Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.02.2021, Az.: 4 K 11006/17
Festsetzung der Einkommensteuer unter Berücksichtigung zusätzlicher Fahrtkosten als Werbungskosten bei den Einkünften eines Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit; Berücksichtigen der Fahrten eines Hafenarbeiters von seiner Wohnung bis zu dem Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale und innerhalb des Hamburger Hafens mit den tatsächlichen Aufwendungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.2021
- Aktenzeichen
- 4 K 11006/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 32971
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2021:0203.4K11006.17.00
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 Nr. 4, 4a S. 3 EStG
- § 9 Abs. 4 S. 1, 3 EStG
Fundstellen
- DStRE 2021, 1416-1418
- EStB 2021, 309
- NZA 2021, 1698
- StX 2021, 551
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger ist als Hafenarbeiter bei der A. KG angestellt und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In dem am 3. September 2001 geschlossenen Arbeitsvertrag wird u.a. auf den Rahmenvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe und die Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen nebst sämtlichen Nebenbestimmungen verwiesen. Nach Ziffer 4 des Vertrages erfolgt der "Arbeitseinsatz in bestimmten Funktionen beim Arbeitgeber" "im Rahmen des Direktionsrechtes". Der Kläger erklärte "seine unwiderrufliche Zustimmung auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der A. KG tätig zu werden". In Ziffer 10 heißt es, der Arbeitnehmer verpflichte sich, sich "nach Bedarf gegebenenfalls zu entsprechenden Arbeiten in einer anderen Abteilung, Betriebsstätte oder in einem Beteiligungsunternehmen des Arbeitgebers einsetzen zu lassen". Außerdem gab der Kläger "sein unwiderrufliches Einverständnis gem. Absatz 4 Ziff. 2 der Richtlinien zu § 7 der Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg, sich auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Hafeneinzelbetrieben einsetzen zu lassen".
Ausweislich einer Bestätigung seines Arbeitgebers fährt der Kläger die jeweiligen Liegeplätze mit seinem privaten PKW an. Eine Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte sei nicht erfolgt. Vielmehr müsse der Kläger müsse "täglich bei der Einteilung anrufen, um zu erfahren, an welchen Einsatzorten er eingesetzt wird".
Im Streitjahr wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber an 164 Arbeitstagen an vier verschiedenen Orten innerhalb des Gebietes des Hamburger Hafens eingesetzt. Auch der Arbeitgeber des Klägers verfügt im Hamburger Hafen über eine Niederlassung, in der der Kläger im Streitjahr aber nicht eingesetzt war.
Die arbeitstäglichen Fahrten von seiner Wohnung zu dem Hamburger Hafen und zu seinen jeweiligen Einsatzstellen innerhalb des Hamburger Hafens legte der Kläger mit seinem eigenen Pkw zurück.
In seiner Steuererklärung gab der Kläger Fahrten von seiner Wohnung zu dem Hafenzugang X als Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte an und begehrte den Ansatz der Entfernungspauschale i.H. von insg. (164 Tage x 51 km x 0,30 €/km =) 2.509,20 €. Für die Fahrten innerhalb des Hafengeländes machte er die tatsächlichen Fahrtkosten i.H. von insg. (6.708 km x 0,3 €/km =) 2.013 € geltend.
Das beklagte Finanzamt veranlagte die Kläger erklärungsgemäß mit Bescheid vom 16. August 2016.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und begehrten mit diesem die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt i.H. von (164 Tage x 51 km x 2 x 0,3 €/km =) 5.018,40 € anstelle der Entfernungspauschale. Zur Begründung bezogen sie sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Februar 1997 (VI R 61/96), wonach das Hamburger Hafengebiet keine einheitliche großräumige Arbeitsstätte sei. Damit stelle es auch kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet dar. Das neue Reisekostenrecht hebe das Urteil nicht auf, so dass die Fahrtkosten vollständig zu berücksichtigen seien.
Mit Einspruchsbescheid vom 2. Dezember 2016 wies das beklagte Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Durch die ab dem 1. Januar 2014 geltende Reform des steuerlichen Reisekostenrechts habe sich die Berücksichtigung von Fahrtkosten bei Auswärtstätigkeiten in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet geändert. Es werde nicht mehr auf die regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers abgestellt, sondern auf die erste Tätigkeitsstätte. Bei weiträumigen Tätigkeitsgebieten, die typischerweise arbeitstäglich aufgesucht würden, wie im Streitfall der Hamburger Hafen, komme nur die Entfernungspauschale zum Tragen. Lediglich die Fahrtkosten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes seien nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln. Das von den Klägern angeführte BFH-Urteil gehe von einer nicht mehr gültigen Gesetzeslage aus und könne für das Streitjahr nicht mehr zugrunde gelegt werden.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage und verweisen im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren.
Auf Antrag der Beteiligten hat das Klageverfahren im Hinblick auf die bei dem BFH anhängige Revision mit dem Aktenzeichen VI R 36/16 geruht. Diese hatte die steuerliche Behandlung von Fahrtkosten eines Hamburger Gesamthafenarbeiters nach der neuen Rechtslage zum Gegenstand.
Nach Ergehen des BFH-Urteils am 11. April 2019 und Weiterführung des Klageverfahrens führen die Kläger aus, der dem Revisionsverfahren zugrundeliegende Fall sei nicht mit dem Streitfall vergleichbar. Der Revisionsfall habe einen Arbeitnehmer des Gesamthafenbetriebes betroffen, der arbeitstäglich ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Hafeneinzelbetrieb eingegangen sei. Der BFH habe entschieden, dass zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte das Arbeitsverhältnis zu dem jeweiligen Hafeneinzelbetrieb maßgebend sei. Er selbst sei jedoch kein Mitarbeiter des Hamburger Gesamthafenbetriebs und begründe auch arbeitstäglich keine weiteren Arbeitsverhältnisse, sondern habe einen einzigen Arbeitgeber, der ihn auf dem Gebiet des Hamburger Hafens einsetze. Dabei müsse er arbeitstäglich nicht einen von seinem Arbeitgeber bestimmten Punkt zur Arbeitsaufnahme aufsuchen, sondern habe sich am jeweiligen Tag von zuhause telefonisch zu informieren, an welchem Ort er eingesetzt werde, und diesen dann direkt anzusteuern. Da somit keine erste Tätigkeitsstätte und auch kein Sammelpunkt vorliege, sei für die Berücksichtigung der Fahrtkosten § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einschlägig und zu klären, ob ein "weiträumiges Tätigkeitsgebiet" vorliege. Diese Frage habe das neue BFH-Urteil (VI R 36/16) nicht beantwortet. Vielmehr bleibe die Entscheidung des BFH aus dem Jahr 1997 (VI R 61/96) weiter anwendbar, die den Hamburger Hafen nicht als "großräumige Arbeitsstätte" angesehen habe. Daher müsse auch nach dem neuen Reisekostenrecht für die Annahme eines "weiträumigen Tätigkeitsgebiet" die Voraussetzung erfüllt werden, dass es sich um ein zusammenhängendes Gebiet des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten handele, nicht aber um ein Gebiet, das verschiedene Eigentümer habe. Daher könne der Hamburger Hafen nicht als weiträumiges Tätigkeitsgebiet angesehen werden. Hinzu komme, dass der Hamburger Hafen kein zusammenhängendes Gebiet sei, sondern ein Gebiet von 7.200 ha umfasse, das sich durch äußerst verschachtelte, wenig konturiert und durch andere Gebiete unterbrochene Grenzen auszeichne. Damit seien die Fahrten von seiner Wohnung direkt zu den jeweiligen Tätigkeitsorten nach Reisekostengrundsätzen abziehbar und für die Fahrten zwischen Wohnung und dem jeweiligen Einsatzort (an 63 Tagen à 53 km, an 81 Tagen à 59 km und an 20 Tagen à 50 km) Aufwendungen i.H. von 5.470,80 € zu berücksichtigen.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Bescheides für 2015 über Einkommensteuer und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 2. Dezember 2016 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung zusätzlicher Fahrtkosten i.H. von 2.961,60 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, in dem Urteil in der Sache VI R 36/16 habe der BFH für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen auf die Beschäftigung durch die Hafeneinzelbetriebe abgestellt. Da der Kläger im Streitfall in keinem Hafeneinzelbetrieb beschäftigt gewesen sei, habe er keine erste Tätigkeitsstätte. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (in Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014, BStBl. I 2014, 1412) stelle ein Hafengebiet jedoch ein "weiträumiges Tätigkeitsgebiet" dar. Damit komme im Streitfall für die Fahrten bis zum Hafenzugang nur eine Berücksichtigung der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG in Betracht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Finanzamt hat zu Recht die Fahrten des Klägers von seiner Wohnung bis zu dem Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale und die Fahrten innerhalb des Hamburger Hafens mit den tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt.
1. Zur Abgeltung der Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen.
Der Kläger hat keine erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
a) Die Rechtsprechung des BFH definiert ortsfeste betriebliche Einrichtungen als räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, des verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte kann auch vorliegen, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (BFH, Urteile vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl. II 2019, 543; vom 11. April 2019 - VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl. II 2019, 546).
Das Gebiet des Hamburger Hafens erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil es zwar in Teilen von dem Arbeitgeber des Klägers und den vier von dem Arbeitgeber bestimmten Hafeneinzelbetriebe genutzt wird, nicht aber in seiner Gesamtheit ihrer Tätigkeit dient. Hierdurch unterscheidet sich der Streitfall von dem Fall (der Tochtergesellschaft) eines Flughafenbetreibers, der der Entscheidung des BFH vom 11. April 2019 - VI R 12/17 (BFHE 264, 265, BStBl. II 2019, 551) zugrunde lag.
Im Streitfall dürften damit allenfalls die von dem Arbeitgeber des Klägers und den vier Hafeneinzelbetriebe genutzten Anlagen und Gebäude auf dem Gebiet des Hamburger Hafens als ortsfeste betriebliche Einrichtungen angesehen werden können. Ob das der Fall ist, kann aber dahinstehen, weil es bereits an einer dauerhaften Zuordnung des Klägers zu einer oder mehrerer dieser Einrichtungen mangelt.
b) Von einer dauerhaften Zuordnung ist nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (BFH, Urteil vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl. II 2019, 543).
aa) Eine unbefristete Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte ist nicht gegeben, weil der Kläger ausweislich der Bescheinigung seines Arbeitgebers täglich "bei der Einteilung" anzurufen hat, um zu erfahren, an welchem Einsatzort er jeweils eingesetzt werden soll. Damit ist die Zuordnung auf den jeweiligen Tag in den Einrichtungen der vier anderen Hafeneinzelbetriebe befristet.
bb) Auch eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses liegt nicht vor. Anders als in dem Fall des Gesamthafenarbeiters, der der Entscheidung des BFH vom 11. April 2019 (VI R 36/16, BStBl. II 2019, 543) zugrunde lag, war der Kläger nicht zusätzlich auch bei den Hafeneinzelbetrieben angestellt, sondern nur bei der A. KG. Es ist daher für die Bestimmung der dauerhaften Zuordnung des Klägers - anders als in dieser Entscheidung - nicht auf die - im BFH-Fall teilweise lediglich eintägige - Dauer eines Dienstverhältnisses bei den Hafeneinzelbetrieben, sondern auf die Dauer des Dienstverhältnisses bei der A. KG abzustellen.
cc) Schließlich fehlt es an einer Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus und an einer betrieblichen Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
2. Auch wenn ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG hat, er aber nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat, gilt die genannte Regelung über die Entfernungspauschale für die Fahrten von der Wohnung zu dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend. Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes gelten § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 entsprechend, nach denen die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten oder die pauschalen Kilometersätze angesetzt werden können, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz (BRKG) festgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 3 und 4 EStG).
Der Kläger hat nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen.
a) Der Kläger hatte im Streitjahr nach den Bestimmungen seines Arbeitsvertrages typischerweise arbeitstäglich das Gebiet des Hamburger Hafens aufzusuchen.
Aus seinem Arbeitsvertrag ergibt sich, dass der Kläger für seinen Arbeitgeber als "Hafenarbeiter" tätig werden soll. Dabei konnte er auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung "auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Hafeneinzelbetrieben" eingesetzt werden (s. Ziffer 4 Absatz 3 und Ziffer 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages). Da im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg Bezug genommen wird, kann davon ausgegangen werden, dass es sich nur um dort ansässige Hafeneinzelbetriebe handelte. Auch der im Arbeitsvertrag aufgenommene Verweis auf den Rahmenvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe und die Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen nebst sämtlichen Nebenbestimmungen sprechen dafür, dass der Kläger auf dem Gebiet des Hamburger Hafens tätig werden sollte. Entsprechend wurde er im Rahmen der "Einteilung" seines Arbeitgebers im gesamten Streitjahr ausschließlich dort eingesetzt. Seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, sich nach Bedarf "ggf." in einer anderen Abteilung, Betriebsstätte oder in einem Beteiligungsunternehmen des Arbeitgebers" einsetzen zu lassen, ändert nichts an dem Umstand, dass der Kläger den Hamburger Hafen "typischerweise" arbeitstäglich aufzusuchen hat.
b) Bei dem Hamburger Hafen handelt es sich auch um ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet.
Was unter einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem Verständnis der Finanzverwaltung liegt ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche ausgeübt werden soll (BMF, Schreiben v. 24. Oktober 2014, BStBl. I 14, 1412, Rn. 41). Dem folgen das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 9. April 2019 - 5 K 5269/17, rkr., EFG 2019, 1088) und die Literatur (vgl. statt aller Krüger, in Schmidt, 39. Auflage 2020, § 9 EStG Rn. 216; Oertel, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Auflage 2020, § 9 EStG Rn. 82). Ob die festgelegte Fläche außerdem räumlich geschlossen sein muss (so Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 485) ist umstritten (a. A. etwa Thomas, DStR 2014, 497 [502]), kann im Streitfall jedoch unentschieden bleiben, da ein Hafengebiet diese Voraussetzung nach einhelliger Auffassung erfüllt. Auch der Gesetzgeber hat Hafengebiete bei der Schaffung der Vorschrift ausdrücklich im Blick gehabt. In der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG heißt es: "Von dieser Vereinfachung betroffen sind z. B. Arbeitnehmer, die in einem Hafengebiet tätig sind (...)" (vgl. BT-Drs. 17/10774, S. 13).
Dass es sich bei dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht erforderlich (vgl. Wagner, in Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, 54. EL 7/2015, Rn. 398; Geserich, NWB 2019, 2925, 2926). Dementsprechend kommt das von den Klägern angeführte Urteil des BFH vom 7. Februar 1997 (VI R 61/96) nicht mehr zum Tragen, weil es nicht den Begriff des "weiträumigen Tätigkeitsgebietes" nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG behandelt, sondern geklärt hat, ob nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Rechtslage "ein größeres räumliches Gebiet" als "einheitlich gleichbleibende Arbeitsstätte" qualifiziert werden konnte. Der BFH hat ein größeres räumliches Gebiet nur dann als einheitliche gleichbleibende Arbeitsstätte beurteilt, "wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers gehandelt hat". Nach der neuen Rechtslage wäre aber in einem solchen Fall bereits eine großflächige erste Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gegeben.
Auch der von dem Kläger angeführte Umstand, dass der Hamburger Hafen mit einer Gesamtfläche von 7.200 ha größer ist als das Gebiet vieler Städte, steht seiner Einordnung als weiträumiges Tätigkeitsgebiet nicht entgegen. Eine flächenmäßige Begrenzung des weiträumigen Tätigkeitsgebietes ergibt sich weder aus dem Gesetz noch wird sie von der Rechtsprechung, der Verwaltung oder in der Literatur vertreten. Im Gegenteil hat der BFH in einem Urteil vom 1. Oktober 2020 (VI R 36/18, juris) auch ein firmeneigenes Schienennetz, das auf einer Fläche von 60.000 ha mehrere Ortschaften miteinander verband, als großräumige erste Tätigkeitsstätte qualifiziert - und nur deshalb nicht als weiträumiges Tätigkeitsgebiet, weil das Schienennetz eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitsgebers des dortigen Klägers darstellte.
3. Das beklagte Finanzamt hat die Fahrten des Klägers von seiner Wohnung bis zum Hafenzugang X zutreffend angesetzt.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG gilt die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsort entsprechend. Danach ist zur Abgeltung der Aufwendungen für diese Fahrten für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer das weiträumige Tätigkeitsgebiet aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und dem genannten Zugang von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr.
Der Hafenzugang Hamburg X ist der für den Kläger nächstgelegene Zugang zum Hamburger Hafen und wurde von ihm entsprechend auch in seiner Steuererklärung angegeben. Das beklagte Finanzamt hat die ursprünglich zutreffend geltend gemachten Aufwendungen i.H. von (164 Tage x 51 km x 0,3 €/km =) 2.509,20 € erklärungsgemäß berücksichtigt.
4. Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes wurden zutreffend die pauschalen Kilometersätze angesetzt, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG festgesetzt sind.
a) Der Kläger hat in seiner Steuererklärung neben Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang im Umfang von (164 x 51 Tage x 2 =) 16.728 km Fahrten innerhalb des Hafengeländes im Umfang von 6.708 km angegeben. Diese Entfernungen wurden von dem beklagten Finanzamt für die Berechnung der steuerlich zu berücksichtigenden Aufwendungen berücksichtigt.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger für seinen Antrag Fahrten im Umfang von insg. (53 km x 2 x 63 Tage + 59 km x 2 x 30 Tage + 59 km x 2 x 51 Tage + 50 km x 2 x 20 Tage =) 18.236 km zugrunde gelegt. Ohne Berücksichtigung der bisher für die Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang angesetzten Fahrten verblieben damit für die Fahrten innerhalb des Hafens lediglich (18.236 km - 16.728 km =) 1.508 km. Die Zugrundelegung dieser Strecken würde zu einer Verböserung führen, sodass es bei den ursprünglichen Ansätzen bleibt.
b) Die höchste Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG beträgt nach dessen § 52 Abs. 2 0,30 €/km, sodass für die Fahrten innerhalb des Hamburger Hafens wie geschehen Fahrtkosten i.H. von (6.708 km x 0,3 €/km =) 2.012,40 € anzusetzen sind.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
III. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen