Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.10.2022, Az.: 3 A 53/21

Abschussplan; Alterklassen; Ausführungsbestimmungen

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
07.10.2022
Aktenzeichen
3 A 53/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59308
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine untere Jagdbehörde kann in Abschussplänen die Altersklassen abweichend von den Ausführungsbestimmungen zum Niedersächsischen Jagdgesetz festsetzen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Art und Weise der Festsetzung von Abschussplänen für Rotwild.

Die Klägerin ist Jagdausübungsberechtigte in fünf Jagdbezirken im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Sie reichte für das Jagdjahr 2020/2021 beim Beklagten Abschusspläne für Hochwild ein.

Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 30. April 2020 teilweise abweichende Freigaben fest. Insbesondere nahm er – entgegen dem diesbezüglichen Muster in den Ausführungsbestimmungen zum NJagdG – beim Rotwild eine Differenzierung innerhalb der Jugendklasse vor und differenzierte zwischen „Hirschkälbern“ und „Rothirschen der Altersklasse III“ bzw. „Wildkälbern“ und „Schmaltieren“:

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Mai 2020 Klage erhoben und zunächst mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 ausdrücklich beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2020 betreffend die Festsetzung der Abschusspläne für Rotwild in der Jugendklasse für das Jagdjahr 2020 insoweit aufzuheben, als darin der Erlegungsanteil jeweils nochmals in die Altersklassen Hirschkälber/Hirsche Altersklasse III bzw. Wildkälber/Schmaltiere unterteilt wird, zudem festzustellen, dass eine nochmalige altersmäßige Unterteilung des prozentualen Erlegungsanteils in der Jugendklasse rechtswidrig ist..

Sie trägt vor, diese Binnendifferenzierung innerhalb der Jugendklasse sei nicht durch höherrangiges Recht gedeckt und daher mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Zudem führe die Differenzierung zu einem unzumutbaren Aufwand bei der Abschussplanerfüllung. Es gelte, andere Schonzeiten zu berücksichtigen, außerdem sei die Unterscheidung zwischen Wildkälbern und Schmaltieren im wesentlichen Zeitraum der Erlegung, November bis Dezember, kaum möglich. Auch seien gut veranlagte Hirschkälber von Rothirschen der Altersklasse III nicht zu unterscheiden.

Der Beklagte nehme diese Differenzierung seit 2007 bei jedem Abschussplan vor und berücksichtige damit nicht die individuellen Gegebenheiten und forstwirtschaftlichen Belange im Rahmen der Bundeswaldstrategie in den einzelnen Jagdbezirken. Dies habe zur Folge, dass im Bezirk des Beklagten seit Jahren die Abschusspläne regelmäßig nicht erfüllt worden seien.

Nachdem das Jagdjahr, für das die streitgegenständlichen Festsetzungen erfolgten, zum 31. März 2021 abgelaufen war, hat die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung umgestellt und beantragt nunmehr,

festzustellen, dass die Bescheide des Beklagten vom 30. April 2020 rechtswidrig waren, soweit innerhalb der Jugendklasse des Rotwilds eine Altersdifferenzierung vorgenommen wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Binnendifferenzierung erfolge in allen seinen Jagdbezirken und auf Grundlage seiner eigenen Bejagungsrichtlinien aus 2007, wonach für Kälber (jünger als 1 Jahr) eine eigene Festsetzung erfolge. Die Ausführungsbestimmungen zum NJagdG seien dagegen nur Empfehlungen. Für eine optimale Entwicklung des Rotwildbestandes solle eine Entnahme in der Jugendklasse bereits im ersten Lebensjahr erfolgen. Dies würde es auch möglich machen, die Zuwachsträger, d.h. die Alttiere zu bejagen. Der Aufwand bei der Planerfüllung sei nicht unzumutbar, vielmehr müsse ein sachkundiger Jäger in der Lage sein, das Alter richtig zu bestimmen. Außerdem sei eine Differenzierung vor dem Abschuss nur dann erforderlich, wenn der Abschussplan bei einer der Klassen schon erfüllt sei. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass dies regelhaft nicht der Fall sei. Was die forstwirtschaftlichen Belange angehe, seien diese durch die Gesamtzahl der freigegebenen Tiere berücksichtigt worden, es habe eine großzügige Freigabe zur Verhinderung von Verbissschäden gegeben. Weshalb eine Binnendifferenzierung negative Auswirkungen auf die Forstwirtschaft habe, könne er nicht erkennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

Sie ist insbesondere als Fortsetzungsfeststellungsklage nach §113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (analog) statthaft. Dabei kann es, da § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in beiden Konstellationen anwendbar ist, im Ergebnis dahinstehen, ob die Klage ursprünglich als Anfechtungsklage gegen die gegenüber dem eingereichten Abschussplan abweichende differenzierte Festsetzung oder als Verpflichtungsklage, gerichtet auf Festsetzung von Abschusszahlen für die gesamte Jugendklasse, als statthaft anzusehen gewesen wäre.

Die streitgegenständlichen Festsetzungen haben sich mit dem Ende des Jagdjahres, für die sie getroffen wurden, durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) und sind damit unwirksam geworden. Beantragt werden kann damit nur die Feststellung, dass die Festsetzungen rechtswidrig gewesen sind (Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Voraussetzung hierfür ist ein berechtigtes Interesse an der Feststellung.

Da die absolute Höhe der Abschussfreigaben nicht in Streit steht, ergibt sich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschussplanfestsetzungen nicht bereits aus dem Umstand, dass der Abschussplan eines jeden Jagdjahres auch für die absolute zahlenmäßige Abschussplanung der folgenden Jahre Bedeutung hat (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 10.8.1989 - 3 L 21/89 -, juris Rn. 36).

Das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich jedoch daraus, dass das Jagdausübungsrecht der Klägerin mit der von den Anträgen abweichenden Altersklasseneinteilung auch in künftigen Jagdjahren in gleicher Weise eingeschränkt zu werden droht. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann unter anderem darin bestehen, durch die erstrebte Feststellung der Wiederholung eines Verwaltungsakts vorzubeugen. Dabei ist nicht der Nachweis erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen wie vor Erledigung des Verwaltungsakts. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.10.1999 - 1 B 37/99 -, juris Rn. 5). Nach diesen Maßstäben ist hier ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung zu bejahen. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte auch zukünftig die streitgegenständliche Altersklassendifferenzierung vornehmen wird. Zwar haben sich mit der Änderung des NJagdG zum 21. Mai 2022 (Gesetz vom 17. Mai 2022, GVBl. 2022, S. 315) formell die rechtlichen Rahmenbedingungen der Abschussplanfestsetzung geändert. Diese Änderungen sind inhaltlich jedoch nicht als wesentlich anzusehen, eine Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zukünftigen Verwaltungshandelns ist anhand der maßgeblichen rechtlichen Regelungen in gleicher Weise möglich (vgl. auch BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 -, juris Rn. 21).

Die Kammer kann in der 2022 erfolgten Änderung des NJagdG keine maßgebliche Veränderung der rechtlichen Grundlagen erkennen, aufgrund derer ein Abschussplan festgesetzt werden kann.

In der bis 20. Mai 2022 geltenden Fassung lautete die für die Festsetzung von Abschussplänen maßgebliche Landesvorschrift wie folgt:

§ 25 NJagdG a.F. - Abschussplan

(1) In dem Abschussplan nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes ist anzugeben, von welchen Wildarten wie viele Tiere und welchen Geschlechts, unterschieden nach Altersklassen,im Jagdbezirk im nächsten Jagdjahr erlegt werden sollen. [..]

(3) Liegt der Jagdbehörde bis zu dem vorgeschriebenen Termin kein ordnungsmäßiger Abschussplan vor oder fehlt ein gesetzlich vorgeschriebenes Einvernehmen, so setzt die Jagdbehörde den Abschussplan für den Jagdbezirk fest.

Danach war ein Abschussplan für das nächste Jagdjahr getrennt nach Tierarten und differenziert nach Geschlecht und Altersklassen vorzulegen. Die Jagdbehörde bestätigte den ihr fristgerecht vorgelegten und ordnungsgemäßen Abschussplan. Waren inhaltliche Änderungen notwendig, weil kein ordnungsgemäßer Abschussplan vorgelegt wurde, fehlte das Einvernehmen des Verpächters oder erfolgte keine fristgerechte Vorlage, wurde der Plan durch die Jagdbehörde festgesetzt (vgl. Pardey/Blume, Nds. Jagdgesetz, Stand: August 2020, § 25 NJagdG, Anm. 3, S. 150b). Der Jagdbehörde kam insoweit auch ein inhaltliches Prüfungsrecht zu, der Begriff der „Ordnungsmäßigkeit“ beschränkte sich nicht auf die Einhaltung des Verfahrens bei der Aufstellung des Abschussplans.

Nunmehr durch Gesetz vom 17. Mai 2022 (Nds. GVBl. S. 135) lautet die Vorschrift:

§ 25 NJagdG n.F. - Abschussplan und Streckenliste

(1) In dem Abschussplan nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes ist anzugeben,

1. bei Rehwild, wie viele Tiere welchen Geschlechts und

2. bei den übrigen Schalenwildarten mit Ausnahme von Schwarzwild, von welchen Wildartenwie viele Tiere welchen Geschlechts, unterschieden nach Altersklassen,

im Jagdbezirk in den nächsten drei Jagdjahren erlegt werden sollen. […]

(3) Die Jagdbehörde entscheidet im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat durch Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans. Eine Festsetzung erfolgt, wenn der Jagdbehörde ein Abschussplan nicht frist- oder formgerecht übermittelt wurde, die Abschüsse abweichend von dem übermittelten Abschussplan geregelt werden sollen oder das nach Absatz 2 Satz 1 erforderliche Einvernehmen nicht erteilt worden ist. […]

Nach Auffassung der Kammer hat sich hierdurch das Ausmaß, in dem die Jagdbehörde von den beantragten Abschussplänen abweichen kann, nicht entscheidungserheblich geändert. Der Umstand, dass der Abschussplan künftig generell für drei Jagdjahre aufzustellen ist, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Dass nunmehr ausdrücklich jegliche Abschusspläne einer abändernden Festsetzung zugänglich sind, ist demgegenüber keine Änderung, sondern nach dem oben Dargelegten eine Klarstellung (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, LT-Drs 18/11202, S. 20 ff., und Schriftlicher Bericht, LT-Drs. 18/11242 S. 21: „Die ergänzte zweite Variante stellt klar, dass eine Festsetzung auch dann erfolgt, wenn die Jagdbehörde von einem ordnungsgemäß und fristgerecht übermittelten Abschussplan inhaltlich abweichen will“).

2. Die Klage ist aber unbegründet.

Die nicht beantragte differenzierte Festsetzung innerhalb der Jugendklasse des Rotwilds ist rechtmäßig gewesen und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Die Festsetzung entsprach den Anforderungen des § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BJagdG, § 25 Abs. 3 NJagdG a.F.

Der Abschuss des Wildes ist gemäß § 21 Abs. 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Insoweit war gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NJagdG a.F. anzugeben, von welchen Wildarten wie viele Tiere und welchen Geschlechts, unterschieden nach Altersklassen, im Jagdbezirk im nächsten Jagdjahr erlegt werden sollen. Auch § 25 Abs. 3 NJagdG n.F. stellt lediglich das Erfordernis einer Unterteilung nach Wildarten sowie einer Differenzierung nach Geschlecht und Altersklassen dar. Vorgaben dazu, nach welchen Altersstufen diese Altersklassen zu bestimmen sind, sind in der gesetzlichen Regelung nicht enthalten.

Prüfungsmaßstab sind daher die in § 21 Abs. 1 BJagdG dargelegten Belange einerseits und das berechtigte Interessen des Jagdausübungsberechtigten andererseits, welches sich jedoch auf die praktische Handhabbarkeit der Altersklassendifferenzierung beschränkt. Anhaltspunkte dafür, dass die Unterteilung der Abschusszahlen für Rotwild in vier (männlich) bzw. drei (weiblich) Altersklassen diesen Belangen vorliegend nicht gerecht wird, sind nicht ersichtlich.

Bei der jagdbehördlichen Entscheidung über den Abschussplan für das konkrete Jagdrevier nach § 21 BJagdG, § 25 NJagdG hat die Behörde die nach dem Gesetz für die Wildbestandssteuerung relevanten öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Belange zu gewichten sowie den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten. Eine individuelle Betrachtung des einzelnen Jagdbezirks ist erforderlich. Es ist ein Interessenausgleich zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen, naturschützerischen und landespflegerischen Intentionen andererseits vorzunehmen. Nachdem der gesetzlichen Vorgabe in allen Jagdrevieren Rechnung zu tragen ist, bedarf es angesichts der Heterogenität der natürlichen Verhältnisse (naturräumliche Strukturen und insbesondere Wildarten und -bestände) hierzu praktikabler und entsprechend flexibler Methoden und Verfahren. Im Rahmen der Überprüfung kann das Gericht ebenso wie die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt feststellen und würdigen. Insofern liegt eine normanwendende Tätigkeit vor, die vom Gericht ebenso wie von der Behörde vollzogen werden kann und muss. Den Jagdbehörden steht bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse nach § 21 BJagdG, § 25 NJagdG trotz des Begriffes „Abschussplan“ kein planerisches Ermessen zu (Bay. VGH, B. v. 20.11.2018 - 19 ZB 17.1601 -, juris Rn. 13). Es kann dahinstehen, ob der Behörde bei der Abwägung der in § 21 Abs. 1 BJagdG genannten Belange eine Einschätzungsprärogative zusteht (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25 f.). Jedenfalls ist die Abschusszahl nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen. Das Gericht kann die in den Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – daraufhin überprüfen, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet hat, ob sie die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (Bay. VGH, B.v. 20.11.2018 - 19 ZB 17.1601 -, juris Rn. 13; vgl. auch OVG Lüneburg, U. v. 10.8.1989 - 3 L 21/89 -, juris Rn. 40: Planungsentscheidung unter Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe).

Da die vorliegend allein im Streit stehende Differenzierung der Altersklassen in der Abschussregelung dazu beitragen soll, dass ein gesunder Wildbestand erhalten bleibt – ein berücksichtigungsfähiger Belang gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BJagdG – und die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten zum gesunden Rotwildbestand überzeugend und unwidersprochen sind, bestehen keine rechtlichen Bedenken an der Differenzierung von vier Altersklassen bei männlichem Rotwild und drei Altersklassen bei weiblichem Rotwild.

Der Beklagte durfte insbesondere von den hierzu geltenden Ausführungsbestimmungen des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums zum Niedersächsischen Jagdgesetz (RdErl. d. ML v. 11.01.2005 – 407-65001-244, Nds. MBl. S. 152) – AB-NJagdG – gegenüber der Klägerin abweichen. Die Klägerin kann sich jedenfalls aufgrund der fehlenden Außenwirkung gegenüber dem Beklagten nicht mit Erfolg auf diese Bestimmungen berufen. In Anlage 3 zu Nummer 25.1.3 AB-NJagdG sind die drei Altersklassen Jugendklasse, Mittlere Altersklasse und Obere Altersklasse unterschieden. Aus Ziffer 25.1.2 AB-NJagdG ergibt sich, dass beim männlichen Rotwild als Jugendklasse Hirschkälber und bis zu 3-jährige Hirsche anzusehen seien, die mittlere Altersklasse umfasst 4- bis 10-jährige Tiere und der oberen Altersklasse sind alle Tiere ab 11 Jahren zuzuordnen. Bei den weiblichen Tieren sollen Kälber und Schmaltiere der Jugendklasse zuzurechnen sein, Tiere ab 2 Jahren zählen zur mittleren und oberen Altersklasse, ohne dass insoweit differenziert wird. Die im Erlasswege ergangenen Ausführungsbestimmungen zum NJagdG stellen Verwaltungsvorschriften dar und sind daher nicht allgemeinverbindlich, d.h. ihnen kommt keine Außenwirkung zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.5.1988 - 1 BvR 520/83 -, juris Rn. 37; Pardey/Blume, a.a.O., § 25 NJagdG, Anm. 1, S. 150a). Es handelt sich auch nicht um einen Fall normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 – 7 C 15.98 -, juris Rn. 9), denen aufgrund ihrer Funktion eine Außenwirkung zugesprochen wird. Ob die oberste Jagdbehörde mangels einer entsprechenden Verordnungsermächtigung im Gesetz keine Möglichkeit hat, ihre Vorstellungen eines Abschussplanes allgemeinverbindlich zu machen (so Pardey/Blume, a.a.O., § 25 NJagdG, Anm. 1, S. 150a), kann hier dahinstehen. Die Klägerin kann sich auch nicht unter dem Gesicht der Selbstbindung der Verwaltung auf die Einhaltung der AB-NJagdG gegenüber dem Beklagten berufen, da dieser für seinen Zuständigkeitsbezirk gerade einheitlich von diesem Erlass abweicht.

Soweit die Klägerin rügt, die Differenzierung in drei bzw. vier Altersklassen berücksichtige nicht die individuellen Belange der einzelnen Reviere, bleibt dieser Vortrag vage. Dass in einzelnen Revieren eine abweichende Altersstruktur des Rotwildes besteht, die eine Abweichung von der vom Beklagten als vorteilhaft angesehenen Bejagung nach den von dem Beklagten angewandten Altersklassen erfordert, hat die Klägerin nicht dargestellt. Inwieweit andere öffentliche Belange als ein gesunder Wildbestand eine Abweichung rechtfertigen, ist nicht ersichtlich.

Forstliche Belange werden durch die von dem Beklagte vorgenommene Altersklasseneinteilung erkennbar nicht berührt, da die Gesamthöhe der Abschüsse in der Jugendklasse von der Klägerin nicht verändert wird. Soweit vorliegend die Gesamthöhe der Abschussfreigaben durch die Festsetzung reduziert wurde, ist dies von der Klägerin nicht angefochten und somit nicht Streitgegenstand. Die Populationsdichte des Rotwilds als Hindernis der Waldverjüngung wird durch die Höhe der Abschussfreigaben, nicht durch die Art des Abschusses innerhalb der Jugendklasse reguliert. Andere Erkenntnisse kann die Kammer aus der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierten Bundeswaldstrategie 2050 nicht entnehmen.

Die praktische Durchführbarkeit der Altersklassendifferenzierung in vier bzw. drei Altersklassen erscheint der Kammer nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ohne bedeutsamen Aufwand möglich. Das Unterscheiden von Hirsch- bzw. Wildkälbern und älteren Tieren ist leichter möglich als andere Altersabstufungen (etwa zwischen mittlerer und oberer Altersklasse). Dadurch, dass Rotwild in größeren Verbänden auftritt, dürfte eine Selektion innerhalb der Jugendklasse auch nicht mit übermäßigem jagdlichen Aufwand verbunden sein. Regelmäßig dürften in den jeweiligen Kahlwildrudeln Hirschkälber, Wildkälber und Schmaltiere vorkommen. Zudem hat der Beklagte überzeugend darauf hingewiesen, dass nur in dem Fall, dass bereits der Abschuss für eine der Jugendklassen erfüllt ist, eine verlässliche Zuordnung vor dem Erlegen erforderlich ist. Die Binnendifferenzierung wird erst dann relevant, wenn der Abschuss in einer der Jugendklassen erfüllt wurde. Nach Auskunft der Beteiligten ist dies nicht die Regel.

Dass unterschiedliche Jagdzeiten für Kälber und Schmaltiere/Schmalspießer bestehen, kann die Kammer nicht als praktisches Hindernis bei der Abschussplanerfüllung erkennen. Der Klägervertreter konnte den Kammermitgliedern nicht nachvollziehbar darstellen, weshalb die besondere Jagdzeit für Schmaltiere/-spießer vom 1. April bis 15. Mai (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b) DVO-NJagdG) zu einer Herausforderung für die Abschusserfüllung nach den festgesetzten Altersklassen führt.

Damit durfte der Beklagte jeglichen Abschussplan, der diese weitergehende Altersklassenbinnendifferenzierung nicht vornimmt, als nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 25 Abs. 3 NJagdG (a.F.) ansehen und eine eigene Festsetzung vornehmen. Dies gilt entsprechend auch für die Entscheidungen über die Festsetzung der Abschusspläne nach § 25 Abs. 3 NJagdG n.F.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.