Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.12.2002, Az.: 2 U 190/02

Schadenersatzpflicht wegen irreführender Prospektangaben zu einer Kapitalanalge; Bestehen eines Vermögensschadens trotz objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.12.2002
Aktenzeichen
2 U 190/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 30490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2002:1213.2U190.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 13.08.2002 - AZ: 8 O 3573/01

Fundstellen

  • DStZ 2004, 207 (Kurzinformation)
  • EWiR 2003, 459 (Volltext mit red. LS)
  • ZBB 2003, 227 (red. Leitsatz)
  • ZfIR 2003, 609 (red. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 13. Dezember 2002
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. August 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 51.129,19 Euro.

Gründe

1

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf die Verfügung vom 11.11.2002 wird Bezug genommen. Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 27.11.2002 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

2

1.

Lediglich zur Verdeutlichung dazu, warum die Prospektangaben zu dem zu erwartenden Ertrag nach Ansicht des Senats irreführend und schönfärbend sind, sei mit Rücksicht auf die hiergegen erhobenen Einwändungen folgendes hervorgehoben:

3

Das Gutachten des Ingenieurbüros P... vom 28.09.1998 weist gerade keine "zu erwartende Leistung ... von 60.801,085 kW/h pro Jahr aus", sondern diese Zahl beruht auf Messungen vor Ort über einen Zeitraum von lediglich 12 Monaten in einem überdurchschnittlichen Windjahr. Die davon nach dem Prospekt vorgenommenen Abschläge beruhen nicht auf "kaufmännischer Vorsicht", sondern sind ausgehend von dem Gutachten vom 28.09.1998 bereits "gemäß dem Stand von Wissenschaft und Technik" erforderlich, um den durchschnittlichen Ertrag zu ermitteln. Danach konnte entgegen den Ausführungen in dem Prospekt nicht nur "nicht ausgeschlossen werden, daß in einzelnen Jahren durch außergewöhnliche Witterungsverhältnisse die prognostizierten Winddaten nicht erreicht oder übertroffen werden", sondern hiervon mußte nach dem zugrunde gelegten Windgutachten bereits ohne hinzutreten besonderer Umstände ohne weiteres ausgegangen werden. Dementsprechend konnten und durften die in der "Ergebnisvorschau und Liquiditätsprognose (1998-2008)" für einzelne Jahre ausgewiesenen Überschüsse von vornherein nicht erwartet werden.

4

2.

Durch die Anlageentscheidung ist dem Kläger ein Schaden entstanden.

5

a)

Ein Vermögensschaden kann schon darin liegen, daß der von einem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seiner Vermögensdisposition beeinträchtigt ist. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH NJW 1998, 302, 304) [BGH 26.09.1997 - V ZR 29/96]. So liegt der Fall hier. Die Kapitalanlage entspricht im Ergebnis nicht den durch den Prospekt erweckten Erwartungen und ist insbesondere aufgrund der beschönigenden Angaben zur Ertragsprognose im Zusammenhang mit den Windverhältnissen für den Kläger wesentlich risikoreicher. Augenfällig schlägt sich dies darin nieder, daß die prognostizierten Ausschüttungen (15% bzw. 12% des Kommanditkapitals für die Jahre 2000 bzw. 2001) ausbleiben mußten. Dieser Aspekt unterscheidet den vorliegenden Fall von der von der Berufung zitierten Entscheidung BGHZ 115, 213 ff.. Auch die weiterhin angeführte Entscheidung des OLG Stuttgart WM 1987, 1260 ist nicht einschlägig; denn in jenem Fall war gerade bewiesen, daß der Anleger auch bei entsprechender ordnungsgemäßer Unterrichtung von seinem Anlageentschluss nicht abgesehen hätte.

6

b)

Darüberhinaus ergibt sich ein Vermögensschaden schon aufgrund einer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Beteiligung. Denn es steht außer Streit, daß der erworbene Komanditanteil infolge der gegenüber den Prospektangaben negativen Ertragssituation einen Wertverfall erlitten hat; er kann - wenn überhaupt - allenfalls für 15% des Nominalwerts verkauft werden. Dieser Verlust wird keinesfalls kompensiert durch bereits realisierte Steuervorteile. Denn Verluste können - wie in dem Prospekt zutreffend ausgeführt wird - nach § 15 a EstG nur bis zur Höhe der Kommanditeinlage mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden, und der dadurch bedingte Liquiditätsrückfluß belief sich ausweislich der "Ergebnisvorschau und Liquiditätsprognose (1998 - 2008)" ausgehend von einem Spitzensatz der Einkommenssteuer von 53% einschließlich Solidaritäszuschlag bisher auf lediglich knapp 56% des eingesetzten Eigenkapitals.

7

3.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie wirft keine Rechtsfragen auf, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten können, und hat auch keine andere Auswirkungen, die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berühren (vgl. BGH, Beschluß vom 01.10.2002 - XI ZR 71/02). Hierzu genügt es insbesondere nicht, daß beim Senat und beim Landgericht Oldenburg jeweils zwei Parallelverfahren anhängig sind.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.