Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.08.1987, Az.: 19 OVG L 10/85

Bestimmung der gerichtliche Zuständigkeit in Personalvertretungssachen; Zuständigkeit der Personalvertretungen; Aufklärung eines der Einigungsstelle zur Entscheidung vorgelegten Sachverhaltes durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.08.1987
Aktenzeichen
19 OVG L 10/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 19875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1987:0805.19OVG.L10.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - 10.10.1985 - AZ: PL 20/84

Verfahrensgegenstand

Feststellung

In der Personalvertretungssache
hat der 19. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Schleswig-Holstein - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Pries und Reichert
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 10. Oktober 1985 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragt der Kläger; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Im Rechtsakt der Beklagten war die Stelle des stellvertretenden Amtsleiters (Besoldungsgruppe A 15) neu zu besetzen. Vom zuständigen Dezernenten wurde für diese Stelle der Bewerber B. vorgeschlagen. Dem stimmte auch der Kläger zu. Der Senat der Beklagten ordnete jedoch eine erneute interne Ausschreibung und Beurteilung der in Frage kommenden Bewerber an und entschied sich sodann für den Bewerber v. In dem darauf durchgeführten Einigungsverfahren sprach sich die Beigeladene in ihrer Sitzung vom 13. April 1984 ebenfalls für den Bewerber V. aus.

2

Gegen diese Entscheidung der Beigeladenen hat der Kläger am 8. August 1984 Klage erhoben und geltend gemacht: Der Vorsitzende der Beigeladenen habe zur Entscheidungsfindung die Beurteilungen der Bewerber aus der Referendarzeit herangezogen. Diese Unterlagen hätten den Ausschlag bei der Entscheidung der Beigeladenen gegeben. Die Unterlagen seien jedoch weder von der Dienstbehörde noch von der zuständigen Personalvertretung vorgelegt worden. Die Beigeladene hätte sie daher nicht verwerten dürfen.

3

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß der Vorsitzende der Beigeladenen nicht berechtigt gewesen sei, Unterlagen in das Einigungsstellenverfahren einzubringen und als entscheidungserheblich zu werten, die ihm außerhalb des Verfahrens bekanntgeworden bzw. aus eigener Veranlassung beigezogen worden seien.

4

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 1985 abgewiesen und ausgeführt: Die Beigeladene sei befugt gewesen, die in Rede stehenden Unterlagen in das Verfahren neu einzuführen. Sie habe den Verfahrensbeteiligten insoweit unstreitig rechtliches Gehör gewährt. Damit habe sie den verfahrensrechtlichen Anforderungen genügt. Das von der Einigungsstelle durchzuführende Verfahren sei im Gesetz nicht näher geregelt. Der von ihr zu treffende Beschluß müsse sich jedoch im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsgesetzes, halten. Auch seien hinsichtlich des Verfahrens die grundlegenden rechtsstaatlichen Regeln einzuhalten. In diesem Rahmen regele die Einigungsstelle ihr Verfahren selbst nach eigenem Ermessen. Dabei seien nach ganz überwiegender Auffassung auch die Befragung von Zeugen, Sachverständigen sowie auch andere Formen der Beweiserhebung zulässig. Auch für die Einigungsstelle gelte der für die Fachkammern für Personalvertretungsrecht geltende Untersuchungsgrundsatz. Lediglich Maßnahmen mit Zwangscharakter seien ihr verwehrt.

6

Gegen diesen ihm am 21. Oktober 1985 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19. November 1985 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er geltend macht: Nach § 66 des Schleswig-Holsteinischen Personalvertretungsgesetzes - PersVG - sei der Vorsitz der Einigungsstelle einem unparteiischen Vorsitzenden zu übertragen. Daraus ergäben sich besondere Anforderungen an die Person des Vorsitzenden. Der Vorsitzende der Beigeladenen habe die Verwertung der Beurteilungen aus der Referendarzeit der Bewerber von sich aus vorgenommen, ohne abzuklären, ob diese Handhabung von den Mitgliedern der Einigungsstelle gebilligt werden würde. Dadurch sei die Rechtsstellung des Klägers verletzt worden.

7

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten mit den Schriftsätzen der Beteiligten und den von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

12

Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit des vom Kläger gestellten Klageantrags. In dem Zuständigkeitskatalog des § 92 Abs. 1 PersVG ist eine gerichtliche Zuständigkeit für die begehrte Feststellung nicht enthalten. Darüber hinaus fehlt es für den Klageantrag in der vom Kläger gestellten Form an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn für die Rechtsbeziehungen zwischen den Verfahrensbeteiligten ist es ohne Bedeutung, ob das Verhalten des Vorsitzenden der Beigeladenen verfahrensrechtlich statthaft war oder nicht. Bedeutsam ist allein, ob der Beschluß der Beigeladenen vom 13. April 1984 rechtmäßig ergangen ist. Dies zu prüfen, sind die Fachkammern und Fachsenate für Personalvertretungssachen auch in den Fällen befugt, in denen das Landesrecht wie hier keine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält, daß diese Spruchkörper auch "über die Zuständigkeit und Geschäftsführung der Einigungsstellen" entscheiden (so z.B. § 85 Abs. 1 Nr. 3 NdsPersVG). Die gerichtliche Zuständigkeit ergibt sich in diesem Fall unmittelbar aus § 92 Abs. 1 Nr. 5 PersVG. Danach entscheiden die Verwaltungsgerichte über die Zuständigkeit der Personalvertretungen. Darunter falten auch ohne ausdrückliche Erwähnung Streitigkeiten, die die Zuständigkeit der Einigungsstelle und die Rechtmäßigkeit ihrer Beschlüsse betreffen, weil das Verfahren vor der Einigungsstelle Teil der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte der Personalvertretung ist (BVerwG, Beschl. v. 21.10.1983 - 6 P 24.81 -, PersV 1985, 432). Im Rahmen einer solchen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Einigungsstelle ist zu prüfen, ob die Entscheidung sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften hält (§ 66 Abs. 4 Satz 4 PersVG). Dazu gehört auch die Prüfung, ob sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustandegekommen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.1987 - 6 P 17.85 -).

13

Aber auch wenn der Kläger die Bedenken gegen die Zulässigkeit seines Feststellungsbegehrens dadurch beseitigen würde, daß er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beigeladenen beantragen würde, könnte er keinen Erfolg haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Einigungsverfahren im vorliegenden Fall überhaupt erforderlich war. Die Dienststelle ist nämlich zur Einleitung eines solchen Verfahrens nicht verpflichtet, wenn der Personalrat die Zustimmungsverweigerung zur Vergabe eines höher zu bewertenden Dienstpostens nur damit begründet, daß er sein eigenes Werturteil über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber an die Stelle der Beurteilung durch die Dienststelle setzt (BVerwG, Beschl.v.20.6.1986 - 6 P 4.83 -, PersV 1987, 63). Nach Lage der Dinge könnte es sich hier um einen solchen Fall gehandelt haben. Für das vorliegende Verfahren bedurfte dies jedoch keiner weiteren Prüfung. Nachdem die Beigeladene in das Verfahren eingeschaltet war, mußte sie jedenfalls eine verfahrensrechtlich und materiell rechtmäßige Entscheidung treffen. Ihr Beschluß vom 13. April 1984 ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden.

14

Zu Unrecht sieht der Kläger einen rechtserheblichen Verfahrensverstoß der Beigeladenen darin, daß deren Vorsitzender zur Entscheidungsfindung von sich aus weitere Akten über die Bewerber um die zu besetzende Stelle beigezogen hat. Das von der Einigungsstelle einzuhaltende Verfahren ist im PersVG nur in einigen Grundzügen geregelt (§ 66 Abs. 3 bis 5 PersVG). Im Rahmen dieser Grundsätze regelt die Einigungsstelle ihr Verfahren nach eigenem Ermessen (Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, §71 Rdnr. 28, 29; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 71 Rndr. 17 und 19). Es kann demgemäß nur in engen Grenzen zum Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung gemacht werden (BVerwG, Beschl. v. 10.3.1987, a.a.O.). Dabei ist davon auszugehen, daß das Gesetz hinsichtlich der Art und Weise, wie die Einigungsstelle zu ihrer Entscheidungsgrundlage gelangt, keine Beschränkungen enthält. Auch der Kläger hat solche nicht angeben können. Er hat sich zwar auf das Erfordernis eines unparteiischen Vorsitzenden gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 PersVG bezogen. Dem Gebot, daß die Einigungsstelle mit einem unparteiischen Vorsitzenden zu besetzen ist, ist jedoch nicht zu entnehmen, daß dieser daran gehindert ist, den der Einigungsstelle zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Gegen eine derartige Beschränkung der Einigungsstelle spricht auch die Regelung in § 66 Abs. 1 Satz 7 PersVG, wonach die Mitglieder der Einigungsstelle ihr Amt unabhängig und frei von Weisungen ausüben. Ferner ergibt sich aus der Funktion der Einigungsstelle als Schiedsstelle für Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienststelle und Personalvertretung (vgl. Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O., Rdnr. 2 u. 4), daß sie in der Lage sein muß, alles zu tun, um zu einer für die Beteiligten überzeugenden Entscheidung zu gelangen. Das kann sie aber nur, wenn sie in der Lage ist, alle ihr wichtig erscheinenden Umstände eines Falles aufzuklären. Das erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Einigungsstelle in vielen Fällen mit bindender Wirkung entscheidet (§ 66 Abs. 5 Satz 2 PersVG). Es bestehen daher keine Bedenken, daß der Vorsitzende einer Einigungsstelle zusätzliche Unterlagen und Akten beizieht und die Einigungsstelle weitere Zeugen und Sachverständige befragt und sonstige Beweiserhebungen vornimmt (ebenso Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O., Rdnr. 31; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 31; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O., Rdnr. 19; Donalies, PersVG, § 66 Rdnr. 4; a.A. ohne Begründung Fischer-Goeres, BPersVG, § 71 Rdnr. 20).

15

Nach alledem ist der hier in Rede stehende Beschluß der Beigeladenen vom 13. April 1984 nicht deshalb rechtswidrig, weil der Vorsitzende der Beigeladenen vor deren Beschlußfassung weitere Akten beigezogen hat. Sonstige verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Gesichtspunkte, die die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beigeladenen begründe könnten, sind nicht dargetan oder ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen; die dagegen eingelegte Berufung bleibt erfolglos.

16

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

17

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Ladwig