54; vgl. auch Beschluss vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-408/02, Da Silva Carvalho, Rn. 20). In der sog. Halbritter-Entscheidung (EuGH 3. Kammer, Beschluss vom 06.04.2006 - C-227/05, Halbritter/Freistaat Bayern) konkretisierte der EuGH, dass Mitgliedstaaten sich auf die Befugnisse nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der Führerschein-RL nicht berufen könnten, um nach Ablauf einer Sperrfrist die Gültigkeit eines Führerscheins abzulehnen, der dem Betroffenen später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde (Rn. 27). Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung würde geradezu negiert, hielte man einen Mitgliedstaat für berechtigt, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine eigenen nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern (Rn. 28). Ebenso sei es den Mitgliedstaaten verwehrt, nach Ablauf einer Sperrfrist eine erneute Überprüfung der Fahreignung zu verlangen, sofern die Umstände, die zu diesem Begehren führten, bereits vor der Ausstellung des neuen Führerscheins bestanden (vgl. Rn. 37).
Wie der EuGH in der sog. Halbritter-Entscheidung jedoch weiter feststellt, ist ein Einschreiten der inländischen Fahrerlaubnisbehörden wegen Vorfälle, die zeitlich nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis liegen, durch Europarecht nicht ausgeschlossen (Rn. 38):
Da die beim Entzug seiner deutschen Fahrerlaubnis ausgesprochene Sperrfrist für den Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis in Deutschland abgelaufen war, als Herr H.... einen neuen Führerschein in Österreich erwarb, kann die Bundesrepublik Deutschland ihre Befugnis nach Art. 8 II der Richtlinie 91/439/EWG, ihre innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis auf den Inhaber einer in Österreich ausgestellten Fahrerlaubnis, der seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland genommen hat, anzuwenden, nur im Hinblick auf ein Verhalten des Betroffenen nach dem Erwerb der österreichischen Fahrerlaubnis ausüben. [...]
So liegt der Fall hier, da Anlass für die streitgegenständliche Entscheidung des Beklagten das Verhalten des Klägers am 25.04.2006 und somit ein Verhalten nach Erteilung des EU-Führerscheins war.
Die Ziffer 2 der Verfügung findet ihren Rechtsgrund in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FeV.
Die Ziffer 4 der Verfügung findet ihren Rechtsgrund in § 70 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG). Die Zwangsgeldandrohung ist ein rechtlich selbständiger Verwaltungsakt. Sie knüpft zwar an einen Grundverwaltungsakt an, unterfällt jedoch eigenen Voraussetzungen und ist selbständig anfechtbar. Die Androhung wurde mit dem Grundverwaltungsakt, hier Nr. 2 der Verfügung, verbunden (§ 70 Abs. 2 Nds. SOG) und sie bezog sich auf ein Zwangsgeld als bestimmtes Zwangsmittel (§§ 70 Abs. 3, 67 Nds. SOG). Die Höhe des Zwangsgeldes ist bestimmt und, vor dem Hintergrund der Bedeutung der Angelegenheit und der Verhältnisse des Klägers, auch verhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf
5 000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
Im Streit ist vorliegend die Aberkennung des Rechtes, in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Die Festsetzung des Streitwertes orientiert sich daher an Nr. 46.3 Streitwertkatalog VwG 2004. Wird in dem angefochtenen Bescheid neben der Grundverfügung zugleich ein Zwangsgeld angedroht, so bleibt dies für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich außer Betracht, Nr. 1.6.2. Streitwertkatalog VwG 2004.