Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 12.07.2002, Az.: 7 A 1010/02

Auszubildendenvertreter; Jugendvertreter; Weiterbeschäftigungsanspruch

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
12.07.2002
Aktenzeichen
7 A 1010/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

I. Der Antragsteller begehrte als Arbeitgeber mit seinem Antrag vom 12. Juni 2002 zunächst die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Bet. 1) nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG nicht begründet werde und begehrt nun, dass das mit dem Bet. 1) über dessen Ausbildungsabschluss am 26. Juni 2002 hinaus auf unbestimmte Zeit begründete Arbeitsverhältnis (§ 9 Abs. 2 BPersVG) aufgelöst wird (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG).

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Der Antragsteller ist Dienststellenleiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes V., der Bet. 1) ist dort Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung - dem Bet. 2) -und wurde im Amt des Antragstellers zum Vermessungstechniker ausgebildet bis er die Prüfung am 26. Juni 2002  bestand. Der Bet. 3) ist der Personalrat bei dem Wasser- und Schifffahrtsamt V..

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Am 18. April 2002 teilte der Antragsteller dem Bet. 1) als dessen Arbeitgeber mit, dass nach dessen erfolgreicher Abschlussprüfung eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht möglich sein werde. Beim Wasser- und Schifffahrtsamt V. fehle eine ausbildungsgerechte und freie Stelle für einen Vermessungstechniker. Bei den anderen Ämtern im Bezirk der Direktion Mitte sei das ebenso.

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Mit Schreiben vom 31. Mai 2002 verlangte der Bet. 1) nach § 9 Abs. 2 BPersVG vom Antragsteller die Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis über den Tag seiner Abschlussprüfung - dem 26. Juni 2002 - hinaus. Die für den Antragsteller vertretungsbefugte Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte (Hannover) beantragte daraufhin am 12. Juni 2002 im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG , festzustellen, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Bet. 1) nach Ablegen der Abschlussprüfung nicht zu Stande kommt. Die schon dem Bet. 1) gegebene Begründung ergänzte der Antragsteller dahin, dass ausbildungsgerechte Stellen in absehbarer Zeit auch nicht frei würden. Weder könnten (unkündbare) Angestellte entlassen werden, noch liefen Zeitverträge für Stellen aus, die in unbefristete umgewandelt werden könnten. Auch könnte keine neue Stelle geschaffen werden, da das Amt im Haushaltsjahr 2002 zur Einsparung von 1,5 % der Stellen beizutragen habe. Entgegen der Auffassung des Bet. 3) könne es nur um eine Übernahmeverpflichtung in seinem Dienststellenbereich, für den er als Arbeitgeber verantwortlich sei, eben dem des des Wasser- und Schifffahrtsamtes V., gehen. Nur die dem Amt zugewiesenen Haushaltsstellen bewirtschafte und besetze er als Arbeitgeber einerseits eigenverantwortlich und andererseits schütze der § 9 BPersVG die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung vor Benachteiligung allein dort, wo sie tätig sind oder waren. Die angesprochene Bewerbung des Bet. 1) beim Wasser- und Schifffahrtsamt L. müsse von dort aus - ohne Berücksichtigung von § 9 BPersVG - beschieden werden. Der Hinweis auf fehlende Stellen bei den anderen Ämtern in der Direktion Mitte sei nur informatorisch zu verstehen gewesen und auch daraus, dass der Antragsteller im Prozess von seiner zuständigen Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte (Hannover) vertreten werde, könne nicht auf einen ?größeren Radius? des Weiterbeschäftigungsanspruches geschlossen werden. Sämtliche 5 Wasser- und Schifffahrtsämter und 2 Neubauämter in der Direktion Mitte bildeten aus, - auch Vermessungstechniker. Weder sei der Bet. 1) daher ?für andere? Ämter ausgebildet worden, noch sei der Bet. 1) als Jugend- und Auszubildendenvertreter für andere Amtsbereiche (als Stufenvertreter) gewählt und tätig gewesen. Es bleibe allein zu prüfen, ob ?seinem? Arbeitgeber und damit ?seiner? Dienststelle die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei. Das sei der Fall, - wie selbst der Bet. 3) einräume.

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Nach der Antragstellung und nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss durch den Bet. 1) beantragt der Antragsteller nunmehr

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das nach § 9 Abs. 2 BPersVG zwischen dem Antragsteller und dem Bet. 1) über den 26. Juni 2002 hinaus auf unbestimmte Zeit begründete Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG aufzulösen

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Die Bet. 2) und 3) beantragen (sinngemäß),

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den Antrag zurückzuweisen.

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Der Bet. 3) teilt die Auffassung des Antragstellers, dass im Wasser- und Schifffahrtsamt V. die Weiterbeschäftigung des Bet. 1) nicht zumutbar sei, weil es an einer ausbildungsgerechten, freien und unbefristet zu besetzenden Stelle fehle, in absehbarer Zeit keine solche frei werde und auch keine geschaffen werden könne. Da der Bet. 1) aber bereit sei, im gesamten Bereich des zuständigen und übergeordneten Ministeriums eine Stelle als Vermessungstechniker anzunehmen, - zum Amt in L. habe er sich auf eine freie Stelle beworben -, müsse der Weiterbeschäftigungsanspruch eines Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenvertretung ?in einem größeren Radius gesehen? und die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung mindestens bei anderen Ämtern im Bezirk der Direktion Mitte geprüft werden.

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Der Bet. 2) schließt sich durch Mitunterschrift im Schriftsatz der Argumentation des Bet. 3) an. Der Bet. 1) hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

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Für das weitere Vorbringen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die Niederschrift über die Anhörung von diesem Tage Bezug genommen.

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II. Der Antrag hat Erfolg.

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Er ist zulässig (§§ 83 Abs. 1 Satz 1, 9, 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m. §§ 80 ff. ArbGG). Insbesondere ist er - gestellt am 12. Juni 2002 - fristgemäß i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG, denn dieser durfte schon vor dem Ausbildungsabschluss - dem 26. Juni 2002 - gestellt werden (vgl. Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs, Bundespersonalvertretungsgesetz, Kommentar, 4. Auflage 1996, § 9 Rdnr. 16), zunächst als Feststellungsantrag (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG) und nachdem der Antrag die Fiktion des § 9 Abs. 2 BPersVG (Begründung eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte zeit) nicht hindert (vgl. Altvater a.a.O. § 9 Rdnr. 16a) umgewandelt in den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG (vgl. BVerwG B. v. 30. 10. 1981 - 6 P 25.85 - PersR 1988, 47 [BVerwG 26.08.1987 - BVerwG 6 P 11.86])

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Der Antrag ist auch begründet, weil Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Antragsteller als Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung des Bet.1) nicht zugemutet werden kann.

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Dabei ist davon auszugehen, dass der Begriff der Unzumutbarkeit i. S. d. §  9 Abs. 4 S. 1 BPersVG nicht mit dem in § 626 BGB bzw. § 54 BAT identisch ist, sondern entsprechend dem spezifischen Zweck der gesetzlich angeordneten Einstellung nach den für sie maßgebenden Erfordernissen zu bestimmen ist ( BVerwG, Urt. v. 26. 06. 1991 - 6 P 71/78 - = BVerwGE 62, 364, 372). Der Zweck besteht darin, dem Bet. 1) als Auszubildenden, dessen Ausbildungsverhältnis mit Ablauf der Ausbildungszeit endet und der keinen Anspruch auf Einstellung hat (§§ 14 Abs. 1, 17 BBiG) , in Konkretisierung des allgemeinen Benachteiligungsverbotes (§ 8 BPersVG) bei Ablehnung seiner Einstellung den schwierigen Nachweis ersparen, dass diese Ablehnung wegen seiner Tätigkeit in der Jugend- und Auszubildendenvertretung erfolgt ist. Die gesetzliche Begründung des Arbeitsverhältnisses aufgrund seines einseitigen Weitebeschäftigungsverlangens führt zu einer Vertauschung der Parteirollen und einer Verschiebung der materiellen Beweislast. Der Antragsteller als Arbeitgeber hat sich gegen die Rechtsfolge zu wehren und die Gründe seiner ablehnenden Entscheidung im einzelnen darzulegen, um jeden Verdacht auszuräumen, die Tätigkeit der Auszubildenden in der Jugend- und Auszubildendenvertretung habe diese Entscheidung auch nur beeinflusst. Lässt sich das nicht zweifelsfrei klären, so trägt der Arbeitgeber den Nachteil der tatsächlichen Unklarheit. Darüber hinaus begründet § 9 BPersVG allerdings keinen von den gesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen losgelösten Anspruch auf Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst.

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Dem Arbeitgeber kann die Weiterbeschäftigung i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG nicht zugemutet werden, wenn aus organisatorischen oder sonstigen Gründen keine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem ausbildungsgerechten und dauerhaften Arbeitsplatz besteht, insbesondere keine frei Planstelle für den früheren Jugendvertreter vorhanden ist (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 14. 05. 1986 - 19 OVG L 6/85, VG Stade B. v. 11. 10. 1986 - 8 A 1202/86-). Die Schaffung neuer Stellen und Arbeitsplätze und das bedeutet vorgelagert eine Erweiterung des aus dem Haushaltsplan entwickelten Stellenplans, kann auf diesem Wege nicht erzwungen werden.

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Dazu im Einzelnen:

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1) Die Darlegung des Antragstellers, dass in seiner Dienststelle von ihm als ?zuständigen? Arbeitgeber (vgl. dazu BVerwG B. 15. 10. 1985 - 6 P 13.84 - PersR 1986, 173) zu besetzende, unbefristete und ausbildungsgerechte Arbeitsplätze für Vermessungstechniker zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses (vgl. dazu BVerwG,B. v. 30. 10. 1987 - 6 P 25/85 - = NJW 1988, 1227 L und B. v. 02. 11. 1994 - 6 P 48/93 - = NVwZ-RR 1995, 330) nicht zur Verfügung stehen, haben die Bet. 2) und 3) ausdrücklich bestätigt. Der vorrangige Weiterbeschäftigungsanspruch gegen ?seine? unmittelbare Dienststelle (vgl. dazu Altvater a.a.O. § 9 Rdnr. 12) ist folglich nicht gegeben, ohne dass es der weiteren Erörterung von Stellenstopps, Haushalts- und Wiederbesetzungssperren oder Einsparungsgeboten für das konkrete Haushaltsjahr 2002 bedarf.

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2) Über den Bereich seines Arbeitgebers und seiner Dienststelle hinaus kann der Bet. 1) ebenfalls keine Weiterbeschäftigung verlangen. Einerseits hat seine Arbeit als Jugend- und Auszubildendenvertreter beim Wasser- und Schifffahrtsamt keinen Bezug zu anderen Ämtern (etwa als Mitglied einer übergreifenden Stufenvertretung), sodass eventuelle Einstellungen dort nicht am genannten Schutzzweck der §§ 8,9 BPersVG  zu messen sind. Andererseits greift auch nicht der in der Literatur erörterte Fall für eine amtübergreifende Prüfung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung (vgl. Altvater a.a.O. § 9 Rdnr. 12), dass in einem Amt zentral für weitere Ämter eines oder mehrerer Bezirke ausgebildet wird. Der Antragsteller hat glaubhaft und unwidersprochen auf Befragen dargelegt, dass in allen Wasser- und Schifffahrtsämtern und 2 Neubauämtern im Direktionsbezirk Mitte ausgebildet wird, auch in der Ausbildungssparte der Vermessungstechniker.

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3) Der Hinweis des Antragstellers vom April 2002, dass auch in den anderen Ämtern entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht bestünden, war erkennbar fürsorglich und informatorisch gemeint und nicht anspruchsbegründend oder als Zusage zu verstehen, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Direktionsbezirk zu prüfen. Ebenso muss daher auch die Bewerbung des Bet. 1) beim Wasser- und Schifffahrtsamt L. tatsächlich und rechtlich außer Betracht bleiben.