Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.01.1987, Az.: 3 U 53/86
Erklärung eines Vorbehaltsurteils für vorbehaltlos; Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegenüber der Duldung der Zwangsvollstreckung auf Grund einer Briefgrundschuld; Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs im Zwangsvollstreckungsverfahren; Aufklärungspflichten aus einem Kreditvertrag; Aufklärungspflichten einer Bausparkasse; Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Beratungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.01.1987
- Aktenzeichen
- 3 U 53/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 19740
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1987:0107.3U53.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 17.05.1985 - AZ: 8 O 415/84
Rechtsgrundlagen
- § 249 BGB
- § 278 BGB
- § 488 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1987, 1261-1262 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Duldung der Zwangsvollstreckung
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1986
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten werden das am 27. Dezember 1985 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg geändert und das am 17. Mai 1985 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 35.000 DM.
Tatbestand
Es geht um die Duldung der Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrages in Höhe von 35.000 DM zuzüglich 12 % Zinsen aus einer für die Klägerin von den Beklagten in notarieller Form bestellten Grundschuld, gegen die sich die Beklagten mit Schadensersatzansprüchen wegen angeblich falscher Beratung durch die Klägerin verteidigen. Die Klägerin hat im Urkundenprozeß ein am 17.5.1985 verkündetes Vorbehaltsurteil erwirkt, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird und dessen Tenor u.a. wie folgt lautet:
"Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, wegen eines Teilbetrages von 35.000 DM (in Worten: fünfunddreißigtausend) zuzüglich 12 v.H. Zinsen seit dem 29.8.1981 aus der im Grundbuch von ... Band 219 Blatt 6886 in Abt. III Nr. 2 eingetragenen Briefgrundschuld über 120.000 DM (in Worten: einhundertzwanzigtausend) die Zwangsvollstreckung in das Grundstück Gemarkung ... lfd. Nr. 1 Flur 18 Flurstück 177/6 Hof- und Gebäudefläche, ..., zu dulden.
Den Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten."
Für den Schadensersatzanspruch der Beklagten, über den nunmehr im Nachverfahren gestritten wird, ist folgender Sach- und Streitstand maßgebend:
Die Beklagten besaßen seit 1977 in ... ein für 39.000 DM gekauftes und mit 40.000 DM von der Kreissparkasse ... finanziertes Grundstück, auf dem sie ein Haus bauen wollten (vgl. Kaufvertrag vom 6.10.1977 - Bl. 114 GA -; Darlehensvertrag - Bl. 110 GA -; Darlehensbestätigung der KSK ... vom 11.11.1977 - Bl. 119 GA -). Diese Absicht gaben sie jedoch 1978 auf und interessierten sich stattdessen für ein unbebautes Grundstück in ..., das 80.000 DM kosten sollte. Zur Bezahlung dieses Kaufpreises bemühten sie sich um den Verkauf ihres Grundstücks in ..., was indessen erst am 26.4.1979 zu einem Kaufpreis von 32.320 DM gelang (Kaufvertrag Bl. 123 GA). Am 9.5.1979 erwarben die Beklagten daraufhin das ... Grundstück für 75.000 DM.
Bereits im Februar 1979 hatten sich die Beklagten aufgrund einer Zeitungsanzeige der Klägerin, in der die Beratung über die Finanzierung von Hausbauten und Hauskäufen angeboten wurde, mit dem Bezirksleiter ... von der Bausparkasse ... in Verbindung gesetzt, um die Möglichkeiten eines Hausbaues auf dem zu erwerbenden Grundstück in ... zu erkunden. Unter Darlegung ihrer Kauf- und Bauabsichten sowie ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse - die Beklagten waren bis auf das Darlehen der Kreissparkasse ... in Höhe von 40.000 DM schuldenfrei und verfügten über 12.000 DM Eigenkapital; der Beklagte zu 1) verdiente als Maurer für seine dreiköpfige Familie ca. 1.950 DM netto plus 50 DM Kindergeld - legten sie ... zugleich eine selbst gefertigte Skizze eines Dreifamilienhauses vor, das sie bauen wollten. Ohne daß weitere Einzelheiten - wie Bausumme, Baupläne, Grundstückskauf in ... und Grundstücksverkauf in ... - abgeklärt waren, stellte ... eine überschlägige Berechnung an und riet dann anläßlich eines zweiten Gesprächstermins am 2.3.1979 dazu, zunächst zwei Darlehen über 120.000 DM und 100.000 DM bei der Klägerin aufzunehmen. Daraufhin beantragten die Beklagten anläßlich eines dritten Termins bei Herrn ... mit Darlehensantrag vom 10.3.1979 (Bl. 76 GA) entsprechende Darlehen, und zwar ein ...-Hypothkendarlehen über 120.000 DM (7 % Zinsen, Auszahlung 97 %) und ein ...-Sofort-Darlehen über 100.000 DM (6,25 % Zinsen, Auszahlung 94 %).
Darüber hinaus hatte ihnen ... schon bei dem Gespräch am 2.3.1979 erklärt, Voraussetzung für die Bewilligung der beiden Darlehen sei es, daß 50 %, mindestens aber 40 % des Kaufpreises des zu bebauenden Grundstücks mit Eigenmitteln bezahlt würde. Um dies im Hinblick auf das an sich zu geringe Eigenkapital der Beklagten von nur 12.000 DM zu ermöglichen, schlug ... einen bereits aus früherer Zeit bestehenden Bausparvertrag der Beklagten bei der Bausparkasse ... über 25.000 DM (Guthaben per 31.12.1978: 5.916,79 DM) auf 16.000 DM zu kürzen, was die Beklagten schon selbst erwogen hatten, und einen neuen Bausparvertrag über 15.000 DM abzuschließen. Ergänzend dazu gab er den Rat, bei der Klägerin zwei Sofort-Darlehen über 16.000 DM und 15.000 DM aufzunehmen, was die Beklagten bereits am 2.3.1979 beantragten (Bl. 77 GA), ebenso wie die Herabsetzung des alten Bausparvertrages (Bl. 235 GA). Die beiden Sofort-Darlehen sollten mit Hilfe der beiden betragsgleichen Bausparverträge zurückgezahlt werden. Als Beleihungsobjekt war in den Darlehensanträgen das ... Grundstück der Beklagten aufgeführt, dessen möglichst baldiger Verkauf bekanntlich beabsichtigt war. Während die beiden Darlehensanträge über 100.000 DM und 120.000 DM an die Adresse der Klägerin in ... gerichtet waren, gingen die beiden anderen Darlehensanträge über 16.000 DM und 15.000 DM an die ... in ...
Schließlich veranlaßte ... die Beklagten, zur Absicherung des Darlehens über 120.000 DM eine Lebensversicherung in Höhe von 60.000 DM bei der Klägerin abzuschließen (Versicherungsschein vom 2.4.1979). Das Darlehen über 100.000 DM sollte auf Rat von ... durch einen weiteren Bausparvertrag der Beklagten über 100.000 DM gesichert werden, was auch geschah.
Die monatliche Belastung der Beklagten bezifferte ... mit 1.340 DM abzüglich ca. 350 DM Steuerersparnis aufgrund der 7b-Abschreibung und abzüglich 50 DM Kindergeld, mithin auf insgesamt ca. 950 DM. Danach sollte den Beklagten ein monatliches Einkommen von 1.000 DM verbleiben, was sie selbst für tragbar hielten. Die angegebene monatliche Belastung hat ... auch bei dem dritten Gespräch mit den Beklagten am 10.3.1979 nochmals bestätigt.
Die beiden Darlehen über 100.000 DM und 120.000 DM wurden durch Bestätigung vom 30.7.1979 und durch eine Schuldurkunde bewilligt. Zugleich wurden die Beklagten aufgefordert, die Baupläne zur Einsichtnahme vorzulegen. Die Beklagten ließen daraufhin durch den Architekten ... am 5.9.1979 eine Berechnung erstellen (Bl. 78 GA), die reine Baukosten in Höhe von 264.000 DM auswies. Einen Finanzierungsplan für das Bauvorhaben gab es damals noch nicht.
Der Bau des Dreifamilienhauses wurde am 19.12.1979 begonnen. Am 1.12.1980 war die Wohnung für die Beklagten fertiggestellt; die Wohnungen im Obergeschoß konnten sodann ab 2.1. bzw. 1.2.1981 vermietet werden. Die übrigen Arbeiten waren dann im September 1981 abgeschlossen.
Bereits im Juli 1980 hatte sich indessen eine Nachfinanzierung in Höhe von 50.000 DM als erforderlich erwiesen, für die am 23.7.1980 ein entsprechender Darlehensantrag unter Vermittlung von ... von den Beklagten unterzeichnet wurde. Ob und inwieweit im Zusammenhang mit diesem Darlehensantrag, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 81 GA), falsche Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten gemacht worden sind, ist streitig.
Aber auch mit der Nachfinanzierung in Höhe von 50.000 DM kamen die Beklagten nicht aus, vielmehr bestand selbst nach Aufnahme eines Darlehens bei der ... in Höhe von 35.000 DM immer noch eine Finanzierungslücke, so daß ein Bauhandwerker, dessen Forderung sich auf ca. 23.000 DM belief, nicht befriedigt werden konnte. Insoweit besteht eine Lohnpfändung gegen den Beklagten.
Die finanzielle Belastung der Beklagten stellte sich insgesamt wie folgt dar:
1. | Abtrag und Zinsen auf den von 25.000 DM auf 16.000 DM reduzierten Bausparvertrag monatlich | 124,00 | DM |
---|---|---|---|
2. | Abtrag und Zinsen auf den Bausparvertrag über 15.000 DM monatlich | 189,37 | DM |
3. | Hypotheken-Darlehen über 120.000 DM monatlich | 700,00 | DM |
4. | Lebensversicherungsprämie für das Hypotheken-Darlehen monatlich | 169,80 | DM |
5. | Zahlungen auf das ... Sofort-Darlehen über 100.000 DM | ||
bis 27.9.1983 6,25 % = | 520,83 | DM | |
ab 28.9.1983 8,75 % = | 729,17 | DM | |
6. | Zahlungen auf den Bausparvertrag für die Absicherung des Sofort-Darlehens über 100.000 DM | ||
ursprünglich monatlich | 83,33 | DM | |
nunmehr monatlich (Erhöhung alle zwei Jahre um 83 DM) | 330,00 | DM | |
7. | Nachfinanzierungsdarlehen monatlich | 312,50 | DM |
8. | Zahlungen an die ... | 204,13 | DM |
ursprünglich | 270,00 | DM | |
9. | Lohnpfändung | 620,00 | DM |
Angesichts der hohen Belastungen waren die Beklagten nicht in der Lage, die Ansprüche der Klägerin ausreichend zu befriedigen. Die Klägerin kündigte deshalb ihre durch eine Briefgrundschuld vom 29.8.1979 über 120.000 DM abgesicherten Kredite mit Schreiben vom 7.3.1982 zur sofortigen Rückzahlung.
Die Beklagten haben der Klägerin vorgeworfen, daß sie von ... völlig falsch beraten worden seien. Dieser habe sie in eine finanziell ausweglose Situation hineingebracht. Wären sie rechtzeitig über die auf sie zukommenden Belastungen aufgeklärt worden, hätten sie von dem Bauvorhaben Abstand genommen. Dadurch wären ihnen zumindest die aufgewandten Zinskosten erspart geblieben, die sie für die Zeit bis 30.6.1985 insgesamt mit 121.865,24 DM beziffert haben.(Einzelheiten Bl. 74 GA).
Die Beklagten haben beantragt,
das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos zu erklären.
Sie hat zunächst geltend gemacht, daß es auf die Modalitäten der Darlehensaufnahme gar nicht ankomme. Hinsichtlich der Grundschuld sei zu berücksichtigen, daß diese nach den getroffenen Vereinbarungen jederzeit auch ohne Kündigung fällig sei. Unabhängig davon habe sie aber auch die persönlichen Darlehen mit Schreiben vom 7.3.1985 gekündigt. Da sie den Beklagten insgesamt Darlehen über 285.000 DM zur Verfügung gestellt habe, es im vorliegenden Verfahren aber nur um die Duldung der Zwangsvollstreckung in Höhe eines Teilbetrages von 35.000 DM gehe, sei ihr Duldungsanspruch selbst dann begründet, wenn die von den Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in Höhe von 121.865,24 DM durchgreifen sollte.
Darüber hinaus hat die Klägerin ein Fehlverhalten ihres Bezirksleiters ... bestritten. Nach ihrer Auffassung habe sie aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten im Darlehensantrag vom 23.7.1980 davon ausgehen dürfen, daß die Beklagten zur Zahlung der übernommenen Verpflichtungen in der Lage seien. Wenn es zu einer Täuschung gekommen sei, dann auf seiten der Beklagten; ... habe die Angaben der Beklagten nicht verfälscht.
Das Landgericht hat das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt und damit letztlich die Schadensersatzansprüche der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Beklagten insbesondere im Rahmen der Nachfinanzierung im Juli 1980 falsche Angaben gemacht und damit die Klägerin getäuscht hätten. Auf die Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten könne sich aber nur der berufen, der selbst redlich handele. Im übrigen sei die Kammer nicht überzeugt davon, daß der Beklagte zu 1) nicht genau gewußt habe, worauf er sich finanziell eingelassen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie erneut geltend machen, daß die Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluß der Darlehensverträge gegen vorvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten verstoßen und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht habe und nunmehr sie, die Beklagten, infolge der mit den Schadensersatzansprüchen erklärten Aufrechnung nicht mehr auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld in Anspruch nehmen könnte. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vertiefen sie ihr Vorbringen und heben nochmals vor:
... habe nicht empfehlen dürfen, für den Kauf des Grundstücks in ... und den Bau des Wohnhauses Darlehen über 220.000 DM aufzunehmen (Auszahlungsbetrag ohnehin nur 208.600 DM), ohne daß sich die zu erwartenden Baukosten auch nur annähernd genau abschätzen ließen.
Falsch sei auch die Empfehlung gewesen, den alten Bausparvertrag von 25.000 DM auf 16.000 DM zu reduzieren und ein Sofort-Darlehen über 15.000 DM aufzunehmen. Denn damit seien Eigenmittel der Beklagten nur vorgetäuscht worden, um die Voraussetzungen für die beiden großen Darlehen über 100.000 DM und 120.000 DM zu schaffen.
Die von ... angeratenen Kreditgeschäfte hätten zu einer für sie, die Beklagten, untragbaren Belastung geführt, nämlich zu ca. 1.800 DM monatlich (Einzelheiten Bl. 204 GA).
Auch im Zusammenhang mit der Stellung des Nachfinanzierungsantrages am 23.7.1980 habe sich ... falsch verhalten. Sie, die Beklagten, hätten ... nur die Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse gemacht, die ... unter Ziff. 6 und am Ende des Antragsformulars eingetragen habe. Weitere Angaben hätten sie nicht gemacht. Auf Bitten von ... sei der Antrag von ihnen unterschrieben worden, bevor dieser vollständig ausgefüllt gewesen sei. ... habe die vollständige Ausfüllung nachholen wollen. Von ihnen, den Beklagten, stammten deshalb auch nicht die Angaben zu den Ziff. 2 (Kosten des Neubaues), 3 (Finanzierungsplan) und 4 (Beleihungsobjekt), insbesondere auch nicht die Angaben über das Grundvermögen (außer Beleihungsobjekt) von 165.000 DM (abzüglich Schulden von 57.000 DM = Reinvermögen von 108.000 DM).
Der Vorwurf eigenen unredlichen Verhaltens könne ihnen, den Beklagten, nicht gemacht werden, denn sie hätten die Zusammenhänge gar nicht durchschaut und sich völlig auf die Beratung durch ... verlassen.
Der ihnen durch die falsche Beratung entstandene Gesamtschaden errechne sich unter Berücksichtigung der Vermögensvorteile und Vermögensnachteile wie folgt (Einzelheiten Bl. 209 f. GA):
a) | Nachteile: | ||
---|---|---|---|
Grundstückslasten | 80.000,00 | DM | |
Gesamtdarlehensverbindlichkeiten | 336.000,00 | DM | |
noch offene Restwerklohnforderung ca. | 23.000,00 | DM | |
Eigenleistungen lt. Finanzierungsplan vom 23.7.1984 | 129.000,00 | DM | |
Zinsen und Versicherungsprämien per 30.6.1986 | 147.843,00 | DM | |
715.843,00 | DM | ||
b) | Vorteile: | ||
Wert des Grundstücks | 350.000,00 | DM | |
mietfreies Wohnen (Monatsmiete 800 DM) | 52.800,00 | DM | |
Mieteinkünfte | 59.730,00 | DM | |
462.530,00 | DM | ||
c) | Schaden: | 263.313,00 | DM |
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und unter Aufhebung des Vorbehaltsurteils vom 17.5.1985 die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
für den Fall der Gewährung von Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung als Sicherheit auch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht nochmals besonders folgendes geltend:
Gegenüber dem Duldungsanspruch aus der Grundschuld könnten die Beklagten sich nicht mit der Aufrechnung von Schadensersatzansprüchen verteidigen.
... habe sich bei seinen Eintragungen in den Darlehensantrag vom 23.7.1980 an die Angaben der Beklagten gehalten. Dies gelte insbesondere auch für die Angaben zum Finanzierungsplan und zu den Eigenmitteln sowie dem Grundvermögen und den persönlichen Verhältnissen der Beklagten. Der Nachfinanzierungsantrag sei erst nach seiner vollständigen Ausfüllung durch die Beklagten unterzeichnet worden. Da sich die Beklagten selbst unredlich verhalten hätten, stelle sich ihre Berufung auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten als unzulässige Rechtsausübung dar.
Schließlich seien die Beklagten geschäftlich durchaus erfahren gewesen und hätten gewußt, worauf sie sich finanziell einließen.
Die eigentliche Ursache für die finanziellen Probleme der Beklagten - soweit diese überhaupt gegeben sein sollten, was bestritten werde - liege in dem zu aufwendigen Bauen.
Schließlich seien Ansprüche der Beklagten verwirkt oder verjährt, einen Schaden hätten sie nicht erlitten, da sie das Beantragte erhalten hätten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet. Das Landgericht hätte das Vorbehaltsurteil vom 17.5.1985 nicht für vorbehaltlos erklären dürfen. Die Klägerin kann nicht die Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund der ihr eingeräumten Briefgrundschuld verlangen. Denn den Beklagten steht wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Rückgängigmachung der abgeschlossenen Verträge, also auch auf Rückübertragung der Grundschuld, gerichtet ist. Diesen Ersatzanspruch können die Beklagten im Wege der Einrede auch gegenüber der Inanspruchnahme aus der Grundschuld mit Erfolg geltend machen.
1.
Unabhängig davon, daß zwischen den Parteien ohnehin ein Beratungsvertrag über die mit der Baufinanzierung zusammenhängenden Fragen zustande gekommen ist, war die Klägerin bereits im Hinblick auf die gleichzeitig abgeschlossenen Kreditverträge verpflichtet, gegenüber den Beklagten keine Tatsachen zu verschweigen, über die diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durften, und sie über solche Umstände zu unterrichten, die zur Vereitelung des von ihnen mit dem Abschluß der Verträge verfolgten Zweckes geeignet waren und deshalb für ihre Entschließungen von wesentlicher Bedeutung sein konnten (vgl. die Nachweise in Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 276, 6 B c aa; BGH WM 1976, 50, 51). Diese Verpflichtungen hat die Klägerin durch ihren Bezirksleiter ... dessen Handeln sie sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muß, in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Zunächst hat ..., was unstreitig ist, den Beklagten bei der ursprünglichen Finanzierungsberatung im März 1979 erklärt, ihre monatliche Belastung würde sich auf 1.340 DM belaufen. In Wirklichkeit aber kostete die Beklagten die ursprüngliche Finanzierung von Anfang monatlich ca. 1.800 DM, später sogar noch wesentlich mehr. Diese Überschreitung der ursprünglich angenommenen Finanzierungskosten um 460 DM war angesichts des Nettoeinkommens der Beklagten von 2.000 DM inklusive Kindergeld erheblich, genau genommen sogar existenzgefährdend. Denn von dem verbleibenden Einkommen konnten die Beklagten nicht leben. Da die Beklagten das zu bauende Haus ohnehin im wesentlichen in Eigenarbeit errichten wollten und aus finanziellen Gründen auch mußten, blieb für einen etwaigen Nebenverdienst erkennbar kein Raum.
Weiterhin ist ... anzulasten, daß er die Beklagten in ganz konkreter Weise über ihren Finanzierungsbedarf beraten hat, ohne auch nur annähernd die entstehenden Kosten und damit die weitere Frage abschätzen zu können, ob die von ihm zugesagten Darlehn zur Finanzierung ausreichten und es nicht auch deswegen zu einer zusätzlichen Steigerung der monatlichen Belastungen kommen könnte. Zu einer auf konkreten Berechnungen fußenden Beratung wäre ... jedoch verpflichtet gewesen. Denn nach den ihm bekannten Einkommensverhältnissen der Beklagten von monatlich netto 1.950 DM zuzüglich 50 DM Kindergeld verblieb den Beklagten bei der von ihm angegebenen Belastung von monatlich 1.340 DM selbst unter Berücksichtigung der 7 b-Abschreibung von monatlich ca. 350 DM lediglich ein Betrag von rund 1.000 DM zum Unterhalt für sie selbst und ihre Tochter. Irgendein Spielraum für eine eventuelle Nachfinanzierung war damit von vornherein nicht gegeben, so daß ... seine Berechnungen äußerst scharf zu kalkulieren hatte. Dafür aber hätte er sich konkrete Unterlagen vorlegen lassen oder selbst erarbeiten müssen, was unstreitig nicht geschehen ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landgerichts waren die Beklagten auch durchaus beratungsbedürftig. Denn konkrete Anhaltspunkte dafür, daß sie in Finanzierungsfragen erfahren gewesen wären, bestehen nicht. Im Gegenteil, der Beklagte zu 1) ist von Haus aus Maurer, die Beklagte zu 2) Hausfrau. Die Eingaben des Beklagten zu 1) an das Gericht aus dem Jahr 1985 lassen im übrigen keinerlei Rückschlüsse darauf zu, daß der Beklagte zu 1) 6 Jahre früher (!) die Risiken des von ... vorgestellten Finanzierungsmodells ohne nähere Erläuterungen in seinen finanziellen Auswirkungen erkannt hat oder erkennen konnte.
Im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen von März 1979 ist den Beklagten entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht der Vorwurf unredlichen Verhaltens zu machen. Einziger Ansatzpunkt dafür könnte ohnehin nur sein, daß die Beklagten es zugelassen haben, daß ... - allerdings in voller Kenntnis aller Umstände - in den Kreditantrag für das ... Sofort-Darlehen über 15.000 DM als Beleihungsobjekt das ... Grundstück der Beklagten eingesetzt hat, obwohl dieses Grundstück möglichst umgehend verkauft werden sollte. Indessen ist nicht erkennbar, daß die Beklagten angesichts der Vielzahl der zu stellenden Anträge und des für einen Finanzierungslaien recht undurchsichtigen Finanzierungsmodells überhaupt erkannt haben, daß hier zu Lasten der Klägerin eine Manipulation hinsichtlich der Eigenmittel vorgenommen werden sollte. Dies hat die Klägerin selbst nicht einmal konkret behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt.
2.
Die Beklagten können aufgrund ihres Schadensersatzanspruches verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würden, wenn sie richtig beraten worden wären. Da dann weder die Kreditverträge abgeschlossen noch die Grundschuld bestellt worden wäre, sind grundsätzlich die wechselseitig erbrachten Leistungen zurückzuübertragen, also auch die Grundschuld. Der danach bestehende Rückgewähranspruch der Beklagten kann trotz der Abstraktheit der Grundschuld der Duldungsklage aus der Grundschuld entgegengesetzt werden. Dies hat der Bundesgerichtshof für eine vergleichbare Fallkonstellation bereits vor längerer Zeit ausdrücklich entschieden (BGHZ 18, 205, 206) [BGH 29.09.1955 - II ZR 225/54].
3.
Letztlich bleiben Bedenken gegen die Unbegründetheit der Duldungsklage nur soweit, als es im Juli 1980 zu einer Nachfinanzierung in Höhe von 50.000 DM gekommen ist und insoweit Streit besteht, ob die Beklagten in diesem Zusammenhang falsche Angaben gemacht haben und ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagten möglicherweise dazu führen könnte, sie wenigstens in Höhe des hier geltend gemachten Teilbetrages von 35.000 DM aus der Grundschuld haften zu lassen. Dies ist jedoch - ohne daß es dazu einer Beweisaufnahme bedarf - aus folgenden Gründen nicht der Fall:
Der Schadensersatzanspruch der Beklagten ist bereits im März 1979 anläßlich der Ursprungsfinanzierung entstanden und mit ihm der Rückübertragungsanspruch bezüglich der Grundschuld. Dieser Anspruch konnte nicht dadurch wieder hinfällig werden, daß sich die Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt - der Sachvortrag der Klägerin einmal als richtig unterstellt - unredlich verhalten und sich möglicherweise ihrerseits schadensersatzpflichtig gemacht haben.
Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten würde unabhängig von den vorstehenden Überlegungen aber auch deshalb nicht entfallen, weil bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts davon auszugehen ist, daß die Beklagten die Klägerin gar nicht getäuscht haben und auch nicht täuschen konnten. Denn die Klägerin ist in der Person ihres Bezirksleiters ... über alle wesentlichen Punkte, die für die Nachfinanzierung laut Antrag vom 23.7.1980 eine Rolle spielen konnten, informiert gewesen. Unstreitig ist, daß die Beklagten ein Jahr vorher ihre wirtschaftlichen Verhältnisse detailliert und wahrheitsgemäß gegenüber ... dargelegt hatten. Also konnte ... gar nicht im Unklaren darüber sein,
daß das ... Grundstück entgegen den Eintragungen im Darlehensantrag noch nicht bezahlt war; wovon hätten es die Beklagten denn zwischenzeitlich bezahlen sollen?;
daß die Beklagten außer dem Beleihungsobjekt keinerlei Grundvermögen besaßen, schon gar nicht in Höhe eines Reinvermögens von 108.000 DM; woher sollte dies in einem Jahr gekommen sein?;
daß Mieteinnahmen den Beklagten in Höhe von 900 DM monatlich erst nach Fertigstellung des Hauses zufließen konnten.
Letzteres ergibt sich im übrigen auch aus S. 1 des Darlehnsformulars, wo es u.a. wörtlich heißt:
"Laut Gespräch mit dem Architekten müßten in der Lage 1981 DM 10,-/m² erzielt werden können."
Im übrigen aber enthält der Nachfinanzierungsnachtrag keine Unrichtigkeiten; insbesondere ist der Nebenverdienst des Beklagten zu 1) nicht falsch angegeben worden. Denn die 500 DM werden erst "ab Fertigstellung des Hauses" als erzielbar bezeichnet.
Ein Vorwurf an die Beklagten könnte - wenn man den Sachvortrag der Klägerin als richtig unterstellt - allenfalls dahin gehen, daß die Beklagten im Zusammenwirken mit Herrn ... falsche Eintragungen bewirkt haben. Dies aber würde lediglich einen Mitverschuldensvorwurf begründen, nicht aber den bereits früher entstandenen Schadensersatzanspruch der Beklagten zu Fall bringen können.
4.
Schließlich ist noch anzumerken, daß der Schadensersatzanspruch der Beklagten der normalen dreißigjährigen Verjährung unterliegt und irgendwelche Anhaltspunkte für eine Verwirkung nicht ersichtlich sind.
Da die Berufung somit im vollen Umfang begründet ist, hat die Klägerin gem. § 91 ZPO die Kosten beider Rechtszüge zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwer: 35.000 DM.