Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.08.2016, Az.: 8 W 62/16

Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen ordnungsgemäß geladenen, nicht erschienen Zeugen; Folgenlosigkeit des Ausbleibens für den weiteren Fortgang des Prozessverfahrens; Unterbleiben einer erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung; Zulässigkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienenen Zeugen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.08.2016
Aktenzeichen
8 W 62/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 28056
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2016:0830.8W62.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 24.05.2016 - AZ: 3 O 3311/14

Fundstelle

  • MDR 2017, 171-172

Amtlicher Leitsatz

Keine Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen ordnungsgemäß geladenen, nicht erschienen Zeugen, wenn das Ausbleiben für den weiteren Fortgang des Prozessverfahrens folgenlos war.

Redaktioneller Leitsatz

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Zeugen kommt nicht in Betracht, wenn das Ausbleiben für den weiteren Fortgang des Verfahrens ohne Bedeutung war.

In der Beschwerdesache
........... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, .........................,
....... O .... ,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte S ... & Partner, ..................., ......O .... ,
Geschäftszeichen: ..............
gegen
A ...& T ... Fahrzeuginstandsetzung GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ........................, ........................, ..... B .... ,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte M .... & Partner, ......................,
......B .... ,
Geschäftszeichen: ...................
Beteiligter:
M .... B .... , ..................., ....... B .... ,
Beteiligter Beschwerdeführer,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die ............................., den ....................................und die ..........................
am 30. August 2016
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Ordnungsgeldschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 24. Mai 2016 gewährt.

  2. 2.

    Das Verfahren wird gemäß § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO auf den Senat übertragen.

  3. 3.

    Auf die Beschwerde des Zeugen ......................wird der den Beschwerdeführer betreffende Ordnungsgeldbeschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 24. Mai 2016 aufgehoben.

  4. 4.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung im Zusammenhang mit der Nutzung von Telekommunikationsdienstleistungen.

Der Beschwerdeführer richtet sich mit seinem Rechtsmittel gegen einen Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts vom 24.05.2016 nach § 380 ZPO.

Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 22.07.2015 die Vernehmung von Zeugen - u.a. des Beschwerdeführers - angeordnet. Zu den wiederholt anberaumten Terminen ist der zunächst formlos, im Folgenden per Zustellungsurkunde geladene Beschwerdeführer trotz mehrfacher Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht erschienen. Das Landgericht verhängte in den Terminen vom 13.10.2015, 01.12.2015 und 08.03.2016 jeweils ein Ordnungsgeld gegen den trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen Beschwerdeführer. Den Ordnungsgeldbeschluss vom 13.10.2015 hob der Senat auf die Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 18.01.2016 auf, da das Landgericht den Termin wegen kurzfristiger Erkrankung des Prozessbevollmächtigten zuvor aufgehoben hatte. Der Beschwerdeführer begründete seine damalige Beschwerde damit, dass ihm der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt habe, dass der Termin wegen Erkrankung des Rechtsanwalts nicht stattfinde und seine Anreise daher überflüssig geworden wäre.

In Bezug auf die weiteren Termine vom 09.02.2016 und 24.05.2016 (11.00 Uhr) beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erneut am Tag vorher bzw. am selben Tage (1/2 Stunde vor Terminsbeginn) unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung eine Terminsverlegung wegen Erkrankung. Das Landgericht hob den Termin vom 24.05.2016 nicht auf und verhängte gegen den nicht erschienen Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld iHv 500,00 €. Dieser Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 15.06.2016 ohne Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Mit bei dem Landgericht am 05.07.2016 eingegangenem Schreiben legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 24.05.2016 sofortige Beschwerde ein. Er begründete sein Rechtsmittel erneut damit, dass ihm am Abend des 24.05.2016 mitgeteilt worden sei, dass der Rechtsanwalt den Termin krankheitsbedingt nicht habe wahrnehmen können.

Auf den Hinweis des Senats beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25.08.2016 hinsichtlich der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde binnen 2 Wochen ab Zustellung des Hinweises Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Seine Nichtabhilfeentscheidung vom 06.07.2016 begründete das Landgericht zum einen damit, dass die Beschwerde unzulässig sei, da der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist von 2 Wochen nicht eingehalten habe. Zum anderen sei die Beschwerde auch unbegründet, da die Durchführung der Beweisaufnahme auch in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach § 367 Abs. 1 ZPO hätte stattfinden können und der Prozess allein durch das Ausbleiben des Beschwerdeführers verzögert worden sei.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1.

Das Rechtsmittel ist nach den §§ 380 Abs. 3, 567 ZPO statthaft.

Die sofortige Beschwerde ist allerdings nach Ablauf der 2-wöchigen Beschwerdefrist des § 569 ZPO beim Landgericht eingegangen. Die 2-wöchige Rechtsmittelfrist hinsichtlich des Ordnungsgeldbeschlusses vom 24.05.2016 begann nämlich mit der Zustellung am 15.06.2016 (Bl. 33 des O-Geld-Heftes) zu laufen und endete mit Ablauf des 29.06.2016. Nach dem gesamten Inhalt der Akten ist jedoch davon auszugehen, dass dem zugestellten Beschluss die erforderliche Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war. Eine unterlassene, - wie hier - rechtlich aber gebotene Rechtsbehelfsbelehrung lässt zwar eine für die formgerechte Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs geltende Frist grundsätzlich unberührt (BGH, Beschluss vom 23.11.2011 - IV ZB 15/11, Rn. 5 = NJW 2012, 453, 454 [BGH 23.11.2011 - IV ZB 15/11]). Allerdings ist dem anwaltlich nicht vertretenen Rechtsmittelführer in einem solchen Fall grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BGH, Beschluss vom 23.06.2010 - XII ZB 82/10, Rn. 11 = NJW-RR 2010, 1297, 1298 [BGH 23.06.2010 - XII ZB 82/10]). Unterbleibt eine nach § 232 ZPO erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung, kommt der betroffenen Partei nach § 233 S. 2 ZPO die widerlegbare Vermutung zugute, dass sie an der Versäumung der in Rede stehenden Rechtsbehelfsfrist kein Verschulden trifft, sofern der Belehrungsmangel für die Versäumung ursächlich geworden ist (vgl. BT-Drucksache 17/10490, S. 14 unter Bezugnahme auf BGH wie vor). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer wegen vorhandener Kenntnis über das Rechtsmittel ohnehin keiner zusätzlichen Unterstützung durch eine entsprechende Belehrung bedurft hätte bzw. die fehlende Belehrung nicht kausal für die Fristversäumung war.

Den gemäß § 236 ZPO erforderlichen Antrag hat der Beschwerdeführer auf den Hinweis des Senats vom 10.08.2016 innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO, die mit dem Wegfall des die Fristversäumung verursachenden Hindernisses (hier des vorgenannten Hinweises des Senats) beginnt, mit Schreiben vom 25.08.2016 gestellt.

Die versäumte Prozesshandlung, die formgerecht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt werden muss, kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung - wie vorliegend - bereits vorangegangen sein (BGH, Beschluss vom 18.05.2000 - VII ZB 25/99 = NJW 2000, 3286).

2.

Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

Wie der Senat bereits in seinem vorherigen Beschluss ausgeführt hat, kann sich ein Zeuge zwar nicht - erst recht wiederholt - dadurch entschuldigen, dass eine Partei oder der Prozessbevollmächtigte einer Partei ihm gegenüber erklärt habe, er brauche nicht zu erscheinen. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn dieser Prozessbevollmächtigte wegen Erkrankung zum wiederholten Mal kurzfristig eine Terminsverlegung beantragt und zugleich dem Zeugen eine entsprechende Mitteilung gemacht hat (zu den strengen Anforderungen an eine Terminsverlegung in solchen Fällen: vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 20.04.2015 - 5 UF 96/14 = BeckRS 2015, 08591 mwN; BVerwG, Beschluss vom 22.05.2001 - 8 B 69/01 = NJW 2001, 2735/ 2736; BFH, Beschluss vom 17.05.2000 - IV B 86/99 = BFH/NV 2000, 1353; BGH, Urteil vom 04.06.2003 - VIII ZR 91/02 = NJW-RR 2003, 1192, 1194). Bei Zweifeln über den Fortbestand eines Termins darf sich der Zeuge nicht auf die Angaben einer Partei oder deren Prozessbevollmächtigten verlassen, sondern ist grundsätzlich gehalten, rechtzeitig selbst bei dem Gericht nachzufragen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 2013, 247, 248; BFH, Beschluss vom 10. Oktober 2007 - IV B 119/06, Rn. 10 - zitiert bei ; OLGR Köln 1999, 14/15 [bereits für den Fall der bloßen Mitteilung seitens eines Prozessbevollmächtigten]). Hierauf ist der Zeuge bereits im Beschluss des Senats vom 18.01.2016 ausdrücklich hingewiesen worden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die vorgenannte Mitteilung erst am Abend des 24.05.2016 und damit zeitlich nach dem Termin am selben Tage erhalten haben will.

Vorliegend stellt sich ungeachtet dessen gleichwohl die Frage, ob die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 380 Abs. 1 ZPO gegen einen ordnungsgemäß geladenen, nicht erschienen Zeugen auch dann zwingend bzw. als sanktionierende Maßnahme geboten ist, wenn das Ausbleiben für den weiteren Fortgang des Prozessverfahrens ohne Auswirkung geblieben ist.

Das Landgericht hätte den Termin vom 24.05.2016 zur Fortsetzung der Beweisaufnahme verlegen müssen. Eine kurzfristige - allerdings nur hinreichend konkret dargelegte und erforderlichenfalls glaubhaft gemachte - Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten stellt grundsätzlich einen erheblichen Grund iSd § 227 Abs. 1 ZPO dar, wenn der Termin der Fortsetzung einer von diesem Prozessbevollmächtigten bisher begleiteten Beweisaufnahme dient. Das Vorliegen eines erheblichen Grundes begründet im Falle eines - wie hier - gestellten Verlegungsantrages nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Pflicht des Gerichts zur Terminsänderung. Andernfalls verletzt das Gericht den Anspruch der Partei auf hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 227 Rn. 6 und 8 mit umfangreichen Nachw). Die Beweisaufnahme kann in einem solchen Fall nicht unter Heranziehung des § 367 ZPO in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten fortgesetzt werden. Im Übrigen hätte das Landgericht wegen § 285 ZPO auch im Übrigen einen neuen Verhandlungstermin anberaumen müssen, damit die Parteien Gelegenheit erhalten, über das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht mündlich zu verhandeln (Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Mündlichkeit sowie Gewährung rechtlichen Gehörs zum Ergebnis der Beweisaufnahme).

Ob im Falle der fehlenden Auswirkung des Ausbleibens des Zeugen gleichwohl ein Ordnungsgeld zu verhängen ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Höchstrichterliche Entscheidungen sind in diesem Zusammenhang bisher nur in Bezug auf die Folgen des Nichterscheinens einer Partei trotz Anordnung nach § 141 Abs. 3 ZPO ergangen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.06.2011 - I ZB 77/10, Rn. 16ff. = NJW-RR 2011, 1363f. [BGH 22.06.2011 - I ZB 77/10][BGH 22.06.2011 - I ZB 77/10]; BVerfG, Beschluss vom 10.11.1997 - 2 BvR 429/97 = NJW 1998, 892, 893).

Zwar legt eine allein am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung das Verständnis nahe, die Ordnungsgeldanordnung sei dem Gericht zwingend und ohne Ermessensspielraum vorgegeben (so: BFH, Beschluss vom 11.09.2013 - XI B 111/12, Rn. 6 = BFH/ NV 2013, 1944, 1945; OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2016 - 8 W 15/16 = BeckRS 2016, 04631; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.04.1983 - 17 W 14/83 = OLGZ 1983, 458, 459/ 460; in diesem Sinne: Berger in: Stein/ Jonas, Zivilprozessordnung, 23. Aufl. 2015, § 380 Rn. 6; Ahrens in: Der Beweis im Zivilprozess, 1. Aufl. 2015, 8. Kapitel, Rn. 11; siehe hingegen: Ahrens in: Wieczorek/ Schütze, Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2013, § 380, Rn. 28; Damrau in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2012, § 380 Rn. 5; Stackmann, Prozessuale Konsequenzen des Fernbleibens von Zeugen im Zivilrechtsstreit, JuS 2008, 974, 976; in diesem Sinne ferner Grüneberg, Ordnungsmittel gegen einen ausgebliebenen Zeugen?, MDR 1992, 326 mit einem Plädoyer für eine entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 2 OWiG).

Jedoch ist aus der Eigenart des Prozessrechts bei der Auslegung von Prozessrechtsregelungen als Besonderheit stets zu beachten, dass das Prozessrecht nicht einem Selbstzweck dient, sondern Zweckmäßigkeitsrecht ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.1991 - XII ZR 240/90 = NJW 1992, 438, 439). Bei der Auslegung von Normen ist das Gericht grundsätzlich nicht auf eine ausschließlich und streng am Wortlaut orientierte Auslegung beschränkt (BGH, Beschluss vom 04.10.1982 - GSZ 1/82, Rn. 7 mwN = BGHZ 85, 64-75; vgl. Vollkommer in: Zöller wie vor, EINLEITUNG Rn. 92: "Verbot des Wortformalismus"). Zwar kann eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung durch den Schutzzweck einer Norm und im Interesse der Rechtssicherheit geboten sein (etwa bei Zustellungsregelungen), gerade im Rahmen der Auslegung zivilprozessualer Vorschriften stellt sich eine ausschließlich wortlautgebundene Normeninterpretation jedoch als Ausnahme dar. Infolgedessen kann eine dem Wortlaut nach als "Muss-Vorschrift" ausgestaltete Regelung im Rahmen der gebotenen Auslegung als "Soll-Vorschrift" zu interpretieren sein (vgl. Vollkommer in: Zöller wie vor, Einleitung, Rn. 93f. mit umfangreichen Nachw).

Gemessen an diesen Grundsätzen würde eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung des § 380 Abs. 1 ZPO den Sinn und Zweck dieser zivilprozessualen Vorschrift vernachlässigen und der Regelung in Sachverhalten wie dem vorliegenden einen ausschließlich repressiven Charakter verleihen. Folglich muss die Auslegung umfassend und unter Berücksichtigung aller geltenden Auslegungsgrundsätze einschließlich des stets zu beachtenden Postulats der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Hierzu gilt Folgendes:

Die Zivilprozessordnung dient dazu, das private Recht des Einzelnen festzustellen und durchzusetzen. An diesem Gesetzeszweck orientieren sich die tragenden Grundmaximen des Zivilprozesses (Anspruch auf rechtliches Gehör und faires Verfahren, Dispositionsmaxime, Verhandlungsgrundsatz, Konzentrationsmaxime, Unmittelbarkeits-, Mündlichkeits- und Öffentlichkeitsgrundsatz). Sie sind daher bei der Auslegung von Vorschriften ebenso wie der stets anwendbare Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von mitentscheidender Bedeutung. In Bezug auf die Zweckrichtung der Zivilprozessordnung ist bei der Auslegung des § 380 Abs. 1 ZPO als wesentlicher Gesichtspunkt - insbesondere als Ausfluss der Konzentrationsmaxime im Zusammenspiel mit dem Beibringungs- und Unmittelbarkeitsgrundsatz - das Gebot der Verhinderung pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen zu beachten. Wegen des Gebots, im Interesse effektiven Rechtsschutzes den Rechtsstreit nach Möglichkeit in einem Haupttermin zu erledigen (§ 272 Abs. 1 ZPO), soll das Gericht einerseits in vielfacher Hinsicht prozessfördernde Maßnahmen (etwa §§ 139ff., 273 ZPO) ergreifen, andererseits werden den Parteien nach den Vorschriften der §§ 282, 296 ZPO mit Präklusion bewehrte Förderungspflichten auferlegt (vgl. Greger in: Zöller wie vor, Vorbemerkungen zu §§ 128-252, Rn. 13).

Ein unmittelbarer pönaler Charakter als Selbstzweck einer verfahrensregelnden Norm ist der ZPO hingegen fremd. In Korrespondenz hierzu dienen die Vorschriften über die Sitzungspolizei (§ 176 GVG) ebenfalls vorrangig der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Verhandlung, um dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funktionen zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1994 - 1 BvR 1595/92 und 1 BvR 1606/92 = NStZ 1995, 40, 41; Lückemann in Zöller wie vor, § 176 GVG, Rn. 5; Diemer in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 176 Rn. 1 mwN); repressive Auswirkungen stellen sich als Folge, nicht als Zweck von Maßnahmen der Sitzungspolizei dar. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die zivilprozessualen, verfahrensleitenden Vorschriften.

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes zum vorrangigen Zweck, die Ahndung einer Missachtung einer gerichtlichen Anordnung zu strafen, ist daher mit der Zielsetzung (Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte) der zivilprozessrechtlichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat dem Gericht das Instrumentarium der §§ 380, 381 ZPO nicht an die Hand gegeben, um die Missachtung gerichtlich angeordneter Maßnahmen (zur Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten) zu sanktionieren (in diese Richtung gehend: BFH, Beschluss vom 11.09.2013 - XI B 111/12, Rn. 13 = BFH/ NV 2013, 1944, 1945). Vielmehr dient die Vorschrift der Vermeidung von Verzögerungen bei der Aufklärung des Sachverhaltes und damit einer geordneten Rechtspflege (ebenso: OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2012 - I-20 W 27/12 = NJW-RR 2013, 384; Scheuch in: Beck'scher Online-Kommentar zur ZPO, Vorwerk/Wolf, 20. Edition, Stand: 01.03.2016, § 380 Rn. 1; Huber in: Musielak/ Voit, Zivilprozessordnung, 13. Aufl. 2016, § 380 Rn. 4; Trautwein in: Prüttung/ Gehrlein, Zivilprozessordnung, 8 Aufl. 2016, § 380 Rn. 8). Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienenen Zeugen verbietet sich daher, wenn dessen Fernbleiben für die weitere Verfahrensgestaltung folgenlos geblieben ist, etwa weil - wie vorliegend aufgrund einer Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten - ohnehin die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung und Fortsetzung der Beweisaufnahme erforderlich ist, oder die Parteien sich gütlich einigen oder auf den Zeugen verzichten, oder sich der Rechtsstreit anderweitig erledigt. Bei einer solchen Prozesslage wird durch das Fernbleiben des Zeugen weder das Interesse der Parteien an einer beschleunigten und prozessökonomischen Verfahrensgestaltung noch eine gerichtlich angeordnete, prozessfördernde Maßnahme beeinträchtigt (in diesem Sinne ebenfalls: OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2012 - I-20 W 27/12 = NJW-RR 2013, 384; OLG Koblenz, Beschluss vom 27.05.2005 - 11 WF 422/04 = OLGR Koblenz 2005, 187, 188; Huber in: Musielak/ Voit wie vor, § 380 Rn. 4; Trautwein in: Prüttung/ Gehrlein wie vor, § 380 Rn. 8; Ahrens in: Wieczorek/ Schütze, Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2013, § 380, Rn. 28; Reichold in: Thomas/ Putzo, Zivilprozessordnung, 37. Aufl. 2016, § 380 Rn. 9; Schneider in: Wartepflichten bei der Zeugenvernehmung, MDR 1998, 1205, 1206; KG, Beschluss vom 13.08.2013 - 21 W 37/13 = BeckRS 2013, 19155).

Der angefochtene Beschluss war nach alledem aufzuheben. Hinsichtlich des erneut anzuberaumenden Termin stehen dem erkennenden Gericht zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrens - im Hinblick auf das Erzwingen des Erscheinens des Zeugen - indes alle sich aus § 380f. ZPO ergebenden prozessualen Instrumentarien (hier insbesondere die Maßnahme der Vorführung) zur Verfügung.

Eine Kostenauferlegung nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Landgericht vorliegend nicht ausgesprochen, zumal dem Zeugen nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Kosten aufzuerlegen sind, die durch sein Ausbleiben veranlasst worden sind.

III.

Eine das Beschwerdeverfahren betreffende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Auslagen der erfolgreichen Beschwerde eines Zeugen gehen vielmehr gemäß § 7 Abs. 1 JVEG, §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 380 Abs. 3 ZPO als Kosten des Rechtsstreits zu Lasten der nach dem Schlussurteil kostenpflichtigen Partei (BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VI ZB 4/07, Rn. 23 = NZV 2007, 516, 517 [BGH 12.06.2007 - VI ZB 4/07]).

IV.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO zuzulassen.

Zwar weicht der Senat hinsichtlich der Frage, ob die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienen Zeugen auch dann anzuordnen ist, wenn das Ausbleiben des Zeugen weder für die Parteien noch für das gerichtliche Verfahren nachteilige Folgen hat, von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte hierzu ab. Zur Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gehört jedoch auch die Prüfung sämtlicher gesetzlich vorgesehener Zulässigkeitsvoraussetzungen, mithin u.a. die Frage, ob die als Rechtsmittelführer in Betracht kommenden Beteiligten durch die angegriffene Entscheidung überhaupt beschwert sind bzw. ihnen gegen die Beschwerdeentscheidung ein Beschwerderecht zusteht (BGH, Beschluss vom 26.09.2012 - XII ZB 664/10, Rn. 7 = NJOZ 2013, 601f.; BGH, Beschluss vom 22.07.2015 - XII ZB 667/14, Rn. 6 = BeckRS 2015, 16021). Vorliegend kann ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung indes von keiner Seite eingelegt werden.

Der Beschwerdeführer ist wegen des Erfolgs seines Rechtsmittels durch die Entscheidung des Senats nicht beschwert.

Den Parteien steht gegen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ebenfalls kein Rechtsmittel zu. Die Parteien haben nur insoweit ein Beschwerderecht, als - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes - keine Verurteilung des Zeugen in die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten (Kosten des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens [BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VI ZB 4/07, Rn. 23 = NZV 2007, 516, 517 [BGH 12.06.2007 - VI ZB 4/07]] und Kosten der Terminswahrnehmung durch die Parteien sowie Kosten für erneute Ladungen [§ 91 Abs. 1 ZPO]) erfolgt (Huber in: Musielak/ Voit wie vor, § 380 Rn. 6). Da der Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts vorliegend mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 380 ZPO aufzuheben war und das Landgericht dem Zeugen in der angefochtenen Entscheidung keine durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt hat, sind die Parteien durch die Aufhebung nicht beschwert.