Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.06.1995, Az.: 1 A 1245/93
Ratsbeschluss betreffend die Verpachtung eines gemeindeeigenen Campingplatzes; Anwendbarkeit der Grundsätze der Fortsetzungsfeststellungsklage bei Erledigung; Fehlende Kassationsmöglichkeit im Kommunalverfassungsstreit; Rechtsschutzinteresse aus Gründen der Rehabilitation und wegen Wiederholungsgefahr; Rechtmäßigkeit des Beschlusses über ein Mitwirkungsverbot; Begriff des individuellen Sonderinteresses; Erfordernis der Unmittelbarkeit des Vorteils oder Nachteils
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.06.1995
- Aktenzeichen
- 1 A 1245/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17204
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1995:0622.1A1245.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 VwGO
- § 42 Abs. 1 VwGO
- § 61 Nr. 2 VwGO
- § 62 Abs. 3 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
- § 26 Abs. 1 NGO
- § 26 Abs. 2 NGO
- § 26 Abs. 6 NGO
- § 39 Abs. 1 NGO
- § 39 Abs. 3 NGO
Verfahrensgegenstand
Mitwirkungsverbot
Prozessführer
1. ...
2. der ...
Prozessgegner
Rat der Gemeinde ...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Geht es in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren um die Feststellung der Rechtswidrigkeit von bereits erledigten Organbeschlüssen, so sind die Grundsätze der in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) geregelten Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anzuwenden.
- 2.
Die Kassation einer organschaftlichen Entscheidung ist im Kommunalverfassungsstreitverfahren nicht möglich.
- 3.
Für ein Mitwirkungsverbot nach § 26 NGO (Niedersächsische Gemeindeordnung) genügt die auf einer - wenn auch losen - persönlichen oder sachlichen Beziehung zu der Angelegenheit beruhende konkrete Möglichkeit eines Vor- oder Nachteils, der sich als unmittelbare Folge der zu treffenden Entscheidung darstellt; für die Beurteilung der Unmittelbarkeit ist durch wertende Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalles darauf abzustellen, ob der Vor- oder Nachteil ohne das Hinzutreten weiterer Umstände und ohne die maßgebliche Einflussnahme Dritter zwangsläufig zu erwarten ist.
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 1995
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. van Nieuwland,
den Richter Dr. Möller,
die Richterin Düfer sowie x
die ehrenamtliche Richterin Traupe und
den ehrenamtlichen Richter Austinat
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen Beschlüsse, die der Beklagte in seiner Sitzung vom 19.11.1992 im Zusammenhang mit der Verpachtung des im Eigentum der Gemeinde ... stehenden Campingplatzes getroffen hat.
In dem Beklagten ist die Fraktion der SPD mit sechs Mitgliedern und diejenige der CDU mit vier Mitgliedern vertreten, hinzu kommt ein fraktionsloses Ratsmitglied. Die Kläger sind Mitglieder der CDU-Fraktion, der Kläger zu 1) ist deren Sprecher. Der Kläger zu 1) war und ist Überfalles 1. Vorsitzender der Interessengemeinschaft Fernsehversorgung ... e. V. (IGF). Die Klägerin zu 2) war zur Zeit der Beschlußfassung durch den Beklagten 2. Vorsitzende dieses Vereins. Der Zweck des [vor etwa 15 Jahren gegründeten] Vereins besteht darin, seinen Mitgliedern in der Gemeinde ..., die durch die Bundespost nicht verkabelt worden ist, durch technische Einrichtungen einen besseren Fernsehempfang zu ermöglichen. An diese Einrichtungen wurde Anfang der achtziger Jahre mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde ... auch der gemeindeeigene Campingplatz angeschlossen. Dabei führte die IGF das erforderliche Kabel an den Campingplatz heran und installierte auf demselben eine Verteileranlage. Pächter des gemeindeeigenen Campingplatzes ist seit dem Jahre 1987 Herr ... der Sprecher der SPD-Fraktion in dem Beklagten.
Nachdem in der ersten Zeit des Bestehens der Fernsehversorgungsanlage auf dem Campingplatz die Rechtsbeziehungen, die bei der Inanspruchnahme der Anlage durch einzelne Camper entstanden, zwischen der IGF und den jeweiligen Nutzern direkt abgewickelt worden waren, wurde der Ratsherr ... einige Zeit, nachdem er den Campingplatz als Pächter übernommen hatte, in diese Abwicklung mit einbezogen. In einem von der IGF gefertigten Schriftstück vom 06.07.1990, das die IGF dem Pächter Siemund zuleitete, ist niedergelegt, daß der Campingplatzpächter von den einzelnen Campern die Beiträge für die Benutzung der Fernsehversorgungsanlage kassiert und das Geld an die IGF weiterleitet. Die durch den Campingplatzpächter an die IGF abzuführenden Beträge werden für die Zeit vom 06.07.1990 bis 31.12.1990 auf 1.020,00 DM und ab dem 01.01.1991 auf jährlich 3.580,00 DM pauschal festgesetzt. Eine Anpassung ist für den Fall vorgesehen, daß sich die Anzahl der jährlichen Übernachtungen in bestimmter Weise verändert. Der Campingplatzpächter ... unterzeichnete das Schriftstück vom 06.07.1990 nicht. Gleichwohl richteten sich die IGF und Herr ... zumindest zeitweise nach den dort niedergelegten Vorgaben. Das Amtsgericht Herzberg ist in einem rechtskräftigen Urteil vom 14.07.1994, mit dem es eine Klage der IGF gegen den Campingplatzpächter ... auf Zahlung abzuführender Benutzungsbeiträge beschieden hat, davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien jenes Verfahrens ein Pachtvertrag über die auf dem Campingplatz installierte Fernsehversorgungsanlage zustandegekommen sei.
Der Beklagte hatte noch im Sommer 1991 beschlossen, den Verkauf des gemeindeeigenen Campingplatzes auszuschreiben. Unter dem 08.12.1992 schlossen jedoch die Gemeinde ... und der Ratsherr ... einen neuen Pachtvertrag mit einer Laufzeit vom 15.01.1993 bis zum 14.01.2003. Dieser Vertragsabschluß markiert das Ende eines Entscheidungsprozesses, in den auch die von den Klägern angegriffenen Beschlüsse des Beklagten gehören.
Einen Beschluß gegen den ursprünglich ins Auge gefaßten Verkauf des Campingplatzes und für dessen Verpachtung faßte der Beklagte in seiner Sitzung vom 12.02.1992 zu Tagesordnungspunkt 8 des öffentlichen Teiles. Zu Tagesordnungspunkt 4 des nichtöffentlichen Teiles beschloß der Beklagte eine öffentliche Ausschreibung zur Verpachtung des Platzes. Der Verwaltungsausschuß der Gemeinde ... zog in seiner Sitzung vom 23.03.1992 von den daraufhin eingegangenen Bewerbungen neun in eine nähere Auswahl. Bis auf den Campingplatzinhaber ... sollten sich die ausgewählten Bewerber in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 28.03.1992 vorstellen. An diesem Vorstellungstermin nahmen drei der Bewerber - unter ihnen das Ehepaar ... - nicht teil. Der Verwaltungsausschuß beschloß, dem Beklagten vier Bewerber - unter ihnen den Ratsherr ... - vorzuschlagen. In der Sitzung des Beklagten vom 30.03.1992 berichtete der Gemeindedirektor der Gemeinde ... unter Tagesordnungspunkt 4 b des öffentlichen Teils, es habe sich gezeigt, daß sich auch Familienmitglieder des Klägers zu 1) - gemeint war das Ehepaar ..., Tochter und Schwiegersohn des Klägers zu 1) - für die Pacht des Campingplatzes beworben hätten. Unter dem die Verpachtung des Campingplatzes betreffenden Tagesordnungspunkt 4 des nichtöffentlichen Teiles der Sitzung stellte der Beklagte ohne Mitwirkung des Ratsherren Siemund mit einem Stimmenverhältnis von sechs zu vier das Vorliegen eines Mitwirkungsverbotes für den Kläger zu 1) fest. Nachdem die CDU-Fraktion und der fraktionslose Ratsherr den Sitzungsraum verlassen hatten sprach sich der Beklagte einstimmig (5 Stimmen) für den Bewerber ... aus. Zu einem Beschluß des Beklagten über den Abschluß eines Pachtvertrages mit dem Ratsherrn ... gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 18 NGO kam es jedoch zunächst nicht. Vielmehr wurde ein entsprechender Antrag zu Tagesordnungspunkt 3 der nichtöffentlichen Sitzung des Beklagten vom 21.04.1992 bei Nichtmitwirkung des Ratsherrn ... abgelehnt (Stimmenverhältnis: fünf zu fünf).
Mit Verfügung vom 11.06.1992 beanstandete der Landkreis Osterode am Harz nach § 130 NGO die unter Tagesordnungspunkt 4 des nichtöffentlichen Teils der Sitzung des Beklagten vom 30.03.1992 gefaßten Beschlüsse über ein Mitwirkungsverbot des Klägers zu 1) und über die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes an den Ratsherrn .... Der Landkreis führte zur Begründung aus, ein Mitwirkungsverbot habe für den Kläger zu 1) nicht bestanden, weil die Eheleute ..., dadurch daß sie der Verwaltungsausschußsitzung vom 28.03.1992 ferngeblieben seien und sich auch später nicht mehr gemeldet hätten, zum Ausdruck gebracht hätten, nicht mehr an der Pachtung des Campingplatzes interessiert zu sein. Den gegen die Beanstandungsverfügung eingelegten Widerspruch des Gemeindedirektors der Gemeinde ... wies die Bezirksregierung Braunschweig durch Bescheid vom 31.08.1992 zurück. Auch die Widerspruchsbehörde sah hinsichtlich der damaligen Konstellation ein Mitwirkungsverbot für den Kläger zu 1) als nicht gegeben an. Der Gemeindedirektor der Gemeinde ... machte gegen die kommunalaufsichtliche Beanstandung zunächst eine Klage bei der erkennenden Kammer anhängig (Az.: 1 A 1256/92), nahm diese jedoch im Dezember 1992 zurück.
Der Beklagte behandelte die Frage des Abschlusses eines Pachtvertrages mit Herrn ... erneut unter Tagesordnungspunkt 4 des nichtöffentlichen Teils seiner Sitzung vom 25.06.1992. Unter diesem Tagesordnungspunkt sprach der Beklagte auf einen Antrag der CDU-Fraktion hin mit einem Stimmenverhältnis von fünf zu zwei die Kündigung des zu jener Zeit bestehenden Pachtvertrages zwischen der Gemeinde ... und Herrn ... aus dem Jahre 1987 aus. Der Gemeindedirektor der Gemeinde ... kündigte in der Sitzung die Einlegung eines Einspruches nach § 65 NGO gegen diesen Beschluß an.
Mit Schreiben vom 15.09.1992 erkundigte sich der Ratsherr ... bei dem Landkreis ... als Kommunalaufsichtsbehörde über ein Mitwirkungsverbot des Klägers zu 1) bei Beschlüssen des Beklagten über den Verkauf bzw. die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes. Herr ... führte in diesem Schreiben aus, der Kläger zu 1) habe als 1. Vorsitzender der IGF ein persönliches Interesse daran, die vereinseigene Kabelanlage auf dem Campingplatz weiter zu betreiben. Dem Kläger zu 1) sei jedoch bekannt, daß die Kabelanlage überflüssig werde, wenn er, der Ratsherr ... Pächter auf dem Campingplatz bleibe. Weder er noch die Gemeinde ... seien der IGF vertraglich verpflichtet. Auch habe er dem Kläger zu 1) wegen dessen überhöhter finanzieller Forderungen und des mangelhaften technischen Zustandes der Anlage bereits vor einem Jahr mitgeteilt, daß er in Zukunft eine eigene TV-Anlage betreiben werde. Als Folge würden der IGF jährlich Einnahmen von etwa 5.000,- DM verlorengehen. Der Kläger zu 1) sei nicht nur 1. Vorsitzender der IGF sondern auch deren Arbeitnehmer. Nach eigenen Angaben erhalte er pro Arbeitsstunde 15,- DM. Den Gegenwert für ca. 4.500 Arbeitsstunden - also ca. 70.000,- DM - habe der Kläger zu 1) der IGF als Darlehen zur Verfügung gestellt. Dem Kläger zu 1) gehe es nur um den Erhalt der vereinseigenen Kabelanlage auf dem Campingplatz, der zur Voraussetzung habe, daß er, der Ratsherr ..., als Pächter ausscheiden müsse. Der Landkreis ... beantwortete unter dem 12.11.1992 das Schreiben des Ratsherrn ... dahingehend, die Richtigkeit, der gemachten Angaben unterstellt, ergebe sich für den Kläger zu 1) ein Mitwirkungsverbot zwar nicht auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 NGO, weil durch das Abkoppeln des Campingplatzes von der Fernsehversorgung nicht ihm persönlich, sondern der IGF Verluste entstehen würden. Ein Mitwirkungsverbot folge jedoch aufgrund der Regelungen in § 26 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 NGO aus der Tatsache, daß der Kläger zu 1) als Vorstandsmitglied und Arbeitnehmer der IGF tätig sei.
Vor diesem Hintergrund fand die Sitzung des Beklagten vom 19.11.1992 statt, in der die durch die Kläger angegriffenen Beschlüsse gefaßt wurden. Unter Tagesordnungspunkt 17 des öffentlichen Teiles der Sitzung wurde zunächst ein Antrag der CDU-Fraktion über das weitere Verfahren zur Verpachtung des Campingplatzes - Berücksichtigung der ... bisherigen Bewerber bzw. erneute Ausschreibung - bei Nichtmitwirkung des Ratsherrn ... abgelehnt (Stimmenverhältnis: fünf zu fünf). Unter Tagesordnungspunkt 2 des nichtöffentlichen Teiles der Sitzung beantragte der Kläger zu 1), den Tagesordnungspunkt 17 aus dem öffentlichen Teil erneut in dem nichtöffentlichen Teil zu behandeln. In der darauf folgenden Aussprache fragte der Gemeindedirektor der Gemeinde ... unter Hinweis auf die Vorschrift des § 26 NGO, ob sich jemand der Anwesenden in der zu behandelnden Angelegenheit befangen fühle. Als sich daraufhin lediglich der Ratsherr ... meldete, verwies der Gemeindedirektor der Gemeinde ... auf das ihm per Telefax zugegangene Schreiben des ... an den Ratsherrn ... vom 12.11.1992 zu Interessenkollisionen von Personen, die in irgendeiner Beziehung zu der Interessengemeinschaft Fernsehversorgung ... e.V. stünden. Daraufhin stellte der Beklagte mit sechs Ja-Stimmen gegen vier Nein-Stimmen bei einer Stimmenthaltung fest, daß für die Kläger bei den Entscheidungen über den Campingplatz ein Mitwirkungsverbot bestehe. Daraufhin verließen die Kläger und die übrigen zwei Mitglieder der CDU-Fraktion die Sitzung. Danach lehnte der Beklagte den Antrag der CDU-Fraktion zur nochmaligen nichtöffentlichen Beratung des Tagesordnungspunkt 17 aus dem öffentlichen Teil der Sitzung bei Nichtmitwirkung des Ratsherrn ... ab (Stimmenverhältnis: eins zu fünf).
Vor dem Tagesordnungspunkt 5 des nichtöffentlichen Teils der Satzung, der den Beschluß des Beklagten vom 25.06.1992 hinsichtlich der Kündigung des seinerzeitigen Pachtvertrages über den Campingplatz mit dem Ratsherrn ... und den Einspruch des Gemeindedirektors hierzu betraf, verließ auch der Ratsherr ... den Sitzungsraum. Sodann erklärte der Gemeindedirektor der Gemeinde ..., daß er gegen den Beschluß vom 25.06.1992 nunmehr gemäß § 65 NGO Einspruch einlege, weil der seinerzeitige Antrag eine Erweiterung der Tagesordnung dargestellt habe, die nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Beklagten habe vorgenommen werden dürfen. Dieses Quorum sei nicht erreicht worden. Der Beklagte gab diesem Einspruch mit den Stimmen der verbliebenen fünf Ratsmitglieder einstimmig statt.
Unter dem Tagesordnungspunkt 6 des nichtöffentlichen Teils - Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 30.03.1992 zur Verpachtung des Campingplatzes an Herrn ... gemäß Beanstandungsverfügung des Landkreises ... vom 11.06.1992 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 31.08.1992 - beschloß der Beklagte wiederum einstimmig, seinen Beschluß vom 30.03.1992 aufzuheben und der kommunal auf sichtlichen Beanstandung nachzukommen. Der Gemeindedirektor der Gemeinde ... hatte diese Beschlußfassung trotz der seinerzeit noch vor der Kammer anhängigen Klage (Az.: 1 A 1256/92) zur Verfahrensabkürzung empfohlen.
Unter dem Tagesordnungspunkt 7 des nichtöffentlichen Teils seiner Sitzung wählte der Beklagte unter den durch den Verwaltungsausschuß in der Sitzung vom 28.03.1992 vorgeschlagenen Bewerbern für die Pacht des Campingplatzes den Ratsherrn ... aus. Auf diesen entfielen vier der fünf abgegebenen Stimmen.
Unter Tagesordnungspunkt 8 des nichtöffentlichen Teils seiner Sitzung beschloß der Beklagte schließlich einstimmig gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 18 NGO den neuen Pachtvertrag mit Herrn ... abzuschließen.
Am 26.11.1992 machte die CDU-Fraktion des Beklagten bisher erkennenden Kammer ein gegen die Gemeinde ... gerichtetes Eilverfahren anhängig (Az 1 B 1308/92) in dessen Rahmen sie begehrte, die Durchführung der durch den Beklagten zu den Tagesordnungspunkten 2, 5, 6, 7 und 8 des nichtöffentlichen Teils seiner Sitzung vom 19.11.1992 gefaßten Beschlüsse auszusetzen. Nachdem die Gemeinde ... den Pachtvertrag mit dem Ratsherrn ... unter dem 08.12.1992 geschlossen hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt.
Am 02.07.1993 haben die Kläger Klage erhoben. Die Klageschrift ist - das Einverständnis der Kläger voraussetzend und von diesen ungerügt - nicht an die klageschriftlich als Beklagte genannte Gemeinde ... vertreten durch den Gemeindedirektor, sondern an den Rat der Gemeinde ..., vertreten durch den Bürgermeister zugestellt worden.
Die Kläger sind der Ansicht, das durch den Beklagten ihnen gegenüber festgestellte Mitwirkungsverbot sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem aus § 39 NGO folgenden Recht auf die freie Ausübung ihrer Mandate. Auf ihre Vorstandsmitgliedschaft bei der IGF habe ein Mitwirkungsverbot nur unter der Voraussetzung gestützt werden dürfen, daß die Interessengemeinschaft durch den Abschluß des Pachtvertrages der Gemeinde mit dem Ratsmitglied ... einen konkreten Nachteil erleide. Die bloße Absichtserklärung des Herrn ... nach Abschluß des Pachtvertrages auf die Dienste der IGF für den Campingplatz verzichten zu wollen, habe nicht als derartiger konkreter Nachteil qualifiziert werden dürfen, zumindest könne der Entscheidung des Beklagten über die Verpachtung des Campingplatzes keine unmittelbare Wirkung für die Entstehung eines Nachteiles bei der Interessengemeinschaft zuerkannt werden. Wegen der Verletzung ihrer, der Kläger, Mitwirkungsrechte seien, wie sich aus dem der Vorschrift des § 26 Abs. 6 Satz 1 NGO zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken ergebe, auch die durch den Beklagten gefaßten Vergabebeschlüsse unwirksam. Daraus ergebe sich als weitere Folge auch die Unwirksamkeit des zwischen der Gemeinde ... und dem Ratsherrn ... abgeschlossenen Pachtvertrages vom 08.12.1992. Die Kläger tragen weiter vor, der Ratsherr ... sei bei der Verpachtung des Campingplatzes rechtswidrig bevorzugt worden. Er habe überdies durch in seinem an den Landkreis ... gerichteten Schreiben vom 15.09.1992 enthaltene unrichtige Angaben die Beschlußfassung des Beklagten manipuliert. Im übrigen habe der Beklagte in seiner Sitzung vom 29.11.1992 über die Auswahl der Pachtbewerber und den Inhalt des zu schließenden Pachtvertrages nicht ausreichend beraten. Zumindest seien die durch ein Schreiben des Landkreises ... vom 28.09.1992 gegenüber der Gemeinde ... aufgezeigten Mängel des Pachtvertrages noch nicht behoben worden. Eine entsprechende Vertragsänderung müsse im Rahmen einer Ratssitzung beschlossen und dann vorgenommen werden. Sie, die Kläger, müßten befürchten, in diesem Zusammenhang erneut mit einem Mitwirkungsverbot belegt zu werden.
Die Kläger beantragen,
den Beschluß des Beklagten im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung vom 19.11.1992 zu Tagesordnungspunkt 2, durch den die Kläger von der Ratssitzung ausgeschlossen wurden, sowie die im nichtöffentlichen Teil derselben Ratssitzung zu den Tagesordnungspunkten 5, 6, 7 und 8 gefaßten Sachbeschlüsse aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, daß der von dem Beklagten in dem nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung vom 19.11.1992 unter Tagesordnungspunkt 2 gefaßte Beschluß zur Feststellung eines Mitwirkungsverbotes für die Kläger sowie die im nichtöffentlichen Teil derselben Ratssitzung unter den Tagesordnungspunkten 5, 6, 7 und 8 gefaßten Sachbeschlüsse rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bürgermeister der Gemeinde Zorge macht sich den im Verfahren zunächst abgegebenen Vortrag des Gemeindedirektors dieser Gemeinde zu eigen und führt aus, der Beklagte habe sich in seinem Beschluß über das Mitwirkungsverbot für die Kläger der Rechtsauffassung des Landkreises ... als Zustandzuges Kommunalaufsichtsbehörde angeschlossen. Im übrigen müsse es für die Annahme eines Mitwirkungsverbotes genügen, wenn die bloße Möglichkeit der persönlichen Auswirkung eines Beschlusses gegeben sei. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß der Ratsherr ... als Pächter des Campingplatzes seit dem 01.07.1993 tatsächlich eine eigene Fernsehversorgung aufgebaut habe. Selbst wenn der Beschluß über das Mitwirkungsverbot der Kläger rechtswidrig gewesen sein sollte, sei dies für das Abstimmungsergebnis bei dem Beschluß über die Verpachtung des Campingplatzes an den Ratsherrn ... nicht entscheidend gewesen. Die in dem Schreiben des Landkreises ... vom 28.09.1992 enthaltenen Anregungen zur Ausgestaltung des Pachtvertrages seien in dem geschlossenen Vertrag bis auf eine Ausnahme berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Gemeinde ... verwiesen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem gestellten Hauptantrag unzulässig. Mit dem angebrachten Hilfsantrag ist sie zwar zulässig aber unbegründet.
Die Klage stellt ein sogenanntes Kommunalverfassungsstreitverfahren dar. Nach einhelliger Rechtsprechung gehören derartige Verfahren, deren Besonderheit darin besteht, daß zwischen den Beteiligten kein Außenrechtsverhältnis gegeben ist, diese vielmehr als Organe oder Organteile einer kommunalen Körperschaft um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen aus dem inneren Verfassungsleben dieser Körperschaft streiten, zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (grundlegend bereits: OVG Lüneburg, Urteil vom 01.09.1950 - II OVG A 306/50 -, OVGE 2, 225 ff.; vgl. im übrigen die Nachweise bei Ehlers, NVwZ 1990, 105 ff.). Hinsichtlich der Klageart sieht die neuere Rechtsprechung kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeiten nicht mehr als Streitverfahren sui generis an, sondern geht je nach dem Rechtsschutzziel entweder von der allgemeinen Leistungsklage oder der Feststellungsklage aus. Ergänzend sind, sofern es um die Feststellung der Rechtswidrigkeit von bereits erledigten Organbeschlüssen geht, nach vorzugswürdiger Ansicht die Grundsätze der in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geregelten Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anzuwenden (vgl. zum Ganzen, insbesondere zur entsprechenden Anwendbarkeit der Grundsätze des § 113 Abs. 1, Satz 4 VwGO: Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Auflage 1992, § 113, Rn. 48; Ehlers, a.a.O., mit Nachweisen auf die einschlägige Rechtsprechung).
Die Kläger können als Ratsmitglieder geltend machen, im Falle der Rechtswidrigkeit ihres Ausschlusses im Verlauf der Ratssitzung vom 19.11.1992 in ihrem organschaftlichen Recht aus § 39 Abs. 1 Satz 1 NGO auf freie Ausübung ihres Mandates verletzt zu sein (zur - unabhängig von der Klageart - entsprechenden Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 VwGO in Kommunalverfassungsstreitverfahren: BVerwG, Beschluß vom 22.12.1988 - 7 B 208/87 -, NVwZ-RR 1989, 470; OVG Lüneburg, Beschluß vom 08.12.1970 - X OVG A 106/70 -, OVGE 27, 351, 352; BayVGH, Urteil vom 31.07.1974, - Nr. 2 IV 7 -, BayVBl. 1976, 753, 754 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 29.08.1984, - 7 A 19/84 -, NVwZ 1985, 283 [OVG Rheinland-Pfalz 29.08.1984 - 7 A 19/84]). Die Klage war gegen den Rat der Gemeinde ... zu richten, weil dieser das Gemeindeorgan ist, dem die Kläger die geltend gemachte Rechtsverletzung vorwerfen. Der Rat ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig und wird gemäß § 62 Abs. 3 VwGO im Prozeß durch den Ratsvorsitzenden vertreten (vgl. Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 3. Aufl. 1992, § 31, Anm. 3, § 47, Anm. 5; OVG Münster, Urteil vom 12.09.1962 - III A 537/62 -, OVGE 18, 104, 106 zu einem ähnlichen Fall). Dementsprechend ist die Klageschrift, obwohl dort als Beklagte die Gemeinde ... vertreten durch den Gemeindedirektor genannt wird, zugestellt worden. Die Kläger haben dem nicht widersprochen.
Die Klage ist auch insoweit zulässig, als die Kläger sich über den Beschluß bezüglich ihres Ausschlusses, der unter Tagesordnungspunkt 2 des nichtöffentlichen Teils der Ratssitzung vom 19.11.1992 erfolgte, hinaus gegen die Entscheidungen des Beklagten über die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes wenden, die ohne ihre Mitwirkung unter den Tagesordnungspunkten 5, 6, 7 und 8 des nichtöffentlichen Teils der genannten Ratssitzung gefaßt wurden. Denn die Verletzung des Mitgliedschaftsrechtes eines Ratsmitgliedes, das zu Unrecht von einer Abstimmung ausgeschlossen wird, liegt nicht allein in dem abstrakten Ausschluß, sondern auch oder gerade darin, daß das Ratsmitglied gehindert wird, an der Sachentscheidung des Kommunalorgans mitzuwirken (BayVGH, Urteil vom 31.07.1974, Bay.VBl. 1976, 755; VG Braunschweig, Urteil vom 04.10.1989 - 1 A 1035/89 -).
Allerdings können die Kläger ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachtes Begehren zur Aufhebung der genannten Beschlüsse des Beklagten nicht in zulässiger Weise verfolgen. Zulässig ist in entsprechender Anwendung der für Fortsetzungsfeststellungsklagen nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geltenden Grundsätze allein der gestellte Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse.
Zwar ergibt sich die Unzulässigkeit eines Aufhebungsbegehrens, wie es die Kläger mit ihrem Hauptantrag zur Entscheidung stellen, noch nicht aus der Erwägung, daß rechtswidrige Akte aus dem Innenbereich einer Körperschaft gemeinhin als nichtig zu qualifizieren wären, so daß ein auf sie zielender Aufhebungsantrag von vornherein ins Leere gehen müßte. Nach Auffassung der Kammer kann von einer Nichtigkeit derartiger Akte vielmehr nur in den Fällen ausgegangen werden, in denen diese Rechtsfolge sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt, wie dies etwa in § 26 Abs. 6 Satz 1 NGO der Fall ist. Diese Vorschrift betrifft jedoch nur die Konstellation, daß ein durch das gemeindliche Mitwirkungsverbot Betroffener an einem Beschluß mitgewirkt hat, nicht jedoch die hier von den Klägern geltend gemachte Fallkonstellation eines zu Unrecht erfolgten Ausschlusses von der Beratung und Entscheidung. Es ist demnach davon auszugehen, daß die von den Klägern angegriffenen Beschlüsse des Beklagten auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit gültig waren (vgl. in diesem Sinne allgemein auch: Thiele, a.a.O., § 26 Anm. 10; Weißhaar, Kommunalrecht Niedersachsen, 4. Aufl. 1993, Nr. 12.6.1.5 und mit ausführlicher Argumentation und Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten: Ehlers, a.a.O., 107 ff.).
Ungeachtet dessen dürfte die von den Klägern mit ihrem Hauptantrag erstrebte Kassation einer organschaftlichen Entscheidung im Kommunalverfassungsstreitverfahren schon vom Grundsatz her nicht möglich sein. Wie bereits dargelegt, werden ... Verfahren dieser Art in der Form von Leistungsklagen oder (Fortsetzungs-)Feststellungsklagen geführt. Wenn in der Rechtsprechung aus der Erwägung, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, vereinzelt auch in derartigen Verfahren ein kassatorischer Ausspruch für möglich gehalten wird (BayVGH, Urteil vom 31.07.1974, BayVBl. 1976, 754; vgl. auch: OVG Lüneburg, Urteil vom 01.09.1950, OVGE 2, 232 f. zur MRVO Nr. 165; OVG Münster, Urteil vom 12.09.1962, OVGE 18, 105) widerspricht dies allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen, wonach lediglich eine Anfechtungs- bzw. Gestaltungsklage zu einem solchen Tenor führen kann (Ehlers, a.a.O., 106).
Schließlich fehlt es den Klägern jedenfalls an dem erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für ihren Aufhebungsantrag. Die Beschlüsse des Beklagten über die Ausschließung der Kläger und über die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes haben nämlich ihre Erledigung gefunden, nachdem der Pachtvertrag zwischen dem Ratsherrn ... und der Gemeinde ..., die entsprechend den Erfordernissen des § 63 Abs. 2 NGO durch den Gemeindedirektor und den Ratsvorsitzenden vertreten wurde, unter dem 08.12.1992 geschlossen worden ist (vgl. zur Erledigung derartiger Ratsbeschlüsse: Ehlers, a.a.O., 107). Die Wirksamkeit dieses Vertrages nach außen ist unabhängig davon gegeben, ob die intern erforderlichen Beschlüsse des Beklagten in rechtsgültiger Weise fortbestehen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.1978 - III ZR 81/77 -, DVBl. 1979, 514, 515 f.; Thiele, a.a.O., § 63, Anm. 1, 3). Von dieser rechtlichen Einschätzung ist im übrigen auch die CDU-Fraktion des Beklagten, der die Kläger angehören, ausgegangen, als sie das bei der Kammer anhängige Eilverfahren (Az.: 1 B 1308/92), das darauf gerichtet war, die Durchführung der streitigen Beschlüsse des Beklagten auszusetzen, nach Abschluß des Pachtvertrages für erledigt erklärte.
Dagegen können die Kläger ein Feststellungsinteresse, wie es für die Zulässigkeit der von ihnen mit dem Hilfsantrag erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlich ist, unter den Gesichtspunkten eines Rehabilitationsinteresses und einer gegebenen Wiederholungsgefahr geltend machen.
Aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ergibt sich insbesondere ein Interesse der Kläger an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres unter Tagesordnungspunkt 2 des nichtöffentlichen Teils der Ratssitzung vom 19.11.1992 erfolgten Ausschlusses. Eine solche Feststellung wäre schon deshalb geeignet, die Stellung der Kläger als demokratisch gewählte Ratsmitglieder zu stärken, weil sie zur Folge hätte, daß der Beklagte hinsichtlich des Ausspruches einer derart tief in die organschaftlichen Rechte der Kläger einschneidenden Maßnahme gewissermaßen gewarnt wäre und für die Zukunft insoweit aller Voraussicht nach große Vorsicht walten lassen würde. Für die Begründung eines Interesses der Kläger an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der unter den Tagesordnungspunkten 5 bis 8 des nichtöffentlichen Sitzungsteiles gefaßten Sachbeschlüsse erweist sich der Rehabilitationsgedanke demgegenüber als weniger tragfähig, wobei allerdings auch insoweit nicht außer acht gelassen werden darf, daß es sich für die Kläger in der täglichen kommunal politischen Auseinandersetzung in einem allgemeinen Sinne als günstig erweisen dürfte, wenn sie sich auf die erstrebte Feststellung berufen könnten. Ein Interesse der Kläger, die Rechtswidrigkeit sämtlicher von ihnen angegriffener Beschlüsse des Beklagten feststellen zu lassen, rechtfertigt sich jedoch darüber hinaus aus der Erwägung, daß die Kläger damit rechnen müssen, auch in Zukunft an einer Mitwirkung an Beschlüssen des Beklagten, die sich im Hinblick auf etwaige Streitigkeiten zwischen der Gemeinde Zorge und dem Ratsherrn ... über Durchführungsmodalitäten des geschlossenen Pachtvertrages als notwendig erweisen könnten, gehindert zu werden. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie die Kläger meinen - die in dem Schreiben des Landkreises ... vom 28.09.1992 genannten Punkte noch einer vertraglichen Umsetzung fähig oder bedürftig sind.
Die Kläger können mit ihrem hilfsweise angebrachten Fortsetzungsfeststellungsantrag jedoch in der Sache nicht durchdringen. Der in der Sitzung der Beklagten vom 19.11.1992 gefaßte Beschluß über ein Mitwirkungsverbot der Kläger bei den Entscheidungen über die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes war rechtmäßig. Folglich waren auch die in derselben Sitzung ohne Mitwirkung der Kläger getroffenen Sachentscheidungen selbst nicht deshalb rechtswidrig, weil die Kläger an ihnen hätten mitwirken müssen. Der Teilnahme der Kläger an der Beratung und Entscheidung stand ein Mitwirkungsverbot nach § 26 NGO i.V.m. § 39 Abs. 3 NGO entgegen.
Die Kläger unterfallen sowohl dem Ausschlußtatbestand des § 26 Abs. 1 Satz 1 NGO, als auch demjenigen des § 26 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 NGO (der erste und der zweite Absatz des § 26 NGO sind nebeneinander anwendbar, vgl.: Thiele, a.a.O., § 26, Anm. 7; a. A.: Weishaar, a.a.O., Nr. 12.6.1.1.2, der von einer Spezialität des § 26 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 NGO gegenüber § 26 Abs. 1 Satz 1 NGO ausgeht). Die IGF wurde zum Zeitpunkt der angegriffenen Beschlüsse des Beklagten als juristische Person durch die Kläger vertreten. Darüber hinaus gehörten die Kläger dem Vorstand dieses rechtsfähigen Vereins an. Die Frage, ob der Kläger zu 1) wegen einer entgeltlichen Beschäftigung bei der IGF außerdem der Ausschlußklausel des § 26 Abs. 2 Nr. 1 NGO unterfällt, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben. Die Entscheidung des Beklagten in der Angelegenheit der Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes konnte der IGF einen besonderen Vorteil bzw. Nachteil i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 NGO bringen. Außerdem bestand seitens des Vereins an der Erledigung dieser Angelegenheit ein besonderes ... wirtschaftliches Interesse i.S.d. § 26 Abs. 2 Satz 2 NGO.
Die in § 26 Abs. 1 und 2 NGO verwandten Begriffe für das individuelle Sonderinteresse stimmen ihrem Inhalt nach überein (Schwirzke, Allgemeines Niedersächsisches Kommunalrecht, 12. Aufl. 1992, S. 41; Weißhaar, a.a.O., Nr. 12.6.1.2). Bei der Bestimmung dieses Begriffsinhaltes ist auf den Zweck des gemeindlichen Mitwirkungsverbotes abzustellen, der darin besteht, die Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Gemeindeverwaltung und zugleich deren Ansehen in der Öffentlichkeit zu sichern. Von Beratungen und Entscheidungen sollen solche Personen ausgeschlossen sein, die aufgrund individueller Sonderinteressen nicht die Gewähr für eine unbeeinflußte, allein an dem Interesse der Gemeinde und des Gemeinwohls, orientierte Entscheidung bieten (vgl. nur OVG Münster, Urteil vom 20.09.1983, - 7 A NE 4/80 -, NVwZ 1984, 667, 668 [OVG Nordrhein-Westfalen 20.09.1983 - 7a NE 4/80]; Urteil vom 10.03.1989, - 19 A 892/88 -, NVwZ-RR 1990, 43 [OVG Nordrhein-Westfalen 10.03.1989 - 19 A 892/88]). Soll damit durch die Regelung des § 26 NGO bereits der böse Schein einer unzulässigen Einflußnahme vermieden werden, genügt für deren Eingreifen zwar einerseits bereits die auf einer - wenn auch losen - persönlichen oder sachlichen Beziehung zu der Angelegenheit beruhende Möglichkeit einer Vergünstigung oder Belastung; die Sicherheit, daß der Vor- oder Nachteil eintreten wird, - ist nicht erforderlich. Andererseits darf die Möglichkeit einer Besser- oder Schlechterstellung nicht rein theoretischer Natur sein, sondern muß real bzw. konkret bestehen. Außerdem muß der Vor- oder Nachteil in dem Sinne unmittelbare Folge der zu treffenden Entscheidung sein, daß er ohne das Hinzutreten weiterer Umstände und ohne die maßgebliche Einflußnahme Dritter zwangsläufig zu erwarten ist (vgl. zu diesen restriktiven Elementen: OVG Münster, Urteil vom 20.09.1983, NVwZ 1984, 668 f. [OVG Nordrhein-Westfalen 20.09.1983 - 7a NE 4/80]; Urteil vom 10.03.1989, NVwZ-RR 1990, 43 [OVG Nordrhein-Westfalen 10.03.1989 - 19 A 892/88]; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1982 - 1 C 12/81 -, BRS 39, Nr. 20; VGH Kassel, Beschluß vom 02.06.1992 - 3 N 1366/91 -, NVwZ-RR 1993, 156; Lüersen/Neuffer, Niedersächsische Gemeindeordnung Loseblattsammlung, Stand: Mai 1994, § 26, Anm. 3; Thieme/Schäfer, Niedersächsische Gemeindeordnung 2. Aufl. 1994, § 26, Rn. 10; Thiele, a.a.O., § 26, Anm. 3; weiter wohl: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.1993, - 1 S 570/92 -, DöV 1993, 1098 f.). Zu berücksichtigen ist in jedem Falle, daß es sich bei dem genannten Erfordernis der Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteiles um ein Merkmal handelt, das durch eine wertende Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalles auszufüllen ist (vgl. in diesem Sinn: OVG Münster, Urteil vom 20.09.1983, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.1993, a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Kläger im Hinblick auf die Entscheidungen über die Verpachtung des Campingplatzes der Gemeinde ... die in der Ratssitzung vom 19.11.1992 zu treffen waren, zu Recht als befangen angesehen.
Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang drei Gesichtspunkte. Zunächst ist davon auszugehen, daß sich die IGF und der Ratsherr ... zumindest konkludent vertraglich dahingehend geeinigt haben daß die Entgelte, die einzelne Camper der IGF für die Benutzung der auf dem Campingplatz installierten Fernsehversorgungsanlage schuldeten, durch Herrn Siemund eingezogen wurden, wobei eine Gewinnbeteiligung des Herrn ... bzw. die Abrechnung zwischen diesem und der IGF in pauschalierter Weise erfolgte. Diese vertragliche Verbindung bestand zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte die von den Klägern angegriffenen Beschlüsse faßte, fort, wenn auch - und hierin besteht das zweite in Rechnung zu stellende Kriterium - der Ratsherr ... der IGF im Vorfeld der Ratssitzung vom 19.11.1992 bereits eine Beendigung der Zusammenarbeit in Aussicht gestellt hatte und nach Abschluß des Pachtvertrages vom 08.12.1992 diese Ankündigung auch in die Tat umgesetzt hat indem er nunmehr eine Fernsehversorgung auf dem Campingplatz in eigener Regie betreibt. Schließlich und vor allem ist zu beachten, daß die genannten Verträge bzw. Vertragsstreitigkeiten zwischen der IGF und dem Ratsherrn ... nur eine Folge des Umstandes waren, daß die IGF auf dem gemeindeeigenen Campingplatz - auf welcher rechtlichen Grundlage auch immer - die beschriebene Fernsehversorgungsanlage tatsächlich eingerichtet hatte und unterhielt.
Im Hinblick auf die beiden erstgenannten Gesichtspunkte dürften sich allerdings kaum unmittelbare, für die IGF vor- bzw. nachteilige Folgen der in Rede stehenden Sachentscheidungen des Beklagten vom 19.11.1992 ausmachen lassen. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Ratsherrn und Campingplatzpächter ... und der IGF wurden durch die genannten Entscheidungen per se nicht betroffen. Zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den Beklagten stand lediglich eine bloße Absichtserklärung des Ratsherrn ... in bezug auf eine Beendigung seiner Zusammenarbeit mit der IGF im Raume, deren Verwirklichung mit nachteiligen finanziellen Folgen für die IGF zwar als zukünftig mögliche, in jedem Falle aber eigenständige Entscheidung des Herrn ... zu qualifizieren war. Ein Abstellen allein auf diese Absichtserklärung des Ratsherrn ... erscheint auch deshalb als nicht gerechtfertigt, weil es ansonsten ein Ratsmitglied in der Hand hätte, durch bloße Erklärungen, die sich gegenüber einem anderen Ratsmitglied bzw. für diesem Ratsmitglied verbundene Rechtsubjekte wirtschaftlich negativ auswirken könnten, "ungünstige" Mehrheitsverhältnisse in dem Beschlußorgan in seinem Sinne zu verändern.
Unabhängig von diesen, letztlich immer auf die Person des Ratsherrn und Campingplatzpächters ... bezogenen Erwägungen folgte eine Befangenheit der Kläger aber jedenfalls aus dem dritten der oben genannten Gesichtspunkte. Dadurch, daß die den Klägern verbundene IGF auf dem gemeindeeigenen Campingplatz eine Fernsehversorgungsanlage tatsächlich betrieb, hatte diese generell ein handfestes wirtschaftliches Interesse daran, daß die Anlage weiterhin genutzt wurde und damit wirtschaftlich rentabel blieb. Dieses wirtschaftliche Sonderinteresse bestand, ohne daß noch weitere Zwischenentscheidungen erforderlich gewesen wären gegenüber jedem möglichen Pächter des Campingplatzes und war ... für den außenstehenden Gemeindeeinwohner ohne weiteres ersichtlich. Um insoweit - wie durch den Sinn und Zweck des § 26 NGO gefordert - bereits dem Entstehen eines bösen Scheins zu begegnen, mußte der Beklagte eine Mitwirkung der Kläger an den Sachentscheidungen über die Verpachtung des Campingplatzes verhindern.
Ist nach alledem der Ausschluß der Kläger von der Mitwirkung an den Sachentscheidungen des Beklagten über die Verpachtung des gemeindeeigenen Campingplatzes nicht zu beanstanden, können die Kläger auch dann nicht in ihrem Mitgliedschaftsrecht auf Mitwirkung an diesen Entscheidungen verletzt sein, falls der Beklagte - wie die Kläger vortragen - die Pachtbewerberauswahl und den Pachtvertragsinhalt nach dem erfolgten Ausschluß des Klägers nicht ausreichend beraten haben sollte. Schließlich vermag auch die von den Klägern erhobene Rüge, der Ratsherr ... sei bei der Verpachtung des Campingplatzes rechtswidrig bevorzugt worden, eine Verletzung von Mitgliedschaftsrechten der Kläger nicht darzutun. Das Kommunalverfassungsstreitverfahren dient nicht einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle von Organbeschlüssen unabhängig von einer möglichen Verletzung der jeweiligen Kläger in ihren Mitgliedschaftsrechten (Lüersen/Neuffer, a.a.O., § 47. Anm. 3 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
PräsVG Dr. van Nieunland ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift gebunden, Möller
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