Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.08.1995, Az.: 1 A 1280/93
Nachträgliche Umstellung eines Sparguthabens von Mark der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auf Deutsche Mark; Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage; Verwaltungsakt-Qualität eines Umstellungsbescheides; Unerheblichkeit der fehlenden vorhergehenden Währungsänderung von Reichsmark in DDR-Mark; Mangelnder Nachweis eines bestehenden Sparguthabens durch Sparbuch; Anforderungen an Beweis der schuldbefreienden Auszahlung an Berechtigten bei fehlenden Unterlagen; Verjährung des Auszahlungsanspruchs nach den Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB); Begründung eines neuen selbständigen Zahlungsanspruchs durch Guthabenumstellung; Rechtswirkungen der Verjährungseinrede für den Umstellungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.08.1995
- Aktenzeichen
- 1 A 1280/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17200
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1995:0810.1A1280.93.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 10 Abs. 5 Staatsvertrag
- Art. 8 EinigVtr
- § 1 KGUG
- § 2 KGUG
- Art. 231§ 6 Abs. 1 EGBGB
- § 2 Abs. 2 EGZGB
- § 11 Abs. 1 S. 1 EGZGB
- § 474 Abs. 1 Nr. 2 ZGB
Fundstellen
- WM 1996, 109-113 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1996, 69
Verfahrensgegenstand
Umstellung von Sparguthaben
Prozessführer
Frau ...
Prozessgegner
Volksbank Eichsfeld eG,
vertreten durch den Vorstand, Herrn ... und Herrn ..., Westerstieg 5, 37115 Duderstadt
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Enhält ein Sparbuch, das sich durchgehend in Händen des Berechtigten befand, seit über 30 Jahren keine Eintragung mehr und existieren zu dem in diesem ausgewiesenen Sparguthaben keinerlei Konto- und Buchungsunterlagen, ergibt sich aber anhand von Inventurlisten, dass das betreffende Konto zwischenzeitlich aufgelöst worden sein muss, so ist trotz fehlender Auszahlungsbelege davon auszugehen, dass das Sparguthaben mit schuldbefreiender Wirkung an einen Berechtigten ausgezahlt wurde, sofern keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass vorsätzlich oder fahrlässig falsche Buchungen in den Kontounterlagen vorgenommen wurden.
- 2.
Wird gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung eines Sparguthabens zur Recht die Einrede der Verjährung erhoben, so steht diese Einrede auch einem Anspruch auf Umstellung des Guthaben von DDR-Mark auf DM entgegen.
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 1995
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. van Nieuwland,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Richtberg und
die Richterin Düfer sowie
die ehrenamtliche Richterin Bode und
den ehrenamtlichen Richter Bode
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die im Jahre ... geborene Klägerin begehrt die Umstellung eines Sparguthabens nach dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der (ehemaligen) Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990.
Am 12. Januar 1938 wurde auf den Namen der Klägerin ein Sparkonto bei der Ländlichen Spar- und Darlehnskasse ... eingerichtet. In dem ausgestellten Genossenschaftssparbuch mit der Kontroll-Nr. ... findet sich auf S. 17 als letzte Eintragung unter dem 31. Dezember 1958 unter der Rubrik Guthaben ein Betrag von 1.024,74 RM. Auf S. 13 des Sparbuches wurde im Juli 1948 ein Kontostand von 0 RM vermerkt und nachfolgend eine freie Einlage von 141,00 RM eingetragen, auf deren Grundlage das Sparkonto laut den späteren Eintragungen weitergeführt worden ist.
Die Ländliche Spar- und Darlehnskasse ... wurde mit Beginn der sechziger Jahre von der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft - BHG - ... übernommen. Weitere Rechtsnachfolgerinnen waren die BHG ... und ... und die Volksbank und Raiffeisengenossenschaft Eichsfeld ... eG mit Sitz in .... Letztere ist mit Vertrag vom 8. Oktober 1990 mit der Beklagten verschmolzen worden (Eintragung in das Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Duderstadt am 28. März 1991).
Nach Inkrafttreten des Staatsvertrages ließ die Klägerin am 1. Juli 1990 ein Sparbuch mit der früheren Nr. ... (jetzt mit der Nr. ...), ausgestellt von der BHG ... im Jahre 1961, bei der Beklagten auf Deutsche Mark umstellen.
Mit Schreiben vom 11. März 1992 bat die Klägerin die Beklagte um Umstellung des Guthabens auf dem Sparbuch mit der Nr. ... Mit Schreiben vom 1. September 1992 lehnte die Beklagte eine Umstellung des Guthabens ab und berief sich zur Begründung darauf, daß trotz der mit erheblichem Arbeitsaufwand verbundenen Nachforschungen keine Anhaltspunkte für das Bestehen dieser Spareinlage gefunden worden seien. Die letzte Eintragung datiere vom 31. Dezember 1958, so daß auch die 30-jährige Verjährungsfrist verstrichen sei und die Verjährungseinrede erhoben werde. Im übrigen sei ein Anspruch auf Verzinsung und Auszahlung des Guthabens nach § 17 der im Buch vereinbarten Sparordnung erloschen. Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 4. September 1992 Einwendungen erhoben hatte, hielt die Beklagte mit Schreiben vom 14. Oktober 1992 nach einer Überprüfung des Sachverhaltes durch ihre Rechtsabteilung an ihrer im Schreiben vom 1. September 1992 vertretenen Rechtsauffassung fest und führte außerdem aus, daß eine Umstellung des auf Reichsmark lautenden Sparbuches anläßlich der 1948 in der DDR durchgeführten Währungsreform auf DDR-Mark unterblieben und deshalb eine Umstellung auf Deutsche Mark nicht möglich sei. Mit diesem Schreiben reichte die Beklagte das von ihr entwertete Sparbuch an die Klägerin zurück.
Nachdem die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 9. Dezember 1992 nochmals erfolglos zur Anerkennung des Umstellungsbegehrens aufgefordert hatte, hat sie am 21. Dezember 1992 beim Amtsgericht Duderstadt Klage erhoben und die Umstellung des Sparguthabens in Höhe von 1.024,74 DDR-Mark einschließlich Zinsen von 3,5 % seit dem 1. Januar 1959 auf Deutsche Mark sowie Auszahlung des umgestellten Guthabens beantragt. Diese Begehren wurden durch richterliche Verfügung vom 20. Juli 1993 getrennt und der Rechtsstreit auf Umstellung des Sparguthabens durch Beschluß vom 20. Juli 1993 - C 504/92 -, der von den Beteiligten nicht angegriffen worden ist, an das hiesige Verwaltungsgericht verwiesen.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihres Umstellungsbegehrens im wesentlichen vor, daß im Zuge der Währungsumstellung im Jahre 1948 das Guthaben von 307,66 Reichsmark erloschen, jedoch im Juli 1948 eine freie Einlage in Höhe von 141,00 DDR-Mark geleistet worden sei. Allein der Umstand der fehlenden Unterlagen über die Kontoführung befreie die Beklagte nicht von ihrer Leistungspflicht. Auf Nr. 17 der Sparordnung könne sich die Beklagte nicht berufen, da die Klägerin als Sparerin zu ermitteln gewesen sei. Sie habe über ein weiteres Sparbuch bei der Beklagten verfügt, was bekannt gewesen sei. Die erhobene Verjährungseinrede sei unzulässig, da bei Sparguthaben der Rückzahlungsanspruch erst durch Kündigung fällig werde und die Verjährungsfrist mit der Kündigung zu laufen beginne. Eine Kündigung sei aber nie erfolgt. Außerdem habe die Beklagte Zinszahlungen anerkannt, so daß die Verjährung unterbrochen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, das im Sparbuch der Klägerin mit der Kontroll-Nr. ... ausgewiesene Sparguthaben von 1.024,74 DDR-Mark einschließlich 3,5 % Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 30. Juni 1990 auf DM umzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß eine Umstellung nicht möglich sei, da das Sparkonto in den aufgefundenen Inventurlisten aus dem September 1973 nicht mehr geführt worden sei und folglich das Sparguthaben mit schuldbefreiender Wirkung vor diesem Zeitpunkt ausgezahlt worden sein müsse. Es werde erneut die Einrede der Verjährung erhoben. Nach der letzten Eintragung im Sparbuch vom 31. Dezember 1958 seien keine Gutschriften mehr erfolgt und auch keine Zinsen anerkannt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die seitens der Beteiligten eingereichten Unterlagen (Beiakten A und B) verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die die Kammer aufgrund des nach § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG i.V.m. § 173 VwGO bindenden Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Duderstadt im Verwaltungsrechtsweg entscheidet, ist zulässig. Das Amtsgericht Duderstadt hat in seinem Beschluß vom 20. Juli 1993 mit zutreffenden Gründen, denen sich die erkennende Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, das vorliegende Umstellungsbegehren als öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO angesehen (vgl. insoweit auch Kreisgericht Leipzig-Stadt, Urt. vom 25. März 1991, WM 1991, 1216 ff. [OLG Karlsruhe 20.02.1991 - 1 U 191/90]; Kreisgericht Dresden, Gerichtsbescheid vom 26. Juli 1991, WM 1991, 1835 ff.). Die begehrte Währungsumstellung beurteilt sich nach Art. 10 Abs. 5 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der (ehemaligen) Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 - Staatsvertrag - i.V.m. Art. 5 und 6 der Anlage I zu diesem Vertrag (BGBl. II S. 537) i.d.F. des Gesetzes über die nachträgliche Umstellung von Kontoguthaben - KGUG - vom 24. Juli 1992 (BGBl. I S. 1389). Diese Regelungen, die nach Art. 8 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der (ehemaligen) Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 i.V.m. der Anlage I, Kapitel IV, Sachgebiet B, Abschnitt II Nr. 40 zu diesem Vertrag (BGBl. II S. 889) fortgelten, sind auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Währungs-, Geld- und Münzwesen nach Art. 73 Nr. 4 GG ergangen und bestimmen im einzelnen die Wahrnehmung originärer staatlicher Aufgaben. Zur Erfüllung dieser staatlichen Aufgaben sind nach den vorgenannten Bestimmungen die kontoführenden Geldinstitute zur eigenverantwortlichen Prüfung und Entscheidung über Umstellungsanträge ermächtigt und verpflichtet worden. Damit handelt es sich bei dem von der Klägerin verfolgten Umstellungsbegehren um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Das klägerische Begehren ist auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG gerichtet, nämlich eines Umstellungsbescheides, wie dies in § 2 S. 2 KGUG ausdrücklich geregelt ist.
Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es hier nicht, weil sich die Beklagte sachlich auf die Klage eingelassen und die Abweisung der Klage als unbegründet beantragt hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 15.01.1982, BVerwGE 64, 325, 330[BVerwG 15.01.1982 - 4 C 26/78] und st. Rspr.).
Im übrigen wäre die Klage ohnehin als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Die Klägerin hat nämlich auf das ablehnende Schreiben der Beklagten vom 14. Oktober 1992 diese mit Schreiben vom 27. November 1992 erneut unter Fristsetzung bis zum 9. Dezember 1992 zur Umstellung des Sparguthabens aufgefordert, so daß sie nach ergebnislosem Fristablauf gemäß § 75 S. 1 und S. 2, 2. Halbs. VwGO wegen der Untätigkeit der Beklagten ohne Durchführung eines Vorverfahrens Klage erheben konnte. Aufgrund der wiederholten Weigerung der Beklagten, die Umstellung antragsgemäß vorzunehmen, brauchte die Klägerin die 3-Monats-Frist des § 75 S. 2, 1. Halbs. VwGO vor Klageerhebung nicht einzuhalten.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da die materiellen Voraussetzungen für die Umstellung des von der Klägerin beanspruchten Sparguthabens von DDR-Mark auf DM nicht vorliegen.
Rechtsgrundlage für die begehrte Umstellung ist Art. 10 Abs. 5 des Staatsvertrages i.V.m. § 5 und 6 der Anlage I zu diesem Vertrag i.d.F. des § 1 KGUG. Hiernach hat das kontoführende Geldinstitut auf Antrag des Berechtigten das am 30. Juni 1990 vorhandene, auf Mark der Deutschen Demokratischen Republik lautende Guthaben in Deutsche Mark umzustellen, wenn für das Guthaben einer natürlichen Person ein Umstellungsantrag nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Anlage I des Staatsvertrages nicht oder nicht fristgerecht gestellt worden ist (frühere Antragsfrist: 6. Juli 1990 - Wiedereinsetzungsfrist: 30. November 1990) und das nicht umgestellte Gesamtguthaben mindestens 500,00 Mark der Deutschen Demokratischen Republik beträgt. Der Antrag ist bis zum 30. Juni 1993 beim kontoführenden Geldinstitut zu stellen.
Vorliegend fehlt es an einem zum Stichtag des 30. Juni 1990 vorhandenen umstellungsfähigen Guthaben der Klägerin bei der Beklagten. Dabei geht die Kammer zu Gunsten der Klägerin davon aus, daß die letzte Eintragung in ihrem Sparbuch auf 1.024,74 DDR-Mark lautete, obwohl im Sparbuch nur Reichsmark als Währung geführt wurde. Es gibt keine plausible Erklärung dafür, daß nach der Währungsreform der DDR geleistete Spareinlagen - beginnend im Juli 1948 - noch auf Reichsmark hätten lauten können. Von den damals kontoführenden Geldinstituten ist offensichtlich eine Änderung der im Sparbuch ausgedruckten Währung Reichsmark auf DDR-Mark nicht für erforderlich gehalten worden, weil dieses Sparbuch nach der Währungsreform fortgeführt worden ist und es nur noch eine gültige Währung gab. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, eine Umstellung des auf Reichsmark lautenden Guthabens auf DDR-Mark sei im Jahre 1948 nicht vorgenommen worden, da, das Sparbuch danach weiterhin als Währung Reichsmark angegeben habe, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Beklagte hat keinerlei Erklärung dafür gegeben - und hätte eine solche wohl auch nicht geben können -, warum ein nach der Währungsreform im Jahre 1948 bis zum Dezember 1958 fortgeführtes Sparbuch noch auf Reichsmark als Währung hätte lauten können.
Nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und Würdigung der sonstigen festgestellten Umstände ist die Kammer überzeugt davon, daß das im Sparbuch unter dem 31. Dezember 1958 zuletzt ausgewiesene Sparguthaben in Höhe von 1.024,74 DDR-Mark vor dem September 1973 von einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten an die Mutter der Klägerin oder ggf. auch einen Dritten mit schuldbefreiender Wirkung ausgezahlt und das Konto gelöscht worden ist.
Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang als Nachweis für ihr bestehendes Guthaben auf ihr Sparbuch beruft, so verkörpert das Buch nicht die Sparforderung, sondern es ist nur ein Legitimations- und Beweismittel, welches aber entgegenstehenden Feststellungen, wie sie von der Kammer im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO zu treffen waren, nicht ausschließt (vgl. im übrigen zum Beweiswert eines Sparbuches im Zivilprozeß bei Vorlage mehr als 20 Jahre nach der letzten Eintragung OLG Hamburg, Urt. vom 31. Mai 1989, WM 1989, 1681 f.).
Die Beklagte hat Monatsinventurlisten mit Stand vom September 1973 vorgelegt, die von der BHG ... als einer ihrer Rechtsvorgängerinnen gefertigt worden sind. In diesen Listen, die durch Karteikarten zu den jeweiligen Konto-Nrn. ergänzt werden, wird die Konto-Nr. des vorgelegten Sparbuches der Klägerin nicht mehr geführt. Diese Unterlagen besagen, daß das Sparkonto der Klägerin vor September 1973 aufgelöst worden sein muß. Die Klägerin bestreitet den Inhalt dieser Inventurlisten nicht, meint jedoch, es dürfe nicht zu ihren Lasten gehen, daß die Beklagte über keine weiteren aussagekräftigen Konto- und Buchungsunterlagen verfüge. Vielmehr müsse die Beklagte den Nachweis für eine schuldbefreiende Auszahlung des Guthabens an einen Berechtigten erbringen. Dazu ist jedoch folgendes zu sagen:
Zwar trifft es zu, daß mit den Inventurlisten keinerlei Auszahlungsbelege erbracht worden sind. Da aber das Sparbuch seit Dezember 1958 keine Eintragung mehr enthält und sich das Sparbuch nach den Angaben der Klägerin während der gesamten Zeit in den Händen der Mutter der Klägerin befunden hat, gibt es nur zwei Möglichkeiten für eine Erklärung. Entweder ist von einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten - wie sie auch geltend macht - vor dem September 1973 mit schuldbefreiender Wirkung an die Mutter der Klägerin oder ggf. einen nicht näher bekannten Dritten geleistet worden oder es sind in dem Bereich der hier seinerzeit handelnden Sparkassen vorsätzlich oder fahrlässig falsche Buchungen in den Kontounterlagen vorgenommen worden. Für letzteres sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich. Gegen eine solche Erwägung spricht zudem, daß eventuelle Falscheintragungen bzw. -buchungen sofort und ohne jedes Problem bei Vorlage des Sparbuches hätten entdeckt werden können und müssen. Folglich kommt nur eine schuldbefreiende Auszahlung in Betracht.
Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung durch die Kammer glaubhaft geschildert, daß sie bis zum Tode ihrer Mutter im Jahre 1992 nichts von dem Sparbuch mit der Kontroll-Nr. ... gewußt habe, weil ihre Mutter dieses Konto eingerichtet und verwaltet, praktisch alle finanziellen Dinge für sie geregelt und sie sich selbst nicht darum gekümmert habe. Angesichts dessen konnte die Klägerin auch keinerlei Erklärungen dafür geben, warum ihre Mutter, die sie als ordentliche und ehrliche Frau charakterisiert hat, das Sparbuch seit Ende des Jahres 1958 aus den Augen verloren haben könnte und insbesondere die zuvor regelmäßig zum Jahresende veranlaßten Zinsgutschriften nicht mehr hätte eintragen lassen sollen. Es fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, daß die Mutter der Klägerin ab 1958 etwa wegen Vergeßlichkeit oder sonstiger Gebrechen das Sparkonto einfach vergessen haben könnte. Daß die Mutter der Klägerin das Sparkonto eigenverantwortlich verwaltet und auch von der ihr faktisch eingeräumten Verfügungsgewalt über das Konto in der Vergangenheit Gebrauch gemacht hat, belegen im Buch eingetragene Auszahlungen aus den Jahren 1944 und 1949. Diese Auszahlungen können nach den glaubhaften Einlassungen der Klägerin nicht an sie selbst erfolgt sein, da sie von diesem Sparbuch nichts wußte. Folglich können diese Auszahlungen nur an ihre Mutter oder einen sonstigen durch Vorlage des Sparbuches berechtigten Dritten vorgenommen worden sein. Von daher vermag die Kammer auch der Einlassung der Klägerin, sie schließe es aus, daß ihre Mutter oder irgend jemand anderes zur Sparkasse gegangen sei, um dort Geld von ihrem Konto abzuheben, nicht zu folgen.
Für die schuldbefreiende Auszahlung des Sparguthabens an die Mutter oder einen Dritten spricht auch der Umstand, daß diese ihrer Tochter zu Lebzeiten niemals etwas über dieses Sparbuch erzählt hat. Für ein solches Verhalten gibt es nach Ansicht der Kammer keine vernünftige Erklärung und auch die Klägerin hat bei ihrer eingehenden Anhörung hierfür keine Erklärung geben können. Es widerspricht allgemeiner Lebenserfahrung, daß ein die (faktische) Verfügungsgewalt über ein Sparbuch ausübendes Elternteil sein volljähriges Kind über ein auf dessen Namen eingerichtetes Sparkonto nicht wenigstens sporadisch über den Bestand und die Höhe eines solchen Sparguthabens informiert und daß auch sonst nie über ein solches Sparguthaben gesprochen worden sein soll, zumal die Klägerin den ganz überwiegenden Teil ihres Lebens zu Hause bei der Mutter gelebt hat.
Hinzu kommt, daß die Klägerin im März 1961 selbst ein Sparbuch bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eingerichtet hat und sie wegen dieser Geschäftsbeziehung normalerweise Kenntnis über das Sparbuch mit der Kontroll-Nr. ... hätte erlangen müssen, falls dieses Sparkonto noch bestanden hätte. Nach den nicht in Zweifel zu ziehenden Angaben von Frau ..., einer Mitarbeiterin der Beklagten, die seit 25 Jahren bei Banken und Sparkassen der früheren DDR tätig gewesen ist, seien Kontoinhaber angeschrieben und ausfindig gemacht worden, wenn auf einem Konto über Jahre hinweg keine Bewegungen passiert seien. Erst wenn diese Bemühungen ergebnislos geblieben seien, seien die entsprechenden Guthaben auf ein Sammelkonto überwiesen worden. Auf diesem Sammelkonto seien die Kontonummern der Ausgangskonten erhalten geblieben. Angesichts dieser Praxis der früheren Geldinstitute der DDR und der Tatsache, daß die Klägerin den Bediensteten des früher kontoführenden Geldinstitutes persönlich bekannt war, hält es die Kammer für unwahrscheinlich, daß die Klägerin nach 1961 - also im Alter von mehr als 38 Jahren - nicht über ein auf ihren Namen lautendes und noch bestehendes Sparkonto informiert worden wäre, auf dem ausweislich des vorgelegten Sparbuches seit Dezember 1958 keine Kontobewegungen mehr vorgenommen worden waren.
Die Würdigung all dieser Umstände läßt zur Überzeugung der Kammer nur den Schluß zu, daß das Sparguthaben in der Zeit vor dem September 1973 mit schuldbefreiender Wirkung an die Mutter der Klägerin oder ggf. auch einen Dritten ausgezahlt und das Sparkonto gelöscht worden ist.
Selbst wenn das Sparguthaben entgegen der vorgenommenen Würdigung nicht durch Auszahlung erloschen wäre, kann die Klage auch deshalb in der Sache keinen Erfolg haben, weil ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung ihres Sparguthabens verjährt ist und die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede einer Umstellung des Sparguthabens von DDR-Mark in DM entgegensteht.
Der klägerische Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens in DDR-Mark unterlag den Verjährungsvorschriften des Zivilgesetzbuches der DDR - ZGB - vom 19. Juni 1975 nach Maßgabe des dazugehörigen Einführungsgesetzes - EGZGB - vom 19. Juni 1975 (GBl. I S. 465, 903), dessen einschlägige zweijährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Februar 1978 vollendet worden ist. Dies ergibt sich aus folgendem:
Nach Art. 8 des Einigungsvertrages i.V.m. der Anlage I, Kap. III, Sachgebiet B, Abschn. II Nr. 1 zu diesem Vertrag findet nach dem danach maßgeblichen Art. 231 § 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - das ZGB weiter Anwendung für vor dem Beitrittszeitpunkt verwirklichte Verjährungstatbestände (vgl. die Erläuterungen zu der Anl. I des Einigungsvertrages, BGBl. II S. 858, Art. 231 - Verjährung -). Die §§ 2 Abs. 2, 11 Abs. 1 Satz 1 EGZGB bestimmten, daß sich die Verjährung aller Ansprüche nach dem ZGB richtete, die bei dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1976 noch nicht verjährt waren. Für den am 12. Januar 1938 abgeschlossenen Sparkontovertrag der Klägerin galt vormals das Bürgerliche Gesetzbuch - BGB - vom 18. August 1886 (RGBl. S. 195) und die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB. Im vorliegenden Fall begann die einschlägige 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gemäß § 199 BGB mit der zum Beginn des Februar 1959 zulässigen Kündigung des Vertrages zu laufen (auf die Frage, ob tatsächlich eine Kündigung ausgesprochen worden ist, kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin für den Beginn der Verjährung demnach nicht an) und wäre mit Ablauf des Februar 1989 gemäß § 222 Abs. 1 BGB vollendet gewesen. Nach den bereits zitierten Übergangsvorschriften des EGZGB war somit der klägerische Anspruch auf Auszahlung ihres Sparguthabens in DDR-Mark zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttreten des ZGB, dem 1. Januar 1976, noch nicht verjährt und kam folglich nunmehr das ZGB zur Anwendung. Die einschlägige Verjährungsfrist des § 474 Abs. 1 Nr. 2 ZGB betrug 2 Jahre (vertraglicher Anspruch). Wegen der in der Sparordnung vereinbarten Kündigungsfrist konnte der Auszahlungsanspruch seitens der Klägerin nach der maßgeblichen Regelung des § 475 Nr. 3 ZGB mit Beginn des Februar 1976 (gerechnet vom maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB) geltend gemacht werden und begann die Verjährungsfrist des § 474 Abs. 1 Nr. 2 ZGB zu laufen. Mit Ende des Februar 1978 war diese Verjährungsfrist vollendet (vgl. zum Fristende § 471 Abs. 1 Nr. 4 ZGB). Da Teil- oder Zinszahlungen und Gutschriften seit Dezember 1958 nicht erfolgt sind, ist die Verjährung des Auszahlungsanspruches auch nicht gemäß § 476 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZGB unterbrochen worden. Nach alledem ist ein Auszahlungsanspruch der Klägerin auf ihr Sparguthaben in DDR-Mark mit Ablauf des Februar 1978 verjährt.
Die somit zu Recht erhobene Verjährungseinrede der Beklagten steht der Umstellung des Sparguthabens der Klägerin auf Deutsche Mark entgegen. Zwar begründet die Verjährungseinrede (auch im öffentlichen Recht) grundsätzlich nur ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. §§ 472 Abs. 1 ZGB, 222 BGB), führt also nicht zum Erlöschen eines Anspruches. Angesichts dessen berührt die erhobene Verjährungseinrede der Beklagten an sich nur die Durchsetzbarkeit eines bestehenden Anspruches auf Auszahlung des Sparguthabens und wäre damit als Leistungsverweigerungsrecht erst im abgetrennten Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht Duderstadt auf Auszahlung des Guthabens nach Umstellung auf DM maßgeblich. Allerdings wird diese zivilrechtliche Sichtweise der Verjährungseinrede den Besonderheiten der maßgeblichen Vorschriften des Staatsvertrages über die Einführung einer Währungsunion nicht gerecht. § 2 Satz 1 KGUG bestimmt nämlich, daß mit der Umstellung eines Guthabens von DDR-Mark auf DM eine Ausgleichsforderung gegenüber dem kontoführenden Geldinstitut entsteht, also ein neuer selbständiger Zahlungsanspruch auf Deutsche Mark. Von daher setzt die Umstellung eines im maßgeblichen Umstellungsstichtages (hier 30. Juni 1990) vorhandenen Guthabens in DDR-Mark voraus, daß dem korrespondierenden Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens in DDR-Mark kein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht entgegensteht. Anderenfalls würde mit einer Verpflichtung zur Umstellung ein neuer, nicht einredebehafteter Zahlungsanspruch auf Deutsche Mark entstehen. Ein solches Ergebnis wäre mit Sinn und Zweck des Staatsvertrages nicht zu vereinbaren. Folglich steht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede schon der begehrten Umstellung des Sparguthabens von DDR-Mark auf DM entgegen, so daß die Klage auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann.
Der Vollständigkeit wegen weist die Kammer noch darauf hin, daß entgegen der Auffassung der Beklagten ein Anspruch der Klägerin auf Verzinsung und Auszahlung ihres Guthabens in DDR-Mark nicht nach Nr. 17 der im Buch vereinbarten Sparordnung erloschen ist. Nach dieser vertraglichen Abrede gilt der Anspruch auf Verzinsung und Auszahlung des Guthabens zugunsten der Reserven der Genossenschaft als erloschen, wenn während der Dauer von 30 Jahren keinerlei Zahlungen geleistet werden und der Sparer nicht zu ermitteln ist. Dies setzt aber voraus, daß das Geldinstitut positive Kenntnis von einem Sparkonto hat - woran es vorliegend bereits mangelt - und lediglich der Sparer nicht zu ermitteln ist.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Düfer
Dr. Richtberg