Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.06.1993, Az.: 5 U 154/92

Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung; Beweislastverteilung im Rahmen der Arzthaftung; Fehlerhafte Einpassung eines Implantats; Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflichten; Verpflichtung des Arztes zur umfangsreichen Aufklärung über Behandlungsalternativen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.06.1993
Aktenzeichen
5 U 154/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 23027
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1993:0622.5U154.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 27.11.1992 - AZ: 8 O 2790/91

In dem Rechtsstreit ...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 1993
unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. November 1992 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,- DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch und stützt dies auf eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung und unzureichende Aufklärung.

2

Die Klägerin trägt seit 1970/71 eine Oberkieferprothese. Aufgrund einer Veränderung des Oberkiefers im Laufe der Jahre wurde zunächst ein sogenannter "Schlotterkamm" entfernt. Als es 1977 erneut zu einem Kieferkammschwund kam, wurde eine Vestibulumplastik (Mundvorhofplastik) hergestellt. 1984 begab sich die Klägerin erstmals wegen erheblicher Probleme mit der vom vorbehandelnden Zahnarzt gefertigten Oberkieferprothese in die Behandlung des Beklagten. Sie litt nach wie vor unter einem starken Oberkieferkammschwund. Der Beklagte fertigte eine neue totale Oberkieferprothese an, bei der sich ebenfalls funktionelle Schwierigkeiten einstellten. Darauf versorgte er die Klägerin am 1.7.1986 mit einem subperiostalen Implantat und setzte am 22.7.1986 eine neue Prothese ein. Weil auch diese nicht richtig saß, paßte er nochmals - ohne zusätzliche Berechnung - eine neue Prothese ein. In erster Instanz war unstreitig, daß er für diese Behandlung keine neuen Röntgenaufnahmen fertigte, sondern auf die aus dem Jahre 1984 zurückgriff. Nach weiteren Behandlungen in den Jahren 1987 und 1988 begab sich die Klägerin schließlich in die Behandlung des Zahnarztes Dr. B..., der sie zur Entfernung des Implantats an die M... H... H... überwies, nachdem sich der Oberkiefer entzündet hatte. Im Zuge der weiteren Behandlung arbeitete Dr. B... die Prothese durch totale direkte Unterfütterung mit funktioneller Randgestaltung um. Nach Abheilung der Wunde fertigte er eine neue Prothese an, die wegen der ungünstigen Kieferverhältnisse mehrfach korrigiert und unterfüttert werden mußte.

3

Die Klägerin hat behauptet, die Versorgung mit einem Implantat sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Vielmehr sei eine Augmentation (Kiefererhöhung mit körpereigenen oder -fremden Knochen oder künstlichem Material) angezeigt gewesen. Der Beklagte hätte sie sogleich an die MHH überweisen müssen. Damals habe der Kiefer noch durch ein Implantat körpereigener Knochen gerettet werden können, was heute nicht mehr möglich bzw. zu risikoreich sei. Fehlerhaft sei es auch gewesen, die Behandlung auf der Grundlage alter Röntgenaufnahmen durchzuführen. Die Prothese habe nicht richtig gepaßt, was seinen Grund u.a. darin gehabt habe, daß der Zeitraum zwischen der Aufklappung und dem Einpassen der Prothese zu lang gewesen sei und der Beklagte keinen Unterkieferabdruck genommen habe. Sie habe die ganze Zeit hindurch Schmerzen gehabt und habe Beschwerden beim Kauen gehabt. Sie könne auch jetzt und auf Dauer keine feste Nahrung zu sich nehmen. Zudem sei sie vom Beklagten, auf dessen Wunsch ein "ausdrückliches" Aufklärungsgespräch stattgefunden habe, über den Umfang des Eingriffs, über Komplikationen und über Behandlungsalternativen nicht aufgeklärt worden. Der Beklagte habe ihr ausschließlich das Implantat empfohlen und es ihr geradezu aufgedrängt.

4

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit dem 4.9.1991 zu zahlen

5

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Der Beklagte hat einen Behandlungsfehler in Abrede genommen. Er habe mit der Klägerin, die - unbestritten - bereits über angelesene Vorkenntnisse verfügt habe, unterschiedliche Methoden besprochen, ihr dann aber zu dem Implantat geraten, das auch allein erfolgversprechend gewesen sei. Die Klägerin habe einen größeren Eingriff in den Kieferknochen auf Grund der Erfahrungen mit der Vestibulumplastik kategorisch abgelehnt. Die Verwendung der alten Röntgenaufnahme sei fachlich richtig gewesen, weil weitere Knochenveränderungen seit 1984 nicht mehr hätten stattgefunden haben können. Die von der Klägerin geschilderten Mißempfindungen seien schicksalhaft, weil die äußerst ungünstigen Kieferverhältnisse keine voll funktionsfähige und beschwerdefreie Versorgung ermöglicht hätten. Die spätere Entfernung des Implantats sei erforderlich geworden, weil für die folgenden drei Jahre nach der Behandlung von einem dramatischen Knochenschwund auszugehen sei. Er müsse annehmen, daß die Klägerin auf Grund einer anderen Erkrankung mit Kortikosteroiden behandelt worden sei, was die maßgebliche Ursache für die Osteoporose gewesen sei. Im übrigen sei die Klägerin umfassend aufgeklärt worden, auch darüber, daß die Versorgung angesichts der Kieferverhältnisse nur ein Versuch der Verbesserung der Kaufunktion sei, aber keine Garantie übernommen werden könne, wie lange die Versorgung halte.

7

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen K... und dessen mündlicher Anhörung abgewiesen. Es hat dazu im wesentlichen ausgeführt:

Die durchgeführte Implantatversorgung sei als eine bewährte Behandlungsmethode indiziert gewesen, zu der die Augmentation keine gleichwertige Alternative darstelle. Ein Behandlungsfehler sei nicht festzustellen. Ob das Implantat exakt am Knochen angelegen habe, was Grundvoraussetzung einer sachgerechten Applikation sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Dies habe zwar durch eine überkippte A.p.-Aufnahme festgestellt werden können. Eine derartige röntgenologische Kontrolle habe aber ebensowenig wie eine Fotodokumentation zum zahnärztlichen Standard gehört. Die Klägerin habe nicht behauptet, daß eine klinische Kontrolle des paßgerechten Sitzes mittels einer Sonde nicht durchgeführt worden sei. Die am Implantat festgestellten Schleifspuren könnten dem Beklagten nicht zugeordnet werden, weil diese auch bei den späteren Behandlungen entstanden sein könnten. Die 1989 festgestellte Lockerung des Implantats lasse nicht den Schluß auf einen nicht paßgerechten Sitz im Jahre 1986 zu. Die unterbliebene Anfertigung einer neuen Röntgenaufnahme sei nicht fehlerhaft gewesen. Der Beklagte müsse ferner einen Unterkieferabdruck genommen haben, weil sonst die Anfertigung einer Oberkieferprothese durch den Zahntechniker gar nicht möglich gewesen wäre. Eine Aufklärungspflichtverletzung liege nicht vor, weil die Augmentation keine echte Behandlungsalternative gewesen sei.

8

Gegen das ihr am 4.12.1992 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.12.1992 Berufung eingelegt und diese am 18.2.1993 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

9

Die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und greift die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Sie trägt dazu vor, für die Behandlung sei eine neue Röntgenaufnahme erforderlich gewesen, weil der athrophische Prozeß auch zwischen 1984 und 1986 stattgefunden habe, so wie dieser auch jetzt noch fortschreite, so daß die Prothese vierteljährlich neu unterfüttert werden müsse. Ferner sei die röntgenologische Kontrolle bei einem solchen Eingriff, der keine zahnärztliche Standardmaßnahme sei, erforderlich gewesen. Der Beklagte habe das Implantat nachgeschliffen, weil es nicht paßgenau gesessen habe. Schließlich sei auch ein Unterkieferabdruck nicht genommen worden.

10

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit dem 4.9.1991 zu zahlen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt nunmehr ergänzend vor, es sei nicht unstreitig, daß der Beklagte präoperativ keine Röntgenaufnahmen gefertigt habe. Ob die Schleifspuren an dem Implantat von ihm stammten, könne er nicht mehr sagen. Möglicherweise habe der Zahntechniker daran geschliffen. Die Klägerin sei auf unterschiedliche Methoden hingewiesen worden, sie habe aber jeden größeren Eingriff abgelehnt.

Gründe

13

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

14

Der Klägerin steht ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Beklagten weder wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung noch wegen unzureichender Aufklärung über dieolgen und Risiken der Implantation oder über Behandlungsalternativen zu.

15

I.

Die Klägerin hat nicht beweisen können, daß dem Beklagten bei ihrer Versorgung mit einem subperiostalen Implantat ein Behandlungsfehler unterlaufen ist und die Behandlung nicht dem medizinischen Standard entsprach. Inwoweit ist aber die Patientenseite nach ständiger höchstrichterlicher Rechtssprechung beweispflichtig (vgl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., S. 124 mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen).

16

Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens steht fest, daß die Einsetzung eines subperiostalen Implantats medizinisch indiziert war. Diese Versorgung war, nachdem die Entfernung des Schlotterkamms und der Operation zur Vestibulumplastik zu keinem besseren Sitz der Prothese geführt hatten, aufgrund der dramatischen Schrumpfung des Kieferknochens eine grundsätzlich geeignete Methode, bei der Klägerin eine Verbesserung der Kaufunktionen herbeizuführen.

17

Es war nicht fehlerhaft, daß der Beklagte auf eine Röntgenaufnahme aus dem Jahre 1984 zurückgegriffen hat. Denn die Röntgenaufnahme dient nur dazu, die Indikation für die Versorgung mit einem Implantat, also die Kieferknochenatrophie, festzustellen. Sie ist hingegen nicht geeignet, die richtige Anpassung des Implantatgerüsts auf den Kieferknochen zu unterstützen, weil dazu eine zweidimensionale Abbildung nicht ausreicht. Die paßgenaue Erstellung des Gerüsts erfolgt vielmehr auf der Grundlage des Kieferknochenabdrucks.

18

Es kann nicht festgestellt werden, daß das Implantatgerüst nicht paßgenau auf dem Knochen aufgesessen hat. Die Röntgenaufnahme aus dem Jahre 1988 ist zum Beweis dessen nicht geeignet, weil der Kieferknochen in der Folgezeit weiter atrophiert sein kann.

19

Die vom Sachverständigen dargelegten Behandlungsumstände, die eine Paßungenauigkeit als möglich erscheinen lassen oder ihre Entstehung in der Folgezeit begünstigt haben können, belegen keine vom medizinischen Standard abweichende Behandlung durch den Beklagten.

20

Zwar hat der Sachverständige, der weltweit als Implantologe tätig ist, es für "unbedingt wichtig" gehalten, das Implantatgerüst auf dem Jochbogen abzustützen, um ein Absinken durch den beim Kauen entstehenden erheblichen Druck zu verhindern. Es gebe aber auch Arbeiten, die den Jochbogen nicht miteinbezogen hätten und gleichwohl auch dann lange gehalten hätten, wenn das Implantat nicht im Oberkiefer verschraubt worden sei, was er im übrigen wegen der Gefahr einer Osteolyse für nicht sachgerecht halte. Dies belegt, daß die unterbliebene Abstützung auf dem Jochbogen dem medizinischen Standard nicht widerspricht, zumal der Beklagte eine medizinisch vertretbare Begründung dafür angegeben hat, weshalb er eine Aufklappung in diesem Bereich nicht vorgenommen hat. Denn das Gewebe war bei der Klägerin im Bereich des Jochbogens aufgrund der vorhergehenden Operationen erheblich vernarbt, was eine erneute Eröffnung zwar für einen erfahrenen Chirurgen nicht unmöglich macht, aber jedenfalls als problematisch anzusehen ist und deshalb von vielen Zahnärzten nicht durchgeführt wird. Eine Überweisung der Klägerin an eine Universitätszahnklinik kam aber nicht in Betracht, weil dort solche Implantationen nicht vorgenommen werden.

21

Abgesehen von einer Einbeziehung des Jochbogens spricht die Form des Implantatgerüsts dafür, daß es im Bereich der Gesichtsknochen richtig abgestützt war, so daß sich die Anfertigung insgesamt nicht als feststellbar fehlerhaft erweist.

22

Ebensowenig läßt sich aus den Schleifspuren auf der am Knochen anliegenden Seite des Gerüsts ein Behandlungsfehler herleiten. Zwar stellte auch dies ein Risiko für den paßgenauen Sitz des Implantats auf dem Kieferknochen dar, weil sich dadurch Hohlräume bilden können. Jedoch steht fest, daß es bei Verwendung von Titan fast unmöglich ist, einen ganz sauberen Guß hinzubekommen. Der Beklagte hat dazu ausgeführt, meistens seien in dem Material sehr kleine Bläschen vorhanden, die weggeschliffen werden müßten. Als Alternative, dies zu vermeiden, hat der Sachverständige lediglich darauf hingewiesen, daß ein anderes Material, nämlich Vitallium 2000, besser geeignet sei. Die Verwendung von Titan ist aber nicht arztfehlerhaft, weil es in Dentallabors üblicherweise verwandt wird und deshalb dem medizinischen Standard entspricht. Es kann deshalb dahinstehen, wo die Schleifspuren entstanden sind.

23

Nicht arztfehlerhaft war es ferner, daß der Beklagte nicht durch eine Röntgenaufnahme die Paßgenauigkeit des Implantats kontrolliert hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß eine röntgenologische Kontrolle nicht zum medizinischen Standard gehört. Es bleibe dem Zahnarzt zur Überprüfung als wichtigste Maßnahme der klinische Befund, indem er mit einer Sonde das Implantat umfahre und sich so Gewißheit verschaffe, ob es exakt anliege oder nicht. Daraus ist zu entnehmen, daß diese Methode ein taugliches Mittel zur Kontrolle ist und eine zusätzliche röntgenologische Kontrolle nur den nachträglichen Beweis ermöglicht. Nur deshalb hat der Sachverständige diese Maßnahme als wünschenswert bezeichnet, wie er bei seiner mündlichen Anhörung bestätigt hat. Die Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen bestimmt sich aber ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten und nicht nach Beweismöglichkeiten für einen späteren Prozeß. Soweit die Klägerin sich für ihre gegenteilige Behauptung auf das "Zeugnis" des Dr. Dr. B... beruft, ist dem nicht nachzugehen, weil Dr. Dr. B... nach den Inhalt des Beweisantritts nicht eigene Beobachtungen bekunden, sondern gutachterlich tätig werden soll. Zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht aber kein Anlaß, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, daß dieser Sachverständige über überlegene Forschungsmittel zur Beantwortung dieser Frage verfügt.

24

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte vorgetragen, den Sitz des Implantats mittels einer Sonde kontrolliert zu haben. Für ihre gegenteilige Behauptung hat die Klägerin keinen Beweis angetreten. Einer Dokumentation dieser Kontrollmaßnahme bedurfte es nicht, weil sie selbstverständlich ist. Auch der Sachverständige ist ohne weiteres davon ausgegangen, daß der Beklagte diese Kontrolle durchgeführt habe.

25

Die weitere Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe keinen Unterkieferabdruck genommen, weshalb die Oberkieferprothese nicht kunstgerecht angefertigt worden sei, ist durch das Gutachten widerlegt. Danach ist einem Zahntechniker die Anfertigung einer Oberkieferprothese ohne einen Unterkieferabdruck nicht möglich. Dann aber muß ihm der Abdruck vorgelegen haben.

26

II.

Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch auch nicht aus einer unzureichenden Aufklärung herleiten.

27

Sie stützt die Verletzung der Aufklärungspflicht im wesentlichen darauf, der Beklagte habe sie nicht darüber aufgeklärt, daß als Behandlungsalternative eine Augmentation in Betracht gekommen sei. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte, wie er behauptet, mit der Klägerin eine solche Möglichkeit besprochen hat, weil eine Aufklärung darüber nicht erforderlich war. Grundsätzlich ist die Wahl der Behandlungsmethode allein Sache des Arztes. Über Behandlungsalternativen ist nur dann aufzuklären, wenn die Methode des Arztes nicht die der Wahl ist oder konkret eine echte Alternative mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken besteht. Auf Grund des Sachverständigengutachtens steht fest, daß das auf die Augmentation nicht zutrifft. Danach sind die Erfolgschancen bei Versorgung mit einem Implantat wesentlich höher als bei Durchführung einer Augmentation. Darüberhinaus brauchte der Beklagte die Klägerin über diese wesentlich weitergehende Operation auch deshalb nicht aufzuklären, weil sie einen Eingriff in die Knochensubstanz strikt verweigert hatte. Sie ist dieser bereits in erster Instanz aufgestellten Behauptung des Beklagten erst mit Schriftsatz vom 7.6.1993 entgegengetreten. Angesichts dessen, daß sie in der Klageschrift ausgeführt hat, sie habe den Beklagten ausdrücklich befragt, ob er denn "an den Knochen" müsse, sie habe bemerkt, daß der Beklagte in ihrem Gaumen gebohrt habe, was sie aus Angst vor unabsehbaren Folgen nicht gewollt habe, reichte ein schlichtes Bestreiten der dem entgegenstehenden Behauptung des Beklagten aber nicht aus.

28

Im übrigen hat die Klägerin der Behauptung des Arztes, sie sei sowohl über die Art des Eingriffs als auch über einen möglichen Mißerfolg aufgeklärt worden, nicht substantiiert widersprochen. Sie hat vorgetragen, das Gespräch sei nur kurz gewesen und habe sich im wesentlichen auf die Kosten der Behandlung beschränkt. Damit gibt sie zu erkennen, daß jedenfalls auch über anderes gesprochen worden ist, ohne darzulegen, um welche Inhalte es sich dabei gehandelt hat. Da sie der Behauptung des Beklagten, sie hätte sich durch populärwissenschaftliche Literatur bereits mit dem Implantat vertraut gemacht, ihr andererseits aus der Vielzahl der bisherigen Behandlungen des Oberkiefers und der mehrfachen Anpassung einer Prothese das Ziel der Behandlung nicht unbekannt gewesen sein kann, ist ihre allgemein gehaltene Behauptung, sie sei über den Umfang der Operation und über die Größe des Operationsfeldes nicht aufgeklärt worden, nicht nachvollziehbar.

29

Ebensowenig hat sie ausreichend substantiiert vorgetragen, daß sie über ein mögliches Mißerfolgsrisiko nicht aufgeklärt worden sei. Angesichts der komplizierten Kieferverhältnisse der Klägerin und der vom Sachverständigen dargelegten Risiken, die den dauerhaften Erfolg der vom Beklagten vorgenommenen operativen Versorgung in Frage stellen konnten, erweist sich die Auffassung der Klägerin als richtig, daß der Beklagte sie darüber aufklären mußte, daß die Implantation des subperiostalen Implantats nur ein Versuch zur Verbesserung der Kaufunktion sein konnte und ein Erfolg nicht zu garantieren war. Denn nur auf dieser Grundlage konnte die Klägerin entscheiden, ob sie die mit der Operation verbundenen Beeinträchtigungen und möglichen Folgen, nämlich die spätere operative Entfernung des Implantats, auf sich nehmen wollte. Dieser ihm obliegenden Aufklärungspflicht hat der Beklagte aber nach seinem Vortrag genügt. Danach hat er der Klägerin erläutert, daß es eine absolute Meinung zu dieser Methode nicht gebe, daß sie aber zur Verbesserung der Kaufunktion geeignet sei; er habe sie über die anatomischen Verhältnisse und die Technik im einzelnen informiert und könne keine Garantie geben, wie lange die Versorgung halte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er diese Ausführungen dahin ergänzt, daß er der durch die zahlreichen erfolglosen Behandlungen beeinträchtigten Klägerin habe helfen wollen und ihr deshalb das subperiostale Implantat als Versuch der Verbesserung der Kaufunktion empfohlen habe. Dem ist die Klägerin nicht ausdrücklich entgegengetreten, was vor dem Hintergrund ihres eigenen Vortrags, daß ein Aufklärungsgespräch auf Wunsch des Beklagten (!) stattgefunden hat, erforderlich gewesen wäre. Stattdessen hat sie - abgesehen von der unterbliebenen Aufklärung über die Augmentation, über die eine Aufklärung nicht erforderlich war - lediglich und ausdrücklich auch nur in erster Instanz allgemein behauptet, sie sei nicht über den Umfang und die Größe des Operationsfeldes sowie über Infektionen und andere Komplikationsmöglichkeiten aufgeklärt worden. Dies reicht dem Senat auf der Grundlage, daß ein Aufklärungsgespräch unstreitig stattgefunden hat, als Bestreiten des dezidierten Vortrags des Beklagten nicht aus.

30

Die Nebeneintscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.