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Abschnitt 1 GKostStAV - A. Stundung und Erlass in der ordentlichen Gerichtsbarkeit

Bibliographie

Titel
Stundung und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit
Redaktionelle Abkürzung
GKostStAV,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
35501010000002

I.
Stundung

1.
Übertragung der Entscheidungsbefugnis

1.1
Die Befugnis, über die Stundung von zum Soll gestellten Ansprüchen der in § 109 Abs. 1 NJG bezeichneten Art zu entscheiden, wird auf die Vollstreckungsbehörde übertragen.

1.2
Die Befugnis, über die Stundung von Ansprüchen zu entscheiden, die nicht zum Soll gestellt sind, wird der Leiterin oder dem Leiter der Behörde übertragen, bei der der Anspruch entstanden ist.

2.
Voraussetzungen der Stundung

Eine "erhebliche Härte" i.S. des § 109 Abs. 1 NJG wird in der Regel anzunehmen sein, wenn sich der Zahlungspflichtige vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder in Zahlungsschwierigkeiten geraten würde, wenn der Betrag sofort eingezogen wird.

3.
Verfahren, Inhalt der Stundung

3.1
Die Stundung soll davon abhängig gemacht werden, dass der Zahlungspflichtige seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegt. Die Stundung kann ferner davon abhängig gemacht werden, dass der Zahlungspflichtige Belege beibringt und sich ggf. schriftlich damit einverstanden erklärt, dass Auskünfte aus seinen Steuerakten beim Finanzamt eingeholt werden.

3.2
Haften mehrere Personen für den Anspruch, so ist darauf zu achten, dass das Interesse der mithaftenden Personen durch eine Stundung nach Möglichkeit nicht gefährdet wird. Kommt eine Stundung über drei Jahre hinaus in Betracht, so sind die mithaftenden Personen vorher zu hören und von einer Stundung alsbald zu benachrichtigen. Erforderlichenfalls ist dafür zu sorgen, dass die Ansprüche gegen die mithaftenden Personen nicht verjähren.

3.3
Ob Stundung zu bewilligen ist, wird regelmäßig auf Antrag geprüft; geben die Umstände des Einzelfalles dazu Anlass, so kann eine Stundung auch ohne Antrag gewährt werden.

3.4
Die Stundung wird grundsätzlich schriftlich bewilligt. Ist der zu stundende Anspruch nicht höher als 150 Euro, so genügt bei mündlichen Anträgen zum Nachweis der Stundung die Aufnahme eines Vermerks.

3.5
Die Stundung ist zu befristen. Sie wird grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall gewährt, dass sich die für ihre Bewilligung maßgebenden Verhältnisse wesentlich ändern. Stundungszinsen werden regelmäßig nicht erhoben. Wenn es nach den Umständen des Einzelfalles gerechtfertigt ist, soll Stundung jedoch nur gegen eine angemessene Verzinsung gewährt werden. Als angemessene Verzinsung ist regelmäßig ein Zinssatz von zwei v.H. über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB anzusehen. Die Stundungszinsen werden auf Grund der zu Titel 112 01 oder 112 10 erteilten allgemeinen Annahmeanordnung gebucht.

3.6
Ob die Sicherstellung gestundeter Beträge zu verlangen oder ob, z.B. wegen drohenden Zugriffs anderer Gläubiger, eine Sicherungspfändung zu bewirken ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Als Maßnahmen zur Sicherstellung kommen z.B. die Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB), insbesondere des Arbeitseinkommens, eine geeignete Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 239 BGB), die Hinterlegung von Wertpapieren, die Verpfändung von beweglichen Sachen, von hypothekarisch gesicherten Forderungen und von Grund- und Rentenschulden an inländischen Grundstücken (§ 238 BGB) sowie die Bestellung von Grundpfandrechten an solchen Grundstücken in Betracht.

3.7
Werden Teilzahlungen bewilligt, so ist vorzubehalten, dass die Restforderung fällig wird, sobald sich der Zahlungspflichtige mit zwei Teilbeträgen ganz oder teilweise in Rückstand befindet.

II.
Erlass

1.
Übertragung der Entscheidungsbefugnis

Die Befugnis, über den Erlass von Ansprüchen zu entscheiden, wird wie folgt übertragen:

1.1
bei Gerichtskosten, nach § 59 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüchen und bei Ansprüchen auf Zahlung der vom Gericht im Verfahren der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bestimmten Beträge auf die Präsidentin oder den Präsidenten des Gerichts, in deren Geschäftsbereich das Verfahren im ersten Rechtszug zuletzt anhängig war;

1.2
bei anderen Ansprüchen

1.2.1
auf die Präsidentin oder den Präsidenten des Amtsgerichts/Landgerichts, wenn der Anspruch in deren Geschäftsbereich entstanden ist,

1.2.2
im Übrigen auf die Präsidentin oder den Präsidenten des Oberlandesgerichts.

1.3
Auf die Amtsgerichte wird die Befugnis zum Erlass in folgenden Angelegenheiten übertragen, in denen die Voraussetzungen für einen Erlass allgemein anzunehmen sind:

1.3.1
Durchführung agrarstruktureller Maßnahmen, soweit es sich um den Erlass von Gerichtsgebühren handelt, und zwar in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die der Förderung landwirtschaftlicher Betriebe durch Aussiedlung, Landankauf oder bauliche Maßnahmen im Altgehöft nach den Grundsätzen des Bundes und der Länder über die Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen in der Landwirtschaft, in gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie forstwirtschaftlichen Betrieben dienen, und in Grundbuch- und Pachtkreditsachen, die im Zusammenhang mit einer Förderung nach dem Agrarkreditprogramm (AKP) stehen; der Nachweis, dass es sich um eine förderungswürdige Maßnahme handelt, wird durch eine Bescheinigung der für die Bewilligung der Förderungsmittel zuständigen Behörde (Landwirtschaftskammer) erbracht;

1.3.2
Grundbuchsachen, soweit es sich um den Erlass der Gebühr für die Eintragung eines Grundpfandrechts handelt, das zur Sicherung einer Darlehnsverpflichtung nach § 278 a Abs. 6 des Lastenausgleichsgesetzes bestellt worden ist; der Nachweis dieser Voraussetzung wird durch eine Bescheinigung des Lastenausgleichsamts erbracht;

1.3.3
Beurkundungen von eidesstattlichen Versicherungen für Erbscheinanträge, wenn der Erbschein in Angelegenheiten nach dem Lastenausgleichsgesetz oder dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz benötigt wird, soweit es sich um den Erlass des die Mindestgebühr übersteigenden Teils der Gebühr handelt;

1.3.4
Grundbuchsachen, soweit es sich um die Auslagen in den Fällen handelt, in denen nach § 29 des Reichssiedlungsgesetzes Gebührenfreiheit besteht;

1.3.5
Verwaltung von Darlehn aus Bundes- oder Landesmitteln durch Gemeinden, Landkreise oder Kreditinstitute, soweit der Bund oder das Land nach dem Gerichtskostengesetz, dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen, dem Gerichts- und Notarkostengesetz, dem Gerichtsvollzieherkostengesetz oder dem Justizverwaltungskostengesetz von der Zahlung von Gebühren und Auslagen befreit wären. Dies gilt nur für Darlehn, die nachweislich aus Bundes- oder Landesmitteln gegeben worden sind, nicht aber für Darlehn aus Mitteln der Gemeinden oder Landkreise oder ihrer Sparkassen, sowie nicht für Darlehn, die im Rahmen des Nieders. Stufeninvestitionsplans von den Kreditinstituten zinsverbilligt gewährt worden sind;

1.3.6
Erteilung von Abdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis auf Antrag eines Finanzamtes, soweit es sich um den Erlass der Auslagen handelt.

1.4
Beim Amtsgericht (1 .3) entscheidet die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger in Wahrnehmung einer Aufgabe der Justizverwaltung. Die Zuständigkeit richtet sich nach der sonstigen Zuständigkeit für das Sachgebiet.

1.5
Für Entscheidungen im Dienstaufsichtswege ist die Dienstaufsichtsbehörde in demselben Umfang wie die nachgeordnete Behörde zuständig.

1.6
Ist über den Erlass von Kosten im Zusammenhang mit einem Gnadenverfahren (§ 1 Abs. 1 und 4, § 33 Abs. 3 Satz 2 der Gnadenordnung) zu entscheiden, so richten sich Zuständigkeit und Verfahren nach der Gnadenordnung.

1.7
Die Befugnis, einen Anspruch zu erlassen, schließt die Befugnis ein, den Anspruch aus Anlass eines Erlassantrages zu stunden oder einen Vergleich über den Anspruch abzuschließen.

2.
Voraussetzungen des Erlasses

2.1
Ein Erlass gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NJG ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der anspruchsbegründende Vorgang öffentliche Zwecke fördert, sondern nur dann, wenn der Erlass zur Förderung öffentlicher Zwecke geboten erscheint.

2.2
Eine "besondere Härte" i.S. des § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NJG wird in der Regel dann anzunehmen sein, wenn sich der Zahlungspflichtige in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen würde. Die Bezahlung der Schuld kann aus besonderen Gründen des Einzelfalls auch unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen mit einer besonderen Härte verbunden sein. Die Zweitschuldnerhaftung rechtfertigt jedoch für sich allein noch nicht die Annahme einer besonderen Härte.

2.3
Ein Erlass aus Gründen der Billigkeit wird insbesondere in Betracht kommen, soweit der Zahlungspflichtige, der auf Grund eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr unverschuldet einen Schaden erlitten und seine Schadensersatzansprüche gegen den oder die Schädiger gerichtlich geltend gemacht hat, als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden soll.

3.
Für die Behandlung von Erlassanträgen gilt Folgendes:

3.1
Erlassanträge werden von der nach Nr. 1 zuständigen Stelle bearbeitet.

3.2
Ergibt sich aus dem Inhalt eines bei der Vollstreckungsbehörde eingehenden Erlassantrags, dass dem Anliegen auch durch eine Niederschlagung entsprochen werden könnte, so hat die Vollstreckungsbehörde den Antrag nur dann an die nach Nr. 1 zuständige Stelle weiterzuleiten, wenn die Voraussetzungen für eine Niederschlagung nichtgegeben sind.

3.3
Es ist zunächst zu prüfen, ob auf andere Weise zu helfen ist, z.B. durch Stundung, Bewilligung von Teilzahlungen, in Justizverwaltungsangelegenheiten durch Gebührenermäßigung oder Absehen von der Kostenerhebung gemäß § 10 JVKostG, Abschluss eines Vergleichs. Ein Vergleich kommt z.B. in Betracht, wenn sich ein Dritter zur Zahlung eines größeren Geldbetrages auf die unsichere Forderung gegen Befreiung der zahlungspflichtigen Person vom Restbetrag verpflichten will.

3.4
Macht der Zahlungspflichtige geltend, die Einziehung einer Forderung sei im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit besonderen Härten für ihn verbunden, so ist er grundsätzlich zu veranlassen, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen und Belege beizubringen. Falls erforderlich, ist ihm auch aufzugeben, sich schriftlich damit einverstanden zu erklären, dass Auskünfte aus seinen Steuerakten beim Finanzamt eingeholt werden. Ferner ist zu prüfen, ob nicht wenigstens ein Teil der Schuld bezahlt werden kann.

3.5
Der Erlass einer Kostenforderung hat auch die Befreiung der Mithaftenden zur Folge, wenn der Erlass nicht auf die Beseitigung der Haftung der zunächst verpflichteten Person beschränkt wird. Kommt ein Erlass nur mit Wirkung für die Antragstellerin oder den Antragstellerin Betracht, so sind die Mithaftenden vor einem Erlass zu hören.

3.6
Ist eine Kostenforderung nicht einziehbar, so ist sie nicht schon aus diesem Grund zu erlassen. Ist eine solche Forderung bereits zum Soll gestellt, so wird nach den Bestimmungen über die Behandlung von nichteinziehbaren Kostenforderungen verfahren; bei Forderungen, die noch nicht zum Soll gestellt sind, ist vom Kostenansatz abzusehen (§ 10 KostVfg). Die Antragstellerin oder der Antragsteller ist zu benachrichtigen.

3.7
Ansprüche des Landes, die in Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofs erörtert worden sind, dürfen nur nach Anhörung des Landesrechnungshofs erlassen werden, sofern er nicht auf die Anhörung verzichtet hat.

4.
Prüfung von Amts wegen

Ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles, dass die Voraussetzungen für einen Kostenerlass gegeben sind, so sollen alle mit der Sache befassten Bediensteten von sich aus bei der für die Bearbeitung zuständigen Stelle (vgl. Nr. 3.1) die Prüfung anregen, ob die Kosten von Amts wegen zu erlassen sind.

5.
Nachweisung, Kostenrechnung

5.1
Erlassene Beträge sind nicht in die nach § 85 Abs. 1 Nr. 4 LHO zu führende Übersicht aufzunehmen.

5.2
Der Aufstellung einer förmlichen Kostenrechnung nach §§ 4, 24 KostVfg über zu erlassende Beträge bedarf es nicht.

III.
Erlass im Zusammenhang mit der Schuldenregulierung nach der Insolvenzordnung (InsO)

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen der in § 109 Abs. 1 NJG bezeichneten Art im gerichtlichen oder außergerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren gilt Folgendes:

  1. 1.

    Die nach der Vertretungsregelung des Landes Niedersachsen zuständige Vollstreckungsbehörde prüft zunächst, ob der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan wirtschaftlich und zweckmäßig i.S. von § 58 Abs. 1 Nr. 2 LHO ist. Wenn diese Frage bejaht wird, richtet sich das weitere Verfahren nach den Bestimmungen über die Befugnis zum Abschluss eines Vergleichs.

  2. 2.

    Die Vollstreckungsbehörde ist unabhängig von der Höhe der Tilgungsquote befugt, die Zustimmung zu einer auch außergerichtlichen Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu erklären und von der Erhebung von Einwendungen gegen einen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 InsO zugestellten Schuldenbereinigungsplan abzusehen, wenn eine "besondere Härte" i.S. des § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NJG anzunehmen ist und die Forderung, auf die nach dem vorgelegten Plan verzichtet werden soll, einen Betrag von 2.500 Euro nicht übersteigt. Für die Bestimmungen der Betragsgrenze ist der Anspruch ohne Zinsen und sonstige Nebenforderungen maßgebend; mehrere Ansprüche sind zusammenzurechnen. Bei Beträgen über 2.500 Euro ist die Zustimmung der nach Abschnitt A II Nr. 1 zuständigen Stelle einzuholen.

  3. 3.

    Eine "besondere Härte" i.S. des § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NJG wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn

    1. a)

      bei einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung der Schuldner die Zustimmung der anderen Gläubiger erlangen kann und der Schuldenbereinigungsplan nur wegen des Festhaltens des Landes an seiner Forderung zu scheitern droht,

    2. b)

      im gerichtlichen Insolvenzverfahren voraussichtlich die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht nach § 309 InsO erfolgen würde.

IV.
Erstattung, Anrechnung

Die Bestimmungen über den Erlass gelten für die Erstattung oder Anrechnung bereits gezahlter Beträge entsprechend. Eine Erstattung oder Anrechnung kommt in der Regel nur in Betracht, wenn z.Z. der Erfüllung des Anspruchs ein Erlass gerechtfertigt gewesen wäre und die Voraussetzungen für einen Erlass auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erstattung oder Anrechnung vorliegen.

V.
Kosten bei Gerichten des Bundes

Die Bestimmungen in den Abschnitten I bis IV gelten nicht für Kosten, die bei Gerichten des Bundes entstanden sind.