Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.08.2016, Az.: 2 U 27/16

Unzulässigkeit der Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich; Übergang von einer Vollstreckungsabwehrklage zu einer Klauselgegenklage

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.08.2016
Aktenzeichen
2 U 27/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 41276
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 17.03.2016 - AZ: 1 O 2370/15

Fundstellen

  • BauR 2019, 989-992
  • IBR 2019, 251

In dem Rechtsstreit

P... & R... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer M... P..., J... ...,... A...,

Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

Geschäftszeichen: ...

gegen

1. J... G..., A... Straße ...,... S...,

2. I... G..., A... Straße ...,... S...,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

Rechtsanwälte ...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., den Richter am Oberlandesgericht ...und die Richterin am Amtsgericht ...auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2016 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.3.2016 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg, Az. 1 O 2370/15, geändert.

Die Zwangsvollstreckung aufgrund der zu dem gerichtlichen Vergleich vom 30. 4.2015 in dem Rechtsstreit 1 O 2654/14 - Landgericht Oldenburg - am 15.10.2015 erteilten Vollstreckungsklausel wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung der Beklagten aus einem vor dem Landgericht Oldenburg zu dem Aktenzeichen 1 O 2654/14 geschlossenen Vergleich vom 30.4.2015.

Die Parteien verbindet ein Auftrag vom 28.6.2013 über die Lieferung und Montage eines Wintergartens in Form eines Pavillons mit thermisch getrennten Aluminiumprofilen, einer Dreifachverglasung mit Sonnenschutz, Sternhimmel und 3 Faltanlagen in zwei zu öffnenden Oberlichtern sowie einem Dachflächenfenster zu einem Gesamtpreis von 43.814,43 €. Der Wintergarten wurde von der Klägerin einschließlich der statischen Berechnung geplant und hergestellt und sollte an das Wohnzimmer der Beklagten so angebaut werden, dass die vorhandene Außenmauer nach Fertigstellung entfernt wird und ein großer Aufenthaltsraum mit Glaselementen entsteht. Während der Aufbauarbeiten, die durch einen von der Klägerin beauftragten Subunternehmer ausgeführt worden sind, rügten die Beklagten diverse Mängel. Es kam zu wiederholten Nachbesserungsarbeiten der Klägerin, die ihre Arbeiten am 17.12.2012 mit dem vereinbarten Preis abrechnete.

Die Beklagten rügten auch die Nachbesserungsarbeiten als unfachmännisch, verweigerten die Abnahme und verlangten schließlich die Einstellung der Arbeiten, als das Dach des Wintergartens den Blendrahmen durchgedrückt hatte und die Klägerin hierfür kein Lösungskonzept vorlegte. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.3.2014 erklärten sie den Rücktritt vom Vertrag, forderten zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 30.000 € auf und erbaten Terminvorschläge für den Abbau des Wintergartens. Die Beklagten beauftragten schließlich den Dipl.-Ing. T..., der in seinem Gutachten vom 18.8.2014 den Wintergarten im damaligen Zustand nicht für gebrauchstauglich hielt. Dieser müsse neu berechnet oder konstruiert werden. Der Rückbau des Wintergartens sei schon wegen der verformten Pfostenprofile und der nicht thermisch getrennten Eckstützen gerechtfertigt. Ende Oktober 2014 erhoben die Beklagten Klage vor dem Landgericht Oldenburg (AZ.: 1 O 2654/14) auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung, Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, Feststellung des Annahmeverzugs der Klägerin mit dem Abbau des Wintergartens sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Klägerin für sämtliche weitere Schäden, die ihnen im Zusammenhang mit dem Bau des Wintergartens noch entstehen würden. Nachdem am 16.3.2015 ein Ortstermin zwischen den Beklagten und einem Mitarbeiter der Klägerin stattgefunden hatte und ein Protokoll über die Ergebnisse der Besprechung, insbesondere zu den vereinbarten Mängelbeseitigungsmaßnahmen gefertigt worden war, wurde der Rechtsstreit schließlich mit Vergleich im schriftlichen Verfahren durch Beschluss vom 30.4.2015 wie folgt beendet:

"1. Die Beklagte erkennt an, dass der streitgegenständliche Wintergarten mangelhaft und nicht abnahmefähig ist.

2. Zur Beseitigung der Mängel und zur Herstellung der Abnahmefähigkeit verpflichtet sich die Beklagte, die in dem als Anlage beigefügten Besprechungsprotokoll vom 16.3.2015 aufgeführten Maßnahmen durchzuführen. Sollte sich im Rahmen der Durchführung der Sanierungsarbeiten herausstellen, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, wird die Beklagte diese ebenfalls durchführen.

3. Die Sanierungsarbeiten werden von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. H... T..., B... d... K... ..., ... W... auf Kosten der Beklagten überwacht. Soweit über die Art und Umfang der Sanierungsarbeiten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, auch über die Abnahmefähigkeit, bestehen, entscheidet der Sachverständige den Streitpunkt verbindlich zwischen den Parteien.

4. Die Sanierungsarbeiten sind zeitlich so durchzuführen, dass der streitgegenständliche Wintergarten spätestens bis zum 30.6.2015 abnahmefähig ist. Sollte die Abnahmefähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben sein, sind die Kläger nach schriftlicher Setzung einer Nachfrist von 2 Wochen berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten. Die Beklagte ist in diesem Fall verpflichtet, die erhaltene Anzahlung an die Kläger zurückzuzahlen und den Wintergarten auf eigene Kosten zu demontieren. Die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens bleibt den Klägern vorbehalten.

5. Der noch offene Werklohnanspruch der Beklagten ist innerhalb von 14 Tagen nach Abnahme zur Zahlung fällig. ..."

Als die Klägerin in der Folgezeit weitere Arbeiten an dem Wintergarten vorgenommen hatte, welche die Beklagten nicht zufriedenstellten, und die Klägerin bis zum 30.6.2015 keinen mangelfreien Wintergarten zur Abnahme angeboten hatte, kam es am 7.7.2015 zu einem Ortstermin im Beisein des Sachverständigen T.... Anschließend erstellte dieser unter dem 21.7.2015 ein Ergänzungsgutachten, das sowohl diverse Beanstandungen hinsichtlich der besprochenen Mängelbeseitigungsmaßnahmen als auch neue Mängel auflistete und die Kosten für die Beseitigung aller Beanstandungen auf ca. 5.435,00 EUR brutto bezifferte. Darin enthalten waren der Minderungsbetrag für die nicht lotgerechten Oberlichter in Höhe von 2.740,00 EUR und Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 1.100,00 EUR für neue Mängel, die nicht Gegenstand der Vereinbarung vom 16.3.2015 waren.

Nachdem die Parteien nun über die Abnahmefähigkeit des Wintergartens stritten, gab der Sachverständige T... am 31.8.2015 folgende weitere Stellungnahme ab:

"... aus meiner Sicht ist der Wintergarten mit der im Ergänzungsgutachten beschriebenen Begründung abnahmefähig."

Die Beklagten wiederholten am 17.9.2015 ihren bereits am 14.3.2014 erklärten Rücktritt, forderten die Klägerin u.a. zur Rückzahlung der Anzahlung, zur Demontage des Wintergartens bis zum 16.10.2015 auf und kündigten zugleich die Zwangsvollstreckung aus dem inzwischen mit einer Vollstreckungsklausel versehenen gerichtlichen Vergleich vom 30.4.2015 an.

Daraufhin erhob die Klägerin mit Klageschrift vom 23.9.2015 die vorliegende "Vollstreckungsabwehrklage mit Antrag auf einstweilige Einstellung (§ 767 ZPO)".

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Landgerichts Oldenburg vom 30.4.2015, Geschäftsnummer 1 O 2654/14, für unzulässig zu erklären.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten seien am 17.9.2015 zum erneuten Rücktritt vom Werkvertrag gemäß Ziffer 4 des Vergleiches vom 30.4.2015 berechtigt gewesen, da die Klägerin den Wintergarten bis zum Ablauf der von den Beklagten gesetzten Nachfrist nicht im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien abnahmefähig hergestellt habe. Die Beklagten hätten sich trotz ihres unstreitig bestehenden Rücktrittsrechts aufgrund des mangelhaften Wintergartens erkennbar nur deshalb auf den Vergleich vom 30.4.2015 eingelassen, weil sie nunmehr davon hätten ausgehen dürfen, dass die Klägerin zur Herstellung der Abnahmefähigkeit alle im Besprechungsprotokoll vom 16.3.2015 aufgeführten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Mängel durchführe. Auf die Feststellungen des Sachverständigen T..., der Wintergarten sei abnahmefähig, könne sich die Klägerin nicht berufen, weil diese Feststellung offenbar unbillig sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist der Ansicht, die vom Gutachter T... getroffenen Feststellungen seien nicht offenbar unbillig. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die Feststellungen des Gutachters T... unvollständig und im Ergebnis falsch gewürdigt. Es habe nicht berücksichtigt, dass nach Ziffer 3 des Vergleichs vom 30.4.2015 der Gutachter T... nicht nur über die Frage der Abnahmefähigkeit entscheiden sollte, sondern insbesondere auch über die Art und Weise der Mängelbeseitigung. Der Sachverständige habe das nicht lotgerechte Montieren der Oberlichter mit einem Minderwert von 2.740,00 EUR berücksichtigt, sich mit dieser Feststellung im Rahmen seines Schiedsgutachtenauftrags bewegt und seine Feststellung im Rahmen der Art und Weise der Mängelbeseitigung verbindlich getroffen. Zutreffend habe der Gutachter T... die Abnahmefähigkeit bejaht und sich insoweit auch nicht widersprüchlich geäußert. Die Feststellung der Abnahmefähigkeit durch den Sachverständigen sei keinesfalls unbillig. Schließlich habe der Sachverständige hinsichtlich der Oberlichter keinerlei Funktionsbeeinträchtigung festgestellt und ausgeführt, eine optische Beeinträchtigung sei für einen unbefangenen Dritten nicht wahrnehmbar. Das Kriterium der Wesentlichkeit habe der Sachverständige in seine Feststellungen einbezogen. Das Landgericht habe den Vergleich völlig einseitig ausgelegt, wenn es meine, die Beklagten hätten sich nur deshalb darauf eingelassen, weil sie davon hätten ausgehen dürfen, dass die Klägerin zur Herstellung der Abnahmefähigkeit alle im Besprechungsprotokoll vom 16.3.2015 aufgeführten Maßnahmen durchführe. Eine entsprechende Regelung sei dem Vergleich nicht zu entnehmen. Vielmehr sei in Ziffer 4 geregelt, dass die Sanierungsarbeiten zeitlich so durchzuführen seien, dass der streitige Wintergarten spätestens am 30.6.2015 abnahmefähig sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Zwangsvollstreckung aufgrund der zu dem gerichtlichen Vergleich vom 30.04.2015 in dem Rechtsstreit 1 O 2654/14 - Landgericht Oldenburg - am 15.10.2015 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Berufungsverfahren den in der ersten Instanz gestellten Klageantrag bzw. den zunächst angekündigten Berufungsantrag fallengelassen und einen neuen Antrag gestellt hat. Denn damit hat sie nicht etwa nur einen neuen prozessualen Anspruch in das Verfahren eingeführt, sondern auch das ursprüngliche Klageziel weiterverfolgt. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, droht der Klägerin weiter die Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich. Darin liegt ihre Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil, die die Klägerin auch im Berufungsverfahren beseitigt wissen will. Dass der Wortlaut des nun gestellten Antrags von dem des ursprünglichen Klageantrags abweicht, ist für die Zulässigkeit der Berufung unschädlich (vgl. BGH, Urteil vom 27.1.2012 - V ZR 92/11 -, juris).

Der Übergang von der Vollstreckungsabwehrklage zu einer Klauselgegenklage ist eine zulässige Klageänderung i.S.v. § 533 ZPO i.V.m. § 263 ZPO. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (BGH a.a.O.).

Die Berufung ist begründet. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Klage gegen die Vollstreckungsklausel liegen vor. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung, da die Vollstreckungsklausel nicht hätte erteilt werden dürfen. Mit Ziff. 4 S. 2 des Vergleichs haben die Parteien den Rücktritt vom Vertrag und die anschließende Vollstreckung aus dem Vergleich von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht. Die aufschiebende Bedingung der zu einem bestimmten Zeitpunkt fehlenden Abnahmefähigkeit ist nach den Feststellungen des Sachverständigen T... nicht eingetreten. Die Beklagten waren daher weder zum Rücktritt vom Werkvertrag über den streitgegenständlichen Wintergarten noch zur Vollstreckung aus dem Vergleich berechtigt.

Im Einzelnen gilt:

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Sachverständige T... schiedsgutachterliche Feststellungen treffen sollte. Nach Ziff. 3 S. 2 des Vergleichs sollte er u.a. verbindlich über die Abnahmefähigkeit des Werks entscheiden. In dieser Regelung liegt eine Schiedsgutachterabrede im weiteren Sinne. Die Beurteilung der Abnahmefähigkeit der Sanierungsarbeiten setzt zwingend die Bewertung voraus, ob etwa festgestellte Mängel unwesentlich im Sinne von § 640 Abs. 1 S. 2 BGB sind, so dass dem Sachverständigen auch die Befugnis übertragen wurde, über die Leistung zu bestimmen und dadurch den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Es handelt sich mithin um einen Leistungsbestimmungsvorbehalt, der in den unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 S. 1 BGB fällt (vgl. BGH, Urteil vom 26.4.1991 - V ZR 61/90 -, juris). § 317 Abs. 1 BGB enthält für diesen Fall die Auslegungsregel, dass der Dritte die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen hat (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage § 317 Rz. 1). Dies hat zur Folge, dass nach § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB die Leistungsbestimmung des Dritten nach billigem Ermessen nur bei offenbarer Unbilligkeit unverbindlich ist.

Die Feststellung der Abnahmefähigkeit durch den Sachverständigen ist nicht offenbar unbillig. Offenbare Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn die Bestimmung in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich die Unbilligkeit, wenn auch nicht jedermann, so doch einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter sofort aufdrängt (BGH, Urteil vom 26.4.1991 -V ZR 61/90 -, juris). Davon kann vorliegend entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausgegangen werden.

Die Abnahmefähigkeit scheitert nicht daran, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen nach wie vor an 13 Glashalteleisten teilweise starke Kratzer vorhanden (Frage 3) und die Schnittkanten noch nicht beschichtet worden sind (Frage 14), die neuen, leicht verformten Wetterschenkel erneut ausgetauscht werden müssen (Frage 15), die Fallrohre auf einer Länge von 2,70 m ca. 4 mm schief sind (Frage 16) und die umlaufende Blende nach wie vor mangelhaft ist (Frage 17). In seiner Anhörung vom 25.2.2016 hat der Sachverständige ausgeführt, dass es sich insoweit nicht um wesentliche Mängel handelt. Dies wird von den Parteien nicht (mehr) in Frage gestellt. Die Beurteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass zahlreiche unwesentliche Mängel in besonderen Einzelfällen einem wesentlichen Mangel gleichstehen und damit die Abnahmeverweigerung rechtfertigen können (OLG München, Urteil vom 15.1.2008 - 13 U 4378/07). Dabei kann dahinstehen, ob diese Voraussetzungen hier überhaupt vorliegen. Eine grobe Unbilligkeit der Beurteilung des Sachverständigen ergäbe sich jedenfalls nicht.

Die Unbilligkeit der Feststellung des Sachverständigen zur Abnahmefähigkeit folgt auch nicht daraus, dass das rechte und linke Oberlicht oberhalb der Faltschiebeanlagen weiterhin um jeweils ca. 4 mm zur Raumseite kippen, die Montage der Oberlichter nicht fluchtgerecht und die Abweichung außerhalb der Toleranz und damit mangelhaft ist. Die dazu vom Sachverständigen getroffenen weiteren Feststellungen rechtfertigen es nicht, eine offenbare Unbilligkeit der sachverständigen Beurteilung anzunehmen. Der Sachverständige hat seine Einschätzung damit begründet, dass die Mängel weder zu einer Funktions-, noch zu einer statischen Beeinträchtigung führten und die Nutzung sowie die Lebensdauer des Wintergartens nicht beeinträchtigt sei. Ein unbefangener Gast würde seines Erachtens diesen Mangel nicht einmal nicht wahrnehmen. Nach diesen und seinen weiteren Angaben in der mündlichen Verhandlung wird zugleich deutlich, dass der Sachverständige von einem zutreffenden Verständnis des Begriffs der Abnahmefähigkeit ausgegangen ist.

Die Beurteilung des Sachverständigen wird auch nicht dadurch unbillig, dass er die Kosten für die Beseitigung der zuletzt genannten Mängel mit 2.740 € brutto bezifferte und unter Berücksichtigung "neuer" Mängel in Höhe von 1.100 € die gesamten Mängelbeseitigungskosten auf 5.435 € brutto schätzte. Zwar stellen die Mängelbeseitigungskosten ein maßgebendes Kriterium für Abnahmefähigkeit dar (BGH BauR 2000, 1482; P/W/W-Leupertz/Halfmeier, BGB, 10. Aufl. § 640 Rn. 5). Entgegen der Auffassung der Beklagten verbietet es sich aber, feste Beträge von Mängelbeseitigungskosten als Grenze anzusehen, ab der die Wesentlichkeitsschwelle überschritten wird und eine Abnahmefähigkeit ausscheidet (BGH, Urteil vom 15.6.2000 - VII ZR 30/99; Kniffka- Pause-Vogel, Bauvertragsrecht, 2. Aufl. § 640 Rn. 40; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 4. Teil Rn. 4). Entscheidend sind vielmehr die gesamten Umstände, insbesondere Art, Umfang und Auswirkungen der Mängel. Danach rechtfertigen es die weiteren Feststellungen des Sachverständigen etwa zur Gebrauchstauglichkeit jedenfalls nicht, seine Beurteilung zur Abnahmefähigkeit wegen der anfallenden Mangelbeseitigungskosten für grob unbillig zu halten. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob bei der Beurteilung die weiteren, vom Sachverständigen später festgestellten "neuen" Mängel ohnehin ausscheiden müssten, da sie nicht Gegenstand des Vergleichs der Parteien waren.

Eine Berechtigung der Beklagten, von dem Vertrag mit der Klägerin zurückzutreten, ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Wintergarten unstreitig teilweise immer noch mangelhaft ist. Zwar hat sich die Klägerin in Ziffer 2 des Vergleichs zur Beseitigung von Mängeln und zur Herstellung der Abnahmefähigkeit verpflichtet. Die Berechtigung zum Rücktritt ist ausweislich Ziffer 4 Satz 2 des Vergleichs aber nicht an die unterbliebene Mangelbeseitigung, sondern ausschließlich an die fehlende Abnahmefähigkeit geknüpft. Etwas anderes lässt sich dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung nicht entnehmen. Die fehlende Abnahmefähigkeit hat der Sachverständige nicht bestätigt. Seine Entscheidung ist für die Parteien - wie bereits ausgeführt - verbindlich.

Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob sich Rechtsfolgen zugunsten der Klägerin daraus ergeben, dass der Sachverständige nach Ziffer 3 des Vergleichs verbindlich auch über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien entscheiden sollte, die über die Art und den Umfang der Sanierungsarbeiten bestehen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr.10, 711, ZPO. Das Urteil war nicht nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da der Schuldner sonst keine Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen könnte, § 775 Nr.1 ZPO, und andererseits die Beklagten nicht weiter vollstrecken können. Zu ihrem Schutz ist der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs in die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO einzubeziehen (vgl. Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Auflage, 2010, Rz. 775).