Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.09.2016, Az.: 10 W 9/16

Versagung der Genehmigung der Veräußerung von landwirtschaftlichen Flächen nach Nichtausübung des Vorkaufsrechts durch das Siedlungsunternehmen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.09.2016
Aktenzeichen
10 W 9/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 35823
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordenham - 14.01.2016 - AZ: 2 Lw 34/15

Amtlicher Leitsatz

Auch wenn das Siedlungsunternehmen das Vorkaufsrecht irrtümlich nicht ausübt, weil es fälschlicherweise annimmt, das Grundstück falle ohnehin an den begünstigten Landwirt, kann die Genehmigung nicht mehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG wegen einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden versagt werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Landwirtschaftsgerichts Nordenham vom 14.01.2016 geändert.

Der Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 31.08.2015 über die Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung wird aufgehoben.

Die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu dem vor dem Notar Dr. M... S... am 27.05.2015 geschlossenen Kaufvertrag zwischen dem Beteiligten zu 1), dem Beteiligten zu 2) und dem Beteiligten zu 3) wird erteilt.

Die Gerichtskosten hat der Beteiligte zu 1) zu tragen. Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird abgesehen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 139.107,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 2) ist Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen, eingetragen im Grundbuch von B... zu Blatt .... Mit notariellem Vertrag vom 24.03.2015, beurkundet durch den Notar Dr. M... S... in W..., UR-Nr. ..., veräußerte er hiervon an den Beteiligten zu 3) die Flurstücke..., ... und ..., Flur ..., der Gemarkung S... zur Gesamtgröße von 4,7968 ha zu einem Kaufpreis von insgesamt 139.107,20 €. Der Kaufvertrag enthält einen Hinweis auf ein bestehendes Vorkaufsrecht zugunsten des Beteiligten zu 1) als Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen, eingetragen im Grundbuch von B... zu Blatt .... Ferner ist geregelt, dass der Kaufvertrag unter der auflösenden Bedingung der fristgerechten Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten steht.

Mit Erklärung vom 16.04.2015 übte der Beteiligte zu 1) sein Vorkaufsrecht an den veräußerten Flächen aus.

Mit Bescheid vom 27.04.2015 genehmigte der Landkreis W... den Grundstückskaufvertrag vom 24.03.2015.

Am 27.05.2015 schlossen die Beteiligten zu 1)-3) eine notarielle Vereinbarung, ebenfalls beurkundet durch den Notar Dr. M... S... in W..., UR-Nr...., in der sie die Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts mit Erklärung vom 16.04.2015 anerkannten und der Beteiligte zu 2) die Grundstücke an den Beteiligten zu 1) aufließ.

Der beurkundende Notar beantragte für diesen Vertrag mit einem am 06.06.2015 bei der Genehmigungsbehörde eingegangenen Antrag die Erteilung der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.

Am 15.06.2015 erteilte die Genehmigungsbehörde dem beurkundenden Notar einen Zwischenbescheid, in dem mitgeteilt wurde, dass sich die Entscheidungsfrist auf drei Monate verlängere, weil der Vertrag der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über ein Vorkaufsrecht vorgelegt werde.

Die Genehmigungsbehörde legte den Vertrag der Niedersächsischen Landgesellschaft als Siedlungsbehörde gemäß § 12 GrdstVG vor. Diese übte das Vorkaufsrecht nicht aus.

Mit Bescheid vom 31.08.2015 hat die Genehmigungsbehörde die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung versagt.

Gegen diesen Bescheid hat der Beteiligte zu 1) einen Antrag auf Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts gestellt.

Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der Beschwerde, mit der er seinen Antrag auf Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung weiter verfolgt. Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, dass die Genehmigung bereits gemäß § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt gelte, weil die Genehmigungsfrist nicht wirksam auf drei Monate verlängert worden sei. Der Einholung einer Erklärung über die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 4 RSiedlG habe es nicht bedurft. Da die Siedlungsbehörde ein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt habe und es nicht um die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebes gehe, sondern um die Veräußerung von Stückland, könne die Genehmigung gemäß § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht mehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagt werden. Im Übrigen liege keine ungesunde Verteilung von Grund und Boden vor, weil der Beteiligte zu 1) seinen Betrieb an seinen Sohn verpachtet habe, der diesen aktiv bewirtschafte.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 9 LwVG, 58 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt dazu, dass der Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 31.08.2015 aufgehoben wird. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu den am 27.05.2015 geschlossenen Vertrag zwischen den Beteiligten zu 1) bis 3) ist zu erteilen.

Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob die Genehmigungsbehörde nicht fristgemäß über den am 06.06.2015 eingegangenen Antrag auf Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung entschieden hat, und die Genehmigung daher aufgrund der Fiktion des § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt gilt. Die nach § 2 Abs. 1 GrdstVG erforderliche Genehmigung durfte jedenfalls aus materiellen Gründen nicht versagt werden. Ein Versagungsgrund im Sinne des § 9 GrdstVG liegt nicht vor.

1) Die Genehmigung kann gemäß § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagt werden.

Dabei ist nicht zu klären, ob die Veräußerung der Flächen an den Beteiligten zu 1), der seit einigen Jahren Altenteiler und daher kein aktiver Landwirt mehr ist, eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden bedeutet. Einer solchen Prüfung bedarf es hier nach § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht. Diese Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem RSiedlG ausgeübt werden kann, jedoch nicht ausgeübt wird, die Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 nur versagt werden kann, falls es sich um die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes handelt.

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 Abs. 1 RSiedlG lagen vor. Die Genehmigungsbehörde hat der Niedersächsischen Landgesellschaft als Siedlungsbehörde den Vertrag vom 27.05.2015 zur Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 12 RSiedlG vorgelegt. Diese hat das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt.

Da es hier nicht um die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, sondern um Stückland geht, kann die Grundstücksverkehrsgenehmigung folglich gemäß § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Nichtausübung des Vorkaufsrechts zur Folge, dass die Genehmigung - falls ein Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrdstVG nicht vorliegt - ohne weitere Prüfung zu erteilen ist (vgl. BGH NJW-RR 2014, 1168 [BGH 25.04.2014 - BLw 5/13] Tz. 12). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Niedersächsische Landgesellschaft das Vorkaufsrecht hier aus dem Grunde nicht ausgeübt hat, dass sie irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der ursprüngliche Kaufvertrag vom 24.03.2015 zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) - obgleich der Beteiligte zu 1) sein Vorkaufsrecht fristgerecht ausgeübt hat und daher die im Vertrag vorgesehene auflösende Bedingung eingetreten ist - wirksam ist und ihr siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht daher nicht zum Tragen kommen konnte. Die in § 9 Abs. 5 GrdstVG bestimmte Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, aus welchen Gründen die Siedlungsbehörde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hat (vgl. BGH NJW-RR 2014, 1168 [BGH 25.04.2014 - BLw 5/13] Tz. 13, NJW-RR 1996, 528 [BGH 08.12.1995 - BLw 34/95]; NJW 1966, 2310; Netz, Grundstücksverkehrsgesetz, 7. Aufl. Rn. 2190). Die Genehmigungsbehörde darf den Vertrag auch dann nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagen, wenn sie den Vertrag, obwohl das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz hätte ausgeübt werden können, entgegen der Bestimmung in § 12 GrdstVG dem Siedlungsunternehmen nicht vorgelegt hat. Die Behörde kann durch ein solches gesetzwidriges Verhalten weder dem Antragsteller die Vorteile entziehen, die sich für ihn nach § 9 Abs. 5 GrdstVG bei Nichtausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ergeben, noch den ihr zustehenden Prüfungsrahmen auf den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG bezeichneten Versagungsgrund erweitern (BGH NJW-RR 2014, 1168 [BGH 25.04.2014 - BLw 5/13] Tz. 14 m.w.N.).

2) Da hier ein Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrdstVG nicht ersichtlich ist, ist dem Beteiligten zu 1) die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu erteilen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beteiligte zu 1) als Antragsteller und Begünstigter des zu genehmigenden Kaufvertrages die Gerichtskosten trägt. Eine Belastung der Genehmigungsbehörde mit Verfahrenskosten kommt nicht in Betracht, da diese in ihrer Funktion als Genehmigungsbehörde nicht Beteiligte im engeren Sinne des § 45 Abs. 1 LwVG ist. Eine Beteiligtenstellung erhält die Genehmigungsbehörde erst, wenn sie durch einen eigenen Antrag oder ein Rechtsmittel ein Verfahren in Gang gebracht hat (Senat, RdL 2001, 295; OLG Dresden, AgrarR 2001, 11); das ist hier jedoch nicht der Fall.

Von einer Anordnung der Erstattung von außergerichtlichen Kosten (§ 45 Abs. 1 LwVG) wird abgesehen. Ein Verfahrensbeteiligter, der im vorliegenden Verfahren unterlegen ist und dem deshalb die Übernahme von außergerichtlichen Kosten auferlegt werden könnte, ist nicht vorhanden.