Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.10.2007, Az.: 6 A 1073/06
Anspruch auf Festsetzung eines weiteren betriebsindividuellen Betrags nach Berücksichtigung der Milchreferenzmenge eines Landwirts; Antrag auf Bewilligung weiterer Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 19.10.2007
- Aktenzeichen
- 6 A 1073/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 42902
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2007:1019.6A1073.06.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 62 VO (EG) 1782/2003
- Art. 95 Abs. 2 VO Nr. 1782/2003
Verfahrensgegenstand
Zahlungsansprüche
In der Verwaltungsrechtssache ...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
den Richter Dr. Luth sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 7. April 2006 wird geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag für das Kalenderjahr 2005 in Höhe von 13.445,75 Euro zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung weiterer Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung.
Die Klägerin betreibt in der Form der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - GbR - seit dem 1. Januar 2005 in E. im Ortsteil F. einen landwirtschaftlichen Betrieb. Gesellschafter der Klägerin sind die Brüder G. und H.. G. Giesmann bewirtschaftete als Einzelunternehmer zuvor den gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb "I." zur Größe von etwa 53 ha einschließlich der Hofstelle I. 147 in F. und weitere gepachtete und eigene Flächen von insgesamt etwa 73,9351 ha. Laut Präambel des Gesellschaftsvertrags vom 26. Dezember 2004 ruhte auf den Flächen des G. Giesmann zum Stand vom 1. Januar 2005 eine Milchreferenzmenge von insgesamt 734.248 kg, davon eine eigene Milchreferenzmenge von 232.103 kg. Als Einlage brachte G. Giesmann gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages neben dem landwirtschaftlichen Betrieb "alle aus den Pachtverträgen über den Pachtbetrieb und alle weiteren landwirtschaftlichen Nutzflächen und/oder Milchquote begründeten Rechte und Verbindlichkeiten" und "die gesamte betriebliche Milchreferenzmenge" in die GbR ein.
Mit Meldebogen Betriebsübergabe/-übernahme zeigte die Klägerin unter dem 6. Januar 2005 der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in J. an, dass Herr G. Giesmann seinen Betrieb zum 1. Januar 2005 der Klägerin übergeben hat.
Die Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle J. - bescheinigte der Klägerin mit Bescheid vom 30. März 2005, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Ziffer 1 Milchabgabenverordnung (MAV) vorliegen. Die Klägerin habe einen gesamten Betrieb als selbstständige Produktionseinheit nach § 7 Abs. 2 MAV zur Größe von 127 ha mit Ablauf des 31. Dezember 2004 übernommen. Die Klägerin sei durch Pachtvertrag vom 26. Dezember 2004 Rechtsnachfolgerin geworden. Mit Beginn des 1. Januar 2005 sei eine dem G. Giesmann zugeordnete Milchreferenzmenge von 734.248 kg auf die Klägerin übergegangen.
Am 12. Mai 2005 stellte die Klägerin bei der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in J. den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005. Zugleich beantragte sie die Gewährung der Betriebsprämie 2005. Das Antragsformular enthielt unter Ziffer 2.1 "Betriebsübergabe" den folgenden Hinweis für den Übergeber des Betriebes:
"Sie sind als Übergeber verpflichtet, der zuständigen Dienststelle der Landwirtschaftskammer unverzüglich mitzuteilen, wenn Sie Ihr Unternehmen nach Einreichen der Beihilfeanträge und vor Erfüllen aller Bedingungen für die Beihilfegewährung vollständig an einen anderen übertragen! Entsprechende Meldeformulare sind bei den Dienststellen der Landwirtschaftskammern erhältlich."
Darüber hinaus sah der Formularantrag unter Ziffer 2.1 für den Übernehmer des Betriebes die anzukreuzende Erklärung vor: "Ich habe/Wir haben folgende/n Betrieb durch sonstige Betriebsübergabe übernommen". Diese Erklärung gab die Klägerin nicht ab. Unter Ziffer 4.4 -"Ergänzende Angaben zur Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen" - gab die Klägerin an, dass ihr in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 einzelbetriebliche Milchreferenzmengen zur Verfügung standen. Unter Ziffer 4.4.1 erklärte sie, sie habe im Milchquotenjahr 2004/2005, d.h. während des gesamten Milchquotenjahres (1. April 2004 bis 31. März 2005), Milch erzeugt oder vermarktet. Sie gab unter Ziffer 4.4.4 als Molkerei, die die Milchquotenabrechnung vornimmt, die K. in L., Lieferantenummer: O., und die M. in N., Lieferantenummer: P., an. Einen Antrag nach Ziffer 4.5 des Formularantrags auf Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen und/oder OGS - Genehmigungen gemäß Art. 13 bis 17 in Verbindung mit Artikel 46 der VO (EG) Nr. 795/2004 wegen beispielsweise der Änderung des Rechtsstatus oder der Bezeichnung des Betriebes gemäß Artikel 14 dieser Verordnung im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 17. Mai 2005 stellte sie nicht.
Mit Informationsschreiben vom 15. Dezember 2005 teilte die Landwirtschaftskammer Hannover der Klägerin mit, der Anteil ihres betriebsindividuellen Betrages, der aufgrund der Milchprämie entstehe, habe bisher nicht berechnet werden können, da dieser im Unterschied zu den übrigen Prämienmaßnahmen nicht auf Grundlage der Produktion in den Antragsjahren 2000 bis 2002 ermittelt werde. Für die Milchprämie sei die am Stichtag 31. März 2005 zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge entscheidend. Der für sie maßgebliche Milchprämienanteil am betriebsindividuellen Betrag habe nunmehr ermittelt werden können. Dem Schreiben war eine Anlage 1 - Übersicht zum betriebsindividuellen Betrag - beigefügt, in der die der Klägerin zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge zum Stichtag 31. März 2005 mit 160.702 kg ausgewiesen war. Zudem wies sie der Klägerin bei einem Satz von 0,02368 Euro/Einheit (Milchreferenzmenge) einen betriebsindividuellen Betrag für die zu berücksichtigende Milchprämie von 3.805,42 Euro aus.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 bat die Klägerin um Neuberechnung des betriebsindividuellen Betrages und um Auszahlung einer weiteren Vorschusszahlung. Zur Begründung führte die Klägerin aus:
Die mit Informationsschreiben vom 15. Dezember 2005 ausgewiesene Referenzmenge für das Garantiemengenjahr 2004/2005 sei unzutreffend, weil sie eine weitere Referenzmenge von 573.546 kg nicht berücksichtige, die ihr Rechtsvorgänger Herr G. Giesmann als Einzelunternehmer bereits bis zum 31. Dezember 2004 beliefert habe. Diese belieferte Referenzmenge stehe ihr ebenfalls zu, weil Herr G. Giesmann seine gesamten Referenzmenge von 734.248 kg bei Betriebsgründung auf sie übertragen und einen eigenen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen nicht gestellt habe. Die Ausweisung der ihr im Zeitraum Januar bis März 2005 lediglich noch tatsächlich zur Verfügung stehenden Referenzmenge von 160.702 kg verstoße gegen Art. 14 VO (EG) 795/2004 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003. Nach diesen Vorschriften seien bei einer Übertragung der Referenzmenge eines Betriebes auf einen neuen Betrieb Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche auf der Basis der Referenzbeträge des ursprünglichen Betriebes "von Amts wegen - d.h. ohne ausdrückliche Antragstellung -" festzusetzen. Der Umstand, dass die Klägerin im Laufe des Gesamt-Milchreferenzmengenjahres gegründet wurde, sei demnach nicht entscheidungserheblich. Auf eine Verfristung des Antrags auf Übertragung der Referenzmenge könne sich die Landwirtschaftskammer Hannover daher nicht berufen. Auch sei der Landwirtschaftskammer aufgrund der Betriebsummeldung, der Übertragung der Referenzmenge und der Durchsicht ihres Antrags auf Gewährung der Agrarförderung 2005 die Umwandlung des Einzelunternehmens G. Giesmann in ihren Betrieb bekannt gewesen. Zudem fügte die Klägerin ihrem Schreiben die ausgefüllte Anlage - Vordruck B (Änderung des Rechtsstatus oder der Bezeichnung des Betriebes gemäß Art. 14 VO (EG) Nr. 795/2004) - gemäß Ziffer 4.5 des Antrags auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen bei. Nach Ziffer 2 dieser Anlage beantragte die Klägerin die Berechnung und Zuweisung betriebsindividueller Beträge für ihren Betrieb, weil dieser durch Umstrukturierung eines Einzelunternehmens (natürliche Person) oder einer GbR in eine juristische Person oder umgekehrt entstanden sei. Der Betrieb habe zwischen dem 01. Januar 2000 und dem 17. Mai 2005 seine Rechtsform geändert; die Anteilsinhaber des ursprünglichen und des neuen Betriebes seien identisch (teilweise).
Aus den Meldungsübersichten zur Milchreferenzmenge vom 22. Dezember 2005 für das Jahr 2005 ergibt sich eine Milchreferenzmenge der Klägerin zum Stichtag des 31. März 2005 von 160.702 kg (Lieferantennummer: O.) und des Herrn G. Giesmann von 573.546 kg (Lieferantennummer: P.), insgesamt 734.248 kg. Zum Stichtag des 1. April 2005 weisen sie der Klägerin eine Milchreferenzmenge von 734.248 kg (Lieferantennummer: O.) und Herrn G. Giesmann von 0 kg (Lieferantennummer: P.) aus.
Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte die der Klägerin zustehenden Zahlungsansprüche fest. In Anlage 2 des Bescheides - Übersicht zum betriebsindividuellen Betrag - setzte die Beklagte die Milchreferenzmenge zum Stichtag 31. März 2005 auf 160.702 kg fest. Bei einem Satz von 0,02368 Euro legte sie die als betriebsindividuellen Betrag zu berücksichtigenden Milchprämie auf 3.805,42 Euro fest. Entsprechend legte sie der Berechnung der Zahlungsansprüche des Klägers (Anlage 6) einen betriebsindividuellen Betrag von 3.767,37 Euro (gekürzt um 1% für die nationale Reserve) zugrunde.
Daraufhin hat die Klägerin am 28. April 2006 Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen vom 28. Dezember 2005 und trägt ergänzend vor:
Die Beklagte habe bei der Festsetzung ihrer Zahlungsansprüche die Milchreferenzmenge zum Stand vom 31. März 2005 von insgesamt 734.248 kg zu berücksichtigen. Der Bescheid der Beklagten lasse damit eine Milchreferenzmenge von 573.546 kg unberücksichtigt. Ihr stehe für das Jahr 2005 bei einem Satz von 0,02368 Euro/kg eine weitere Milchprämie in Höhe von 13.581,57 Euro (abzüglich von 1% zur Bildung der nationalen Reserve) zu. Die Zahlungsansprüche seien entsprechend zu erhöhen. Denn maßgebliche Rechengröße für die Bestimmung des betriebsindividuellen Betrages sei gemäß Artikel 62 VO (EG) 1782/2003 "die einzelbetriebliche Referenzmenge für Milch, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem diese Zahlungen ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, zur Verfügung steht". Die von der Beklagten eventuell vertretene Rechtsauffassung, dass es sich bei Artikel 62 VO (EG) 1782/2003 nicht um eine echte Stichtagsregelung, sondern um eine Regelung unter Berücksichtigung des gesamten zwölfmonatigen Garantiemengenjahres 2004/2005 handele, sei mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar. Der Mitteilung der Molkerei unter Ziffer 8 des Bescheids vom 30. März 2005 über die Referenzmenge, die dem Flächen- bzw. Betriebsübernehmer unter Berücksichtigung der schon vom abgebenden Betrieb gelieferten Menge im Übertragungsjahr verbleibt, komme lediglich für die Garantiemengen-Abgaben-Regelung Bedeutung zu. Im Ergebnis könne diese Frage dahinstehen, weil die Beklagte die mit Gesellschaftsgründung mit Wirkung zum 1. Januar 2005 übertragene Milchreferenzmenge des Ursprungsbetriebes G. Giesmann bei der Berechnung ihres betriebsindividuellen Betrages jedenfalls nach der klaren Regelung in Artikel 14 VO (EG) 795/2004 i.V.m. Artikel 33 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003 von Amts wegen habe berücksichtigt müssen. Das gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte die Umstände ihrer Betriebsgründung aufgrund der Angaben zu den belieferten Molkereien unter Ziffer 4.4.4 des Antragsformulars vom 12. Mai 2005 und der eingesehenen Meldungsübersichten zu ihrer und der Milchreferenzmenge ihres Gesellschafters G. Giesmann gekannt habe. Sie habe nämlich unter Ziffer 4.4.4 des Antragsformulars vom 12. Mai 2005 neben der K. Molkerei, an welche sie seit ihrer Gründung die Milch liefere, auch die M. e.G., an welche der Gesellschafter G. Giesmann geliefert hatte, angeführt. Aus diesem Grund könne ihr nicht vorgeworfen werden, sie habe erforderliche Angaben zur Änderung des Rechtsstatus oder der Bezeichnung des Betriebes unter Ziffer 4.5, zum in die GbR eingebrachten Betrieb des G. Giesmann unter Ziffer 4.2 und entsprechende Angaben in der Anlage zu Ziffer 4.5 des Antragsformulars - Vordruck B - nicht getroffen. Im Übrigen habe sie diese Angaben mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 nachgeholt. Sollte es eines derartigen Antrags bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12. Mai 2005 bedurft haben, wobei eine Ermächtigung zur entsprechenden Fristsetzung in den einschlägigen EG-Verordnungen nicht enthalten sei, seien die nachgereichten Erklärungen vom 28. Dezember 2005 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verstehen. Sie habe erstmalig mit dem Informationsschreiben vom 15. Dezember 2005, d.h. 7 Monate nach Antragstellung, erfahren, dass ein derartiger Übertragungsantrag erforderlich sei. Die Informationsschreiben vom 11. Januar 2005 und 8. April 2005 hätten Angaben zur Milchprämie bzw. Milchreferenzmenge nicht enthalten, so dass weder die Klägerin noch G. Giesmann darauf aufmerksam geworden seien, dass die Milchreferenzmenge eventuell nur teilweise berücksichtigt werden könne. Darüber habe die Beklagte sie auch nicht aufgeklärt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag für das Kalenderjahr 2005 nach Abzug von 1% für die nationale Reserve in Höhe von 13.445,75 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus:
Sie habe bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche zu Recht gemäß Artikel 62 VO (EG) Nr. 1782/2003 die der Klägerin zum Stichtag zum 31. März 2005 zustehende Milchreferenzmenge von 734.248 kg abzüglich der von dem Rechtsvorgänger der Klägerin, Herrn G. Giesmann, bereits bis zum 31. Dezember 2004 gelieferten Milchmenge von 573.546 kg berücksichtigt. Sie habe die von G. Giesmann gelieferte Milchmenge mangels eines erforderlichen Antrags der Klägerin auf Überlassung der betriebsindividuellen Beträge/Einheiten gemäß Artikel 33 VO (EG) Nr. 1782/2003 (Betriebveränderungen) nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt. Auch habe die Klägerin in ihrem Antrag vom 12. Mai 2005 unter Ziffer 4.4.1 fehlerhaft angegeben, während des gesamten Milchquotenjahres vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 Milcherzeuger gewesen zu sein, und habe es versäumt, den wegen Änderung des Rechtsstatus oder der Bezeichnung des Betriebes erforderlichen Antrag auf Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen gemäß Artikel 14 VO (EG) Nr. 795/2004 unter Ziffer 4.5 des Formularantrags fristgerecht bis zum 17. Mai 2005 zu stellen. Die Klägerin habe diesen Antrag daher auch nicht nachträglich stellen können. Auf Artikel 33 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003 könne sich die Klägerin nicht berufen, weil die Vorschrift eine Direktzahlung im Bezugszeitraum voraussetze. Der Möglichkeit einer Zuweisung von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 14 VO (EG) Nr. 795/2004 stehe das Antragserfordernis des § 11 InVeKoSV i.V.m. Artikel 33 VO (EG) Nr. 1782/2003, Artikel 14 VO (EG) Nr. 795/2004 entgegen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klägerin hat - unter Berücksichtigung einer Milchreferenzmenge von insgesamt 734.248 kg - Anspruch auf Festsetzung eines weiteren betriebsindividuellen Betrages für das Antragsjahr 2005 in Höhe von 13.445,75 Euro. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 2006 abgelehnt hat, bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche für das Antragsjahr 2005 eine weitere Milchreferenzmenge von 573.546 kg zu berücksichtigen, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Einbeziehung einer weiteren Milchreferenzmenge bei der Festsetzung der ihr zustehenden Zahlungsansprüche - im Rahmen der erstmals für das Antragsjahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung - sind Art. 62 Satz 1, Satz 2 und 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. EU - Nr. 1 270 Seite 1) in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Gesetzes zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I S. 1298; Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -).
Nach Art. 62 Satz 1 VO (EG) 1782/2003 können die Mitgliedstaaten abweichend von dem Grundsatz (Art. 95 und Art. 47 Abs. 2 dieser Verordnung), dass die Milchprämien und Ergänzungszahlungen erst im Kalenderjahr 2007 in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, beschließen, dass die Beträge für Milchprämien und Ergänzungszahlungen gemäß den Art. 95 und 96 bereits 2005 ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift werden die nach diesem Absatz ermittelten Ansprüche entsprechend geändert. Die Einbeziehung der Milchprämie in die Betriebsprämienregelung für das Jahr 2005 ist in Deutschland durch § 5 Abs. 2 Nr. 1 bb.), Nr. 2 und 3 BetrPrämDurchfG erfolgt.
Für diesen Fall der Einbeziehung der Milchprämie in die Betriebsprämienregelung bestimmt Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003, dass der Referenzbetrag für diese Zahlungen den gemäß den Art. 95 und 96 zu gewährenden Beträgen entspricht, die auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Referenzmenge für Milch, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem diese Zahlungen ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, zur Verfügung steht, berechnet werden.
Gemäß Art. 95 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 wird die in Tonnen ausgedrückte einzelbetriebliche Milchreferenzmenge, die dem Betrieb am 31. März des jeweiligen Kalenderjahres zur Verfügung steht, - unbeschadet des Abs. 3 und der Kürzungen aus der Anwendung des Abs. 4 - multipliziert mit 16,31 Euro pro Tonne für das Kalenderjahr 2005.
Der Wortlaut des Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003 stellt für die Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages auf die Milchreferenzmenge ab, die der Klägerin am 31. März 2005 "zur Verfügung steht".
Bei Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003 handelt es sich um eine echte Stichtagsregelung. Maßgeblich ist also allein der Stichtag des 31. März 2005, der zeitnah zu der Antragstellung im Mai 2005 gelegen ist. Die allgemeine Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 bis 4 der VO (EG) Nr. 1782/2003 in Verbindung mit Art. 14, 15 der VO (EG) Nr. 795/2004 findet bei der Berücksichtigung von Milchprämien im Rahmen des betriebsindividuellen Betrages keine Anwendung.
Nach Art. 33 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003 hat ein Betriebsinhaber, dem im Bezugszeitraum (2000 bis 2002) eine Direktzahlung gewährt worden ist und der in diesem Zeitraum oder spätestens am 31. Dezember des Jahres, das dem Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung vorausgeht, seinen Rechtsstatus oder seine Bezeichnung ändert, unter den selben Bedingungen wie der ursprüngliche Betriebsinhaber Zugang zu dieser Regelung. Dasselbe gilt gemäß Abs. 3 im Fall von Zusammenschlüssen und Aufteilungen von Betrieben. Nach Art. 14 und 15 VO (EG) Nr. 795/2004 werden in diesem Fall Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche auf Basis des Referenzbetrages und der Hektarzahl des ursprünglichen Betriebes festgesetzt. Steht einem Betriebsinhaber zum 31. März 2005 eine Milchreferenzmenge in bestimmter Höhe zu, so ist diese unabhängig von früheren betrieblichen Veränderungen als Referenzmenge dieses Betriebes zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund ist es auch nicht entscheidungserheblich, dass die Klägerin im Antragsformular keine näheren Angaben unter Ziffer 4.5 zu ihrer Gründung und dem hiermit verbundenen Übergang von Milchreferenzmengen getroffen bzw. Anträge gemäß Art. 13 bis 17 VO (EG) Nr. 795/2004 nicht gestellt hat. Wie dargelegt macht die Klägerin eigene ihr zum Stichtag zum 31. März 2005 zustehende betriebsindividuelle Beträge geltend. Einer Überleitung sowie der Einhaltung der besonderen Voraussetzungen der Art. 14, 15 der VO (EG) Nr. 795/2004 bedurfte es dafür nicht.
Insbesondere bedurfte es einer ergänzenden Angabe einer Betriebsübergabe unter Ziffer 2.1 im Antragsformular vom 12. Mai 2005 entsprechend dem ausdrücklichen Hinweis für den Übergeber des Betriebes nicht. Denn nach dem Hinweis war die Klägerin lediglich dazu verpflichtet, der Beklagten unverzüglich nach Übergabe eines Betriebes davon eine entsprechende Meldung zu machen. Diese Verpflichtung betrifft nur Betriebsübertragungen nach erfolgter Antragstellung, d.h. - hier - nach dem 12. Mai 2005. Im vorliegenden Fall übergab Herr G. Giesmann seinen Betrieb samt Milchreferenzmenge zum 1. Januar 2005 und damit bereits vor der Antragstellung. Im Übrigen hat die Klägerin der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in J. bereits mit Zusendung des ordnungsgemäß ausgefüllten Meldebogens Betriebsübergabe/-übernahme unter dem 6. Januar 2005 die Betriebsübergabe angezeigt.
Unter dem Begriff "zur Verfügung steht" im Sinne der Vorschrift Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003 ist die Gesamtmilchreferenzmenge eines Betriebsinhabers zum Stichtag des 31. März eines Kalenderjahres zu verstehen, unabhängig davon, welche Referenzmenge bereits zuvor vermarktet worden ist bzw. dem Betriebsinhaber im jeweiligen Milchquotenjahr noch verbleibt. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Begriffsbestimmung gemäß Artikel 5 k) der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor. Danach bezeichnet der Ausdruck "verfügbare Referenzmenge" im Sinne dieser Verordnung die Referenzmenge, die dem Erzeuger am 31. März des Zwölfmonatszeitraums, für den die Abgabe berechnet wird, zur Verfügung steht, wobei alle in dieser Verordnung vorgesehenen Übertragungen, Überlassungen, Umwandlungen und zeitweiligen Neuzuweisungen, die während dieses Zwölfmonatszeitraums erfolgt sind, berücksichtigt werden. Mit dieser Begriffsbestimmung lässt sich die Auffassung der Beklagten, dem Übernehmer stehe bei einer Übertragung der Milchreferenzmenge während des Milchwirtschaftsjahres 2004/2005 lediglich die vom Übergeber noch nicht belieferte Milchreferenzmenge zur Verfügung, nicht vereinbaren.
Nach dieser Maßgabe stand der Klägerin zum Stichtag des 31. März 2005 eine Milchreferenzmenge von insgesamt 734.248 kg zur Verfügung. Das bestätigt der Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle J. - vom 30. März 2005. Darin bescheinigt die Landwirtschaftskammer der Klägerin, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Ziffer 1 Milchabgabenverordnung (MAV) vorliegen und die Klägerin den gesamten Betrieb durch Pachtvertrag vom 26. Dezember 2004 als Rechtsnachfolgerin des Herrn G. Giesmann als selbstständige Produktionseinheit nach § 7 Abs. 2 MAV zur Größe von 127 ha mit Ablauf des 31. Dezember 2004 übernommen hat. Der Klägerin wird zudem bescheinigt, dass mit Beginn des 1. Januar 2005 eine dem G. Giesmann zugeordnete Milchreferenzmenge von 734.248 kg auf sie übergegangen ist. Entsprechende Milchreferenzmengen ergeben sich auch aus der Meldungsübersicht für das Jahr 2005, die der Klägerin zum 1. April 2005 unter der Lieferantennummer O. eine Milchreferenzmenge von 734.248 ausweist. Aus welchem Grund die Meldungsübersicht einen Übergang der Milchreferenzmenge von Herrn G. Giesmann auf die Klägerin nicht entsprechend der Bescheinigung vom 30. März 2005 bereits zum 1. Januar 2005 und auch noch zum 31. März 2005 ausweist, ist nicht ersichtlich.
Diese der Klägerin am 31. März 2005 zustehende Milchreferenzmenge ist dem betriebsindividuellen Betrag, dessen nähere Berechnung sich aus Art. 62 Satz 3, 95 VO (EG) 1782/2003 sowie § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Betriebsprämiendurchführungsgesetz für das Jahr 2005 ergibt, zugrunde zu legen. Für die Klägerin ergibt sich daher für das Jahr 2005 bei einem Satz von 0,02368 Euro/kg eine weitere Milchprämie in Höhe von 13.445,75 Euro ([573.546 kg multipliziert mit 0,02368 Euro/kg] abzüglich von 1% zur Bildung der nationalen Reserve).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
BESCHLUSS
Der Streitwert wird auf
10.084,31 Euro
(75 Prozent der hier streitigen Zahlungsansprüche in Höhe von 13.445,75 Euro, vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16. November 2006 - 10 OA 198/06 -) festgesetzt.
Fahs
Dr. Luth