Landgericht Göttingen
Beschl. v. 24.03.1995, Az.: 5 T 11/95

Voraussetzungen des Anspruchs eines Betreuers auf Erteilung einer allgemeinen betreuungsrechtlichen Ermächtigung für Bankgeschäfte durch das Vormundschaftsgericht; Erfolgsaussichten einer Rechtspflegererinnerung in einem vormundschaftsgerichtlichen Verfahren

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
24.03.1995
Aktenzeichen
5 T 11/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 32301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1995:0324.5T11.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Herzberg - 11.01.1995 - AZ: XVII 872

In der Betreuungssache
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die als Beschwerde geltende Erinnerung der Antragstellerin vom 12. Januar 1995
gegen
den Beschluß des Amtsgerichts Herzberg am Harz vom 11. Januar 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... sowie
die Richter am Landgericht ... und ...
am 24. März 1995
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Herzberg/Harz zurückverwiesen, das unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut über den Antrag der Betreuerin vom 4.1.95 einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

Gründe

1

Die Antragstellerin ist die Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, der Kündigung des Mietverhältnisses betreffend die Wohnung "..." sowie Auflösung der Wohnung.

2

Die Betreuerin beabsichtigt, von dem Girokonto der Betreuten bei der Stadtsparkasse ... Beträge in Höhe von 417,25 DM sowie 3.454,- DM zur Bezahlung von Verpflichtungen der Betreuten abzuheben.

3

Unter Hinweis darauf, daß das Girokonto der Betreuten derzeit ein Guthaben von 8.523,27 DM aufweist, hat die kontoführende Sparkasse von der Betreuerin die Vorlage einer allgemeinen Ermächtigung durch das Vormundschaftsgericht für die Verfügungen der Betreuerin in den Fällen verlangt, in denen das Guthaben auf dem Girokonto mehr als 5.000,- DM beträgt. Die Betreuerin hat deshalb die Erteilung einer allgemeinen Ermächtigung nach § 1825 BGB beantragt.

4

Mit Beschluß vom 11. Januar 1995, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts den Antrag auf Erteilung einer allgemeinen Ermächtigung nach§§ 1908 i, 1825 BGB zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit ihrer Erinnerung, der Rechtspfleger und Richter nicht abgeholfen haben. Die Betreuerin verfolgt weiter die Erteilung einer allgemeinen Ermächtigung i.S. des § 1825 Abs. 1 BGB.

5

Die nach §§ 11 Abs. 2 Satz 5 RpflG, 19 FGG zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

6

Die von der Betreuerin beantragte allgemeine Ermächtigung nach §§ 1908 i, 1825 BGB für Bankgeschäfte bis 5.000,- DM kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, eine derartige Ermächtigung sei nicht erforderlich, weil die von der Betreuerin beabsichtigten Verfügungen in Höhe von 417,25 DM sowie 3.454,- DM nach §§ 1908 i, 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigungsfrei seien.

7

Mit dem OLG Köln (vgl. Rpfl 1994/503) geht die Kammer davon aus, daß nach dem Wortlaut und dem Sinn des § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB wegen des dort genannten Grenzwertes von 5.000,- DM nicht auf die einzelne Verfügung, sondern vielmehr auf die Höhe des Gesamtanspruches abzustellen ist (vgl. auch Erman/Holzhauer, BGB, 8. Aufl. 1989, Rdn. 3 zu § 1813 BGB; Soergel-Damrau, 12. Aufl. 1987, Rdn. 3 zu § 1813 BGB; Palandt-Diederichsen, 51. Aufl. 1992, Rdn. 3 zu § 1813 BGB; MünchKomm, 3. Aufl. 1992, Rdn. 8 zu§ 1813 BGB; BayObLG in FamRZ 1991/481 f).

8

Dieser Grundsatz beruht auf dem gesetzgeberischen Willen bei Schaffung des BGB und ist im übrigen allgemein anerkannt (vgl. dazu im einzelnen OLG Köln a.a.O.).

9

Ein Teil der Rechtsprechung und Lehre, der auch die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts folgt, will von dem vorstehend aufgezeigten Grundsatz bei Forderungen aus Bankguthaben eine Ausnahme gelten lassen. Danach sollen Abhebungen von einem Girokonto genehmigungsfrei sein, wenn - unabhängig vom Kontostand - der jeweilige Abhebungsbetrag nicht mehr als 5.000,- DM ausmache (vgl. MünchKomm, a.a.O.; LG Saarbrücken in FamRZ 1992/1348; Staudinger-Engler, 12. Aufl. 1994, Rdn. 11 zu § 1813 BGB m.w.N.).

10

Dabei wird einerseits darauf verwiesen, daß mit dieser Anhebung der Verfügungsgrenze ein angemessenes Wirtschaften sowie ein ausreichender Spielraum für schnell erforderliche Ausgaben ermöglicht werde. Zum anderen würde das Abstellen alleine auf die Höhe des Bankguthabens zu unsinnigen Ergebnissen führen, weil bei einem über 5.000,- DM liegenden Kontostand auch die Abhebung kleinster Beträge genehmigungspflichtig sei, während bei einem Kontostand unter 5.000,- DM keine Genehmigung für eine den Kontostand selbst betreffende Summe erforderlich sei.

11

Nach Auffassung der Kammer überzeugen die angeführten Argumente nicht. Von dem Gesetzestext des § 1813 BGB her läßt sich nicht vertreten, daß lediglich für die Abhebungen von Girokonten nicht die Anspruchshöhe, sondern die Verfügungshöhe maßgebend sein soll. Soweit auf die Begründung des Regierungsentwurfes (vgl. BT-Drucksache, 11/4528 S. 109) zum Betreuungsgesetz, mit dem der Grenzbetrag des § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB von 300,- DM auf 5.000,- DM erhöht wurde, abgestellt wird, und zwar insbesondere auf die dort genannten Ziele wie angemessenes Wirtschaften, ausreichender Spielraum, größere Flexibilität und Erleichterung der Arbeit von Gerichten und Betreuern, werden diese Ziele schon allein durch die bloße Anhebung des Grenzwertes auf 5.000,- DM erreicht. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich von der bisherigen Auslegung des § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätte abrücken wollen, hätte nichts näher gelegen, als den Begriff "Anspruch" durch den der "Verfügung" zu ersetzen (vgl. auch Wesche in Anm. zu LG Saarbrücken, Rpfl 1993/109, 110). Eine derartigeÄnderung des Gesetzestextes ist indes nicht erfolgt. Mithin ist weiter auf den "Anspruch", d.h. auf den Gesamtkontostand von 5.000,- DM als Grenzwert für die Erforderlichkeit einer Genehmigung von Verfügungen über das Konto abzustellen.