Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.11.2017, Az.: 11 K 19/17
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.11.2017
- Aktenzeichen
- 11 K 19/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2017:1116.11K19.17.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 21.03.2018 - AZ: XI B 113/17
Rechtsgrundlagen
- Art. 13 Abs. 1 EGRL 112/2006
- § 2 Abs. 1 UStG 2005
- § 1 Abs. 1 UStG 2005
- UStG VZ 2005
- UStG VZ 2006
- UStG VZ 2007
- UStG VZ 2008
- UStG VZ 2009
Fundstellen
- GK 2019, 38-47
- ZKF 2019, 11-13
Amtlicher Leitsatz
Die Übernahme der Tierkörperbeseitigungspflicht vom Landkreis im Rahmen einer Beleihung gegen Gewährung eines Zuschusses stellt eine sonstige Leistung gegen Entgelt dar.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob Zahlungen des Landkreises E an die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin auf Grundlage des Vertrages zwischen dem Landkreis und der FB-GmbH vom xxx 1997 in den Streitjahren 2005 bis 2009 als umsatzsteuerbare und -pflichtige Entgelte oder als nichtsteuerbare echte Zuschüsse anzusehen sind.
Die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerinnen unterhielten zumindest seit Ende der xxxziger Jahre einen Betrieb zur Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen. Grundlage für den Betrieb war zunächst ein zwischen dem Landkreis E und der FB-GmbH am xxx bzw. xxx 1959 geschlossener Unternehmervertrag. Nach Kündigung dieses Vertrages durch die Gesellschaft schlossen der Landkreis E und der Landkreis G zur Erfüllung der den Beseitigungspflichten nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz (TierKBG) und dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz (Nds. AB TierKBG) obliegenden Aufgaben in ihrem Einzugsgebiet für die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Tierischen Erzeugnissen am xxx 1993 einen Vertrag. Mit Schreiben vom xxx 1993 teilten die beiden Landkreise der Bezirksregierung W mit, sie bedienten sich der FB-GmbH zur Erfüllung der Beseitigungspflicht durch Entsorgungsvertrag. Nach Kündigung des Vertrages hätten sie einen neuen geschlossen, in dem geregelt sei, die Beseitigungspflicht für Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse auf die GmbH zu übertragen. Beide Landkreise beantragten nunmehr bei der Bezirksregierung die Übertragung auf die Gesellschaft. Die FB-GmbH & Co KG teilte der Bezirksregierung am xxx 1993 mit, dass in einem neuen Vertrag mit den beiden Landkreisen die Übernahme der Beseitigungspflicht vereinbart worden sei. Die Gesellschaft stellte deshalb bei der Bezirksregierung den Antrag, ihr nach § 4 Abs. 2 TierKBG für die auf dem Gebiet der Landkreise E und G anfallenden Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse die Beseitigungspflicht zu übertragen. Nach eingehender Prüfung erließ die Bezirksregierung am xxx 1994 einen entsprechenden Bescheid.
Mit Schreiben vom xxx1996 teilte der Landkreis G der Bezirksregierung mit, der Gesellschaft sei seinerzeit die Beseitigungspflicht übertragen worden, wobei dieser Übertragung der Vertrag vom xxx 1993 zugrunde gelegen habe. Beide Landkreise hätten den Vertrag zum xxx 1996 gekündigt, weil eine enorme Kostensteigerung von beiden Körperschaften zu tragen sei. Da die Grundlage für die Übertragung der Tierkörperbeseitigung nunmehr entfallen sei, werde die Rückübertragung auf die beiden Landkreise beantragt. Man beabsichtige, zum xxx 1997 einen Beseitigungsvertrag mit der Tierkörperbeseitigungsanstalt H abzuschließen. Der Landkreis E schloss sich der Kündigung nicht an. Die FB-GmbH & Co KG teilte der Bezirksregierung auf Nachfrage am xxx 1996 mit, dass sie keine Einwände gegen die Rückübertragung auf den Landkreis G erhebe, wenn dieser ab dem xxx 1997 die gesetzlichen Beseitigungspflichten selbst wahrnehmen wolle. Mit Bescheid vom xxx 1996 widerrief die Bezirksregierung ihren Bescheid vom xxx 1994 hinsichtlich des Einzugsgebiets des Landkreises G.
Am xxx 1997 schloss der Landkreis E mit der FB-GmbH zur Erfüllung der dem Beseitigungspflichtigen nach dem TierKBG und dem Nds. AG TierKBG obliegenden Aufgaben für die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen, der an die Stelle des Vertrages vom xxx 1993 trat.
Ab September 2010 bis Juni 2011 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung O bei der Klägerin bzw. für die Jahre 2005 bis 2008 ihrer Rechtsvorgängerin eine Außenprüfung durch. Dabei wurde festgestellt, dass die Erstattung der ungedeckten Kosten der Tierkörperbeseitigung durch den Landkreis E an die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin in den Umsatzsteuererklärungen als nicht steuerbare echte Zuschüsse behandelt worden waren. Der Großbetriebsprüfer ging demgegenüber davon aus, es liege ein Leistungsaustausch zwischen den Gesellschaften und dem Landkreis vor. Die Gesellschaft erfülle als Unternehmerin die gesetzlichen Beseitigungspflichten gegen Entgelt. Die bislang erklärten umsatzsteuerlichen Erlöse seien deshalb zu erhöhen, wobei der Großbetriebsprüfer für 2007 einen allgemeinen Steuersatz von 19 v. H. anwandte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 13 des Teil-Berichts vom xxx 2011 über die Außenprüfung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung O zur StNr. xxx für die Jahre 2008 und 2009 zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx und Tz. 14 des Teil-Berichts des Finanzamts für Großbetriebsprüfung vom xxx 2011 über die Außenprüfung zur StNr. xxx; xxx hingewiesen.
Der Beklagte setzte diese Feststellungen mit Umsatzsteuerbescheiden vom xxx 2011 entsprechend um. Die Bescheide wurden der damaligen steuerlichen Beraterin bekannt gegeben; Inhaltsadressat für die Jahre 2005 bis 2008 war die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der S-GmbH & Co KG und für 2009 die Klägerin ohne entsprechenden Zusatz.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruchsschreiben vom xxx 2011.
Mit Schreiben vom xxx 2011 führte sie zur Einspruchsbegründung zunächst aus, dass die S-GmbH & Co KG mit steuerlicher Wirkung zum xxx 2008 in eine GmbH formgewechselt worden sei und seitdem zunächst unter S-GmbH firmiert habe. Die S-GmbH habe ihrerseits mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom xxx 2010 mit Wirkung zum xxx 2009 den Teilbetrieb K I und II auf die R-GmbH (StNr. xxx) übertragen. Schließlich sei die Änderung der Firma der S in S-GmbH zu Beginn des Jahres 2011 in das Handelsregister eingetragen worden. Im Zusammenhang mit der Abspaltung des Teilbetriebs K I und II von der S-GmbH auf die R-GmbH sei insbesondere der Bereich der Tierkörperbeseitigung von der S-GmbH auf die R-GmbH übergegangen. Rechtsnachfolgerin hinsichtlich der Umsatzsteuerforderungen 2005 bis 2009 sei daher die R-GmbH. Der Inhaltsadressat der Bescheide sei somit falsch bezeichnet; die Bescheide unwirksam.
Im Übrigen habe der Großbetriebsprüfer 2007 irrtümlich einen Steuersatz von 19 v. H. zugrunde gelegt.
Der Beklagte erklärte zu dem verfahrensrechtlichen Problem, die angefochtenen Bescheide seien wirksam bekanntgegeben. Aus dem Abspaltungsvertrag vom xxx 2010 ergebe sich, dass ein Teil des Betriebs der S-GmbH (später die Klägerin) im Wege der Abspaltung auf die S-Verwaltungs-GmbH (später R-GmbH) übertragen worden sei. Die Abspaltung solle zum xxx 2010 wirksam werden. Es sei vereinbart gewesen, dass öffentliche Lasten und öffentliche Verpflichtungen, die auf den übertragenen Teilbetrieb entfielen und erst in Zukunft entstünden, auf die R-GmbH übergehen sollten. Bei einer Abspaltung werde der Übernehmer aber nicht Gesamtrechtsnachfolger des bisherigen Rechtsträgers; beide seien vielmehr Gesamtschuldner. Die R-GmbH könne zusätzlich als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, gleichwohl seien die Bescheide vom xxx 2011 zutreffend adressiert. Die Klägerin erklärte diesen Punkt für erledigt.
Der Einsprüche hatten hinsichtlich der Jahre 2005 bis 2008 teilweise Erfolg; für 2009 blieben sie erfolglos. In dem Einspruchsbescheid für die Jahre 2005 bis 2008 erfolgten Vorläufigkeitsvermerke wegen der streitigen Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung nach § 233 a Abgabenordnung. Die Umsatzsteuer 2007 wurde unter Anwendung eines Steuersatzes von 16 v. H. gemindert. Die Zahlungen des Landkreises seien als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches zu werten, weil ihre Grundlage der geschlossene Vertrag aus dem Jahr 1997 sei. In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH- (u. a. Urteil vom 8. November 2007 V R 20/05, BStBl. II S. 483) und des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urteil vom 15. Juni 2016 5 K 77/13, rechtskräftig seit 1. August 2016, n. v.) hinzuweisen.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr materiell-rechtliches Begehren weiter. Die Darstellung im Einspruchsbescheid, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin mit verschiedenen Landkreisen Unternehmerverträge abgeschlossen habe, sei insofern falsch, weil eine Vereinbarung nur mit dem Landkreis E bestehe und die Vereinbarung als Beseitigungsvertrag bezeichnet worden sei. Dieser Vertrag sei öffentlich-rechtlicher Natur. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 1996 3 C 8/95, NVwZ-RR 1998, 302 (Juris Rdnr. 36) sei Gegenstand eines solchen Unternehmervertrages das gemeinsame Bemühen beider Vertragspartner, die Tierkörperbeseitigungspflicht von der Körperschaft auf einen Privatmann übertragen zu lassen. Die Erfüllung der Tierkörperbeseitigungspflicht durch den Unternehmer nach Übertragung sei eine eigene Pflicht des Unternehmers, keinesfalls eine Leistung gegenüber der Körperschaft. Es sei deshalb auch unzutreffend, dass der Landkreis E selbst die Beseitigungspflicht auf die Klägerin übertragen habe. Schon bei Vertragsschluss am xxx 1997 sei der Landkreis schon nicht mehr beseitigungspflichtig gewesen, weil die Übertragung durch die Bezirksregierung bereits 1994 erfolgt sei.
Nach § 6 Abs. 1 des Vertrages zwischen Landkreis und Klägerin sei dieser verpflichtet gewesen, für die Beseitigung der Tierkörper die nach Abzug der Verwertungserlöse verbleibenden und wirtschaftlich notwendigen Kosten zu erstatten. Der Erstattungsbetrag war nach der Regelung ein Nettobetrag, auf welchen die Umsatzsteuer - bei Rechtspflicht - in ihrer jeweiligen gesetzlich festgelegten Höhe zu entrichten war. Nach § 8 Abs. 3 des Nds. AG TierKBG in der damals geltenden Fassung bestimmte, dass von den Eigentümern der Tierkörper keine Gebühren und Auslagen erhoben wurden. Die Beseitigung sei deshalb zu Lasten der Schlachtbetriebe erfolgt, die es aber nicht zu verantworten gehabt hätten, dass der Landesgesetzgeber die Landwirte nicht habe belasten wollen. Es sei somit klar, dass der private Betreiber einer Tierkörperverwertungsanstalt von den Besitzern der Tierkörper kein Entgelt habe nehmen dürfen, ohne dass geregelt worden sei, wie er sich refinanzieren solle. Die von der Beseitigungspflicht entbundene Kommune sei jedenfalls nicht zwangsläufig mit den Aufwendungen des Betreibers zu belasten. Dies sei ursprünglich folgerichtig gewesen, weil die Produkterlöse hoch gewesen seien. Mittlerweile habe sich dies allerdings geändert. Nach der neuen Rechtslage durch Einführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) und des Nds. AG TierNebG 2005 sei dann geregelt worden, dass die Entgelte für den Betreiber einer Tierkörperbeseitigungsanlage in Anwendung der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten zu berechnen seien. Für die Lagerung, Verarbeitung und endgültige Beseitigung von Falltieren werde eine Gebühr in Höhe von 25 v. H. der hierfür entstehenden Kosten von den Falltier-Besitzern (Landwirten) erhoben. Die verbleibenden Kosten für die Falltier-Beseitigung bei Übertragung der Beseitigungspflicht müssten von den originär pflichtigen Kommunen bezahlt werden, wobei lediglich ein Defizitausgleich, nicht aber ein preisauffüllendes Entgelt zu leisten sei.
Der Inhaber einer Tierkörperbeseitigungsanlage nehme als Beliehener selbst die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Beseitigung wahr. Er werde Teil der öffentlichen Verwaltung und unterliege der Fachaufsicht durch die Bezirksregierung.
Umsatzsteuerrechtlich folge aus diesem Befund, dass der Vertrag zwischen dem Landkreis E und der Klägerin nicht etwa ein Unternehmervertrag sei, sondern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sui generis, gerichtet auf das Bemühen der Übertragung der Beseitigungspflicht. Deshalb könne der Beklagte sich auch nicht auf die Rechtsprechung zum Unternehmervertrag berufen, mit dem sich der Beseitigungsunternehmer im Verhältnis zur öffentlich-rechtlich immer noch beseitigungspflichtigen Kommune schuldrechtlich zur Beseitigung verpflichte.
In Niedersachsen habe die Finanzverwaltung ursprünglich die Ansicht vertreten, es handele sich bei den Zahlungen der originär beseitigungspflichtigen Kommunen an beliehene Tierkörperbeseitiger um echte Zuschüsse. Dies solle nun nicht mehr gelten. Der BFH habe zunächst in seinem Urteil vom 2. September 2010 V R 23/09 der These widersprochen, dass der beliehene Betreiber einer Tierkörperbeseitigungsanlage als öffentliche Einrichtung zu behandeln sei. Dass ein beliehener Unternehmer nicht schon wegen der Beleihung notwendig als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen sei, werde auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Allerdings sei der Betreiber einer Tierkörperbeseitigungsanlage in den Bereich der öffentlichen Verwaltung integriert, weil er die spezifischen öffentlich-rechtlichen Vorgaben erfüllen müsse und der Fachaufsicht unterliege. So habe auch das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 31. Mai 2016 3 L 430/14 (Juris Rdnr. 52) für den Transport von Pflichtmaterial entschieden, dass dieser Transport nach TierNebG eine hoheitliche Aufgabe der beseitigungspflichtigen Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, da nicht dadurch zur privatrechtlich verfügbaren Aufgabe werde, dass sie einem privaten Dritten übertragen werde. Die Tierkörperbeseitigung durch eine Kommune sei als Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht umsatzsteuerbar (Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 18. Dezember 2014 1 K 183/12, EFG 2015 862 = Juris Rdnr. 26 f.; bestätigt durch BFH, Urteil vom 21. September 2016 XI R 4/15, BFH/NV 2017, 146 = Juris Rdnr. 22; ferner Urteil vom 10. Februar 2016 XI R 26/13, BFH/NV 2016 865 [BFH 10.02.2016 - XI R 26/13], Rdnr. 32 m. w. N.). Aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität müssten dann auch die Leistungen der Klägerin nicht steuerbar sein. Die Klägerin vertrete allerdings die Auffassung, dass auch die Kommune bei der Beseitigung von Tierkörpern gegenüber dem Besitzer eine steuerbare Leistung erbringe, weil diese eine wirtschaftliche Leistung im Sinne des Art. 9 MwStSystRL darstelle. Ob die Kommunen als Steuerpflichtige nach Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL zu behandeln seien, könne letztlich offenbleiben, weil sie dann zumindest auch einen Vorsteuerabzug haben müssten.
Zwischen der Kommune und der Klägerin bestehe auch kein Leistungsaustausch. Die Beseitigung der Tierkörper stelle zwar eine Leistung der Klägerin dar, diese werde aber gegenüber dem Landwirt erbracht. Ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen der Kommune und der Klägerin käme nur dann in Betracht, wenn die behördliche Entscheidung zur Aufgabenübertragung letztlich nur ein Reflex einer unmittelbaren vertraglichen Regelung zwischen beiden wäre. Eine derartige Konstellation habe der Entscheidung des BFH vom 2. September 2010 zugrunde gelegen. Sie sei deshalb auf den Streitfall nicht übertragbar, weil die Beleihung nicht mit dem Vertrag verknüpft sei.
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Juni 2016 5 K 77/13 verkenne, dass die dort in Bezug genommenen vertraglichen Regelungen über Pflichten des Anlagenbetreibers und die Entgeltregelungen schon deshalb nicht einen Leistungsaustausch begründen könnten, weil die Pflichten sich für den Betreiber schon auf Grund der öffentlich-rechtlichen Rechtslage nach Beleihung ergäben. Mit solchen Leerformeln lasse sich kein Leistungsaustausch begründen. Nur die Regelung in § 6 des Vertrages über den Zuschuss habe juristisch Substanz.
Die Annahme des 5. Senats, er ergäbe sich wegen der Übertragung der Beseitigungspflicht ein verminderter Personal und Bewirtschaftungsaufwand und damit ein verbrauchsfähiger Vorteil bei originär Beseitigungsverpflichteten, sei ebenfalls unrichtig. Die Alternative zur Übertragung sei der traditionelle Unternehmervertrag, bei dem die Beseitigungsleistung als solche auch vollständig vom Unternehmer und nicht von der Kommune durchgeführt würde.
In Niedersachsen habe der Landesgesetzgeber entschieden, dass die Kommunen beim beseitigungspflichtigen Inhaber einer entsprechenden Anlage nur noch als Kostenträger für die Falltiere in die Tierkörperbeseitigung eingebunden seien. Wenn dann zwischen den Anlagenbetreibern und Kommunen Regelungen zur Verteilung und Ermittlung von Kosten getroffen würden, begründe dies keinen Leistungsaustausch.
Die Zahlungen seien auch nicht als Entgelt von dritter Seite im Leistungsaustausch zwischen Klägerin und Landwirten zu bewerten.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2009 vom xxx 2011 in der Fassung der Einspruchsbescheide vom xxx 2016 wie folgt zu ändern:
Für das Jahr 2005 wird die in Höhe von xxx € festgesetzte Umsatzsteuer um 395.000 € gemindert, sodass sich ein Überschuss von xxx € ergibt;
für das Jahr 2006 wird die in Höhe von xxx € festgesetzte Umsatzsteuer um 350.000 € gemindert, sodass sich ein Überschuss von xxx € ergibt;
für das Jahr 2007 wird der in Höhe von xxx € festgesetzte Umsatzsteuerüberschuss um 470.000 € erhöht, sodass sich ein Überschuss von xxx € ergibt;
für das Jahr 2008 wird der in Höhe von xxx € festgesetzte Umsatzsteuerüberschuss um 500.000 € erhöht, sodass sich ein Überschuss von xxx € ergibt;
für das Jahr 2009 wird der in Höhe von xxx € festgesetzte Umsatzüberschuss um 320.000 € erhöht, sodass sich ein Überschuss von xxx € ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in den beiden Einspruchsbescheiden geäußerten Rechtsansicht fest. Es sei unerheblich, dass die Übertragung auf die Klägerin seinerzeit ohne öffentliche Ausschreibung erfolgt sei. Die Frage, ob es sich um einen echten oder unechten Zuschuss handele, sei nicht entscheidend, weil ein Leistungsaustausch zwischen der Kommune und der Klägerin bestehe.
Das Gericht hat die Akte des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit über die Übertragung der Beseitigungspflicht auf die V/R und die Akte über den Altvorgang der Bezirksregierung W zu diesem Verfahren beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2009 vom xxx 2011 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xxx 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen waren bei der Durchführung der Tierkörperbeseitigung in den Streitjahren als Beliehene unternehmerisch i. S. d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) tätig (1.). Eine Berufung der Klägerin auf Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vermag an diesem Ergebnis nicht zu ändern (2.). Zwischen der Klägerin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen einerseits und dem Landkreis E auf der anderen Seite bestand in den Streitjahren ein Leistungsaustausch mit der Folge, dass die Übernahme der hoheitlichen Betätigung als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung gegen Entgelt ausgeführt worden ist (3.).
1. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen waren in den Streitjahren schon wegen der Wahrnehmung der Tierkörperbeseitigung als Beliehene Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG. Eine juristische Person oder Personengesellschaft des privaten Rechts, denen als Inhaberinnen der Tierkörperbeseitigungsanstalt die öffentlich-rechtliche Beseitigungspflicht von Tierkörpern übertragen worden sind, werden durch diese Übertragung (nach deutschem Recht: Beleihung) nicht zu einer Einrichtung des öffentlichen Rechts i. S. von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass ein Beliehener dann als Nichtsteuerpflichtiger zu behandeln ist, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die Tätigkeit muss durch eine öffentliche Einrichtung ausgeübt werden und die Vornahme der Tätigkeit muss im Rahmen öffentlicher Gewalt erfolgen.
Eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Europarechts liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn diese organisatorisch in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist. Eine juristische Person oder eine Personenvereinigung des Privatrechts, die wie die Klägerin nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist, ist auch als Beliehene keine öffentliche Einrichtung. Die Vornahme von Tätigkeiten öffentlicher Gewalt beurteilt sich danach, ob diese im Rahmen eigens für sie geltender rechtlicher Regelungen ausgeübt werden. Eine öffentliche Beleihung - wie im Streitfall - oder Bestallung allein, aufgrund der ein privater Unternehmer bei der Vornahme von Amtshandlungen öffentliche Gewalt ausübt, erlaubt nicht die Nichteinbeziehung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in die Steuerpflicht, wenn der Unternehmer die Tätigkeiten mangels Eingliederung in die öffentliche Verwaltung nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts, sondern in Form einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ausübt, wie z B. im Rahmen eines freien Berufs oder einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit.
Diesen von EuGH und BFH herausgearbeiteten und in ständiger Rechtsprechung bestätigten Grundsätzen (vgl. nur BFH, Urteile vom 2. September 2010 V R 23/09, BFH/NV 2011, 458 = Juris Rdnr. 34; vom 10. Februar 2016 XI R 26/13, BStBl. II 2017, 857 = Juris Rdnr. 33 f.) folgt der Senat trotz der in der Literatur vertretenen Gegenauffassung (Lange/Spils ad Wilken, Kann der beliehene Unternehmer hoheitlich tätig sein?, UR 2006, 7, 10).
2. Die Klägerin kann sich zur Vermeidung ihrer Stellung als Unternehmerin auch nicht auf Art. 13 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL berufen. Danach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts - wie z. B. die Landkreise - als Unternehmer anzusehen, wenn sie Tätigkeiten ausführen oder Umsätze bewirken, bei deren Einordnung als Nichtunternehmer es im Vergleich zu anderen Unternehmern zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen würde. Mit der Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgabe der Tierkörperbeseitigung wird der zuständige Landkreis gegenüber den Beseitigungsverpflichteten nicht zu einem Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG (FG Thüringen, Urteil vom 18. Dezember 2014 1 K 183/12, EFG 2015, 862 = Juris Rdnr. 23; bestätigt durch BFH, Urteil vom 21. September 2016 XI R 4/15, BFH/NV 2017, 397 = Juris Rdnr. 22). Ob Wettbewerbsverzerrungen vorliegen, ist in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen, ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht. Unerheblich ist daher, dass auf dem Gebiet eines Landkreises nach Beleihung auf eine Privatperson keine Konkurrenzsituation auf diesem Gebiet mehr entstehen kann. Davon unabhängig kann aber ein Unternehmer, der einen solchen Wettbewerbsverstoß rügt, nicht erreichen, dass seine Unternehmereigenschaft negiert wird, sondern nur, dass sein öffentlich-rechtlicher Mitbewerber als Unternehmer zu behandeln ist. Der allgemeine Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer kann diese in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL angelegte Konsequenz nicht zugunsten der Klägerin verdrängen.
3. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. Urteile vom 18. März 2004 V R 101/01, BStBl. II 2004, 798; vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, BFH/NV 2013, 326; vom 22. April 2015 XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862). In Fällen, in denen ein anderer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Peron des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung dieser als einer Gegenleistung richtet, in erster Linie auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden, den Bewilligungsbescheid oder die Vereinssatzung abzustellen (BFH, Urteil vom 22. April 2015 XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862 = Juris Rdnr. 19 m. w. N.).
Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor (vgl. BFH, Urteile vom 21. April 2005 V R 11/03, BStBl. II 2007, 63; vom 8. November 2007 V R 20/05, BStBl. II 2009, 483). Zahlungen der öffentlichen Hand können auch dann Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt (BFH, Urteile vom 8. November 2007 V R 20/05, BStBl. II 2009, 483; vom 29. Oktober 2008 XI R 76/07, BFH/NV 2009, 795; Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 XI B 109/09, BFH/NV 2009, 795; vom 14. November 2011 XI B 66/11, BFH/NV 2012, 460 [BFH 11.11.2011 - V B 19/10]). In der Rechtsprechung des BFH sind daneben in einer Vielzahl von Fällen als bloße Zuschüsse deklarierte Zahlungen der öffentlichen Hand als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers angesehen worden (vgl. umfangreiche Zusammenstellung bei BFH, Urteil vom 22. April 2015 XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862 = Juris Rdnr. 20). Keine Leistung gegen Entgelt liegt dagegen vor, wenn der Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll. Bei der Beurteilung ist nicht entscheidend, ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht (BFH, Urteil vom 19. Juni 2011 XI R 8/09, BFH/NV 2011, 2184). Im Falle einer Aufgabenübernahme ist auch nicht maßgebend, ob es sich um eine Pflichtaufgabe oder eine freiwillige Aufgabe der betreffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt (BFH, Urteil vom 22. April 2015 XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862 = Juris Rdnr. 22 m. w. N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt zwischen der Klägerin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor. Schuldrechtliche Grundlage für die Beurteilung ist der am 1. Februar 1993 geschlossene Vertrag zwischen den ursprünglich zwei Landkreisen und der FB-GmbH & Co KG. In diesem Vertrag wird unter § 1 festgelegt, dass die Parteien davon ausgehen, dass eine Beleihung der GmbH & Co KG durch die Bezirksregierung erfolgen werde. Erst auf gemeinsamen Antrag der beiden Landkreise und der Gesellschaft erfolgte dann die Beleihung mit der Folge, dass die Landkreise von ihrer Beseitigungspflicht entbunden waren. Dass es sich bei dieser Entbindung um einen für die Landkreise entscheidenden erheblichen wirtschaftlichen Vorteil handelte, steht zur Überzeugung des Senats fest, gerade auch unter Berücksichtigung der Vorgänge um den Vertragsschluss im Jahr 1993 und unter Berücksichtigung des Verhaltens der Landkreise nach Kündigung dieses Vertrages zum xxx 1996. Dass es sich bei diesem Vertrag aus dem Jahr 1993 um einen öffentlich-rechtlichen handelt, weil die GmbH & Co KG mit der Übertragung selbst Beseitigungspflichtige wurde (so BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 3 C 8/95, NVwZ-RR 1998, 302 = Juris Rdnr. 36), steht der umsatzsteuerlichen Bewertung nicht entgegen, weil die Gesellschaft mit ihrem Antrag bei der Bezirksregierung freiwillig die Beleihung herbeigeführt und damit als Kehrseite auch die Entbindung der Landkreise von dieser gesetzlichen Pflicht bewirkt hat.
Weiterhin sind bei der Beurteilung der Leistungsbeziehungen auch die Regelungen in §§ 2 des Vertrages zu berücksichtigen. Die Klägerin irrt dabei, wenn sie davon ausgeht, dass in diesen Regelungen lediglich die Verpflichtungen wiederholt würden, die sie als Beliehene bereits kraft Gesetzes träfen. Entscheidend ist demgegenüber, dass mit der Aufnahme dieser gesetzlichen Verpflichtungen in den Vertrag zusätzlich ein schuldrechtlicher Anspruch der beiden Landkreise auf Erfüllung der Verpflichtungen begründet wurde, der ohne die vertraglichen Bestimmungen nicht bestehen würde. Nur wegen dieser Ansprüche bestand eine Möglichkeit, die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben gegenüber der Gesellschaft ggf. zwangsweise durchzusetzen. Dies war bei Würdigung der von der Bezirksregierung W am xxx 1994 erteilten Beleihung von entscheidender Bedeutung für die Landkreise, stand diese Beleihung doch unter dem Widerrufsvorbehalt für den Fall, dass die Beseitigung nicht entsprechend der gesetzlichen Regelungen vorgenommen werde. Durch den neuen Vertrag zwischen dem Landkreis w und der FB-Verwaltungs-GmbH vom xxx 1997 wurden hinsichtlich des schuldrechtlichen Verhältnisses lediglich Modifikationen vorgenommen, die grundsätzlichen Bestimmungen blieben unverändert.
Ergänzend weist der Senat zur Begründung seiner Ansicht auch auf die Ausführungen im Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts vom15. Juni 2016 5 K 77/13 auf Seite 10 f. hin, die die Klägerin zwar in ihrer Klagebegründung vom 6. März 2017 auf den Seiten 14 bis 16 kritisiert, die sich der Senat aber nach erneuter Überprüfung trotzdem zu eigen macht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.