Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 14.10.2022, Az.: 2 B 113/22

Einfache Signatur; offensichtlich unbegründet; Rechtsanwalt; sicherer Übermittlungsweg; Verfristung; Unzulässiger Eilantrag gegen Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.10.2022
Aktenzeichen
2 B 113/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 49446
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2022:1014.2B113.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für die ordnungsgemäße elektronische Einreichung eines Antrags bei Gericht ist es nach § 130a Abs. 3 ZPO notwendig, dass der Schriftsatz mit dem Namen des verantwortenden Rechtsanwalts signiert ist. Es genügt nicht, wenn dieser lediglich mit "Rechtsanwalt" unterschrieben ist.

  2. 2.

    Wenn nicht substantiiert bestritten wird, ist davon auszugehen, dass die Schreiben, deren Empfang per Empfangsbekenntnis bestätigt worden ist und die sich in den Verwaltungsvorgängen befinden, auch tatsächlich überreicht wurden.

Gründe

I. Der gemäß §§ 34, 36 Abs. 3, 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthafte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 2. September 2022 (- 2 A 273/22 -) gegen die unter Ziffer 5. in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2022 verfügte Abschiebungsandrohung nach Georgien anzuordnen, ist unzulässig (1.) und unbegründet (2.).

1. Der Eilantrag ist unzulässig, da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht ordnungsgemäß eingelegt worden ist. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss ein bei Gericht eingereichtes elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Der Eilantrag vom 29. Oktober 2022 erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Der Schriftsatz ist nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen.

Er wurde aber auch nicht von der verantwortenden Person signiert. Die einfache Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dazu muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann. Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: BGH, Beschl. v. 7.9.2022 - XII ZB 215/22 -, juris Rn. 10 f. m.w.N.).

Diesen rechtlichen Vorgaben wird der am 4. Oktober 2022 eingegangene Eilantrag des Antragstellers nicht gerecht, weil das Dokument nicht mit einer einfachen Signatur versehen war. Der Antrag endet nur mit der Bezeichnung "Rechtsanwalt" ohne weitere Namensangabe. Allein mit dieser Bezeichnung lässt sich der Schriftsatz keiner bestimmten Person zuordnen, die Verantwortung für seinen Inhalt übernommen hat. Eine eindeutige Zuordnung wird auch nicht dadurch hergestellt, dass im Briefkopf der Kanzlei nur ein einziger Rechtsanwalt aufgeführt ist. Denn dies schließt nicht aus, dass ein im Briefkopf nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7.9.2022 - XII ZB 215/22 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Unabhängig davon ist der Antrag unzulässig, da der Antragsteller die Antragsfrist nicht gewahrt hat. Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. August 2022 wurde dem Antragsteller ausweislich der sich in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Empfangsbestätigung am 31. August 2022 übergeben. Die Wochenfrist endete damit mit Ablauf des 7. September 2022, so dass der am 4. Oktober 2022 bei Gericht eingegangene Eilantrag verfristet ist.

Hier galt auch nicht ausnahmsweise die Jahresfrist nach § 58 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 3 AsylG. Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist.

Nach den vorliegenden Unterlagen geht der Einzelrichter trotz des Bestreitens des Antragstellers davon aus, dass dieser eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat. Die vom Antragsteller vorgelegte Kopie des Bescheids vom 25. August 2022 deutet nicht auf das Gegenteil hin. Zwar enthält der vom Antragsteller eingereichte, getackerte Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung. Dies ist aber, wie gerichtsbekannt ist, bei Bescheiden der Antragsgegnerin nicht ungewöhnlich, sondern regelmäßig der Fall. Aus diesem Grund enthält der angefochtene Bescheid unter Ziffer 7 (S. 18 des Bescheids) den Hinweis, dass die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung Bestandteil des Bescheids ist. Aus dem standardisierten Empfangsbekenntnis, das vom Antragsteller am 31. August 2022 unterzeichnet wurde, ergibt sich, dass ihm der Bescheid des Bundesamtes vom 25. August 2022, eine Übersetzung der Bescheidtenorierung sowie ggfs. der Rechtsbehelfsbelehrung, eine Kopie der Verfahrensakte sowie die Kopie des Anhörungsprotokolls, soweit noch nicht ausgehändigt, übergeben wurde. Weiter zeigen die Verwaltungsvorgänge, dass die Übersetzung der Bescheidtenorierung zugleich eine Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Zudem befindet sich in den elektronischen Verwaltungsvorgängen auch eine deutschsprachige Rechtsbehelfsbelehrung. Der Antragsteller hat aber nicht vorgetragen, ausschließlich den getackerten Bescheid erhalten zu haben und keines der anderen, im Empfangsbekenntnis angegebenen Dokumente. Er hat vielmehr nur behauptet, dass mit dem Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung verbunden gewesen ist, was nicht zugleich bedeutet, dass er keine erhalten hat. Es ist nach alledem nicht ersichtlich und nicht nachzuvollziehen, dass dem Antragsteller die Rechtsbehelfsbelehrung, jedenfalls in der Übersetzung, nicht auch übergeben worden wäre.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) kann nicht erfolgen, da der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der oben genannten Frist gehindert war.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist darüber hinaus aber auch unbegründet.

Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nach Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.

Soweit sich die Klage gegen die Entscheidung über den Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) richtet, ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG (zunächst) die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (vgl. § 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Anknüpfungspunkt für die Prüfung ist - neben den allgemeinen Voraussetzungen des § 34 AsylG - die Frage, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung - und ihr vorgehend das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes - einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Geringe Zweifel reichen nicht aus. Maßgeblich ist das Gewicht der Faktoren, die Anlass zu Zweifeln geben (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris, Rn. 93 ff.).

Ist die Abschiebungsandrohung - wie hier - wegen der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet sofort vollziehbar, hat das Verwaltungsgericht darüber hinaus aufgrund einer eigenständigen Beurteilung zu prüfen, ob das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts auch weiterhin Bestand haben kann. Das Verwaltungsgericht darf sich insoweit nicht mit einer bloßen Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils begnügen, sondern muss die Frage der Offensichtlichkeit - will es sie bejahen - erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinausgehen. Dabei muss das Verwaltungsgericht überprüfen, ob das Bundesamt aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihm vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihm vorliegenden oder zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag nicht als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ferner, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, Beschl. v. 25.2.2019 - 2 BvR 1193/18 -, juris Rn. 21).

Gemessen daran ist die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen.

a. Das Gericht ist nach eigener Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.

Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen ("echte" Unbegründetheit). Das setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschl. v. 25.2.2019 - 2 BvR 1193/18 -, Rn. 18, juris). Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG ist das insbesondere der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Überdies ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 AsylG vorliegen (fingierte Offensichtlichkeit).

Hier ist der Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet. Die Ablehnung des Antrags drängt sich geradezu auf, weil der Antragsteller einen Sachverhalt, aus dem sich ein asylrechtlicher Schutzanspruch ergeben könnte, nicht vorgetragen hat. Der Antragsteller hat lediglich vorgetragen, dass er Georgien verlassen habe, da er Probleme mit seinem Vater gehabt habe. Seine Familie rede nicht mehr mit ihm. Der Mann seiner Schwester sei verärgert, da er seiner Nichte geholfen habe. Dieser könnte deshalb etwas gegen ihn unternehmen. Zudem habe er keine Arbeit gehabt und sei nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. In Georgien gäbe es keine Arbeit, Behandlung und Ernährung. Aus diesem Vorbringen folgt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, da der Antragsteller aufgrund innerfamiliärer Streitigkeiten und aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen hat. Eine etwaige Verfolgung oder ein drohender ernsthafter Schaden sind nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die überzeugende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG), der der Einzelrichter folgt.

b. Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor, so dass die Abschiebungsandrohung auch insoweit keinen ernstlichen Zweifeln begegnet. Zur Begründung wird zunächst vollumfänglich auf den angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Insbesondere lassen sich aus dem Vortrag des Antragstellers und den vorliegenden Erkenntnismitteln zu Georgien keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass dem Antragsteller aus humanitären Gründen eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung drohen würde und er mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Situation geriete, in der die elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären. Dem Antragsteller ist es bisher gelungen, für sich zu sorgen. Er war bislang in der Lage, seinen Lebensunterhalt, wenn auch auf niedrigem Niveau, bestreiten können, ohne dass er auf Sozialleistungen angewiesen gewesen wäre. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine Unterstützung durch die Großfamilie nicht möglich wäre. Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass es dem Antragsteller nicht gelingen sollte, sich erneut in seinem Heimatland eine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage zu schaffen.

Dass zielstaatsbezogene gesundheitliche Gründe der Abschiebung des Antragstellers entgegenstehen könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die vorgetragenen und durch ärztliche Berichte aus Juni 2022 belegten Krankheiten stellen keine lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen dar, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Da nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG), liegen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen nicht vor.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen, da der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (s.o.) und darüber hinaus bislang eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht wurde, so dass die Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.