Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.11.2017, Az.: 11 K 113/17
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.11.2017
- Aktenzeichen
- 11 K 113/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43850
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2017:1116.11K113.17.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 26.06.2018 - AZ: VII R 47/17
Rechtsgrundlagen
- Art. 122 EGRL 112/2006
- § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 2005
- Anl. 2 Nr. 48 UStG
- Anl. 2 Nr. 48a UStG
- UStG VZ 2013
Fundstellen
- EFG 2018, 417-419
- KÖSDI 2018, 20707-20708
- MwStR 2018, 4
- UStB 2018, 74-75
- Umsatzsteuer direkt digital 2018, 17
Amtlicher Leitsatz
Die Lieferung von Holzhackschnitzeln aus landwirtschaftlich gewonnenem Holz unterfällt dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Unternehmer sich auf Art. 122 MwStSystRL i.V. m. dem europarechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität beruft.
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln aus Baumschnittabfällen als Brennstoff.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die am xxx 1999 errichtet worden ist. Im Rahmen ihres Unternehmens erbringt sie landwirtschaftliche Dienstleistungen für den Pflanzenbau. Im Streitjahr 2013 erklärte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung vom xx. November 2014 erstmals Lieferungen und sonstige Leistungen zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 25.000 €.
In den Monaten Mai bis September 2016 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die u. a. die umsatzsteuerlichen Verhältnisse der Jahre 2012 bis 2014 umfasste. Dabei traf der Außenprüfer folgende Feststellungen:
- Die Klägerin hatte in den Jahren 2012 bis 2014 unter anderem auch Umsätze aus der Herstellung und dem Vertrieb von Holzhackschnitzeln erzielt. Die Holzhackschnitzel seien nach den Angaben der Gesellschafter der Klägerin aus angekauftem Holz, das bei Waldarbeiten anfalle, hergestellt worden. Teilweise sei ihr auch im Austausch für erbrachte Lohnarbeitsleistungen entsprechendes Holz überlassen worden. So habe sie Schnittholz und Kronenholz für getätigte Arbeitsleistungen von den Kommunalbetrieben in Bremen erhalten. Rechnungen habe sie erst dann geschrieben, wenn die von ihr erbrachten Arbeitsleistungen höherwertiger gewesen seien als der Wert des Holzes.
- Im Betrieb der Klägerin seien drei Arten von Holzhackschnitzeln hergestellt worden:
Sorte 1: Holzhackschnitzel ungetrocknet,
Sorte 2: Holzhackschnitzel getrocknet,
Sorte 3 Holzhackschnitzel getrocknet und gesiebt. Diese Sorte sei als Brennstoff für eine Holzhackschnitzelheizung geliefert worden.
- Die Lieferungen der Sorten 2 und 3 waren nach den Ermittlungen des Außenprüfers mit dem ermäßigten Steuersatz der Umsatzsteuer unterworfen worden.
Der Außenprüfer ging bei der Würdigung davon aus, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. Anlage 2 Nr. 48 Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen (Unterposition 4401 10 00 des Zolltarifs - ZT) und Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst (Unterposition 4401 30 ZT) dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Nicht in die Begünstigung aufgenommen habe der nationale Gesetzgeber Waren der Unterposition 4401 21 00 und 4401 22 00 ZT. Nach dem Zolltarif handele es sich dabei um Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln entweder aus Nadel- oder anderem Holz.
Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF- vom 5. August 2004 (BStBl. I 2004, 638) könne sich die Klägerin nicht auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 Nr. 48 a berufen, weil unter Brennholz dort kein Holz in Form von Schnitzeln aufgeführt sei. Auf die Unterpositionen 4401 10 ZT und 441 22 00 ZT habe der Steuergesetzgeber gerade nicht verwiesen. Eine Steuerermäßigung käme deshalb nur in Betracht, wenn § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 Nr. 48 b erfüllt sei, mithin Holzabfälle oder Holzausschuss vorläge. Holzhackschnitzel, die bei der Herstellung eines Produkts als Nebenprodukt (Abfall) in einem Unternehmen oder Gewerbe anfielen (sogenannte Industriehackschnitzel) seien danach begünstigt, nicht dagegen Holzhackschnitzel, die als eigentliches Produkt direkt aus dem Stamm hergestellt würden (sogenannte Waldhackschnitzel). Aufgrund des Einkaufs entweder im Rahmen tauschähnlicher Umsätze mit den kommunalen Betrieben für Forstarbeiten oder durch Direkteinkauf sei von der Lieferung von Waldhackschnitzeln auszugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 16 des Berichts des Beklagten vom xx. November 2016 über die Außenprüfung zur StNr. xxx hingewiesen.
Der Beklagte folgte der Auffassung des Außenprüfers und erließ am xx. November 2016 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Hiergegen erhob die Klägerin am xx. Dezember 2016 Einspruch. Zumindest die als Brennstoff gelieferten getrockneten und gesiebten Holzhackschnitzel müssten als Brennstoff dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 Nr. 48 a unterliegen.
Der Rechtsbehelf blieb ohne Erfolg. Im Einspruchsbescheid vom xx. April 2017 führte der Beklagte zur Begründung aus, der Gesetzgeber habe in Anlage 2 Nr. 48 a nicht jede Art von Brennholz begünstigt. Durch das Umsatzsteueränderungsgesetz 1997 seien die bisherigen Ziffern Nr. 48 c und d der Anlage gestrichen worden, mithin Plättchen oder Schnitzeln aus nadel- oder anderem Holz nicht mehr erfasst. Eine Einordnung der Holzschnitzel als Holzabfälle oder Holzausschuss komme nicht in Betracht, weil das Material nicht als Abfall aus Sägewerken etc. anfalle, sondern die Schnitzel als eigentliches Produkt direkt aus dem Stamm hergestellt werde.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Bei den überlassenen Baumkronen und dem angekauften Material handele es sich um Abfall, der nur noch als Brennmaterial verwendet werden könne. Der Anteil der Holzhackschnitzel aus den Problembaumfällungen und dem Ausschneiden von Baumkronen sei in etwa gleich groß. Die Holzhackschnitzel der Sorten 2 und 3 würden als Brennstoff an Abnehmer geliefert, die eine Holzhackschnitzelheizung hätten. Zwar folge aus der nationalen Regelung in Anlage 2 Nr. 48 b, dass Holzhackschnitzel, die im Rahmen eines Holzverarbeitungsvorgangs, insbesondere in Sägewerken, Zimmereien und Schreinereien anfielen (Industrieholzhackschnitzel) begünstigt seien, während Schnitzel aus dem Bereich des Baumverschnitts nicht begünstigt seien. Damit liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer vor. Der nationale Gesetzgeber habe die Vorgaben aus Art. 122 MwStSystRL fehlerhaft umgesetzt, weil dieser Vorschrift keine Begrenzung hinsichtlich der Form und der Herkunft von Brennholz zu entnehmen sei. Wegen der Unionswidrigkeit der deutschen Regelung könne sie den ermäßigten Steuersatz fordern (so auch Lippross, UR 2013, 212).
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xx. November 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. April 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xx. November 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. April 2017 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die mit dem angefochtenen Steuerbescheid vorgenommene Anwendung des allgemeinen statt des ermäßigten Steuersatzes ist zwar am Maßstab des nationalen Rechts gerechtfertigt (1.). Jedoch kann sich die Klägerin auf Art. 122 EGRL 112/2006 als übergeordnetem Recht berufen, weil diese Regelung sie mit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes begünstigt und die vom nationalen Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nach der Herkunft des Ursprungsmaterials gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer verstößt (2).
1. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit in der Auffassung, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung der Holzhackschnitzel durch die Klägerin nach nationalem Recht nicht zulässig ist.
Zu prüfen ist dabei im Streitfall § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 48 a oder b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG. Unionsrechtliche Grundlage für die deutsche Regelung bildet nicht Art. 98 Abs. 1 bis 3 EGRL 112/2006 i. V. m. Anlage III, weil die in Anlage III aufgeführten Lieferungen und Dienstleistungen abschließend sind und Brennholz nicht aufgeführt worden ist. Europarechtliche Vorgaben sind deshalb nur in Art. 122 EGRL 112/2006 zu finden.
Nach Nr. 48 ist Holz als Liefergegenstand begünstigt und zwar einmal als Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen nach Unterposition 4401 10 00 des Zolltarifs (ZT) oder aber Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst nach Unterposition 4401 30. Die Auslegung dieser Begriffe in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG richtet sich allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen (BFH, Urteile vom 20. Februar 1990 VII R 172/84, BStBl. II 1990, 760; vom 9. Februar 2006 V R 49/04, BStBl. II 2006, 694; vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFH/NV 2009, 673 = Juris Rdnr. 29; vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449 = Juris Rdnr. 9). Eine Auslegung, die sich an den normkonzipierenden Grundsätzen des Gesetzgebers des UStG orientiert, ist dagegen nicht zulässig. Nicht gewünschte Konsequenzen des strengen Zolltarifrechts muss der Verordnungsgeber erforderlichenfalls durch Einfügung einer ausdrücklichen Ausnahme in die betreffende Bestimmung der Anlage 2 UStG korrigieren (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Für die Auslegung der Begriffe in den Bestimmungen des Zolltarifs sind die objektiven Merkmale und Eigenschaften der aufgelisteten Waren entscheidend, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der "Kombinierten Nomenklatur" und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln rechtsverbindlich festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur 1 und 6 sowie BFH, Urteil vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449 = Juris Rdnr. 10). Auf die Art und Weise der Herstellung kommt es nur an, wenn die betreffende Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (BFH, Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFH/NV 2009, 673 = Juris Rdnr. 30). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum harmonisierten System Erläuterungen (ErlHS) und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (BFH, Urteil vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449 = Juris Rdnr. 10).
Unter Anlage Nr. 48 a fällt Brennholz in bestimmten Formen, wobei ähnliche Formen nicht weiter bestimmt sind. In den verbindlichen Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Kapitel 4401 wird unter B ausgeführt, dass zu der Position 4401 auch Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln gehören, wobei sich aus dem 2. Halbsatz kein Ausschusskriterium im Streitfall ergibt, weil diese Erläuterung nur beispielhaft ist. Nach den Erläuterungen zu D unterfallen auch Holzabfälle und Holzausschuss, in Tischlereien nicht verwendbar unter die Position 4401. Diese Stoffe werden insbesondere als Faserholz zum Herstellen von Papierhalbstoff, Holzfaserplatten oder Holzspanplatten sowie als Brennholz verwendet. Holzabfälle und Holzausschuss sind vor allem Abfälle aus Sägewerken (einschließlich Schwarten), Be- und Verarbeitungsabfälle, zerbrochene Bretter, alte unbrauchbare Kisten, Rinden und Späne (auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst) und andere Holzabfälle und anderer Holzausschuss, angefallen bei Schreinerei- oder Zimmermannsarbeiten, ausgelaugtes Gerb- oder Färbholz und ausgelaugte Gerbrinde. Hierher gehören auch Holzabfälle und Holzausschuss, angefallen beim Bau und Abbruchabfälle, zur Verwendung als Bauholz nicht geeignet.
Nach den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zur Unterposition 4401 10 00 wird ausgeführt, dass Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch wenn dieses Holz offensichtlich zum Heizen bestimmt ist, nicht unter diese Unterposition fällt. Stattdessen sind diese Waren einzusortieren in die Unterpositionen 4401 31 00, 4401 39 20, 4401 39 30 oder 4401 39 80). Bereits nach den verbindlichen Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur können die Holzhackschnitzel nicht unter Nr. 48 a der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG gefasst werden. Wenn demgegenüber in der Literatur (Schmölz, in: Weymüller, UStG, 2015, § 12 Rdnr. 104) ausgeführt wird, dass auch Holzhackschnitzel, die heute üblicherweise in entsprechenden Heizungen verfeuert werden, nach Anlage 2 Nr. 48 a steuerermäßigt seien, so ist das mit der verbindlichen Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur nicht vereinbar.
Bei der Prüfung der Nr. 48 b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ist zu beachten, dass die dort in Bezug genommene Unterposition 4401 30 im Streitjahr nicht mehr galt. Sie ist ersetzt worden durch detaillierte Regelungen in den Unterpositionen 4401 31 00, 4401 39, 4401 39 20, 4401 3930, 4401 3980 des Zolltarifs. Da diese Neureglungen inhaltlich nicht über den Anwendungsbereich der Altregelung hinausgehen, hat sich am Umfang der steuerrechtlichen Begünstigung nichts geändert (Lippross, UR 2013, 212, 213).
In den wichtigen, aber nicht verbindlichen Erläuterungen zum harmonisierten System zu Position 4401 Buchst. D wird der Begriff der Holzabfälle und des Holzausschusses insbesondere verengt auf den Bereich des Anfalls bei Sägewerken, in Be- oder Verarbeitungsfällen, bei zerbrochenen Brettern, unbrauchbar gewordenen Kisten, Rinden und Späne und andere Holzabfälle, angefallen bei Schreinerei oder Zimmermannsarbeiten, auf dem Bau und beim Abbruch, wenn sie zur Verwendung als Bauholz nicht mehr geeignet sind. Aus diesen Erläuterungen wird geschlossen, dass nur sogenannte Industriehackschnitzel unter Nr. 48 b der Anlage fallen könne, nicht aber sogenannter Waldhackschnitzel (vgl. auch Lippross, a. a. O.). Diese Auslegung erscheint konsequent, weil Holzschnitzel im Übrigen auch in den Unterpositionen 4401 21 00 und 434 22 00 ZT aufgeführt sind. Wegen der Maßgeblichkeit der zollrechtlichen Vorgaben auf die Auslegung der Bestimmungen in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ist eine erweiternde Auslegung nicht zulässig.
2. Die Klägerin kann sich aber direkt auf die Regelung in Art. 122 EGRL 112/2006 als sie begünstigende Regelung berufen. Dem steht nicht entgegen, dass diese Vorschrift dem nationalen Gesetzgeber ein Ermessen dahingehend einräumt, ob er für die Lieferung von Brennholz den ermäßigten Steuersatz vorsehen will. Entscheidend ist dabei, dass der nationale Gesetzgeber mit der Statuierung der Nr. 48 a und 48 b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG den europarechtlichen Vorgaben des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht Genüge getan, m. a. W., die europarechtliche Regelung nicht hinreichend umgesetzt hat.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Steuerpflichtige die Richtlinienbestimmungen, die hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft sind, vor den nationalen Gerichten in zweckdienlicher Weise geltend machen (vgl. z. B. Urteil vom 6. Juli 1995 C-62/93, UR 1995, 404[FG Hessen 06.04.1995 - 6 K 74/95] m. w. N.). Es handelt sich hier um Richtlinienbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung zugunsten des Steuerpflichtigen. Hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft kann auch eine Richtlinienbestimmung sein, die den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Umsetzung lässt (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Februar 1977 C-51/76, Slg. 1977, 113). Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung hat ihren Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehendem nationalen Recht zur Folge. Der Anwendungsvorrang der Richtlinie setzt nur voraus, dass die Richtlinienbestimmung für den Steuerpflichtigen günstiger ist als die entsprechende Vorschrift des UStG.
Im konkreten Fall ist in Art. 122 MwStSystRL eine eindeutige und nicht an weitere Bedingungen geknüpfte Bestimmung enthalten, nach der die Lieferung von Brennholz durch den nationalen Gesetzgeber mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden kann. Der Wortlaut des Art. 122 MwStSystRL ist insoweit eindeutig, als mit der Wortwahl "Brennholz" auf die Funktion des Holzes und nicht auf deren Herkunft abgestellt wird. Die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zur Unterposition 4401 100 00 dass Holzspäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch wenn dieses Holz offensichtlich zum Heizen bestimmt ist, steht mit der Begrifflichkeit in Art. 122 EGRL 112/2006 in einem Gegensatz.
Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verlangt u. a. bei der Besteuerung von Umsätzen eine Wettbewerbsneutralität. Gleichartige und miteinander in Wettbewerb stehende Waren bzw. ihre Anbieter dürfen nicht ungleich behandelt werden. So dürfen z.B. Waren, die im Wege des innergemeinschaftlichen Erwerbs erworben werden, nicht gegenüber im Inland gelieferten Waren benachteiligt werden (vgl. nur Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, Loseblattsammlung, Stand: März 2017, Einf. Rdnr 602 m. w. N). Die Ungleichbehandlung von Holzhackschnitzeln, die als Produkt direkt aus dem Stamm, aus Ästen oder Ähnlichem hergestellt werden, gegenüber solchen, die bei der Herstellung eines Produkts als Nebenprodukt in einem Unternehmen/Gewerbe anfallen, lässt sich nicht sachlich rechtfertigen, weil das Endprodukt für den Abnehmer wegen der identischen Zweckbestimmung gleichartig ist. Die Unzulänglichkeit der Argumentation, man habe mit der Regelung eine Annäherung der Verhältnisse zwischen Holzhackschnitzeln produzierenden Landwirten mit Durchschnittsbesteuerung und Gewerbetreibenden mit Holzhackschnitzelproduktion anstreben wollen, ist in der Literatur überzeugend dargelegt worden; zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat an dieser Stelle auf die Ausführungen bei Lippross, UR 2013, 212, 214 hin. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs der nationalen Regelung zum ermäßigten Steuersatz auf sogenannte Industrieholzhackschnitzel ist mit dem EU-Recht nicht vereinbar und auch in Art. 122 MwStSystRL nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der aufgeworfenen Fragestellung zugelassen.