Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.02.2015, Az.: 15 V 207/14

Anfechtung einer gegenüber dem anderen Ehegatten als Schuldner ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.02.2015
Aktenzeichen
15 V 207/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 18063
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2015:0202.15V207.14.0A

Fundstelle

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte ist mangels Beschwer nicht befugt, eine gegenüber dem anderen Ehegatten als Schuldner ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung anzufechten.

  2. 2.

    Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte ist in rechtsschutzeröffnender Weise beschwert durch die dem anderen Ehegatten als Schuldner erteilte Anordnung, dass bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Unterhaltsberechtigte ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.

  3. 3.

    Auch nachdem die unterhaltsberechtigte Person eine Anordnung über ihre teilweise Nichtberücksichtigung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO mit dem Einspruch angefochten hat, kann die Finanzbehörde als Vollstreckungsbehörde diese Anordnung nach § 131 Abs. 1 AO widerrufen und ohne Verböserungshinweis durch die Anordnung ersetzen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens gänzlich unberücksichtigt bleibt.

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt, eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) zur Beitreibung von Abgabenrückständen ihres Ehemannes (M) gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ausgebracht hat, von der Vollziehung auszusetzen. Ferner erstreckt sich das Aussetzungsbegehren auf eine vom FA nach § 319 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. 850c Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) getroffene Anordnung, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Altersrente des M wegen eigener Einkünfte unberücksichtigt bleibt.

2

Die etwa 75jährige Antragstellerin ist ... mit M verheiratet. Mit einem im Jahre 1987 geschlossenen Ehevertrag vereinbarten die Eheleute Gütertrennung. Der Güterstand ist im Güterrechtsregister eingetragen.

3

M hatte bei der Gemeinde O (Bundesland R) eine gewerbliche Tätigkeit ordnungsbehördlich angemeldet. Zum 31. Juli 1997 meldete M das Gewerbe ab.

4

M war ferner Geschäftsführer der A-GmbH (GmbH). Bei dieser Gesellschaft handelte es sich um die Komplementärin der A-GmbH & Co. KG (KG). Die KG hatte ihren Sitz in P (Bundesland S). Aufgrund ihres dortigen Geschäftssitzes wurde die KG steuerlich vom Finanzamt P, und zwar unter der Steuernummer 00/111/22222 geführt.

5

Mit notariell beurkundeten Schuldanerkenntnissen erkannten die KG und die GmbH im Jahre 1988 an, der Antragstellerin jeweils den Betrag von 50.000,00 DM nebst Zinsen in Höhe von jährlich 10 v.H. seit dem 1. Juli 1983 zu schulden. Zugleich unterwarfen sich die KG und die GmbH jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung.

6

Die Antragstellerin als Gläubigerin, vertreten durch die Rechtsanwälte Z, beantragte in einem Vollstreckungsverfahren gegen M als Schuldner im Jahre 1997 beim zuständigen Obergerichtsvollzieher, der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ein vorläufiges Zahlungsverbot zuzustellen. Die Antragstellerin könne aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigungen der beiden Notarurkunden eine Gesamtforderung in Höhe von rd. 240.000,00 DM beanspruchen. Diese Summe setze sich aus den Hauptforderungen in Höhe von 100.000,00 DM und Zinsen in Höhe von rd. 140.000,00 DM zusammen. Wegen dieser Forderungen werde demnächst aufgrund des vorliegenden Titels der Anspruch, welchen M gegen die BfA als Drittschuldnerin auf Zahlung von Geldleistungen, insbesondere der Altersrente, habe, gepfändet. Das vorläufige Zahlungsverbot wurde der BfA zugestellt.

7

Mit Vereinbarung vom 7. Juli 1997 trat M seine Rentenansprüche gegen die damalige BfA ohne Angabe eines rechtlichen Grundes an die Antragstellerin ab. Die Antragstellerin übersandte der BfA die Vereinbarung mit Schreiben vom selben Tage und folgendem Zusatz:

8

"Ich bin bis auf jederzeitigen Widerruf damit einverstanden, daß die Rente in voller Höhe an meinen Mann ausgekehrt wird. Sollten allerdings Pfändungen dritter Gläubiger oder Abtretungserklärungen Ihnen vorgelegt werden, bitte ich Sie, den mir zustehenden pfändbaren Anteil zu überweisen."

9

Die BfA teilte dem M daraufhin mit, von der Vereinbarung Kenntnis genommen zu haben und die Abtretung zu gegebener Zeit zu beachten.

10

Seit August 1997 bezieht M von der BfA bzw. der DRV eine Altersrente. Außerdem zahlt eine ausländische Rentenkasse an M monatlich eine Altersrente in Höhe von umgerechnet rd. 35,00 € aus. Nach dem Eintritt in den Ruhestand verzogen die Eheleute von O nach Q (Bundesland T). ...

11

Steuerlich wurden die Eheleute vor ihrem Umzug vom FA geführt. Als Unternehmer meldete M beim FA Umsätze zuletzt für die Monate Mai und Juni 1998 an.

12

Jedenfalls seit dem Jahre 1995 wird M auch als Vollstreckungsschuldner geführt. Die älteste Rückstandsanzeige, die sich in den vom FA vorgelegten Vollstreckungsakten befindet, datiert vom 26. April 1995. Sie wurde unter der Steuernummer 33/444/55555 für M erstellt und weist Rückstände aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nebst Verspätungszuschlägen im Gesamtbetrag von rd. 195.000,00 DM sowie Säumniszuschläge in Höhe von rd. 5.000,00 DM aus. Die Hauptforderungen sind hiernach seit 6. Februar 1995, die Verspätungszuschläge seit 6. März 1995 fällig.

13

Aufgrund des Umzugs der Eheleute nach Q gab das FA mit Verfügung vom 16. Juni 1998 die Akten über die Besteuerung der Eheleute an das Finanzamt Q als Wohnsitzfinanzamt ab, jedoch mit Ausnahme der zur Steuernummer 33/444/55555 geführten Akten über die Rückstände des M aus Umsatzsteuer.

14

Mit Bescheid vom 8. September 1995 hatte das FA die Vollstreckung von Abgabenrückständen ... gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 1.000,00 DM bis zum 3. März 1996 ausgesetzt. ...

15

Mit Bescheid vom 6. Juni 1996 gewährte das FA dem M bis zum 15. Dezember 1996 erneut Vollstreckungsaufschub, und zwar gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 3.000,00 DM. ...

16

Mit Schreiben vom 21. März 1997 wies das FA M darauf hin, für den Monat Februar 1997 bislang keinen Zahlungseingang feststellen zu können. M entgegnete hierauf mit Schreiben vom 14. April 1997, seine Einkünfte als Selbständiger seien aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in der Branche weiterhin stark rückläufig. Solange er es ermöglichen könne, wolle er weiterhin monatliche Raten à 3.000,00 DM an das FA zahlen. M bat das FA darum, die Vollstreckung weiterhin auszusetzen. Am 23. Mai 1997 legte M den mit aktualisierten Angaben ausgefüllten "Fragebogen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse" vor. Mit Bescheid vom 29. Mai 1997 gewährte das FA gegen monatliche Teilzahlungen in Höhe von 3.000,00 DM weiter Vollstreckungsaufschub, und zwar bis zum 15. November 1997. ...

17

Am 19. Dezember 1997 teilte M dem FA mit, ab Januar 1998 die vereinbarten Ratenzahlungen nicht mehr leisten zu können. Seit August 1997 sei er Altersrentner. Aufgrund der verschlechterten Wirtschaftslage sei ihm keine kostendeckende Fortführung der gewerblichen Tätigkeit möglich. Er bitte daher darum, die monatlich zu leistenden Raten auf 200,00 DM herabzusetzen.

18

Nachdem M dem FA erneut den ausgefüllten "Fragebogen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse" und weitere Unterlagen vorgelegt hatte, gewährte das FA mit Bescheid vom 8. April 1998 abermals Vollstreckungsaufschub. Gegen Zahlung monatlicher Raten à 200,00 DM setzte das FA die Vollstreckung bis zum 15. März 1999 aus.

19

Den Antrag des M auf außergerichtliche Schuldenbereinigung i.S. des § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) lehnte das FA mit Bescheid vom 15. März 1999 ab.

20

Mit Schreiben vom 8. September 2003 wies das FA den M darauf hin, seit geraumer Zeit keine Maßnahmen zur Einziehung der Steuerrückstände getroffen zu haben. M schulde jedoch weiterhin die in einer Anlage zum Schreiben aufgelisteten Rückstände. Das FA forderte M dazu auf, unter Darlegung seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Tilgungsvorschläge zu unterbreiten. Hierauf teilte M dem FA am 25. September 2003 sinngemäß mit, seine Altersrente betrage (brutto) 1.700,00 €. Hiervon ziehe die Antragstellerin als Gläubigerin monatlich den Betrag von 800,00 € ein. Nach Abzug der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung und Aufwendungen zur Behandlung einer Erkrankung verblieben ihm rd. 560,00 €. M sei gegenüber der Antragstellerin unterhaltspflichtig. Wegen seines Alters nähmen die Lebenshaltungskosten stärker zu als der Rentenausgleich.

21

Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 teilte das FA dem M die Höhe der Abgabenrückstände, aufgeteilt nach Abgabenart und Zeiträumen, mit. Das FA bat M, unter Darlegung der seinerzeitigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation Tilgungsvorschläge zu unterbreiten. M antwortete hierauf mit Schreiben vom 17. Februar 2008, er könne aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage keinen Teilzahlungsvorschlag machen. ...

22

Ausweislich entsprechender Mitteilungsschreiben der DRV über Rentenanpassungen bezogen die Eheleute jeweils folgende Renten und Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und ggf. Pflegeversicherung ...

23

Nach Mitteilungsschreiben der Krankenkasse, die sich in den beigezogenen Vollstreckungsakten befinden oder die die Beteiligten dem Gericht vorgelegt haben, leisteten bzw. leisten die Eheleute folgende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung: ...

24

Mit Schreiben vom 18. April 2013 ersuchte das FA das Finanzamt Q, wegen Abgabenrückständen des M dem Vollziehungsbeamten einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen. Der Vollziehungsbeamte fertigte am 22. Mai 2013 ein Protokoll über eine fruchtlose Pfändung. Auf dem Vordruck "Feststellungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners (natürliche Person)" trug der Vollziehungsbeamte in der Zeile "Forderungen gegenüber Kreditinstituten, Bausparguthaben" die Wörter "B-Bank Q" ein. Ferner vermerkte er: "Ehefrau hat eine eigene Altersrente ca 500,- € einbezogen 100,- € für Krankenkasse". Die vom Vollziehungsbeamten gefertigte Niederschrift ... ging beim FA am 24. Mai 2013 ein.

25

Das FA brachte am 28. Mai 2013 gegenüber der DRV zur Beitreibung von Abgabenrückständen des M im Gesamtbetrag von rd. 335.000,00 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. Zugleich ordnete das FA u.a. an:

26

"Gem. § 850c Abs. 4 ZPO sind 48,54 % des Differenzbetrages zwischen pfändbarem Betrag bei keiner unterhaltsberechtigten Person und bei einer unterhaltsberechtigten Person als pfändbarer Betrag zu berücksichtigen, da die Ehefrau über ein Nettoeinkommen in Höhe von ca. 500,00 Euro verfügt, so dass sie teilweise bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt zu lassen ist ..."

27

Das FA hatte unter Berücksichtigung der Bekanntmachung zu § 850c der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011) vom 9. Mai 2011 (BGBl I 2011, 825) einen pfändbaren Betrag in Höhe von 301,08 € ermittelt. Diese Summe enthält zum einen den monatlich pfändbaren Betrag bei einer Unterhaltspflicht für eine Person in Höhe von 141,95 € und außerdem 48,54 v.H. des Unterschiedsbetrages zwischen den pfändbaren Beträgen bei einer bzw. keiner Person (327,83 € x 48,54 v.H.). Diese Quote errechnete das FA ausweislich einer der Pfändungs- und Einziehungsverfügung beigefügten Anlage "Teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau als Unterhaltsberechtigte gem. § 850c Abs. 4 ZPO" wie folgt: ...

28

Mit Schreiben vom 3. Juni 2013 setzte das FA den M über das Datum in Kenntnis, an dem die Verfügung der DRV zugestellt worden war.

29

Die DRV erkannte die Pfändung der Altersrente grundsätzlich an. In mehreren Schreiben setzte die Drittschuldnerin M und das FA über die Höhe des für die Pfändung maßgeblichen monatlichen Zahlbetrags sowie über die Höhe des aufgrund der Pfändung monatlich an das FA abzuführenden Betrags und über die Höhe des aufgrund der Abtretungsvereinbarung monatlich an F abzuführenden Betrages in Kenntnis. ...

30

M bat am 26. Juni 2013 "um weitere Aussetzung der Pfändungsverfügung". Zur Begründung führte er u. a. diverse Erkrankungen sowie Zuzahlungen zu stationären Krankenhausbehandlungen an.

31

Die DRV bestätigte dem M mit Schreiben vom 18. Juli 2013, "dass uns eine Abtretung zugunsten Ihrer Ehefrau vom 07.07.1997 vorliegt." Die Forderung werde durch monatliche Zahlungen der DRV bedient. ...

32

Mit Schreiben vom 3. November 2013 machte M gegenüber dem FA sinngemäß geltend, aufgrund eines Dauerauftrages von seinem zunächst von der A-Bank und später von der B-Bank geführten Girokonto monatlich den Betrag von 800,00 € unter Angabe des Verwendungszwecks "Abtretung" an die Antragstellerin zu überweisen. Dazu legte M dem FA Kopien von Kontoauszügen bzw. Ausdrucke von Umsatzabfragen aus den Jahren 2004 bis 2013 vor, aus denen entsprechende Überweisungen hervorgehen.

33

Unter Bezugnahme auf das Schreiben des M vom 3. November 2013 lehnte es das FA mit Schreiben vom 12. November 2013 - das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist - ab, die Pfändung der Rentenansprüche auszusetzen. Bei den von M als "Abtretung" bezeichneten Verträgen handele es sich nicht um Abtretungen i.S. des § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), weil keine Forderung eines Gläubigers auf einen anderen Gläubiger übertragen worden sei. Darüber hinaus gehe das FA davon aus, dass die dargelegten Schuldverhältnisse mit Datum vom 1. Juli 1983 beglichen seien. Denn bei monatlichen Raten von 1.600,00 DM bzw. 800,00 € sei bereits nach 5 Jahren und 3 Monaten eine vollständige Tilgung der Darlehen in Höhe von insgesamt 100.000,00 DM gegeben. Auch die zu zahlenden Zinsen in Höhe von jährlich 10 v.H. führten nicht zu einer Verlängerung der Tilgungsdauer auf mehr als 30 Jahre.

34

Die von M geltend gemachten Krankheitskosten erhöhten die Pfändungsfreigrenzen i.S. des § 850c ZPO nicht. Eine Berücksichtigung dieser Kosten sei daher nicht möglich.

35

Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten. Nach vorhergehenden verjährungsunterbrechenden Maßnahmen habe das FA den M mit Schreiben vom 14. Februar 2008 erneut um Darlegung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse gebeten. Hierdurch sei die Verjährung bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert worden. Im Jahre 2013 sei die Verjährung durch den dem Vollziehungsbeamten erteilten Vollstreckungsauftrag unterbrochen worden, so dass die noch offenen Beträge nicht vor dem 31. Dezember 2018 verjährten.

36

Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 legten die Eheleute am 12. März 2014, vertreten durch die Rechtsanwälte Z ("Namens unserer Mandanten"), Einspruch ein. Die Verfügung sei rechtswidrig.

37

Zur Begründung machten die Eheleute geltend, sie wendeten sich nicht gegen die Pfändung als solche, sondern gegen "die Außerachtlassung eines Teils des gesetzlichen Pfändungsfreibetrags". Entgegen den Ausführungen des FA im Schreiben vom 12. November 2013 seien die von der Antragstellerin im Jahre 1983 gewährten Darlehen bis zum Jahre 1998 überhaupt nicht bedient worden. Bis dahin seien Zinsen in Höhe von knapp 85.000,00 € aufgelaufen. Die Zinsen hätten zu einer Gesamtforderung in Höhe von rd. 135.000,00 € geführt. Erst seit dem Jahre 1999 leiste der M monatliche Zahlungen in Höhe von 800,00 €. Diese Raten hätten "jedoch bis heute nicht zur Tilgung der aufgelaufenen Zinsen ausgereicht", so dass das Darlehenskapital weiterhin in voller Höhe valutiere. Unter Berücksichtigung der Zinsen sei noch eine Forderung der Antragstellerin in Höhe von rd. 70.000,00 € offen. ...

38

Nach dem Prioritätsprinzip gehe die Abtretung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vor. Die derzeit praktizierte Auszahlung durch die DRV sei falsch. Dies gelte insbesondere für den vom FA berechneten Betrag nach § 850c Abs. 4 ZPO, der entgegen dieser Vorschrift schematisch und nicht unter Ausübung des Ermessens ermittelt worden sei. ...

39

§ 850c Abs. 4 ZPO habe tatbestandlich zum einen eine unterhaltsberechtigte Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewähre, zur Voraussetzung, zum anderen müsse diese unterhaltsberechtigte Person über eigene Einkünfte verfügen. Nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen sei der Anwendungsbereich des § 850c Abs. 4 ZPO eröffnet.

40

Die Rechtsfolge sei, dass - abweichend von § 850c Abs. 1 ZPO - das Vollstreckungsgericht, dessen Aufgabe hier die Finanzbehörde wahrnehme, nach billigem Ermessen bestimmen könne, dass diese unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Anteils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibe. Soweit die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO im Streitfall vorlägen, hätte das FA eine fehlerfreie Ermessensentscheidung in Bezug auf die teilweise Anrechnung der Rente der Antragstellerin auf den Pfändungsfreibetrag des M treffen müssen. Dieser Pflicht sei das FA vorliegend jedoch nicht nachgekommen. Vielmehr erschöpften sich die Ausführungen des FA darin, dass bei der Antragstellerin überhaupt ein Einkommen vorhanden sei. Der Pfändungsfreibetrag werde schematisch nach einer Vergleichsmethode zwischen den Stufen der pfändbaren Beträge bei einer und bei keiner unterhaltsberechtigten Person ermittelt.

41

Dies werde, wie sich schon aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Oktober 2005 VII ZB 24/05 (NJW-RR 2006, 568) ergebe, in der Rechtsprechung nicht als ausreichend angesehen. Richtig sei zwar, dass nach dieser Entscheidung zur Orientierung bestimmte Berechnungsgrößen als Grundlage für die Ermessensentscheidung herangezogen werden könnten. Wenn aber die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin ausschließlich auf den Umstand gestützt werde, dass sie überhaupt eine eigene Rente beziehe, vermöge diese Erwägung die Ermessensentscheidung nicht zu tragen. Denn die Begründung erschöpfe sich in der Wiedergabe der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung.

42

Eine Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO erfordere eine Abwägung aller Gesamtumstände und insbesondere die Beachtung der wirtschaftlichen Situation sowohl des Schuldners als auch der unterhaltsberechtigten Person. Die Finanzbehörde als Vollstreckungsbehörde müsse ihre Ermessensentscheidung aufgrund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des Sachverhalts treffen. Dies gelte insbesondere und noch vielmehr da, wo die Finanzbehörde sowohl die Interessen des Vollstreckungsgläubigers als auch die Interessen einer ansonsten neutralen Instanz, nämlich des Vollstreckungsgerichts, wahrnehme. All diesen Anforderungen werde die vom FA nach § 850c Abs. 4 ZPO getroffene Entscheidung nicht gerecht.

43

Bei einer vom Grundsatz des § 850c Abs. 1 ZPO abweichenden Entscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO seien die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl des M als auch der Antragstellerin zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute seien vor Erlass der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung weder von Amts wegen ermittelt worden, noch habe das FA die von den Eheleuten gemachten Angaben berücksichtigt. Schon aus diesem Grunde sei die Verfügung rechtswidrig.

44

Die Antragstellerin habe seit 1. Juli 2013 eine monatliche Rente (einschließlich des Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung) in Höhe von rd. 670,00 € bezogen. Davon habe sie monatlich einen Krankenkassenbeitrag in Höhe von 110,00 € gezahlt, so dass ihr netto eine monatliche Rente von rd. 560,00 € zur Verfügung gestanden habe.

45

Nach Maßgabe des BGH-Beschlusses in NJW-RR 2006, 568 [BGH 04.10.2005 - VII ZB 24/05] sei bei einem mit dem Schuldner in einem Haushalt lebenden Unterhaltsberechtigten für die Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht einseitig auf den Grundfreibetrag gemäß § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO abzustellen. Der BGH habe durch diese Entscheidung auch klargestellt, dass es in derartigen Fällen in Betracht komme, bei der Berechnung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Gesetze heranzuziehen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinem Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern sollten, sondern ihnen einen deutlich darüber liegender Teil vom Arbeitseinkommen erhalten bleiben solle. Nach dem BGH-Beschluss vom 5. April 2005 VII ZB 28/05 (NJW-RR 2005, 1239) sei insoweit ein Aufschlag von 30 bis 50 v.H. regelmäßig nicht zu beanstanden.

46

Lege man insoweit den ab 1. Januar 2014 geltenden Sozialhilfesatz der Regelbedarfsstufe 2 für Ehegatten in gemeinsamem Haushalt der Berechnung zugrunde (353,00 €) und erhöhe diesen um die vom BGH anerkannten Prozentsätze von bis zu 50 v.H., so ergebe sich allein daraus ein Pfändungsfreibetrag nach sozialrechtlichen Kriterien von 529,50 € im Monat. Berücksichtige man weiter, dass der BGH eine Größenordnung von 30 bis 50 v.H. für regelmäßig nicht zu beanstanden halte, seien 50 v.H. als Berücksichtigungsgrenze für die Antragstellerin aufgrund ihres Alters mindestens in Ansatz zu bringen. Dies insbesondere deshalb, weil sich die Regelbedarfsstufen nur auf den Lebensunterhalt bezögen, nach den sozialrechtlichen Regelungen darüber hinaus auch noch Kosten der Unterkunft, Heizung, Krankenversicherung usw. zu gewährleisten seien. Die Eheleute hätten allein für die Unterkunft monatliche Aufwendungen in Höhe von rd. 400,00 €. Wegen der ländlichen Wohngegend sei darüber hinaus noch für Besorgungen, Einkäufe und Arztbesuche ein PKW notwendig, der monatliche Kosten in Höhe von etwa 150,00 € verursache.

47

Die allein aufgrund sozialrechtlicher Maßstäbe hypothetisch an die Antragstellerin zu leistenden monatlichen Zahlungen lägen damit deutlich über 600,00 €. Mit ihrer geringen Rente sei die Antragstellerin daher im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO so zu behandeln, als hätte sie kein eigenes Einkommen.

48

M bot dem FA eine Einmalzahlung in Höhe von 3.000,00 € für den Fall an, dass das FA die bestehenden Abgabenrückstände im Übrigen niederschlage.

49

Mit Schreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 legte das FA seine Auffassung dar, dass die vorgebrachten Einwände keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung begründeten. Außerdem lehnte es die von M angeregte Niederschlagung ab. Hierbei handele es sich lediglich um eine behördeninterne Maßnahme, auf die M keinen Anspruch habe.

50

Außerdem teilte das FA den Rechtsanwälten Z mit, die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO für rechtmäßig zu halten. Im Schreiben vom 17. Juli 2014 führte das FA aus, bei Ausbringung der Verfügungen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute berücksichtigt zu haben. Darüber hinaus könne der "dargestellten Berechnung nicht gefolgt werden." So berücksichtigten die Eheleute lediglich die Renteneinkünfte der Antragstellerin in Höhe von (netto) rd. 560,00 €, nicht aber deren Zinseinkünfte in Höhe von 800,00 €. Aufgrund der vorliegenden Einkünfte könne die Antragstellerin im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO nicht so behandelt werden, als hätte sie kein eigenes Einkommen. Rechne man die Zinseinkünfte den Renteneinkünften hinzu, führe "dies zu der Rechtsfolge, dass Frau ... bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages vollständig unberücksichtigt bleiben" würde. Die Eheleute erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 8. August 2014. ...

51

Die Rechtsanwälte Z teilten dem FA am 4. August 2014 u.a. mit, dass das Mandantschaftsverhältnis beendet sei.

52

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 - die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist und am 7. August 2014 mit einfachem Brief zur Post aufgegeben wurde - wies das FA "den Einspruch vom 12. März 2014 des Herrn ... gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung" als unbegründet zurück.

53

Eine Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 komme nicht in Betracht, weil das FA nach billigem Ermessen bestimmt habe, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages nach § 850c Abs. 4 ZPO teilweise unberücksichtigt bleibe. Anzeichen für einen Ermessensfehlgebrauch lägen nicht vor.

54

Die Berechnung der Pfändungsbeträge erfolge durch die DRV auf Grundlage der angefochtenen Verfügung vom 28. Mai 2013. Durch diese Verfügung habe das FA der DRV mitgeteilt, dass nach § 850c Abs. 4 ZPO ein Differenzbetrag in Höhe von 48,54 v.H. bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt zu lassen sei.

55

Aufgrund des Prioritätsprinzips ... werde die Abtretungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 von der DRV weiterhin zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt und bedient. Das FA erhalte lediglich den Betrag, der aufgrund der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt zu lassen sei.

56

Im Streitfall sei "das FA als Vollstreckungsgericht tätig geworden". Es habe entschieden, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des pfändbaren Betrages teilweise unberücksichtigt bleibe. Diese teilweise Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person wirke nur zugunsten desjenigen Vollstreckungsgläubigers, der die Anordnung erwirkt habe (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 20. Juni 1984 4 AZR 339/82, BAGE 46, 148). Ein Verstoß gegen das Prioritätsprinzip sei somit nicht gegeben.

57

Die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO würden vorliegend erfüllt. Die Antragstellerin sei eine Person, welcher M aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gemäß § 1360 BGB Unterhalt gewähre. Darüber hinaus beziehe die Antragstellerin auch eigene Einkünfte. Sie beziehe einerseits Einkünfte aus ihrer Rente in Höhe von monatlich (netto) rd. 560,00 € sowie Einkünfte aus monatlichen Zahlungen des M in Höhe von 800,00 €. Hierbei handele es sich nach den Angaben des Eheleute um Zinsen, die auf einem Darlehen aus dem Jahre 1983 beruhten, welches zurzeit noch in voller Höhe valutiere, weil bisher nur der aufgelaufene Zinsanteil getilgt worden sei. Somit erziele die Antragstellerin neben den Renteneinkünften monatlich Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 800,00 €.

58

Da die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO mithin erfüllt seien, könne das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass die unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibe. Aus dem von den Eheleuten in Bezug genommenen BGH-Beschluss in NJW-RR 2006, 568 [BGH 04.10.2005 - VII ZB 24/05] ergebe sich, "dass die Höhe des Einkommens für die Entscheidung einer Nichtberücksichtigung sich nicht schematisch am Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 ZPO orientieren dürfe." Das FA dürfe sich in diesen Fällen jedoch an bestimmten Berechnungsmodellen orientieren.

59

Eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei nicht erkennbar. ...

60

Das FA habe in der der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung beigefügten Berechnung die Zinseinkünfte der Antragstellerin nicht in Ansatz gebracht. Würden die Zinseinkünfte den Renteneinkünften hinzugerechnet, bliebe die Antragstellerin bei der Ermittlung des Pfändungsfreibetrags gemäß § 850c Abs. 4 ZPO vollständig unberücksichtigt.

61

Der Antragstellerin erteilte das FA keine Einspruchsentscheidung.

62

Mit Schreiben vom 6. August 2014 forderte das FA die DRV auf, gemäß § 850c Abs. 4 ZPO die Antragstellerin bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages aufgrund eigener Einkünfte mit sofortiger Wirkung in voller Höhe unberücksichtigt zu lassen. Eine Abschrift dieses Schreibens, das der DRV zugestellt wurde, übersandte das FA dem M am 14. August 2014 mit einfachem Brief. Die DRV teilte dem FA auf dieses Schreiben den ab 1. Oktober 2014 maßgeblichen Zahlbetrag, den ohne Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013 pfändbaren Betrag und den monatlich an das FA zu zahlenden Betrag mit.

63

Gegen den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 legte M am 22. Januar 2015 Einspruch ein. Ferner beantragte er Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA hat über den Einspruch und den AdV-Antrag des M noch nicht entschieden.

64

Aufgrund eines Kontenabrufersuchens setzte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) das FA am 19. September 2014 u.a. darüber in Kenntnis, dass M Inhaber eines von der C-Bank geführten Kontos ist. Auf eine am 13. Oktober 2014 ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung teilte die C-Bank dem FA in ihrer Drittschuldnererklärung mit, die gepfändete Forderung anzuerkennen. Zum Zeitpunkt der Pfändung hätten Forderungen des M gegen die Drittschuldnerin in Höhe von rd. 70.000,00 € bestanden. ... Die C-Bank zahlte den gepfändeten Betrag an das FA aus.

65

M hatte am 19. August 2014 beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beabsichtigtes Klageverfahren ("um im Falle deren Gewährung Klage zu erheben") beantragt. In einem solchen Verfahren beabsichtigt M, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 anzufechten. Das sog. isolierte PKH-Bewilligungsverfahren wurde unter dem Aktenzeichen 15 K 196/14 (PKH) geführt.

66

Am 27. August 2014 wandte sich M mit dem Begehren an das Gericht, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 für das beabsichtigte Klageverfahren und die geänderte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO vom 6. August 2014 für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren von der Vollziehung auszusetzen und ihm für die Durchführung dieses AdV-Verfahrens PKH zu bewilligen. Für das AdV-Verfahren wurde das Aktenzeichen 15 V 208/14 vergeben.

67

Zur Begründung des isolierten PKH-Antrags und des AdV-Antrags machte M geltend, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gehe ins Leere. ... M habe Ansprüche gegen die DRV in Höhe von monatlich 800,00 € an die Antragstellerin abgetreten. Von dem monatlichen Auszahlungsbetrag seien die an die Antragstellerin abgetretenen 800,00 € abzuziehen. Der verbleibende Betrag von rd. 1.050,00 €, den die DRV seit Juli 2014 an M zahle, liege ungeachtet der Unterhaltsverpflichtung des M aus § 1360 BGB fast unterhalb der Pfändungsgrenze nach § 850c ZPO, die sich aktuell auf 1.045,04 € belaufe.

68

Bei der Abtretung handele es sich um ein Verfügungsgeschäft mit der Rechtsfolge, dass im Zeitpunkt der Abtretung die Gläubigerstellung vom Zedenten (M) auf die Zessionarin (Antragstellerin) übergegangen sei. Dass von der Abtretung des M an die Antragstellerin nur der unpfändbare Teil seines ursprünglichen Rentenanspruchs erfasst worden sei, ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 400 BGB. ...

69

Das FA berücksichtige "bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenze die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person nur teilweise":

70

Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin gemäß § 850c Abs. 4 ZPO sei rechts- und ermessensfehlerhaft. Eine Anordnung nach dieser Bestimmung sei nämlich nach billigem Ermessen zu treffen. Sie habe unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Es sei dabei der volle individuelle Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten - vorliegend der Antragstellerin - zugrunde zu legen. Wenn die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO nicht vorlägen, werde der Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Zurückzuweisen sei der Antrag auch, wenn die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten unbedeutend seien.

71

Das FA gehe davon aus, dass die Zahlungen des M an die Antragstellerin zu Einkünften aus Kapitalvermögen führten. Dies könne aufgrund der Darlehensverpflichtung, welche der M im Jahre 1987 gegenüber der Antragstellerin eingegangen sei, auch zutreffen.

72

Dass den monatlichen Zahlungen von 800,00 €, welche die Antragstellerin aus abgetretenem Recht von der DRV verlangen könne, ein Mischcharakter zukomme, ergebe sich aus den Umständen des Streitfalles. Zwar habe die Antragstellerin dem M tatsächlich ein Darlehen gewährt. Die Höhe des vereinbarten Zinses von 10 v.H. lasse darauf schließen, dass es sich dabei auch um einen Teil des Ehegattenunterhalts im Sinne einer Kompensation für die von der Antragstellerin akzeptierte Gütertrennung handele. Die 800,00 € würden dazu benötigt, die tägliche Lebensführung der Eheleute zu bestreiten. Zudem würden damit z.B. Grundsteuer, Müllabfuhr, Versicherungen, Gas, Strom, Wasser etc. bezahlt. Da M aufgrund der angefochtenen Verfügung sowie der Nichtberücksichtigung der Antragstellerin bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenze die Zahlungen an die Antragstellerin nicht mehr bewirken könne, sei nicht nur das Eigenheim der Antragstellerin gefährdet.

73

Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin bei der Bestimmung der Pfändungsfreigrenze sei bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie von der unzuständigen Stelle, nämlich dem FA selbst, getroffen worden sei. Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO könne die Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Person nur das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers vornehmen. Gläubiger sei das FA, Vollstreckungsgericht wäre das zuständige Wohnsitzgericht. Zwar dürfe sich die Verwaltungsbehörde selbst Titel erteilen. Eine Maßnahme nach § 850c Abs. 4 ZPO dürfe die Finanzbehörde indessen nicht treffen. Dies stelle einen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters dar.

74

Die Eheleute seien in ihrem Recht auf Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt worden. Das FA habe eine Maßnahme nach § 850c Abs. 4 ZPO angeordnet, ohne der Antragstellerin und dem M rechtliches Gehör zu gewähren.

75

Die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei unbillig. Nach § 850c Abs. 4 ZPO sei eine solche Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. ... Insbesondere hätten in die Ermessenserwägungen auch die Sinnhaftigkeit und die Verhältnismäßigkeit der ausgebrachten Verfügung einbezogen werden müssen. Bei der Plausibilitätsprüfung einer Vollstreckungsmaßnahme sei auch zu berücksichtigen, ob die Maßnahme geeignet sei, die Schuld zu tilgen. ... Im Streitfall sei auch das Alter des M zu berücksichtigen. Er sei gesundheitlich stark eingeschränkt. ... Die vom FA ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung wirke sich bei M lebensverkürzend aus. Die finanziellen Mittel für bestimmte, nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommene Behandlungen stünden dem M nicht mehr zur Verfügung.

76

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bedrohe mittelbar auch die Existenz der Antragstellerin.

77

Das FA habe Jahre lang keine Vollstreckungsmaßnahmen unternommen und die Sache auf sich beruhen lassen. Über einen gewissen Zeitraum hinweg habe das FA Ratenzahlungen vorgeschlagen und akzeptiert, welche nicht annähernd ausgereicht hätten, um auch nur Zinsen und Säumniszuschläge zu kompensieren.

78

Die Abgabenforderungen des FA seien zahlungsverjährt. Die jüngste Steuerschuld sei am 19. Juni 1995 fällig geworden. ...

79

Seit Oktober 2014 zieht das FA monatlich rd. 300,00 € von der DRV ein.

80

Mit Beschlüssen vom 28. Januar 2015 lehnte der Senat den PKH-Antrag für ein von M beabsichtigtes Klageverfahren wegen Pfändungs- und Einziehungsverfügung (15 K 196/14 [PKH]), den AdV-Antrag des M (15 V 208/14) sowie den Antrag auf Bewilligung von PKH zur Durchführung des Aussetzungsverfahrens (15 V 208/14 [PKH]) ab. Auf die Gründe des Beschlusses vom 28. Januar 2015 15 V 208/14 wird verwiesen.

81

Am 27. August 2014 hatte sich auch die Antragstellerin mit dem Begehren an das Gericht gewandt, die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 und des weiteren Bescheides vom 6. August 2014 auszusetzen.

82

Da das FA einen Anspruch gepfändet habe, der zivilrechtlich der Antragstellerin zustehe, bestehe für die Antragstellerin als Drittbetroffene ein Rechtsschutzbedürfnis, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung anzufechten und deren Vollziehungsaussetzung zu beantragen.

83

Der Abtretungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 lägen eine Darlehensgewährung und das Bestreben zugrunde, die Antragstellerin abzusichern. Da bei M nach Abzug des abgetretenen Anteils der Rente die Pfändungsfreigrenze fast erreicht sei, gehe die vom FA ausgebrachte Pfändung ins Leere.

84

Durch "den Wegfall der Abtretung" von 800,00 € sei die Antragstellerin nicht mehr in der Lage, ihr Einfamilienhaus mit allen Nebenkosten zu finanzieren. Mehreren Zahlungsverpflichtungen könne sie allein mit ihrer gesetzlichen Altersrente nicht nachkommen.

85

Ergänzend nimmt die Antragstellerin auf das Vorbringen des M im PKH-Bewilligungsverfahren 15 K 196/14 (PKH) und im Aussetzungsverfahren 15 V 208/14 Bezug.

86

Die Antragstellerin beantragt,

87

die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 und den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 von der Vollziehung auszusetzen.

88

Das FA beantragt,

89

den Antrag abzulehnen.

90

Das FA hält den AdV-Antrag für unzulässig. Die Antragstellerin werde von der einheitlichen Erhebungsstelle des FA nicht als Vollstreckungsschuldnerin geführt. Das FA vollstrecke nur Abgabenrückstände des M.

91

Die Abtretungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 liege der DRV als Drittschuldnerin vor und werde von dieser bei der Berechnung der an das FA auszuzahlenden Beträge berücksichtigt. Der gepfändete Anteil stehe somit nicht der Antragstellerin zu.

92

Auch das FA verweist ergänzend auf sein Vorbringen im PKH-Bewilligungsverfahren 15 K 196/14 (PKH). In diesem Verfahren hat das FA geltend gemacht, an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung bestünden keine ernstlichen Zweifel. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gehe nicht ins Leere. Das FA könne die DRV als Drittschuldnerin in Anspruch nehmen. Die DRV habe die pfändungsfreien bzw. die an das FA abzuführenden Beträge nach Maßgabe der Verfügung vom 28. Mai 2013 berechnet. ...

93

Soweit die Eheleute der Ansicht seien, die Abtretungsvereinbarung gehe der Pfändung durch das FA vor, sei zu beachten, dass die DRV die Abtretung weiterhin berücksichtige und bediene. ... Das FA erhalte "lediglich den Betrag, der aufgrund der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt zu lassen" sei.

94

Nicht das FA, sondern die DRV berechne die Pfändungs- bzw. Abtretungsbeträge unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen (vgl. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2003 L 4 (3) RA 91/00, HVBG-INFO 2003, 2405).

95

Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin nach § 850c Abs. 4 ZPO sei weder rechts- noch ermessensfehlerhaft. Das FA habe seine Ermessensausübung im Einspruchsverfahren mit dem vormaligen steuerlichen Berater der Eheleute ausführlich erörtert. ...

96

Bei den auf den Zahlungen des M beruhenden Einkünften der Antragstellerin handele es sich um solche aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG. Der Darstellung des M, diesen Einkünften komme im Hinblick auf den vereinbarten Zinssatz von 10 v.H. "Mischcharakter" zu, könne nicht gefolgt werden. Für einen "Mischcharakter" lägen keinerlei Anhaltspunkte für. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass das Eigenheim der Antragstellerin aufgrund der angefochtenen Verfügung gefährdet sei.

97

Die §§ 850 bis 852 ZPO regelten u.a. den Pfändungsschutz für Renten und rentenähnliche Bezüge. Diese und andere Schutzvorschriften würden nach § 319 AO für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren sinngemäß gelten, und zwar soweit sich aus den Vorschriften der AO selbst nicht etwas anderes ergebe. Einschränkungen hinsichtlich der sinngemäßen Geltung ergäben sich aus den Besonderheiten des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens. Entscheidungen treffe hier grundsätzlich die zuständige Vollstreckungsbehörde, nicht das Vollstreckungsgericht. Gepfändet werde durch Verwaltungsakt, nicht aber durch einen gerichtlichen Pfändungsbeschluss. Das Rechtsbehelfsverfahren bestimme sich nach den Vorschriften der AO und der Finanzgerichtsordnung (FGO), nicht indessen der ZPO.

98

Da das FA somit die zuständige Vollstreckungsbehörde sei und als Vollstreckungsbehörde tätig geworden sei, sei ein Antrag des Abgabengläubigers (des FA) beim Vollstreckungsgericht nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters sei nicht gegeben. ...

99

Das FA habe nicht gegen den Anspruch der Eheleute auf rechtliches Gehör verstoßen. Stehe - wie im Streitfall - vor Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung fest, dass eine unterhaltsberechtigte Person ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben könne, könne die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung mit der Pfändungsverfügung treffen. Dies habe das FA durch den angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 2013 getan. Die "nachträgliche vollständige Nichtberücksichtigung" sei "erst mit Fertigung der Einspruchsentscheidung vom 06. August 2014" erfolgt. Zuvor seien die Eheleute umfassend gehört worden. ...

100

Nach Aktenlage sei eine Existenzbedrohung der Antragstellerin nicht ersichtlich. Das FA habe bei Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Antragstellerin berücksichtigt.

101

Das FA hat das Gericht mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2014 über die erfolgreiche, gegenüber der C-Bank ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Verfügung des Berichterstatters vom 31. Oktober 2014 ist dieser Schriftsatz den Prozessbevollmächtigten zur Kenntnisnahme übersandt worden.

102

Mit Schreiben vom 15. Januar 2015 hat der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass das FA über den Einspruch der Antragstellerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 bisher nicht entschieden habe. Durch das Einspruchsschreiben vom 12. März 2014 werde auch der weitere Bescheid vom 6. August 2014 angefochten.

II.

103

Der AdV-Antrag ist abzulehnen. Der die Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffende Antrag ist mangels Beschwer unzulässig. Im Übrigen ist der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet. Die Anordnung über die teilweise Nichtberücksichtigung der Antragstellerin bei der Berechnung des pfändungsfreien Teils der Altersrente durfte das FA durch den Bescheid vom 6. August 2014 ersetzen; dieser Bescheid, nach dem die Antragstellerin gänzlich unberücksichtigt bleibt, ist bei summarischer Betrachtung rechtmäßig, und dessen Vollziehung begründet für die Antragstellerin keine unbillige Härte.

104

1. Gegenstand des AdV-Antrags ist zum einen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013. Gegen diese Verfügung hat mit Schreiben der Anwälte Z vom 12. März 2014 nicht nur M, sondern auch die Antragstellerin Einspruch eingelegt. Da das FA mit der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 nur den Einspruch des M beschieden hat, ist der von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbehelf noch offen. Aufgrund dieses Rechtsbehelfs handelt es sich bei der Pfändungs- und Einziehungsverfügung um einen angefochtenen Verwaltungsakt i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.

105

Zum anderen betrifft der AdV-Antrag den weiteren Bescheid vom 6. August 2014. Durch diesen Bescheid hat das FA die ursprüngliche, mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 verbundene Anordnung, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des pfändungsfreien Teils der Altersrente teilweise unberücksichtigt bleibt, insoweit geändert, als die Antragstellerin künftig gänzlich unberücksichtigt bleibt. Dieser geänderte Bescheid ist nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden.

106

2. Die in § 69 Abs. 4 FGO geregelte Zugangsvoraussetzung wird im Streitfall auch ohne vorherige Ablehnung eines AdV-Antrags durch das FA (vgl. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) erfüllt. Da der AdV-Antrag die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie die geänderte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO betrifft und es sich bei diesen Verfügungen um Vollstreckungsmaßnahmen des FA handelt, wird der Ausnahmetatbestand des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ("eine Vollstreckung droht") erfüllt. Diese Zugangsvoraussetzung ist erst recht erfüllt, wenn die Vollstreckung bereits begonnen hat (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 79; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Mai 2004 V S 5/04, BFH/NV 2004, 1414, m.w.N.).

107

3. Die Antragstellerin ist nur durch den weiteren Bescheid vom 6. August 2014, nicht dagegen durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 beschwert.

108

a) Für den die Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffenden AdV-Antrag fehlt der Antragstellerin die Antragsbefugnis.

109

aa) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Klage gemäß § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hiernach ist eine Klage gegen einen an einen Dritten gerichteten Verwaltungsakt unzulässig. Auch eine nur mittelbare Auswirkung dieses Verwaltungsakts auf den Kläger reicht nicht aus (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 17. Mai 1999 IV 717/97, , rechtskräftig; nachgehend BFH-Beschluss vom 1. Februar 2000 VII B 202/99, BFH/NV 2000, 960 [BFH 01.02.2000 - VII B 202/99] und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 31. August 2000 1 BvR 965/00, StE 2000, 666). § 40 Abs. 2 FGO gilt für das AdV-Verfahren entsprechend (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 29. August 1985 V B 28/85, BFH/NV 1986, 447; Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl., § 69 Rz 62).

110

bb) Nach diesen Maßstäben ist der die Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffende AdV-Antrag der Antragstellerin unzulässig. Adressat dieses Verwaltungsaktes ist nicht die Antragstellerin, sondern M.

111

Das FA hat die Pfändungsverfügung und die hiermit gemäß § 314 Abs. 2 AO verbundene Einziehungsverfügung dem M mit der Benachrichtigung über das Zustelldatum (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 3 AO) bekanntgegeben (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5 [BFH 18.07.2000 - VII R 101/98], [BFH 18.07.2000 - VII R 101/98] unter 1. der Gründe). Schuldner der in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung benannten Abgabenrückstände im Gesamtbetrag von rd. 335.000,00 € ist M, nicht aber die Antragstellerin. Durch die Pfändungsverfügung hat das FA dem M gemäß § 309 Abs. 1 AO verboten, über die Forderungen gegen die Drittschuldnerin zu verfügen. Auch die Einziehungsverfügung ist an M gerichtet. Gegenüber der Antragstellerin ist dagegen weder ein Gebot noch ein Verbot noch eine sonstige Anordnung ergangen. Mangels Beschwer kann sie die Verfügungen nicht anfechten (vgl. § 350 AO), und der für das Einspruchsverfahren gestellte AdV-Antrag ist unzulässig.

112

b) Anders als die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 begründet die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO eine rechtsschutzeröffnende Beschwer der Antragstellerin.

113

aa) In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird ein eigenes Beschwerderecht der unterhaltsberechtigten Person i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO jedenfalls von einigen Oberlandesgerichten anerkannt, da § 850c ZPO auch dem Schutz des Unterhaltsberechtigten dient (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts - OLG - Oldenburg vom 17. Dezember 1990 2 W 100/90, NdsRPfl 1991, 1; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Januar 1987 8 W 598/86, Rpfleger 1987, 255). In der vollstreckungsrechtlichen Literatur wird die Frage eines eigenen Beschwerderechts uneinheitlich beantwortet. Teilweise wird eine Beschwerdebefugnis deshalb abgelehnt, weil die unterhaltsberechtigte Person nicht Beteiligte des Vollstreckungsverfahrens sei (so etwa Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz 1073a, m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 16, m.w.N.). Teilweise wird dagegen ein Beschwerderecht des Unterhaltsberechtigten bejaht (so etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl., § 850c Rz 13; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 850c Rz 12; Becker in Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 850c Rz 15; Smid in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 2, 3. Aufl., § 850c Rz 36).

114

bb) Der beschließende Senat hält eine eigene Beschwer der Antragstellerin durch den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 für gegeben.

115

Die Antragstellerin ist durch die Verfügung vom 6. August 2014 unmittelbar betroffen. Da sich hierdurch der unpfändbare Teil der Altersrente des M und damit die für den Unterhalt der Eheleute verfügbaren Einkünfte verringern, muss die Antragstellerin zur Bestreitung des eigenen Unterhalts vermehrt auf die eigenen Einkünfte zurückgreifen.

116

Wäre die Anordnung, dass die unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des (Abgaben-) Schuldners unberücksichtigt bleibt, etwa aufgrund zu hoch angesetzter eigener Einkünfte i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO rechtswidrig und legte der (Abgaben-) Schuldner gegen die Anordnung gleichwohl keinen Rechtsbehelf ein, verbliebe dem Unterhaltsberechtigten u.U. weniger als der unpfändbare Teil seiner eigenen Einkünfte. In unmittelbarer Anwendung gibt § 850g Satz 2 ZPO dem Unterhaltsberechtigten auch in diesen Fällen nicht das Recht, eine Änderung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. der Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO zu beantragen. Denn eine Änderung nach dieser Vorschrift setzt eine Änderung der Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens voraus. Eine analoge Anwendung des § 850g Satz 2 ZPO auch auf die Fälle, in denen eine andere Beurteilung der fortbestehenden Verhältnisse geboten ist, wird überwiegend abgelehnt (vgl. z.B. OLG Oldenburg, Beschluss in NdsRPfl 1991, 1; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz 1074). Das Ergebnis, dass in einem solchen Fall die unterhaltsberechtigte Person rechtsschutzlos gestellt wäre, ist jedenfalls im Verwaltungsvollstreckungsrecht mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. hierzu Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl., Vor § 1 Rz 2) nicht zu vereinbaren.

117

Aus diesen Erwägungen war der Antragstellerin vorliegend eine Antragsbefugnis nicht abzusprechen.

118

4. Der den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 betreffende AdV-Antrag ist jedoch unbegründet.

119

a) Die AdV soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

120

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454 [BFH 10.02.1984 - III B 40/83] und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BFHE 181, 411 [BFH 24.07.1996 - I R 74/95], BStBl II 1997, 466 [BFH 30.12.1996 - I B 61/96][BFH 30.12.1996 - I B 61/96]).

121

b) Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, bestehen an der Rechtmäßigkeit des weiteren Bescheides vom 6. August 2014 keine ernstlichen Zweifel. Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtung ist dieser Bescheid formell (unten aa)) und materiell (unten bb)) rechtmäßig, und das FA durfte die zunächst mit Verfügung vom 28. Mai 2013 getroffene Anordnung über die teilweise Nichtberücksichtigung der Antragstellerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Altersrente zum Nachteil der Eheleute ändern (unten cc)).

122

aa) Der Bescheid vom 6. August 2014 ist formell rechtmäßig.

123

(1) Das FA ist nach § 249 Abs. 1 Satz 3 AO die für eine Entscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO sachlich zuständige Behörde.

124

Da die - pfändungsbeschränkenden - Bestimmungen des § 850c ZPO über die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen gemäß § 319 AO im steuerlichen Vollstreckungsverfahren sinngemäß gelten (vgl. etwa BFH-Urteile vom 24. Oktober 1996 VII R 114/95, BFH/NV 1997, 385 [BFH 30.01.1997 - III B 99/95], DStRE 1998, 29 [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94], unter II. 2. der Gründe; vom 16. Dezember 2003 VII R 24/02, BFHE 204, 25 [BFH 16.12.2003 - VII R 24/02], BStBl II 2004, 389 [BFH 16.12.2003 - VII R 24/02]; BFH-Beschluss vom 26. Mai 1998 VII B 303/97, BFH/NV 1999, 6 [BFH 26.05.1998 - VII B 303/97], unter 2. der Gründe), sind auch diese Bestimmungen vom FA als Vollstreckungsbehörde anzuwenden. Dem FA als Abgabengläubiger kommt im Vollstreckungsverfahren zugleich die Funktion des Vollstreckungsgerichts zu (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385 [BFH 30.01.1997 - III B 99/95], [BFH 30.01.1997 - III B 99/95] DStRE 1998, 29 [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94]; FG Münster, Beschluss vom 3. September 2002 7 K 1547/02 AO, EFG 2002, 1628).

125

Durch die Zuständigkeit des FA als Vollstreckungsbehörde wird der Antragstellerin nicht der gesetzliche Richter vorenthalten. Im Verhältnis zu den Regelungen im 8. Buch der ZPO ist das steuerliche Zwangsvollstreckungsverfahren in §§ 249 bis 346 AO eigenständig geregelt. Diese Eigenständigkeit gebietet es in Fällen, in denen aus Gründen der gesetzestechnischen Vereinfachung in den verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften auf eine sinngemäße oder entsprechende Anwendung von ZPO-Vorschriften verwiesen wird, die nach der ZPO dem Vollstreckungsgericht eingeräumten Befugnisse grundsätzlich den Finanzbehörden in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörden zuzuweisen. Der Gesetzgeber hat das Verwaltungsvollstreckungsverfahren bewusst so ausgestaltet, dass grundsätzlich die Vollstreckungsbehörde für Entscheidungen allzuständig ist. Dies bedeutet kein Defizit an Rechtsschutz für den Bürger, weil die Vollstreckungsbehörde als Teil der Exekutivgewalt sowohl dem Vorrang als auch dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt und ihre Entscheidungen durch die Finanzgerichtsbarkeit überprüft und ggf. korrigiert werden können (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385 [BFH 30.01.1997 - III B 99/95], [BFH 30.01.1997 - III B 99/95] DStRE 1998, 29 [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94], [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94] unter II. 3. a der Gründe).

126

Nur wenn die Vollstreckungsvorschriften der AO ausdrücklich auf den Zivilrechtsweg verweisen (z.B. § 262 Abs.1, § 293 Abs. 2, § 320 Abs. 2 AO), den Zivilgerichten bestimmte Befugnisse vorbehalten (z.B. § 284 Abs. 8, § 287 Abs. 4 AO) oder etwa sonst zwingende Gründe ersichtlich sind, unterliegt dieser Grundsatz Ausnahmen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385 [BFH 30.01.1997 - III B 99/95], [BFH 30.01.1997 - III B 99/95] DStRE 1998, 29 [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94] unter II. 3. a der Gründe). Einen zwingenden Grund für die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf das Vollstreckungsgericht nach der ZPO im Rahmen der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO in der Verwaltungsvollstreckung kann der Senat indessen nicht erkennen. Insbesondere bietet das seinem Wesen nach auf Zugriff, nicht auf Verhandlung angelegte und daher (siehe auch das Anhörungsverbot des § 834 ZPO) nicht kontradiktorisch ausgestaltete Vollstreckungsverfahren nach der ZPO für die Beachtung von Pfändungsbeschränkungen und -verboten nach §§ 850 bis 852 ZPO keine höhere Richtigkeitsgewähr als das Verwaltungsvollstreckungsverfahren nach der AO. Denn im Verwaltungsvollstreckungsverfahren findet auf entsprechendes Betreiben des Vollstreckungsschuldners immerhin eine sich unter der Geltung des Amtsuntersuchungsgrundsatzes vollziehende doppelte Kontrolle der von der Vollstreckungsbehörde getroffenen Entscheidung statt, und zwar sowohl im verwaltungsinternen Rechtsbehelfsverfahren als auch im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren vor dem FG (vgl. zu § 850f ZPO BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385 [BFH 30.01.1997 - III B 99/95], [BFH 30.01.1997 - III B 99/95] DStRE 1998, 29 [BFH 24.10.1996 - VII R 114/94] unter II. 3. a der Gründe, m.w.N.).

127

(2) Das FA ist für die Vollstreckung der in Rede stehenden Umsatzsteuerforderungen und damit auch für den Erlass einer Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO die örtlich zuständige Behörde.

128

Da die AO insoweit für das Vollstreckungsverfahren keine besonderen Vorschriften enthält, richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach den §§ 17 ff. AO (vgl. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. Juli 2014 15 V 164/14, EFG 2014, 1838, unter II. 2. a bb der Gründe; Sunder-Plasmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor § 16 AO Rz 33). Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AO ist für die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt. Ein Unternehmen wird dort betrieben, wo der Unternehmer seine Tätigkeit anbietet, Aufträge entgegennimmt, ihre Ausführung vorbereitet und wo Zahlungen an ihn geleistet werden. Das ist in der Regel der Ort der Geschäftsleitung, der nicht mit dem Ort der Lieferung oder Leistung übereinstimmen und auch nicht der Sitz des Unternehmens sein muss (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 VIII R 86/99, BFH/NV 2001, 742 [BFH 19.12.2000 - VII R 86/99], [BFH 19.12.2000 - VII R 86/99] unter II. 1. der Gründe). Die örtliche Zuständigkeit bleibt erhalten, wenn der Betrieb aufgegeben wird (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483 [BFH 25.01.1989 - X R 158/87], [BFH 25.01.1989 - X R 158/87] unter II. 1. b der Gründe).

129

Nach diesen Maßstäben ist bei summarischer Prüfung die örtliche Zuständigkeit des FA für die zwangsweise Beitreibung der Forderungen aus Umsatzsteuer und steuerlichen Nebenleistungen gegeben. M übte als Unternehmer in O und damit im Zuständigkeitsbereich des FA seine gewerbliche Tätigkeit aus, zuletzt reichte er beim FA Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Mai und Juni 1998 ein. Hieraus folgt auch die örtliche Zuständigkeit des FA für die Vollstreckung der Umsatzsteuerforderungen und die Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO.

130

(3) Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung hat das FA durch die geänderte Anordnung vom 6. August 2014 nicht gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoßen.

131

Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird im Abgabenrecht einfachgesetzlich durch § 91 AO umgesetzt (vgl. Klein/Rätke, AO, 12. Aufl., § 91 Rz 1). Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem nach § 91 Abs. 1 Satz 1 AO Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann nach § 91 Abs. 2 AO abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist. Dies ist nach § 91 Abs. 2 Nr. 5 AO insbesondere dann der Fall, wenn Maßnahmen in der Vollstreckung getroffen werden sollen.

132

Nach diesen Maßstäben ist der weitere Bescheid vom 6. August 2014 nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat in dem noch nicht abgeschlossenen außergerichtlichen Vorverfahren Gelegenheit, sich sowohl zur Pfändungs- und Einziehungsverfügung als auch zur Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO zu äußern. Vor Erlass der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 hatte das FA seine Rechtsauffassung den Eheleuten in den Anhörungsschreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 dargelegt und erläutert. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Einspruchsschreiben vom 12. März 2014, durch die Zahlungen des M seien bislang nur die Zins-, nicht aber die Hauptforderung der Antragstellerin zurückgeführt worden, hat das FA die Eheleute im Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2014 darauf hingewiesen, dass die monatlichen Zahlungen des M in Höhe von 800,00 € bei der Ehefrau Zinseinkünfte begründeten und die Antragstellerin bei Zusammenrechnung der Renten- und Zinseinkünfte "bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrags vollständig unberücksichtigt" bliebe. Da den Eheleuten Gelegenheit gegeben wurde, zu dieser Auffassung des FA Stellung zu nehmen, hat das FA jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch durch Erlass der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 nicht gegen die Anhörungsrechte der Antragstellerin verstoßen.

133

bb) Das FA ist berechtigt, die Anordnung zu treffen, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rentenansprüche unberücksichtigt bleibt. Auch unter Ermessensgesichtspunkten ist diese Entscheidung nicht zu beanstanden.

134

(1) Hat eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann gemäß § 850c Abs. 4 ZPO das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.

135

Die Bestimmung nach § 850c Abs. 4 ZPO ist nach billigem Ermessen zu treffen. Sie hat unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. BGH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2004 IXa ZB 142/04, NJW-RR 2005, 795 [BGH 21.12.2004 - IXa ZB 142/04]; in NJW-RR 2005, 1239 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05], [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05] unter II. 3. der Gründe). Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die ihm für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, sind dergestalt zu berücksichtigen, dass für dessen damit bereits gedeckten Bedarf dem Schuldner ein Einkommensbetrag nicht unpfändbar verbleiben muss (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05], unter II. 3. der Gründe). Unbedeutende Einkünfte bleiben unberücksichtigt (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 795 [BGH 21.12.2004 - IXa ZB 142/04], [BGH 21.12.2004 - IXa ZB 142/04] unter II. 3. der Gründe). Entspricht es billigem Ermessen, dass dem Schuldner für den Unterhalt eines Angehörigen mit ausreichenden eigenen Einkünften Einkommen nicht mehr zur Verfügung stehen muss, dann hat diese Person auch bei Berechnung des unpfändbaren Arbeitseinkommens ganz unberücksichtigt zu bleiben. Sonst kann ein Angehöriger in dem Umfang unberücksichtigt bleiben, in dem sein Unterhalt aus eigenen Einkünften aufgebracht werden kann und daher der Schuldner von seiner Unterhaltspflicht freigestellt ist. Der Umfang der Nichtberücksichtigung des Unterhaltsberechtigten kann nur nach allen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Es ist der (volle) individuelle Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten zugrunde zu legen; davon ist der durch eigene Einkünfte bereits gedeckte Anteil des Unterhaltsbedarfs abzusetzen. Den Unterschiedsbetrag hat der Schuldner als Unterhalt aus Arbeitseinkommen noch zu leisten (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15).

136

Dass das Vollstreckungsgericht "nach billigem Ermessen" eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO treffen kann, soll genügend Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gewährleisten, zugleich aber auch eine praktische Handhabung ermöglichen. Insbesondere sollen an die Prüfung der Umstände keine überspannten Anforderungen gestellt werden, um das Vollstreckungsverfahren praktikabel zu gestalten (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05], unter II. 3. der Gründe). Angesichts der unterschiedlichsten Lebenssachverhalte verbietet sich eine nur einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsgrößen (starren Sätzen oder abstrakten Formeln) und damit eine schematisierende Betrachtung. Für die Ausübung billigen Ermessens können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltssätze indes Anhalt geben (BGH-Beschlüsse in NJW-RR 2005, 795, 797 [BGH 21.12.2004 - IXa ZB 142/04] und in NJW-RR 2005, 1239, 1240 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05]). Ermessensfehlerhaft ist es aber, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05]; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15a).

137

Wenn der Unterhaltsberechtigte - wie im Streitfall - mit dem Schuldner in einem Haushalt lebt, kommt es in Betracht, bei der Bemessung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialhilferechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze heranzuziehen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Sätze nur der Sicherung des Existenzminimums dienen. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kann bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenze zur Teilhabe am Arbeitseinkommen deshalb ein Zuschlag vorgenommen werden. Nach dem BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05] ist ein Zuschlag von 30 bis 50 v. H. nicht zu beanstanden. Auf den Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO kann dagegen nicht ohne Weiteres nicht abgestellt werden; er dient auch dazu, Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts, somit Kosten abzudecken, die sich bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl erhöhen (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 28/05]).

138

Besonderheiten des Einzelfalls wie krankheitsbedingten Mehraufwendungen der unterhaltsberechtigten Person ist stets Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15a).

139

(2) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA die Anordnung vom 6. August 2014 treffen, wonach die Antragstellerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rentenansprüche unberücksichtigt bleibt. Denn die Antragstellerin verfügt als unterhaltsberechtigte Ehefrau des (Abgaben-) Schuldners über eigene Einkünfte (unten (a)), und bei Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Streitfalls ist die Anordnung des FA unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden (unten (b)).

140

(a) Die Antragstellerin ist als Ehefrau des Schuldners gemäß § 319 AO i.V.m. § 850c ZPO zu berücksichtigen.

141

(aa) Hat der Schuldner einen Ehegatten mit eigenem Einkommen und gewährt der Schuldner aufgrund einer Unterhaltspflicht seinem Ehegatten tatsächlich Unterhalt, ist der Ehegatte nach § 850c ZPO als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Schuldner den vollen pfändungsfreien Betrag für die Unterhaltsgewährung aufwenden muss (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c, Rz 6). Nach § 1360 Satz 1 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach dieser Vorschrift ist allein, dass eine Ehe besteht und die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft leben (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 12). Der Anspruch eines Ehegatten auf Leistung des Beitrags zum Familienunterhalt hängt weder von seiner eigenen Bedürftigkeit noch von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ab (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 1, 13, 15). Gleichfalls kommt es nicht auf den Güterstand an, in dem die Eheleute leben (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 1). Trägt der Schuldner zum Familienunterhalt bei, ist der mitverdienende Ehegatte daher grundsätzlich als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen; durch seinen Beitrag zum Familienunterhalt erfüllt der Schuldner gegenüber seinem Ehegatten die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 6).

142

(bb) Die Antragstellerin ist nach diesen Maßstäben eine unterhaltsberechtigte Person i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO.

143

(aaa) Die Antragstellerin ist die Ehefrau des M, des Abgabenschuldners, und die Eheleute leben in Q in einem gemeinsamen Haushalt.

144

(bbb) Die Antragstellerin bezieht ein eigenes Einkommen, und zwar zum einen von der DRV nach Maßgabe des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) eine gesetzliche Altersrente, die sich seit 1. Juli 2014 unter Einbeziehung des Zuschusses für die Kranken- und Pflegeversicherung auf rd. 680,00 € beläuft. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verbleibt der Antragstellerin ein Nettobetrag von rd. 570,00 €. Auch die Altersrente, die ihrerseits als laufende Geldleistung wie Arbeitseinkommen gepfändet werden kann (§ 54 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch - SGB IV -), zählt zu den Einkünften i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 6 [BFH 26.05.1998 - VII B 303/97]; Zöller/Stöber, ZPO, § 850c Rz 12).

145

Zum anderen bezieht die Antragstellerin von M monatliche Zahlungen in Höhe von 800,00 €. Nach dem Vorbringen der Eheleute soll die Antragstellerin Darlehens- und Zinsforderungen gegen den M haben, auf die seit dem Jahr 1999 Zahlungen geleistet wurden. Bei summarischer Prüfung erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, dass das FA sein Schreiben vom 17. Juli 2014 und den Bescheid vom 6. August 2014 auf die Angaben der Eheleute über die Rechtsgrundlagen der innerehelichen Zahlungen stützt.

146

Soweit die Zahlungen auf dem von den Eheleuten im Einspruchsschreiben vom 12. März 2014 angegebenen Rechtsgrund beruhen, sind die Zahlungen nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst allein auf Zinsforderungen angerechnet worden, und die aufgelaufenen Zinsansprüche sind nach wie vor noch nicht getilgt. Dementsprechend begründen die Zahlungen des M bei der Antragstellerin steuerlich Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und vollstreckungsrechtlich (weitere) eigene Einkünfte i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO (vgl. Zöller / Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 12).

147

Dieser Qualifizierung steht das von der Antragstellerin in Bezug genommene Vorbringen des M im PKH-Verfahren 15 K 196/14 (PKH), die monatlichen Überweisungen an die Antragstellerin hätten wegen der im Jahre 1987 erfolgten Änderung des Güterstandes "Mischcharakter", nicht entgegen. Die Eheleute haben diesen Einwand nicht in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise erläutert und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

148

Schließlich leistet die DRV an die Antragstellerin monatliche Zahlungen aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 7. August 1997, etwa im August 2014 in Höhe von rd. 60,00 €.

149

(ccc) M trägt seinerseits durch seine Renteneinkünfte zum Familienunterhalt i.S. des § 1360 Satz 1 BGB bei, nach seinem eigenen Vorbringen in den Verfahren 15 K 196/14 (PKH) und 15 V 208/14 etwa dadurch, dass mit seiner Rente ein Teil der Wohnungskosten gezahlt wird.

150

(b) Die Anordnung vom 6. August 2014 ist nicht ermessensfehlerhaft.

151

(aa) Ist für die Finanzbehörde - wie bei der Entscheidung, ob ein unterhaltsberechtigter Ehegatte nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt - ein Ermessensspielraum eröffnet, so hat sie nach § 5 AO das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dabei ist eine Entscheidung nur dann frei von Ermessensfehlern, wenn die Behörde sie auf der Grundlage einer einwandfreien und umfassenden Sachverhaltsermittlung getroffen hat. Zwar ist dann jede innerhalb des Ermessensrahmens und unter Berücksichtigung des Ermächtigungszwecks von der Behörde für sachgerecht erachtete Maßnahme rechtmäßig. Die Behörde muss aber ihre Maßnahmen in jedem Einzelfall auf das unumgänglich Notwendige beschränken und prüfen, welche der zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeigneten Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belasten (BFH-Urteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57 [BFH 24.09.1991 - VII R 34/90]). Verkennt die Behörde, dass ihr Ermessen eingeräumt ist, liegt eine sog. Ermessensunterschreitung vor, die zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt. Verfehlt die Behörde den Zweck der Ermächtigung oder überschreitet sie die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung), ist dies ebenfalls rechtswidrig (vgl. Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 8 ff.).

152

Damit der Betroffene und ggf. die Gerichte die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde überprüfen können, muss eine Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Die Begründung muss zeigen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist (Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13). Zwar ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 AO oder in Fällen, in denen dem Adressaten des Verwaltungsakts die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bekannt oder doch ohne Weiteres erkennbar ist, eine Begründung der Entscheidung nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621 [BFH 28.04.1983 - IV R 255/82]; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 AO, Rz 70). Daneben ist in bestimmten Bereichen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens wie der Anordnung von Außenprüfungen oder der Inhaftungnahme von Steuerhinterziehern die Ermessensentscheidung in einer Weise vorgeprägt, die eine besondere Begründung in der Regel entbehrlich macht (vgl. näher Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13). Die Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 249 ff. AO zählen hierzu jedoch nicht.

153

Zur Begründung einer Ermessensentscheidung können grundsätzlich auch Textbausteine herangezogen werden, sofern die Finanzbehörde durch ihren Amtsträger unter Abwägung aller Beurteilungsmerkmale der Ermächtigungsvorschrift selbst die Textbausteine unter Berücksichtigung des vorliegenden Sachverhalts auswählt (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83, BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929 [BFH 18.08.1988 - V R 19/83], [BFH 18.08.1988 - V R 19/83] unter B. 1., zu § 152 AO). Darüber hinaus muss - unabhängig von der Verwendung von Textbausteinen - die Begründung aber auch so konkret sein, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung auf Ermessensfehler (vgl. § 102 FGO) zu überprüfen. Demgemäß muss die im Regelfall erforderliche Begründung die tragenden Erwägungen der Finanzbehörde in Bezug auf den konkreten Sachverhalt nachvollziehbar darlegen; Leerfloskeln reichen ebenso wenig aus wie eine Wiedergabe des Gesetzestextes (BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801 [BFH 18.09.1981 - VI R 44/77], [BFH 18.09.1981 - VI R 44/77] unter 2. a; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Juli 1991 2 K 19/90, EFG 1991, 715, unter 2.; FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2000 18 K 8833/99 AO, EFG 2001, 119, unter 3. c) bb); Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 AO Rz 67 f.; Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13).

154

Ermessensfehlerhaft sind Begründungen, wenn z.B. die behaupteten Gründe nur Vorwände sind oder wenn die Finanzbehörde die für die Entscheidung wesentlichen Umstände nicht beachtet oder irrig annimmt (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 AO Rz 73, m.w.N.). Auch eine inhaltlich unrichtige Begründung macht den Verwaltungsakt materiell rechtswidrig (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 5 AO, Rz 132).

155

Die Begründung kann mit der Einspruchsentscheidung nachgeholt oder ergänzt werden (BFH-Urteil in BFHE 134, 149 [BFH 18.09.1981 - VI R 44/77], [BFH 18.09.1981 - VI R 44/77] BStBl II 1981, 801 [BFH 18.09.1981 - VI R 44/77]; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 Rz 71, m.w.N.). Bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen gemäß § 102 Satz 2 FGO ergänzen. Dies impliziert, dass weder eine erstmalige Ermessensausübung oder eine komplette Ersetzung der Ermessenserwägungen noch eine die bisherigen Argumente in ihrem Wesen verändernde Begründung zulässig wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juni 2004 IV B 56/02, BFH/NV 2004, 1536; Hessisches FG, Urteil vom 2. September 2009 11 K 3200/08, , Rz 15).

156

(bb) Nach diesen Maßstäben ist der weitere Bescheid vom 6. August 2014 nicht zu beanstanden.

157

(aaa) Das FA hat in den Anhörungsschreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 (wie auch in der dem M erteilten Einspruchsentscheidung) ausgeführt, eine Bestimmung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO "nach billigem Ermessen" treffen zu können. In diesen Schreiben hat das FA die Ermessenserwägungen, die es bei Erteilung der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 angestellt hat, den Eheleuten in nicht zu beanstandender Weise dargelegt. Im Übrigen hat das FA die Möglichkeit, in der noch ausstehenden Einspruchsentscheidung die Darlegung seiner Ermessenserwägungen zu ergänzen.

158

(bbb) Das FA hat den für die Entscheidung über die Unterhaltsansprüche der Antragstellerin relevanten Sachverhalt teilweise selbst - etwa durch das an den Vollziehungsbeamten des Finanzamts Q gerichtete Vollstreckungsersuchen - und teilweise durch Anhörungsschreiben ausreichend ermittelt. Die Eheleute hatten aufgrund der Anhörungsschreiben Gelegenheit, dem FA die aus ihrer Sicht bedeutsamen Umstände mitzuteilen. Zwar waren dem FA aufgrund des Schreibens des M vom 25. September 2003 monatliche Zahlungen des M an die Antragstellerin in Höhe von 800,00 € bekannt. Jedoch hat das FA erst im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren erfahren, dass diese Zahlungen nach Angaben der Eheleute erst im Jahre 1999 begonnen worden waren und deshalb auch in den Jahren 2013 und 2014 noch der Tilgung der Zinsverbindlichkeiten dienten.

159

(ccc) Unabhängig von den innerehelichen Zahlungen und ohne die geringfügigen ausländischen Renteneinkünfte des M stehen den Eheleuten seit dem 1. Juli 2014 insgesamt monatliche Renteneinkünfte in Höhe von rd. 2.540,00 € (brutto) bzw. 2.120,00 € (netto) zur Verfügung. Hierbei handelt es sich etwa um das Zweifache des Grundfreibetrags in Höhe von 1.049,99 €, der einem Schuldner ohne Unterhaltspflicht nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013 zusteht. Wird der Netto-Betrag auf beide Eheleute gleichmäßig aufgeteilt, verbleibt der Antragstellerin und dem M jeweils ein Betrag, der den ab 1. Januar 2015 geltenden Sozialhilfesatz der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 360,00 € - durch den Kosten für Wohnung und Heizung nicht abgedeckt werden - um beinahe das Dreifache übersteigt.

160

Für sich genommen verfügt die Antragstellerin über monatliche Einkünfte von rd. 1.430,00 € (= 570,00 € + 800,00 € + 60,00 €). Diese Summe übersteigt den Grundfreibetrag von 1.049,99 € sogar um mehr als 35 v. H.

161

Die Umstände des Streitfalls - hierzu gehören nicht zuletzt die den Eheleuten jeweils monatlich zur Verfügung stehenden Einkünfte und deren Summe - lassen die Anordnung des FA vom 6. August 2014 nicht unbillig erscheinen. Ein anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin geltend gemachten, etwa alters- oder krankheitsbedingten Mehraufwendungen. Werden von der monatlichen Netto-Gesamtrente von rd. 2.120,00 € die geltend gemachten Wohn- und Heizungskosten in Höhe von rd. 400,00 € und der vom FA seit Oktober 2014 eingezogene Betrag von rd. 300,00 € in Abzug gebracht, verbleibt ein Betrag von 1.420,00 € und damit für jeden der Eheleute fast das Zweifache des Sozialhilfesatzes nach der Regelbedarfsstufe 2. Dass die zur Verfügung stehenden Mittel zur Abdeckung der den Eheleuten vollstreckungsrechtlich zuzugestehenden Mehraufwendungen nicht ausreichen, ist jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht feststellbar.

162

(ddd) Ob die Einwände, die von den Eheleuten im Einspruchs- und im Aussetzungsverfahren und zusätzlich von M im PKH-Bewilligungsverfahren 15 K 196/14 (PKH) gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung als solche erhoben werden, überhaupt geeignet sind, eine Ermessensfehlerhaftigkeit des weiteren Bescheides vom 6. August 2014 zu begründen, kann dahinstehen. Denn die Antragstellerin ist durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 nicht beschwert und kann insoweit keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Ihr gegenüber ist im Hinblick auf ihre Stellung als Unterhaltsberechtigte lediglich die Ermessensausübung bei der Anordnung nach § 850c ZPO zu prüfen. Im Übrigen bestehen nach dem Beschluss des Senats vom 28. Januar 2015 15 V 208/14 an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung keine ernstlichen Zweifel.

163

cc) Das FA war berechtigt, die zunächst zusammen mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 getroffene Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO durch den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 zu verbösern. Verfahrensrechtlich enthält dieser Bescheid den Widerruf der zunächst getroffenen Anordnung, dass die Antragstellerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens teilweise unberücksichtigt bleibt, und zugleich die Anordnung, dass die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung vollständig unberücksichtigt bleibt.

164

(1) Das FA durfte die mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 verbundene Anordnung gemäß § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO widerrufen.

165

(a) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 131 Abs. 1 AO ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Begünstigende Verwaltungsakte sind solche, die in Form einer selbständigen Regelung einen rechtlichen Vorteil (rechtsgestaltend) gewähren oder (rechtsfeststellend) bestätigen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 130 AO Rz 9; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 130 Rz 35). Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er aufgrund des Gesetzes ergangen ist und kein materielles oder formelles Gesetz verletzt (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 3).

166

§ 131 AO erklärt sich aus dem "Rechtmäßigkeitszeitpunkt". Die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, muss nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes beurteil werden. Nach diesem Zeitpunkt können sich die Rechtslage und die Sachlage ändern (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 Rz 1). Die Korrektur rechtmäßiger Verwaltungsakte ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die Korrektur nicht rechtswidrig wird. Daher ist ein Widerruf bei einem rechtmäßigen sog. gebundenen Verwaltungsakt nicht zulässig, weil hier lediglich eine Entscheidung richtig und rechtmäßig und jede davon abweichende Entscheidung fehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Dagegen besteht bei Ermessensverwaltungsakten das Interesse eines Widerrufs, weil einerseits im Rahmen des Entschließungsermessens die Möglichkeit besteht, von einer Reglung abzusehen, es andererseits im Rahmen des Auswahlermessens mehrere rechtmäßige Entscheidungen geben kann und ein Bedarf besteht, eine rechtmäßige Ermessensentscheidung aufzuheben oder durch eine andere rechtmäßige Ermessensentscheidung zu ersetzen (von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 131 Rz 2; ferner Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 6; zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545 [BFH 26.03.1991 - VII R 66/90]). § 131 AO soll der Finanzbehörde Gelegenheit geben, ihre bisherige und fortwirkende Entscheidung unter Berücksichtigung neuer tatsächlicher Verhältnisse zu überprüfen (Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 131 Rz 1).

167

(b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA gegenüber M als Abgabenschuldner und der DRV als Drittschuldnerin anordnen, dass die Antragstellerin ab sofort nicht nur teilweise, sondern gänzlich unberücksichtigt bleibt.

168

So wie es sich bei der Pfändungsverfügung und der Einziehungsverfügung um (zwei) Verwaltungsakte handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141 zur Pfändungsverfügung; FG Münster, Beschluss vom 18. April 2007 7 V 1288/07 AO, EFG 2007, 1136, unter II. 1. der Gründe), stellt auch die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO einen Verwaltungsakt dar. Dieser Verwaltungsakt ist nicht begünstigend, weil er einen rechtlichen Vorteil weder gewährt noch bestätigt. Die Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO wirkt für den Schuldner insoweit belastend, als sich durch die vollständige oder teilweise Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens erhöht. Gegenüber der unterhaltsberechtigten Person - hier der Antragstellerin - begründet die Anordnung insoweit eine Belastung, als ihr für die Bestreitung des eigenen Unterhalts keine Unterhaltszahlungen oder nur noch geringere Unterhaltszahlungen des Schuldners als bislang zur Verfügung stehen.

169

Die ursprüngliche Anordnung war als Ermessensentscheidung rechtmäßig i.S. des § 131 Abs. 1 AO. Der Rechtmäßigkeit steht nicht entgegen, dass das FA am 28. Mai 2013 die monatlichen Zahlungen des M an die Antragstellerin in Höhe von 800,00 € unberücksichtigt ließ und deshalb nur die teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau verfügte. Aus den Akten ergaben sich für diese (Zins-) Zahlungen keine zureichenden Anhaltspunkte, und das FA war nicht verpflichtet, die Eheleute vor Erlass der Verwaltungsakte vom 28. Mai 2013 anzuhören. Deshalb erging auch die Bestimmung, dass die Antragstellerin nach § 850c Abs. 4 ZPO (nur) teilweise unberücksichtigt bleibt, ermessensfehlerfrei. Nach § 131 Abs. 1 AO war das FA berechtigt, die erste rechtmäßige Anordnung durch die ebenfalls rechtmäßige Ermessensentscheidung vom 6. August 2014 zu ersetzen.

170

Weder muss im Streitfall ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden, noch ist der Widerruf aus anderen Gründen (etwa aufgrund von Verwaltungsanweisungen; vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 11, m.w.N.) unzulässig.

171

(2) Das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes steht der nicht rückwirkend, sondern nur "mit sofortiger Wirkung" angeordneten Verböserung im Streitfall nicht entgegen.

172

(a) Ein anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BFH zum Erlass eines ergänzenden Haftungsbescheides (§ 191 AO) oder zum Widerruf eines Haftungsbescheides.

173

Die Finanzbehörde ist zum Erlass eines ergänzenden (verbösernden) Haftungsbescheids berechtigt, wenn die Erhöhung der dem ersten Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Lohnsteuerschuld auf neuen, im Rahmen einer Außenprüfung festgestellten Tatsachen beruht. Beruht die Erhöhung der Steuerschuld auf neuen Tatsachen, die das FA mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid nicht berücksichtigen konnte, ist der Erlass eines ergänzenden Bescheides zulässig (BFH-Urteil vom 15. Februar 2011 VII R 66/10, BFHE 232, 313, BStBl II 2011, 534 [BFH 15.02.2011 - VII R 66/10], [BFH 15.02.2011 - VII R 66/10] Leitsatz und unter II. 1. d der Gründe, in Fortentwicklung der mit BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/09, BFHE 205, 539 [BFH 06.05.2004 - V R 40/02], BStBl II 2005, 3 [BFH 25.05.2004 - VII R 29/02][BFH 25.05.2004 - VII R 29/02] aufgestellten Grundsätze).

174

Hiervon unberührt bleibt eine Korrektur des vorangegangenen Haftungsbescheides nach §§ 129 bis 131 AO (BFH-Urteil in BFHE 205, 539 [BFH 06.05.2004 - V R 40/02], BStBl II 2005, 3 [BFH 25.05.2004 - VII R 29/02], [BFH 25.05.2004 - VII R 29/02] Leitsatz). Ein Widerruf des Haftungsbescheides nach § 131 Abs. 1 AO kann etwa bei Zahlungen des Steuerschuldners oder eines anderen Haftungsschuldners nach Ablauf der Festsetzungsfrist und nach Abschluss des Verwaltungs- oder Klageverfahrens veranlasst sein (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2014 VII B 192/13, , unter II. 2. der Gründe, m.w.N.).

175

Bei Erlass der Anordnung vom 28. Mai 2013 waren dem FA die monatlichen Zinszahlungen des M an die Antragstellerin nicht bekannt. Hiervon hat das FA erst im Einspruchsverfahren Kenntnis erlangt. In diesem solchen Fall ist eine Verböserung durch die Anordnung der vollständigen Nichtberücksichtigung der Antragstellerin unter Vertrauensschutzgesichtspunkten auch nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung zur Korrektur von Haftungsbescheiden nicht zu beanstanden.

176

(b) Nach der Rechtsprechung des BVerwG steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes sogar der rückwirkenden Erhöhung von Beitragspflichten aufgrund einer neuen gemeindlichen Beitrags- und Gebührensatzung nicht entgegen. Nach dem BVerwG-Urteil vom 15. April 1983 8 C 170/81 (BVerwGE 67, 129) ist nicht jeder kommunale Abgabenbescheid oder sonstige belastende Verwaltungsakt schon aus der Natur der Sache tragfähig für den - ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigenden - Gegenschluss, dass von dem Betroffenen mehr als dies nicht verlangt werden solle. Ein solcher Schluss ist nach dieser Entscheidung regelmäßig nicht gerechtfertigt, so dass besondere Umstände hinzutreten müssen, wenn er sich dennoch rechtfertigen soll.

177

An solchen Umständen fehlt es im Streitfall. Aus der Anlage zur Verfügung vom 28. Mai 2013 war für M ersichtlich, wie das FA die Quote von 48,54 v.H. ermittelt hatte und dass die monatlichen Zahlungen an die Antragstellerin dabei nicht in Ansatz gebracht worden sind. M hatte ebenso wenig wie die Antragstellerin Anlass, darauf zu vertrauen, dass durch einen geänderten Bescheid jedenfalls für die Zukunft nicht auch die monatlichen Zahlungen an die Antragstellerin einbezogen werden und deren gänzliche Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO angeordnet wird.

178

(c) Eines Verböserungshinweises nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO bedurfte es im Streitfall nicht, weil die Änderung der Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO zum Nachteil der Antragstellerin ungeachtet einer Rücknahme des Einspruchs möglich gewesen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1989 VI R 124/88, BFHE 159, 405, BStBl II 1990, 414 [BFH 10.11.1989 - VI R 124/88]; vom 25. Februar 2009, BFHE 224, 390 [BFH 25.02.2009 - IX R 24/08], [BFH 25.02.2009 - IX R 24/08] BStBl II 2009, 587 [BFH 25.02.2009 - IX R 24/08]; Klein/Brockmeyer, AO, 12. Aufl., § 367 Rz 9, 15). Denn die Verböserung war nicht nur nach § 367 Abs. 2 AO, sondern auch durch Widerruf der ursprünglichen und Erteilung einer neuen Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO möglich.

179

c) Ebenso wenig ist die Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung oder der Verfügung vom 6. August 2014 geboten, weil die Vollziehung dieser Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines Bescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 1994 IV S 1/94, BFHE 173, 420, BStBl II 1994, 398 [BFH 24.03.1994 - IV S 1/94]). Die gleichen Grundsätze gelten auch für einen Drittbetroffenen, der die Vollziehungsaussetzung eines Bescheides begehrt.

180

Dass der Antragstellerin durch die Vollziehung der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 gravierende wirtschaftliche Nachteile wie etwa eine Existenzgefährdung drohen, ist nicht erkennbar. Weder aus dem Inhalt der Akten noch aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich, dass die Vollziehung des Bescheides eine unbillige Härte zur Folge hat.

181

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zugelassen, weil durch den BFH bislang weder geklärt ist, ob eine unterhaltsberechtigte Person aufgrund eigener Beschwer befugt ist, eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO anzufechten, noch unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine Verböserung einer Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO nach Einlegung des Einspruchs zulässig ist.