Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 04.07.2006, Az.: 18 A 1169/02

Angabe; Aussage; Ausschuss; Beamter; Bindung; Dienst; Meineid; Parlament; Pflicht; PUA; Strafgericht; Strafverfahren; Untersuchung; Untersuchungsausschuss; Vergehen; Verzögerung; Würdigung; Zeuge; Zurückstufung; öffentlicher Dienst

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
04.07.2006
Aktenzeichen
18 A 1169/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Beamte ist eines Dienstvergehens schuldig.

Er wird deswegen in das Amt eines Regierungsdirektors (A 15) versetzt.

Der Beamte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der ihm erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

I. Der 1956 geborene Beamte ist verheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Er bestand Ende Mai 1986 die zweite juristische Staatsprüfung und war zunächst ab 01.12.1986 Angestellter bei der Stadt Braunschweig als persönlicher Assistent des damaligen Oberbürgermeisters D.. Bei der Stadt Braunschweig wurde er am 01.06.1990 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Stadtassessor ernannt. Nachdem der braunschweigische Oberbürgermeister niedersächsischer Innenminister geworden war, wurde Ende Juni 1990 der Beamte zunächst an das Niedersächsische Innenministerium abgeordnet und mit Wirkung vom 12.09.1990 in den Landesdienst versetzt. Nachdem der Beamte in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen worden war, wurde er am 01.06.1991 zum Regierungsrat, zum 01.06.1992 zum Oberregierungsrat und zum 01.06.1993 zum Regierungsdirektor ernannt. im Mai 1996 erfolgte die Ernennung zum Ministerialrat (A 16 BBesO), im Juni 1996 die Ernennung zum Leitenden Ministerialrat im Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von zwei Jahren. Nachdem der bisherige Innenminister Ende Oktober 1998 zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt worden war, wurde der Beamte zunächst zur Staatskanzlei abgeordnet und später dorthin versetzt. Zum 01.11.1999 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von fünf Jahren zum Ministerialdirigenten ernannt. In der Staatskanzlei leitete der Beamte zunächst die Abteilung 2, später dann die Abteilung 1. Mit Ablauf des 31.10.2004 endete das Beamtenverhältnis auf Zeit. Der Beamte wird seither wieder als Ministerialrat der BesGr A 16 BBesO verwendet und ist - nunmehr als leitender Regierungsdirektor seit 01.01.2005 beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie in Hildesheim tätig. Seine letzte Beurteilung vom 16.06.2006 lautete mit dem Gesamturteil auf „sehr gut“.

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Der Beamte ist disziplinarisch nicht vorbelastet.

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II. Wegen verschiedener Vorwürfe gegen den damaligen Ministerpräsidenten D. setzte der Niedersächsische Landtag den 18. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Im Rahmen dessen Untersuchungen wurde auch der Beamte vernommen und beeidigt. Wegen der näheren Einzelheiten der Vernehmung, insbesondere der Aussagen des Beamten, wird auf die sich in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Protokolle verwiesen.

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U.a. sagte der Beamte in der 11. Sitzung des PUA aus, er habe mit den zuständigen Beamten mehrere Gespräche wegen Abschlagszahlungen auf abzuführende Aufsichtsratsvergütungen geführt und es sei ihm (erst) hinterher berichtet worden, dass der persönliche Referent des Ministerpräsidenten an das NLBV wegen der Entschädigung für getrennte Haushaltsführung geschrieben hat und beeidete diese Aussagen in der 23. Sitzung des Untersuchungsausschusses.

5

Mit Verfügung vom 06.09.2000 leitete die Niedersächsischen Staatskanzlei ein - später auf weitere Vorwürfe ausgedehntes - förmlichen Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein, u.a. wegen des Verdachtes falscher Angaben vor dem Untersuchungsausschuss.

6

Mit Verfügung vom 07.11.2002 wurde der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben. Nachdem der Beamte in einem Strafverfahren jedoch zunächst freigesprochen wurde, hob die Niedersächsische Staatskanzlei mit einer am 14.02.2003 abgesandten Verfügung die vorläufige Dienstenthebung wieder auf und der Beamte kehrte an seinem damaligen Arbeitsplatz im Finanzministerium zurück. Eine erneute Suspendierung erfolgte nicht, auch nicht, als der Freispruch des Amtsgerichtes vom Oberlandesgericht Celle aufgehoben und der Beamte dann vom Amtsgericht verurteilt wurde.

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III. Mit der am 21.03.2002 bei der damaligen Disziplinarkammer eingegangenen Anschuldigungsschrift, (nach Korrektur eines Verfahrensfehlers nochmals am 05.04.2002 dem Gericht vorgelegt) legt die Vertreterin der Einleitungsbehörde dem Beamten zur Last, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er

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1.) von einer Seite einer Verfügung in der Akte „Themenkomplex Abschlagszahlungen von Aufsichtsratsvergütung“ den unteren Teil abgeschnitten hat;

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2.) eine Notiz mit Datum vom 29.09.1999 nachträglich gefertigt zu haben - wahrscheinlich in der 47. Kalenderwoche 1999, nach dem 22.11. und vor dem 24.11.1999;

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3.) wahrheitswidrig in der 11.,21. und 23. Sitzung des 18. parlamentarischen Untersuchungsausschusses behauptet und beeidet zu haben, er habe eine mit Datum vom 29.09.1999 versehene Notiz nicht nachträglich gefertigt;

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4.) wiederholt gegenüber mehreren Beamten der Staatskanzlei zu nicht mehr konkret anzugebenden Zeitpunkten sich sinngemäß dahingehend geäußert zu haben, er habe während seiner Tätigkeit im Innenministerium den damaligen Minister D. vor dem Staatsanwalt bewahrt, indem er mit diesem gesprochen habe, während im Keller Akten geschreddert worden seien.

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Mit der am 19.03.2003 bei der Disziplinarkammer eingegangenen ergänzenden Anschuldigungsschrift vom 20.02.2003 wird dem Beamten daneben vorgeworfen, auch dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er

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5.) wahrheitswidrig in der 11. Sitzung des 18. parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Nds. Landtages (18. PUA) am 07. März behauptet und in der 23. Sitzung des 18. PUA am 4.Mai 2000 beeidet zu haben, er habe mit den Beamten des zuständigen Referats 202 der Staatskanzlei verschiedene Gespräche geführt über die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen über Aufsichtsratsvergütungen, die der damalige Ministerpräsident D. erhalten hatte;

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6.) wahrheitswidrig in der 11. Sitzung des 18. PUA am 7. März 2000 auf die Frage des Abgeordneten Möllring, ob er wisse, dass der persönliche Referent des damaligen Ministerpräsidenten wegen der Entschädigung für getrennte Haushaltsführung an das NLVB geschrieben habe, geantwortet zu haben, „dass sei ihm hinterher berichtet worden“ und diese Aussage in der 23. Sitzung des 18. PUA am 4. Mai 2000 beeidet zu haben;

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7.) wahrheitswidrig in seiner Vernehmung zu Beginn der Untersuchung im förmlichen Disziplinarverfahren am 18.12.2000 vor dem Untersuchungsführer nach ordnungsgemäßer Belehrung bei den Angaben zur Person erklärt zu haben, er sei ledig, obwohl er tatsächlich seit September 1995 verheiratet ist.

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Die Vertreterin der Einleitungsbehörde hält ein Dienstvergehen für gegeben, welches nur im förmlichen Disziplinarverfahren geahndet werden könne. Einen bestimmten Antrag stellt die Vertreterin der Einleitungsbehörde nicht.

17

Der Beamte hat sich gegenüber dem Verwaltungsgericht wie folgt zur Sache geäußert: Er räumt ein, dass das Gericht an die strafrechtliche Entscheidung gebunden sei, verweist jedoch auf die damalige Situation, wobei es sein könne, dass er auch einen Fehler gemacht habe.

18

Der Beamte beantragt,

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von Disziplinarmaßnahmen abzusehen.

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IV. Ein Teil der gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe war Gegenstand eines Strafverfahrens (StA Hannover - 103 Js 42843/00). Zunächst sprach das Amtsgericht Hannover den Beamten mit Urteil vom 11.02.2003 - 252 - 199/02 - vom Vorwurf einer eidlichen Falschaussage frei.

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Das Oberlandesgericht Celle hob den Freispruch des Amtsgerichtes Hannover jedoch mit Urteil vom 04.11.2003 - 22 Ss 142/03 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an ein anderes Schöffengericht in Hannover zurück. Mit Urteil des Amtsgerichtes Hannover vom 03.01.2005 - 218-247/03 - wurde der Beamte nunmehr zunächst wegen falscher uneidlicher Aussage in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

22

Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Beamte eine Falschaussage getätigt hat, als er aussagte,

23

a) er habe die Zeugin E., seine Nachfolgerin als Abteilungsleiterin 2, bei Übergabe der Abteilung über die offenen Punkte und das, was er insoweit bereits gemacht habe, informiert und ein Übergabegespräch mit Frau E. geführt

24

und

25

b) er habe nicht mit dem persönlichen Referenten F. über ein Schreiben vom 25.11.1999 an das Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung gesprochen (Anschuldigungspunkt Nr. 6).

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Den Vorwurf, der Beamte habe wahrheitswidrig in der 11. Sitzung des 18. PAU behauptet, er habe mit dem zuständigen Referat 2002 der Staatskanzlei verschiedene Gespräche über die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen über die Aufsichtsratsvergütungen geführt, die der damalige Ministerpräsident erhalten habe, sah das Amtsgericht jedoch als nicht erwiesen an (Anschuldigungspunkt Nr. 5)

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In der Berufungsinstanz änderte das Landgericht Hannover mit Urteil vom 11.05.2005 - 36 b 25/05 die Entscheidung des Amtsgerichtes ab und verurteilte den Beamten wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht sah es als erweisen an, dass der Beamte als Zeuge im Untersuchungsausschuss falsche Angaben gemacht hat, als er aussagte (Seite 31 der Urteilsabschrift):

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a) er habe sich nach Erhalt des Entwurfes eines Schreibens vom 11.05.1999 auch hinsichtlich des Inhalts eines Hinweises auf die Verpflichtung zur Abschlagszahlung für die gezahlten Aufsichtsratsvergütungen mit dem zuständigen Referat 202 der Nds. Staatskanzlei auseinandergesetzt

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 - (Anschuldigungspunkt Nr. 5)

30

b) er habe die Zeugin E., seine Nachfolgerin als Abteilungsleiterin 2, bei Übergabe der Abteilung auf die offenen Punkte und das, was er insoweit bereits gemacht habe, informiert und ein Übergabegespräch mit Frau E. geführt

31

 - (in diesem Verfahren nicht mit angeschuldigt)

32

c) er habe nicht mit dem persönlichen Referenten F. über ein Schreiben vom 25.11.1999 an das Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung gesprochen

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 - (Anschuldigungspunkt Nr. 6).

34

Das Urteil des Landgerichtes ist rechtskräftig. Den Antrag des Beamten auf Wiedereinsetzung hinsichtlich des Verabsäumens der Frist zur Revisionsbegründung verwarf das Oberlandesgericht Celle als unzulässig (Beschluss vom 21.09.2005 - 21 Ss 121/05 -).

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V. Aufgrund des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts sind für dieses Verfahren noch die Bestimmungen der früheren Nieders. Disziplinarordnung anzuwenden. Nach Absatz 4 der genannten Vorschrift tritt jedoch das Verwaltungsgericht an die Stelle der bisherigen Disziplinarkammer.

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Im Einvernehmen der Beteiligten hat das Gericht die Anschuldigungspunkte zu 1.) bis 4.) und zu 7.) gem. § 16a NDO ausgeschieden und das Disziplinarverfahren auf die Anschuldigungspunkte zu 5.) und 6.) (erster und zweiter Anschuldigungspunkt der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 20.02.2003) beschränkt.

37

Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht der angeschuldigte Sachverhalt - soweit er nicht ausgeschieden ist - zur Überzeugung der Kammer fest.

38

Hinsichtlich des angeschuldigten Verhaltens des Beamten in den Anschuldigungspunkten 5 und 6 folgt die Kammer deshalb den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Hannover vom 11.05.2005 und legt sie ihrer Entscheidung zugrunde. Das rechtskräftige Urteil entfaltet Bindungswirkung nach § 18 Abs. 1 NDO. Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren decken den die Anschuldigungspunkte 5 und 6 zu Grunde liegenden Sachverhalt ab. Anhaltspunkte, die die Richtigkeit dieser Feststellungen in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich.

39

Für eine Lösung von den Feststellungen dieses Urteils sieht die Kammer keinen Anlass. Die Einwendungen im Schriftsatz des damaligen Verteidigers des Beamten vom 09.08.2005 zur Revisionsbegründung (Akte der StA Hannover - G., Bd. VI, ab Bl. 70 ff.) sind, jedenfalls soweit sie sich auf die auch hier angeschuldigten Punkte beziehen, nicht derart durchgreifend, dass sie zu Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils führen und sich die Kammer sich von der gesetzlich vorgeschriebenen Bindungswirkung ausnahmsweise lösen könnte.

40

Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes zu 5.) hatte ausweislich des Protokolls des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der angeschuldigte Beamte in der 11. Sitzung ausgeführt, soweit es ihm erinnerlich sei, habe er, als der Entwurf eines Schreibens an Herrn Glogowski (gemeint war das Schreiben vom 11.05.1999) kam, zu diesem Bereich sachliche Fragen gehabt. Er sagte dann wörtlich: „Ich habe mich erst einmal mit dem zuständigen Referat auseinandergesetzt. Das ging ja hin und her, weil ich zunächst mal wissen wollte, wie die grundsätzliche Rechtslage dazu ist, die ich bis dahin nicht kannte oder nicht mehr wusste ... . Im Juli haben wir zumindest über diese Angelegenheit immer noch geredet.“ (vgl. Bl. 103 und 104 der Gerichtsakten).

41

Hintergrund war die Frage, weshalb die Entwurfsfassung des Schriftstückes vom 11.05.1999 des Referates 202 zwei Monate bei dem Beamten liegen geblieben war.

42

Das Landgericht Hannover kam in seinem Urteil vom 11.05.2005 zu dem Ergebnis, dass der angeschuldigte Beamte tatsächlich die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen mit dem Referat 202 mit den zuständigen Mitarbeitern H. und I. nie erörtert habe (S. 31 des Urteilsabdrucks, Strafakte Band V. Bl. 626). Die Strafkammer gelangte zu dieser Überzeugung auf Grund der Angaben der Zeugen H. und I. (a.a.O., S. 32 bzw. Bl. 627).

43

Die Würdigung der Zeugenaussage J.t wurde im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 09.08.2005 an das OLG Celle (Strafakten Bd. VI, Bl. 93 ff.) bemängelt. Sie würde gegen die Denkgesetze verstoßen. Während die Strafkammer die Aussage des Zeugen K., so wie sie in der Landgerichtsinstanz getätigt worden sei, geglaubt habe und nicht dessen - abweichenden - Aussagen in der ersten amtsgerichtlichen Verhandlung, sei das Gericht bei der Würdigung der Zeugenaussage des Zeugen F. genau umgekehrt verfahren. Ihm seien die neueren Angaben nicht geglaubt worden und das Gericht sei hier von den ursprünglichen Angaben ausgegangen. Das Landgericht habe zu Lasten des Angeklagten zwei Zeugenaussagen willkürlich unterschiedlich gewürdigt.

44

Die Strafkammer des Landgerichts hat die verschiedenen Aussagen des Zeugen K. umfangreich in ihrem Urteil gewürdigt (Bl. 33 f. bzw. Bl. 628 f.). Die Ausführungen sind nachvollziehbar. Von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann keine Rede sein, zumal sie auch den allerersten Angaben des Zeugen vor dem PUA entsprechen (vgl. Bl. 105 der Gerichtsakte).

45

Soweit der damalige Verteidiger und jetzige Prozessbevollmächtigte des angeschuldigten Beamten auf Blatt 4 - Mitte - auf Ausführungen im landgerichtlichen Urteil auf Blatt 34 unten verweist, in dem es um Gespräche wegen der Aufsichtsratszugehörigkeit bei der L. und der M. AG gegangen war, lässt sich daraus kein Widerspruch ableiten. Hier stellte die Strafkammer lediglich fest, dass der Zeuge K. dem Zeugen Bold nie über Rechtsfragen bezüglich der Notwendigkeit von Abschlagszahlungen berichtet habe, sondern nur über Fragen, in denen die Dauer der Zugehörigkeit des damaligen Ministerpräsidenten eine Rolle gespielt habe.

46

Soweit auf Blatt 4 unten dieses Schriftsatzes die Aussage des Beamten vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss dahingehend relativiert wird, dass der Beamte nur gesagt haben will, dass er überhaupt mit Mitarbeitern des Referats 202 über die Aufsichtsratstätigkeit des damaligen Ministerpräsidenten gesprochen habe und nie erklärt habe, sich hinsichtlich aller Fragen mit dem Referat auseinandergesetzt zu haben, steht dem der auf Bl. 22 des Urteilsabdrucks, linke Spalte, wiedergegebene Text des Protokolls entgegen. Der Vorsitzende des PUA Rabe fragte, wen der Beamte über die Notwendigkeit der Abschlagszahlungen informiert habe. Der Beamte antwortete wörtlich: „Ich habe mich erst mal mit dem zuständigen Referat damit auseinandergesetzt.“ Die Würdigung dieser Aussage, so wie sie die Strafkammer letztendlich vorgenommen hat, verstößt nicht gegen die Denkgesetze und kann keine Zweifel, die die Kammer berechtigen könnte, sich gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 NDO von der Bindungswirkung dieses Urteiles zu lösen, hervorrufen.

47

Soweit sich der damalige Verteidiger des angeschuldigten Beamten im Schriftsatz vom 09.08.2005 mit der Frage, ob der angeschuldigte Beamte ein Übergabegespräche mit seiner Nachfolgerin Frau E. geführt habe oder nicht, auseinandergesetzt, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich, denn dieser Punkt wurde nicht angeschuldigt.

48

Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes Nr. 6. (Gespräch mit dem Referenten F. über ein Schreiben vom 25.11.1999) hat der angeschuldigte Beamte vor dem PUA auf die Frage des Abgeordneten Möllring, ob er wisse, dass der persönliche Referent von Herrn D. an das Bezügeamt wegen dieser Entschädigung (gemeint war die Nutzungsentschädigung hinsichtlich der Wohnung in der L.straße) wörtlich geantwortet: „Das ist mir hinterher berichtet worden.“ Das Landgericht hat diese Angaben trotz der nunmehrigen Angaben des Zeugen F. für unwahr erachtet und dessen Zeugenaussage für falsch gehalten und ist zu dem Schluss gekommen, dass dieser Zeuge nunmehr entgegen seinen früheren Angaben bewusst die Unwahrheit gesagt habe, um den angeschuldigten Beamten zu entlasten (Bl. 39 des Urteilsabdrucks bzw. Bl. 634 Bd VI der Strafakten). Auch hier hat die Strafkammer die Aussage des Zeugen gewürdigt. Dass im Ergebnis dieser Zeuge entgegen dem Zeugen K. die Angaben vor dem Landgericht nicht geglaubt wurden - und entsprechend auch nicht den Angaben der damaligen Zeugin N. - , widerspricht nicht den Denkgesetzes und gibt keinen Anlass zu Zweifeln iSd. § 18 Abs. 1 Satz 2 NDO. Die Strafkammer hat überzeugend begründet, weshalb sie zu diesem Schluss gekommen ist.

49

VI. Nach den vorstehend getroffenen Feststellungen hat der Beamte hinsichtlich der Anschuldigungspunkte Nr. 5 und 6 die ihm gemäß §§ 61 Abs. 1, 62 Satz 3 NBG obliegenden Dienstpflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 NBG begangen.

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Gemäß § 61 Abs. 1 NBG hat ein Beamter seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen. Nach § 62 Satz 3 NBG hat der Beamte die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes.

51

Mit seinen Falschaussagen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Anschuldigungspunkte Nr. 5 und 6) hat der Beamte die Aufklärung eines umstrittenen Sachverhalts von erheblicher Bedeutung durch einen Ausschuss des Parlaments, des höchsten Organs seines Dienstherrn, zu hintertreiben und mögliches Fehlverhalten anderer zu decken versucht. Dieses Verhalten ist mit den vorstehenden Beamtenpflichten unvereinbar.

52

Der Beamte hat die ihm obliegenden Pflichten auch schuldhaft i.S.d. § 85 Abs. 1 Satz 1 NBG verletzt. Er hat vorsätzlich gehandelt.

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Das dem Beamten zur Last gelegte Gesamtverhalten stellt sich als ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 NDO, 85 Abs. 1 NBG dar.

54

VII. Das Dienstvergehen war mit der Versetzung in ein anderes Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt - hier das Amt eines Regierungsdirektors nach BesGr. A 15 BBesO - zu ahnden. Die Zurückstufung des Beamten war im Hinblick auf die Schwere der Tat erforderlich, in dem hier vorliegenden besonderen Fall aber auch ausreichend.

55

In der Rechtsprechung der für Disziplinarrecht zuständigen Gerichte wird im Regelfall bei Meineid auf Entfernung aus dem Dienst erkannt (BDH, Urteil vom 01.10.1957 - II D 10/57. zit. n. Juris), bei einer falschen uneidlichen Aussage jedoch nur auf eine Zurückstufung des Beamten (BVerwG, Urt. vom 07.02.1980, - 2 WD 67/79 -, zit. n. Juris). Allerdings kann auch bei uneidlichen Falschaussagen bei Hinzutreten erheblicher Erschwernisgründe auf eine Entfernung aus dem Dienst erkannt werden (BVerwG, Urt. v. 07.02.1980, a.a.O.).

56

Nach Abwägung aller Umstände kommt in dem hier vorliegenden Fall aber keine Entfernung aus dem Dienst in Betracht.

57

Das Dienstvergehen ist allerdings als schwer einzustufen. Der Beamte hat im dienstlichen Bereich eine Falschaussage getätigt. Er hat falsche Angaben zudem im Rahmen der Befragung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gemacht, mithin gegenüber einen Teil des höchsten Organs seines Dienstherrn. Er war zum Zeitpunkt der Falschaussage überdies an leitender Stelle der Staatskanzlei tätig, stand dadurch im besonderen Maße im Blickpunkt auch der Öffentlichkeit und hatte als ranghoher Beamter eine Vorbildfunktion für andere Landesbeamte. Zwar ist das Verhalten nach der Entscheidung des Landgerichts Hannover letztendlich strafrechtlich nicht als Meineid zu würdigen, gleichwohl hat der Beamte seine Falschaussage durch einen Eid bekräftig und damit in besonderem Maße seine Person mit der Aussage verknüpft und dieser Aussage damit ein hohes Gewicht verliehen. Daran ändert auch die Diskussion, ob Falschaussagen vor Untersuchungsausschüssen überhaupt strafbar sein sollen (vgl. Vormbaum, JZ 2, 166 ff.), nichts. Selbst wenn dieser Literaturmeinung zuzustimmen wäre, bliebe die beamtenrechtliche Pflichtverletzung bestehen. Denn auch eine nichtstrafbare Falschaussage widerspricht der Pflicht zu würdigem Verhalten (§ 62 NBG) und der Pflicht zur unparteiischen Amtsführung (§ 61 Abs. 1 NBG). Zu berücksichtigen bleibt letztendlich nur, dass der Beamte wohl auch seinen damaligen Ministerpräsidenten und Förderer vor politischen Auswirkungen schützen wollte. Dieser Umstand indes vermag die Schwere des Fehlverhaltens nicht in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen.

58

Für den Beamten spricht aber neben den Umstand, dass er zuvor bislang noch nicht disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten war, der - durch das Strafverfahren bedingte - lange Zeitablauf, ohne dass dies dem Beamten etwa durch von ihm im Strafverfahren eingesetzte Verzögerungstaktiken vorgeworfen werden könnte. Der Beamte hat sich in dieser Zeit auch keine weiteren Dienstvergehen zu Schulden kommen lassen, er hat sich vielmehr - wie die jüngste, in der mündlichen Verhandlung eingeführte dienstliche Beurteilung belegt - auf seinem jetzigen Dienstposten bestens bewährt. Dafür, dass der Beamte auch für das Land Niedersachsen weiterhin tragbar erschien, spricht ebenfalls der Umstand, dass er weder nachdem das OLG Celle den ursprünglichen Freispruch aufgehoben hatte noch nach seiner dann folgenden Verurteilung durch das Amtsgericht Hannover erneut vom Dienst suspendiert wurde.

59

Letztendlich hat die Kammer insbesondere deshalb von einer Entfernung des Beamten aus dem Dienst abgesehen, weil die Strafgerichte trotz des vom Beamten abgegebenen Eides den Tatbestand des § 154 StGB verneint haben.

60

Die Kammer teilt allerdings nicht die Auffassung des OLG Celle im Urteil vom 04.11.2003 - 22 Ss 142/03 - und dem folgend des LG Hannover im Urteil vom 11.05.2005 - 36 b 25/05 -, wonach aus rechtlichen Gründen kein Meineid angenommen werden kann.

61

Bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Parlaments handelt es sich um eine iSd. der §§ 153, 154 StGB zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständigen Stelle, sofern die Untersuchungsausschüsse zur Vorbereitung von Handlungen des Parlaments eingesetzt werden, für die das Parlament zuständig ist und soweit sich die Ausschüsse bei ihren Ermittlungen im Rahmen des ihnen erteilten Untersuchungsauftrages halten. Dies ergibt sich aus Art. 27 Abs. 6 NdsVerf iVm. § 59 StPO (vgl. zu der entsprechenden Regelung des Art. 44 GGBVerfG, Urteil v. 17.07.1984 -2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83: „Die Verweisungsnorm des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht sich ihrem Wortlaut nach im Grundsatz auf alle einschlägigen, d. h. Beweisaufnahme und Beweismittel regelnden Vorschriften“, BVerfG 67, 100, 131). Zwar hat sich die Rechtslage für Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages aufgrund des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) vom 19.06.2001 geändert. Auch heißt es in der vom Landgericht zitierten Gesetzesbegründung zu § 24 PUAG, dass die Möglichkeit der Vereidigung von Zeugen durch einen Untersuchungsausschuss nicht mehr gegeben sein soll. Diese Regelung kann aber entsprechend der Gesetzgebungskompetenz nur für den Bundesbereich gelten. Für Untersuchungsausschüsse des Niedersächsischen Landtages erfolgte durch das Land keine entsprechende Regelung, so dass hier nach wie vor eine Vereidigung von Zeugen zulässig ist.

62

Durch Art. 2 PUAG ist zwar dem § 153 StGB ein zweiter Absatz angefügt worden. Diese Regelung war erforderlich, um weiterhin die Strafbarkeit falscher (uneidlicher) Aussagen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (bzw. vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Länderparlamente, die dem Beispiel des Bundes gefolgt sind) sicherzustellen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass eidliche Falschaussagen auch vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, die zur Abnahme eines Eides befugt sind, grundsätzlich nicht mehr als Meineid nach § 154 StGB, sondern nur noch als falsche uneidliche Aussagen nach § 153 StGB strafbar sein sollen. Das LG Hannover leitete diese Ansicht aus dem Umstand ab, dass § 154 StGB keine dem § 153 Abs. 2 StGB entsprechende Regelung erhalten habe. Dies ist indes für eine Strafbarkeit eines Meineides auch nicht zwingend. Da ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtages nach wie vor eine „zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle“ ist, bedurfte es einer ausdrücklichen Nennung eines Untersuchungsausschusses in dieser Vorschrift nicht. Einzuräumen ist zwar, dass der Bundesgesetzgeber in § 153 Abs. 2 StGB pauschal alle Untersuchungsausschüsse dem Wortlaut nach einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständigen Stelle lediglich gleichgestellt hat. Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Strafbarkeit eines Meineides vor einem Untersuchungsausschuss, der weiterhin zur Abnahme eines Eides berechtigt ist, entfallen sollte. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich nur der durch das PUAG bedingten neuen Situation bei Untersuchungsausschüssen des Bundestages Rechnung tragen. Hätte er die Strafbarkeit eines Meineides vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, die - wie in Niedersachsen - nach wie vor Eide abnehmen können - streichen wollen, hätte es einer Änderung des § 154 StGB bedurft.

63

Da letztendlich der Beamte jedoch vom Landgericht nur wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilt worden ist und nicht wegen des ursprünglich von der Staatsanwaltschaft angeklagten Meineides, ist der Beamte insoweit vom strafrechtlichen Vorwurf freigesprochen worden. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 17 Abs. 5 NDO war die Kammer gehindert, von einem Meineid auszugehen.

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VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 116 Abs. 1, 113 Abs. 1 NDO. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, § 111 Abs. 1 NDO.