Landgericht Göttingen
Beschl. v. 22.06.1995, Az.: 6 T 75/95

Bestimmung eines aus den beiden Geburtsnamen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamen zum Geburtsnamen eines Kindes; Grundsatz der Namensgleichheit unter Geschwistern

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
22.06.1995
Aktenzeichen
6 T 75/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 17955
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1995:0622.6T75.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 13.03.1995 - AZ: 9 a UR III 6/95

Verfahrensgegenstand

Geburtseintrag des Kindes ..., geboren am ...

Prozessführer

Stadt ... - Rechtsamt - als Standesamtsaufsichtsbehörde

Prozessgegner

Eheleute ... und ...

Sonstige Beteiligte

Standesamt der Stadt ...

In der Personenstandsache
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die sofortige Beschwerde der Stadt Göttingen - Standesamtsaufsichtsbehörde - vom 30. März 1995 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Göttingen vom 13. März 1995
durch den Vizepräsidenten des Landgerichts ...,
die Richterin am Landgericht ... und den Richter ....
am 22. Juni 1995
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Amtsgerichts Göttingen vom 13. März 1995 wird geändert.

Der Antrag auf Anweisung des Standesbeamten zur Eintragung des Doppelnamens "..." für das am ... geborene Kind der Antragsteller ... in das Geburtenbuch wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Antragsteller führen nach der Eheschließung keinen gemeinsamen Ehenamen, sondern haben jeder den Geburtsnamen beibehalten. Die am 27. Juni 1993 geborene Tochter führt als Familiennamen die Geburtsnamen beider Eltern. Diesen Doppelnamen wollen die Antragsteller auch dem am 12. Dezember 1994 geborenen Sohn geben.

2

Das Standesamt ... hatte die Eintragung des Doppelnamens für den Sohn unter Hinweis auf das seit Inkrafttreten des FamNamRG vom 16. Dezember 1993 ab 1. April 1994 geltende Namensrecht abgelehnt. Daraufhin haben die Eltern gemäß § 45 Abs. 1 Personenstandsgesetz beantragt, dem Standesbeamten eine entsprechende Weisung zu erteilen.

3

Das Standesamt hat dagegen das Vormundschaftsgericht aufgefordert, gemäß § 1616 Abs. 3 BGB das Bestimmungsrecht über den Namen einem Elternteil zu übertragen.

4

Das Vormundschaftsgericht hat die Sache zuständigkeitshalber an den Abteilungsrichter für Standesamtssachen abgegeben. Der zuständige Abteilungsrichter hat die Ansicht vertreten, § 1616 Abs. 3 BGB sei nicht anzuwenden, weil sich die Eltern über die Namensgebung einig seien. Dem Antrag der Eltern hat das Amtsgericht stattgegeben und den Standesbeamten durch Beschluß vom 13. März 1995 zur Eintragung des Doppelnamens angewiesen.

5

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Standesamtsaufsichtsbehörde mit der sofortigen Beschwerde.

6

Die gemäß § 49 Abs. 2 Personenstandsgesetz zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

7

Die Antragsteller können den aus ihren beiden Geburtsnamen zusammengesetzten Doppelnamen nicht zum Geburtsnamen für ihren Sohn ... bestimmen. Seit der Neufassung des § 1616 BGB durch das FamNamRG vom 16. Dezember 1993, wirksam ab 1. April 1994, sind Doppelnamen, die durch die vorläufige Auffangregelung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 5. März 1991 möglich waren, als Geburtsnamen nicht mehr zulässig.

8

Der Gesetzestext ist in dieser Hinsicht eindeutig und unmißverständlich. In § 1616 Abs. 2 BGB heißt es: "Führen die Eltern keinen Ehenamen, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes." Der Gesetzgeber hat diese Regelung bewußt in der Absicht getroffen, die Bildung von Doppelnamen weitgehend zurückzudrängen, um zu verhindern, daß das Namensgefüge schon nach wenigen Generationen so verändert würde, daß der Name bald seine identitätsstiftende Wirkung verliert (vgl. Diederichsen, NJW 94, 1089, 1092 m.w.N.; OLG Hamm StAZ 95, S. 141; OLG Oldenburg, StAZ 95, S. 13).

9

Dem § 1616 Abs. 2 BGB entspricht insoweit auch der § 1355 Abs. 2 BGB, der die Bildung des Ehenamens regelt. Gemeinsamer Ehename kann nur der Name des Mannes oder der Name der Frau sein und nur dieser Name kann gemäß § 1616 Abs. 1 BGB an die Kinder weitergegeben werden.

10

Die Antragsteller können keine Ausnahme von dieser Gesetzesregelung für sich in Anspruch nehmen, weil ihr erstes Kind zulässigerweise einen Doppelnamen führt. Aus § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB läßt sich weder ein Recht noch eine Pflicht zur Führung des Doppelnamens für die nach dem 1. April 1994 geborenen Kinder herleiten, auch wenn die Eltern einem vor dem 1. April 1994 geborenen Kind zulässigerweise einen Doppelnamen gegeben haben (ebenso OLG Oldenburg, StAZ 1995, S. 13 ff; OLG Hamm, STAZ 95, S. 141 ff). § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB bezieht sich unmittelbar auf § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB. Wenn die Eltern den Namen des Kindes nach dieser Vorschrift bestimmt haben, gilt ihre Entscheidung auch für die weiteren Kinder. Die Antragsteller haben ihrem älteren Kind jedoch den Geburtsnamen aufgrund der Auffangregelung des Bundesverfassungsgerichts erteilt. In § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB kommt allerdings zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber dem Grundsatz der Namensgleichheit unter Geschwistern ein großes Gewicht beigemessen hat. Das Amtsgericht weist auch zutreffend darauf hin, daß daneben der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz gilt, daß ein einmal vergebener Name als Teil der Persönlichkeit schutzwürdig ist und ohne wichtigen Grund nicht geändert werden darf. Diese Grundsätze rechtfertigen es jedoch nicht, von dem nunmehr geltenden Namensrecht abzuweichen und für eine beträchtliche Anzahl von Fällen, nämlich alle künftigen Geschwister der zwischen März 1991 und 1994 geborenen Kinder mit Doppelnamen, ebenfalls die Führung eines Doppelnamens zu gestatten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit zur Bildung eines Doppelnamens, die Teil der Auffangregelung ist, ausdrücklich nur als vorübergehende Lösung bis zur abschließenden Regelung des Namensrechtes durch den Gesetzgeber eröffnet.

11

Der Gesetzgeber hat in Artikel 7 des FamNamRG vom 16. Dezember 1993 eine Übergangsregelung geschaffen und festgelegt, daß einer der genannten Grundsätze zurücktreten muß. Entweder ist den Eltern der gemeinsame Name der Kinder wichtig und sie verzichten auf einen Teil des bereits gegebenen Doppelnamens für das ältere Kind, oder sie wollen dem älteren Kind den einmal gegebenen Namen erhalten. Dann müssen sie es hinnehmen, daß dieser Name mit dem Namen der Geschwister nur teilweise übereinstimmt.

12

Die Namensgleichheit der Geschwister ist nach Auffassung der Kammer durchaus ein gewichtiger Grund, der die Änderung eines einmal gegebenen Namens rechtfertigen kann, so daß nicht unangemessen in den Namensschutz eingegriffen wird. Andererseits hat auch der Grundsatz der Namensgleichheit unter Geschwistern im Gesetz keine absolute Gültigkeit. Für die Familie gilt er ohnehin nicht mehr. Er wird auch für Geschwister an anderer Stelle durchbrochen. So kann es aufgrund der Bestimmung des § 1355 Abs. 3, 1616 a Abs. 1 BGB zur Namensverschiedenheit unter Geschwistern kommen, wenn die Eltern den Ehenamen neu bestimmen und ein Kind von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch macht.

13

Der Gesetzgeber hat den Eltern in Artikel 7 § 3 des FamNamRG die Wahl eingeräumt, welchem der Grundsätze sie für ihre Kinder den Vorrang geben wollen. Im Interesse eines allgemein gültigen Namensrechtes hat er jedoch nicht als dritte Möglichkeit die von den Antragstellern begehrte Ausnahme von § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB, die Fortführung des Doppelnamens durch die später geborenen Kinder, vorgesehen. An diese gesetzliche Entscheidung sind die Beteiligten gebunden.

14

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist auch auf den vorliegenden Fall § 1616 Abs. 3 BGB anzuwenden. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Eltern untereinander einig sind oder nicht. Treffen sie binnen einen Monats nach der Geburt des Kindes keine Bestimmung, weil sie sich nicht auf einen gesetzlich zulässigen Namen einigen können oder wollen, so ist gemäß § 1616 Abs. 3 zu verfahren.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. I S. 2, 127 Abs. II KostO.