Landgericht Göttingen
Beschl. v. 27.10.1994, Az.: 6 T 273/94

Berichtigung von Geburtsdaten im Familienstammbuch

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
27.10.1994
Aktenzeichen
6 T 273/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 17630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1994:1027.6T273.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 10.10.1994 - AZ: 9 a UR III 70/94

Verfahrensgegenstand

Änderung der Geburtsdaten im Familienbuch

Prozessführer

Frau ... geb. ..., wohnhaft ebenda

Prozessgegner

Standesamt ...

Sonstige Beteiligte

Herr ...,

In der Personenstandsache
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die Beschwerde der Antragsteller vom 27. Oktober 1994 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Göttingen vom 10. Oktober 1994 - 9 a UR III 70/94 -
durch den Richter am Landgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und den Richter ...
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 1995
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Amtsgerichts Göttingen vom 10. Oktober 1994 wird aufgehoben.

Es wird angeordnet, daß das Familienbuch der Familie ... hinsichtlich der Geburtsdaten der Kinder wie folgt berichtigt wird:

  1. 1.

    für ... wird als Geburtstag anstelle des ... der ... eingetragen,

  2. 2.

    für ... wird als Geburtstag anstelle des ... der ... eingetragen,

  3. 3.

    für ... wird anstelle des ... der ... eingetragen,

  4. 4.

    für ... wird als Geburtstag anstelle des ... der ... eingetragen.

Die Entscheidung ergeht frei von gerichtlichen Gebühren und Auslagen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Durch Beschluß vom 10. Oktober 1994 hat das Amtsgericht Göttingen den Antrag der Eheleute ... auf Berichtigung des Familienbuches hinsichtlich der Geburtsdaten ihrer Kinder zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß wenden sich die Antragsteller mit der Beschwerde.

2

Die Beschwerde ist gem. §§ 48 Abs. 1 Personenstandsgesetz, 20 FGG zulässig und auch begründet.

3

Die Geburtsdaten der Kinder im Familienbuch sind gem. § 47 Personenstandsgesetz zu berichtigen.

4

Die Kammer ist aufgrund der glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer davon überzeugt, daß bei der Beantragung des Familienbuches im Jahr 1987 versehentlich die falschen Geburtsdaten angegeben wurden. Der Beschwerdeführer zu 1. war zunächst allein aus Afghanistan geflohen. Wie sich aus dem Schreiben des Roten Kreuzes vom 13. März 1986 ergibt, war zum Zwecke der Familienzusammenführung ein Familienbuch erforderlich. Der Beschwerdeführer hat bekundet, er habe die Angaben nach seiner Erinnerung aus dem Gedächtnis gemacht. Unterlagen hätten ihm nicht zur Verfügung gestanden. Das Rote Kreuz habe drei Landsleute vermittelt, welche die Angaben bestätigt hätten.

5

Nach den Angaben der Beschwerdeführerin Frau ... herrschte zur Zeit der Geburt der Kinder in Afghanistan Krieg. Die Geburten wurden nicht mehr amtlich registriert. Einzige Quelle für das Geburtsdatum der Kinder ist der Familienkoran, in den der Beschwerdeführer die Geburtsdaten der Kinder unmittelbar nach der Geburt eintrug.

6

Die Beschwerdeführerin zu 2. hat die Angaben ihres Ehemannes in der deutschen Botschaft in Teheran bestätigt. Sie hat sich offenkundig auf die Angaben ihres Ehemannes verlassen. Auch sie hatte zu dieser Zeit keine Möglichkeit, in die Eintragungen im Koran einzusehen. Hinzukamen die Schwierigkeiten der Umrechnung der Kalender. So erscheint es durchaus verständlich, daß es zu falschen Angaben hinsichtlich der Geburtsdaten der Kinder gekommen ist.

7

Die Kammer ist aufgrund der Aussage der Zeugin ... davon überzeugt, daß die nunmehr angegebenen Geburtsdaten richtig sind. Die Zeugin ... ist die Mutter der Beschwerdeführerin. Sie hat bekundet, sie habe vor ihrer Ausreise nach Deutschland die Geburtsdaten der Kinder aus dem Koran abgeschrieben. Die Zeugin nannte die Geburtsdaten nach dem islamischen Kalender, die von der Dolmetscherin übersetzt wurden.

8

Sowohl die Zeugin als auch die Beschwerdeführer selbst machten auf die Kammer einen sehr glaubwürdigen Eindruck. Es ist auch kein Motiv ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführer sich die Mühe machen sollten und ein gerichtliches Verfahren durchführen sollten, um ihre Kinder der Wahrheit zuwider um einige Monate älter erscheinen zu lassen. Der einzig nachvollziehbare Grund, den die Kammer erkennen kann, ist der von Herrn ... geäußerte Wunsch seiner Kinder, mit ihrem wahren Geburtsdatum im Familienbuch und in den Ausweisen geführt zu werden. Die Erklärungen der Beschwerdeführer, wie es zu den falschen Eintragungen gekommen ist und warum die nunmehr beantragten Eintragungen richtig sein sollen, sind überzeugend und nachvollziehbar und werden in vollem Umfang von der Zeugin bestätigt.

9

Die Kammer konnte mit Unterstützung der Dolmetscher selbst nachvollziehen, daß die Umrechnung der von der Großmutter bezeugten islamischen Geburtsdaten in den europäischen Kalender zutreffend ist. Die Dolmetscherin hat bestätigt, daß das Jahr 1995 dem Jahr 1374 im islamischen Kalender entspricht. Daraus folgt, daß jeweils zu den von der Zeugin angegebenen Geburtsjahren nach dem islamischen Kalender 621 Jahre hinzugerechnet werden müssen, um das Geburtsjahr nach dem europäischen Kalender zu bestimmen.

10

Nach Auskunft der Zeugin ist ... am 1. Tag im zweiten Monat des Jahres 1356 geboren. Aus dem von der Dolmetscherin übersandten europäisch/islamischen Kalender geht hervor, daß der 1. Tag des zweiten Monats der ... ist. Somit ist ... am ... geboren.

11

Die Zeugin hat als Geburtsdatum für ... den 17. Tag im zweiten Monat des Jahres 1358 angegeben. Aus dem islamisch/europäischen Kalender der Dolmetscherin ergibt sich, daß es sich um den ... handelt. ... ist daher am ... geboren.

12

Als Geburtsdatum für ... hat die Zeugin den 5. Tag im 12. Monat des Jahres 1360 angegeben. Laut islamisch/europäischem Kalender handelt es sich um den ... ist also am ... geboren.

13

Schließlich hat die Zeugin als Geburtsdatum für ... den 20. Tag im 7. Monat des Jahres 1362 angegeben. Es handelt sich gemäß islamisch/europäischem Kalender um den ... ist also am ... geboren.

14

Die Beschwerdeführer können nicht darauf verwiesen werden, für die Geburtsdaten ihrer Kinder einen amtlichen Nachweis aus Afghanistan zu erbringen. Die Kammer hält es für glaubhaft, wenn die Beschwerdeführer versichern, daß dies unmöglich ist, weil ein zuverlässiges Personenstandsregister in Afghanistan während der Kriegszeit nicht geführt wurde. Die Kammer hält auch die Angaben der Beschwerdeführer für glaubhaft, daß ihr Wohnhaus während des Krieges zerstört wurde und daß nach der Flucht der gesamten Familie Kontakte nach Afghanistan nicht mehr bestehen.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1, Abs. 5 KostO. Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird gem. § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG abgesehen.