Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 15.03.2012, Az.: 7 A 132/10

Einstellung Disziplinarverfahren; missbilligende Äußerung; Weisung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
15.03.2012
Aktenzeichen
7 A 132/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44526
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 7 NDiszG ist unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers so zu verstehen, dass missbilligende Äußerungen in Kombination mit einer Einstellung des Disziplinarverfahrens ausgeschlossen sind.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe

Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und nach § 161 Abs. 2 VwGO über die Verfahrenskosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall entspricht die in der Beschlussformel getroffene Entscheidung billigem Ermessen. Bei einer nicht eindeutigen Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten lediglich summarisch zu berücksichtigen, denn in einem erledigten Verfahren besteht kein Anlass für eine eingehende Prüfung mehr. Die Klage dürfte bei Anwendung dieser Maßstäbe wohl überwiegende Erfolgsaussichten gehabt haben. Daher ist es gerechtfertigt, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trägt.

Die Beklagte leitete am 29.01.2008 ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein und erteilte ihm dann am 27.01.2010 eine dienstliche Weisung, in der sie ihn u. a. darauf aufmerksam machte, dass er als Beamter verpflichtet sei, die dienstlichen Anordnungen seines Vorgesetzen auszuführen. Dies gelte auch, wenn er mit diesen inhaltlich nicht einverstanden sei. Weiterhin müsse sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, dass sein Beruf als Beamter erfordere. Er habe davon abzusehen, Kritiken in Form von Unterstellungen, Vermutungen und Gerüchten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen zu äußeren. Die Beklagte führte auch aus, dass diese Weisung zur Personalakte genommen werde und nach Ablauf von zwei Jahren entfernt werde. Sie gab an, dass diese dienstliche Weisung ergehe, um das eingeleitete Disziplinarverfahren zum Abschluss zu bringen. Mit Verfügung vom 10.03.2010 wurde das Disziplinarverfahren eingestellt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 13.02.2010 gegen die dienstliche Weisung Widerspruch erhoben, denn die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 im Wesentlichen zurückwies. Darauf hat der Kläger am 21.05.2010 Klage erhoben und beantragt, die dienstliche Weisung in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und aus der Personalakte zu entfernen.

Zunächst spricht einiges dafür, dass die Weisung im Verwaltungsrechtsweg angreifbar ist. Beschränken sich nämlich im Einzelfall die potentiellen Wirkungen einer Maßnahme des Dienstherrn nicht auf die Stellung des Beamten als Amtsträger und Glied der Verwaltung, sondern erstrecken sie sich über die Konkretisierung der Gehorsamspflicht hinaus auch auf dessen Stellung als eine dem Dienstherrn mit selbständigen Rechten gegenüberstehende Rechtspersönlichkeit, so ist die Maßnahme im Verwaltungsrechtsweg als Verwaltungsakt angreifbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.1962 - II C 6.60 -, BVerwGE 14, 84). Dies gilt insbesondere für schriftliche Missbilligungen, in denen einem Beamten ein Fehlverhalten vorgeworfen wird und die in die Personalakte aufgenommen werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.1994 - 2 A 10721/94 -, NVwZ-RR 1995, 342; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.10.2008 - 1 K 292/07 -, juris; Gansen: Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 26. Aktualisierung, § 6 Rn. 10).

Vorliegend spricht auch vieles dafür, dass eine missbilligende Äußerung im Sinne des Disziplinarrechts und keine allgemeine beamtenrechtliche Regelung außerhalb des Disziplinarrechts vorliegt. Dies bestimmt sich grundsätzlich anhand der objektiven Aussagekraft der Maßnahme. Dies gilt auch, wenn die getroffene Maßnahme als allgemeine Weisung kennzeichnet wird und der Dienstherr der Ansicht sein sollte, keine schriftliche Missbilligung im Sinne des Disziplinarrechts ausgesprochen zu haben. Für die Bewertung, was ein Dienstherr mit seiner Maßnahme beabsichtigt, ist nämlich nicht dessen Bewertung maßgeblich, sondern entscheidend ist allein ihr sachlicher Inhalt (vgl. VG Gelsenkirchen, aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dürfte die Beklagte durch die vorliegende Weisung die Missbilligung des Verhaltens des Klägers zum Ausdruck gebracht und damit einen Verweis ersetzt haben. Damit bezieht sie sich auf die Stellung des Klägers als eine dem Dienstherrn mit selbständigen Rechten gegenüberstehende Rechtspersönlichkeit und ist als missbilligende Äußerung im Sinne des Disziplinarrechts zu verstehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Weisung. Sie ist zwar mit "dienstlicher Weisung" überschrieben, als Zweck wird aber zugleich ausgeführt, dass mit ihr das eingeleitete Disziplinarverfahren zum Abschluss bebracht werden soll. Die Weisung erging daher letztendlich an Stelle eines disziplinarrechtlichen Verweises. Dass dies auch von der Beklagte bezweckt war, ist z. B. Bl. 154 ff. der Disziplinarakte zu entnehmen. Die Weisung kann vorliegend im Hinblick auf den Ablauf und die Einstellung des Disziplinarverfahrens auch aus der subjektiven Sicht des Klägers und aus der Sicht eines objektiven Dritten nur im Sinne einer missbilligenden Äußerung verstanden werden.

Eine derartige im Sinne einer missbilligenden Äußerung zu verstehende Weisung dürfte vorliegend nicht zulässig sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine missbilligende Äußerung generell unter das Verhängungsverbot für Disziplinarmaßmaßnahmen wegen Zeitablaufs fällt (vgl. zum Meinungstand m. w. N.: BVerwG, Beschluss vom 04.08.2004 - 2 WDB 2/04 -, BVerwGE 121, 336 = NVwZ-RR 2005, 46).  § 7 NDiszG sieht nämlich anders als § 6 Satz 2 BDiszG eine missbilligende Äußerung gerade nicht vor. Daher ist dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass diese Handlungsform ausgeschlossen sein soll. Sie ist als eine inkonsequente Reaktion anzusehen, wenn ein Disziplinarverfahren gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 NDiszG eingestellt wird bzw. dies beabsichtigt wird und dasselbe Verhalten dem Beamten dennoch in Form einer Missbilligung oder in diesem Fall einer diese ersetzende Weisung vorgehalten würde (vgl. Lt-Drucks. 15/1130 S. 49; Gansen: Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 26. Aktualisierung, § 6 Rn. 29).

Das Gericht kann es daher dahingestellt lassen, ob ein unangemessenes dienstliches Verhalten des Klägers vorliegt, das Anlass für die vorliegende Weisung sein könnte.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht orientiert sich an dem Auffangwert. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, vorliegend von diesem abzuweichen. In der Rechtsprechung wird übereinstimmend im Fall einer missbilligenden Äußerung der Auffangwert als Streitwert angesetzt.

Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung wegen grundsätzlicher Bedeutung wird nicht zugelassen.

Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes im Vorverfahren ist nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist zwar nicht die Regel. Sie ist jedoch dann notwendig, wenn vom Standpunkt einer verständigen Partei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, insbesondere der persönlichen Fähigkeiten des Betroffenen und der Schwierigkeit der Sache, eine angemessene Rechtsverfolgung anderweitig nicht möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Verfahren ist dies der Fall, weil u. a. schwierige rechtliche Fragen aus dem Bereich der missbilligenden Äußerung zu beantworten sind.