Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.01.2021, Az.: 9 K 203/20
Höhe der festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.01.2021
- Aktenzeichen
- 9 K 203/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 32976
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2021:0127.9K203.20.00
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 122 Abs. 5 AO
- § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG
Fundstelle
- StX 2021, 637
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und im Vorgriff hierzu über die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 28. Dezember 2018.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Eheleute K und A sowie deren Sohn C beteiligt sind. Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus der Vermietung diverser Grundstücke.
Am 19. Dezember 2014 reichte die Klägerin die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2013 beim Beklagten ein. In den hierin erklärten Einkünften gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) waren u.a. Einnahmen aus der Vermietung eines bebauten Grundstücks "Y-weg" in G sowie hiermit in Zusammenhang stehende Erhaltungsaufwendungen in Höhe von insgesamt xx € zzgl. xx € Umsatzsteuer enthalten. Neben den erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erzielte die Klägerin zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen. Im Rahmen der Veranlagung beantragte die Klägerin eine Aufteilung der festzustellenden Besteuerungsgrundlagen auf die Beteiligten wie folgt:
Einkunftsart | K | C | A | |
---|---|---|---|---|
Vermietung | Laufende Einkünfte: xx € | xx € | xx € | xx € |
Ergänzungsvermögen: xx € | xx € | xx € | xx € | |
Sonderwerbungskosten: xx € | xx € | |||
Kapitalvermögen | Kapitalerträge: xx € | xx € | xx € | xx € |
Kapitalerträge ohne | xx € | xx € | xx € | |
Steuerabzug: xx € | xx € | xx € | xx € | |
Kapitalertragsteuer: xx € | xx € | xx € | xx € | |
Solidaritätszuschlag: xx € |
Der Beklagte veranlagte zunächst antragsgemäß und erließ am 2. Juli 2015 einen entsprechenden Feststellungsbescheid, welcher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stand.
Nachdem der Beklagte den Vorgang einer abschließenden Prüfung unterzogen hatte, die insbesondere das Grundstück "Y-weg" und die hierzu erklärten Erhaltungsaufwendungen betraf, vertrat er die Auffassung, dass die zunächst als Werbungskosten erfassten Aufwendungen im Streitjahr nicht mehr berücksichtigt werden könnten und änderte die laufenden Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung wie folgt:
V+V-Einkünfte bisher | xx € |
---|---|
+ Erhaltungsaufwand | xx € |
+ Vorsteuer darauf | xx € |
V+V-Einkünfte neu | xx € |
Der geänderten Rechtsauffassung lag die Feststellung zugrunde, dass das bis zum 31. Dezember 2012 an die Z-GmbH vermietete Grundstück im Jahr 2013 zunächst renoviert und zum Ende des Jahres im Wege der Schenkung in die E-Stiftung eingebracht worden war. Das Grundstück wurde anschließend durch die Stiftung umsatzsteuerfrei an einen ambulanten Pflegedienst vermietet, der dort eine Tagespflege betreibt. Aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses und der anschließenden Einbringung in die Stiftung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass im Streitjahr ein Veranlassungszusammenhang der Erhaltungsaufwendungen mit Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr festgestellt werden könne.
Am 28. Dezember 2018 erließ der Beklagte - unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung - einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in dem er die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend auf xx € feststellte. Die Einkünfte setzten sich dabei im Einzelnen wie folgt zusammen:
laufende Einkünfte | xx € |
---|---|
Überschüsse / Verluste aus Ergänzungsvermögen | xx € |
Sonderwerbungskosten | xx € |
Der Bescheid war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die u. a. den Hinweis enthielt, dass die Frist für die Einlegung eines Einspruchs einen Monat betrage und mit Ablauf des Tages beginne, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden sei. Wörtlich heißt es hierzu: "Bei Zustellung mit Zustellungsurkunde oder mittels Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung."
Den Änderungsbescheid stellte der Beklagte den steuerlichen Beratern der Klägerin mit Zustellungsurkunde zu, welche sich in der Einkommensteuerakte des Streitjahres befindet. Entsprechend eines auf der Rückseite der Zustellungsurkunde angebrachten Vermerks des Postbediensteten erfolgte die Zustellung durch Einlegung in den zu den Geschäftsräumen gehörenden Briefkasten am 29. Dezember 2018.
Am 30. Januar 2019 ging beim Beklagten um 14:02 Uhr ein Fax und nochmals um 14:13 Uhr eine E-Mail der steuerlichen Berater der Klägerin ein, in welchen sich die Klägerin mit dem Einspruch gegen den geänderten Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2018 wendete. Der Einspruch richtete sich insbesondere gegen die nunmehr unterbliebene Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen aus dem Grundstück "Y-weg". Hierzu führte die Klägerin aus, dass auch nach Auszug des Mieters im November 2012 eine Vermietungsabsicht unverändert bestanden habe. Bevor jedoch eine weitere Vermietung des Grundstücks habe erfolgen können, seien noch diverse Maßnahmen zu tätigen gewesen, für welche die geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen angefallen seien. Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin dem Beklagten hierzu weitere Unterlagen vor. Anschließend erfolgte eine Ruhendstellung des Verfahrens bis zur beabsichtigten Durchführung einer Erörterung an Amtsstelle.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2020 teilte die inzwischen zuständig gewordene Rechtsbehelfsstelle des Beklagten der Klägerin mit, dass im Zuge der Übernahme des Einspruchs festgestellt worden sei, dass dieser unzulässig sei. Ausweislich der vorliegenden Zustellungsurkunde sei der angefochtene Bescheid vom 28. Dezember 2018 am 29. Dezember 2018 zugestellt worden. Bei Zustellung mit Zustellungsurkunde sei Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs betrage einen Monat und beginne mit Ablauf des Tages an dem der Bescheid bekannt gegeben worden sei. Im Streitfall habe die Frist somit am 30. Dezember 2018 begonnen und mit Ablauf des 29. Januar 2019 geendet. Dass der 30. Dezember 2018 ein Sonntag gewesen sei, sei für den Fristbeginn unerheblich, denn dieser Umstand sei allenfalls für das Ende einer Frist bedeutsam. Da der Einspruch erst am 30. Januar 2019 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist beim Finanzamt eingegangen sei, sei er unzulässig.
In ihrer hierauf erfolgten Stellungnahme vertrat die Klägerin die Auffassung, dass eine Verfristung des Einspruchs nicht eingetreten sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gelte die Vermutung der Bekanntgabe am dritten Tag nach Aufgabe des Bescheides zur Post auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich innerhalb der 3-Tagefrist zugegangen sei. Dieses habe der BFH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2000 (X R 96/98, BStBl II 2001, 274) und im Nachgang auch in den veröffentlichten Urteilen vom 26. Februar 2002 (X R 44/00, Rz. 21) und vom 19. November 2009 (IV R 89/06, Rz. 43) deutlich zum Ausdruck gebracht. Lediglich wenn der Steuerpflichtiger nachweise, dass der Zugang nach Ablauf der 3-Tagefrist erfolgt sei, sei diese nicht maßgebend. Im vorliegenden Fall sei der Zugang innerhalb der 3-Tagefrist erfolgt, so dass infolge der Norm des § 122 Abs. 2 AO die 3-Tagefrist maßgebend sei. Dieses gelte auch, obwohl der Bescheid per Postzustellungsurkunde zugestellt worden sei. Somit habe die Frist mit Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe zur Post, d. h. mit Ablauf des 31. Dezember 2018 begonnen und sei am 31. Januar 2019 um 24 Uhr abgelaufen. Die Einsprüche vom 30. Januar 2019 seien daher fristgemäß eingegangen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Klägerin nicht und verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 als unzulässig. Der angefochtene Bescheid vom 28. Dezember 2018 sei ausweislich der Zustellungsurkunde am Samstag den 29. Dezember 2018 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Bei Zustellung mit Zustellungsurkunde sei - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid - Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung. Bei der Zustellung mit Zustellungsurkunde gelte dabei nicht die für die Bekanntgabe mit einfachem Brief geltende 3-Tagesregelung des § 122 Abs. 2 AO (BFH, Urteile vom 14. Oktober 2003, IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898 und vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826). Dies folge aus § 122 Abs. 5 AO (BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219; Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rz. 79). Da es bei einer Zustellung mit Zustellungsurkunde keine Bekanntgabefrist gebe, entfalle mangels Frist bei dieser Bekanntgabeart die Fristverlängerung um drei Tage. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs betrage einen Monat und beginne mit Ablauf des Tages, an welchem dem Steuerpflichtigen der jeweilige Bescheid bekannt gegeben worden sei. Im vorliegenden Fall habe die Frist somit am 30. Dezember 2018 begonnen und mit Ablauf des 29. Januar 2019 (Wochentag Dienstag) geendet. Dass der 30. Dezember 2018 ein Sonntag gewesen sei, sei für den Fristbeginn unerheblich, denn dieser Umstand sei allenfalls für das Ende der Frist bedeutsam. Da der Einspruch nach Ablauf der Einspruchsfrist am 30. Januar 2019 beim Beklagten eingegangen sei, sei er unzulässig. Die von der Klägerin angeführten BFH-Entscheidungen würden die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO bei Übermittlung mit einfachem Brief betreffen. Für die förmliche Zustellung sei jedoch § 122 Abs. 5 AO einschlägig. Wiedereinsetzungsgründe seien weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Auffassung einer fristgemäßen Einspruchserhebung gegen den Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2018 vertritt. In der Sache begehrt sie die Berücksichtigung vergeblicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt xx € (xx € + xx € USt).
Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Vorverfahren führt die Klägerin aus, dass der Sinn der sog. Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO darin bestehe, den Beteiligten eine Prüfung des tatsächlichen Zugangs zu ersparen. Bei Fristermittlung solle allein auf den Tag der Aufgabe zur Post, welcher regelmäßig mit dem Datum des Bescheides identisch sei, und den dann anschließenden Zeitraum von drei Tagen abgestellt werden. Der BFH habe daher in seinem Urteil vom 9. November 2005 (I R 111/04) entschieden, dass die Bekanntgabefiktion von drei Tage nicht gelte, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis erbringe, dass der angefochtene Steuerbescheid später als drei Tage nach Absendung in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen worden sei. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass die 3-Tagefrist auch dann gelte, wenn der Einwurf vor Ablauf der Frist erfolgt sei.
Eine weitere Erleichterung der Vorschrift bestehe ferner darin, dass sich die Frist noch einmal verlängere, wenn das Fristende auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag falle. In diesem Fall verlängere sich die Frist bis zum nachfolgenden Werktag. Auch dieses werde mit der Vereinfachungsfunktion der 3-Tagefiktion begründet. In diesen Fällen könnten beide Hauptverfahrensbeteiligten auf leichte Weise den fiktiven Bekanntgabetag errechnen. Von Bedeutung sei auch, dass der BFH betone, die Bekanntgabevorschriften seien im Zweifel so auszulegen, dass der Zugang zu den Gerichten eröffnet werde. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei der Einspruch vorliegend als zulässig anzusehen.
Wenn der Beklagte unter Bezugnahme auf § 122 Abs. 5 AO darauf verweise, dass bei einer Zustellung mit Postzustellungsurkunde die 3-Tagefrist nicht anwendbar sei, so werde diese Auffassung nicht geteilt. § 122 Abs. 5 AO enthalte keine Bekanntgabefristen. Die Norm beschränke sich in Satz 1 darauf anzuordnen, wann eine förmliche Zustellung erfolgen solle. Sei diese angeordnet, so ergäben sich die Einzelheiten aus dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG), insbesondere gelte bei einer Zustellung mit Postzustellungsurkunde § 3 VwZG. Da diese Vorschrift jedoch keine Angaben enthalte, wann die Zustellung als erfolgt gelte, sei auf die Regelung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückzugreifen. Hiernach gelte die Zustellung als am dritten Tag nach Aufgabe des Bescheides zur Post als erfolgt. Darüber hinaus versetze § 3 VwZG die Finanzbehörde in die Lage, den Nachweis der Zustellung durch Postzustellungsurkunde zu erbringen, um möglicherweise Festsetzungsfristen zu wahren. Das VwZG treffe aber keine Aussage darüber, wann ein Dokument als zugestellt gelte, sondern lediglich, wie es zugestellt werde. Auch die Frage des Beginns der Rechtsbehelfsfrist lasse das VwZG unbeantwortet. Dies sei wiederum nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu entscheiden. Zudem sei es für das Finanzamt letztlich gleichgültig, ob die Frist am Tag der tatsächlichen Zustellung oder - wie vorliegend - zwei Tage später beginne.
In der Sache führt die Klägerin aus, dass sämtliche streitigen Erhaltungsaufwendungen durch Aufträge entstanden seien, die entweder Ende 2012 oder Anfang 2013 erteilt worden seien. Zum damaligen Zeitpunkt habe jedoch keine Absicht bestanden, dass maßgebliche Grundstück auf die Stiftung zu übertragen. Hierfür spreche auch, dass keine Innenarbeiten in Auftrag gegeben worden seien. Die Aufträge hätten alleine dazu gedient, eine spätere Nutzung überhaupt möglich zu machen. Eine individuelle Herrichtung des Grundstücks für einen speziellen Mieter sei nicht beabsichtigt und damit nicht Gegenstand der Auftragserteilung gewesen. Es habe sich um notwendige Sanierungsarbeiten zur Vorbereitung einer späteren Vermietung gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 28. Dezember 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um xx € (brutto) auf xx € herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, dass der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2018 unzulässig sei. Ergänzend führt er aus, dass für die Bekanntgabe von steuerlichen Verwaltungsakten im Inland mit der Post die 3-Tagefiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gelte. Die Fiktion bewirke, dass es etwa für den Beginn der Einspruchsfrist nicht auf einen tatsächlich früheren Zugang ankomme (Ratschow in: Klein, AO 2018 § 122 Rz. 56; BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965). Nur ein späterer Zugang sei insofern von Relevanz (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824). Aufgabe zur Post bedeute dabei Einwurf in einen entsprechenden Briefkasten oder Einlieferung bei der Post bzw. privaten Postdienstleister. Im Streitfall sei jedoch keine Aufgabe des Steuerbescheides zur Post erfolgt, sondern die förmliche Zustellung mit Zustellungsurkunde. Die Klägerin verkenne, dass bei der förmlichen Zustellung nach § 122 Abs. 5 AO die Vorschriften des VwZG gelten würden (AEAO zu § 122 Nr. 1.8 S. 4). Die 3-Tagefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greife bei der förmlichen Zustellung nach § 122 Abs. 5 AO i. V. m. dem VwZG nicht (Ratschow in: Klein, AO, § 122 Rz 79). Es sei dabei unerheblich, ob die Zustellung an einem Sonntag, Sonnabend oder Feiertag erfolge (BFH-Beschluss vom 28. November 2007 IX B 175/07). Dieses ergebe sich auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 28. Dezember 2018.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die für die Klägerin unter der Steuernummer xx/xxx/xxxxx geführten Verwaltungsvorgänge einschließlich Einspruchsheftung des Beklagten vorgelegen. Wegen des weiteren Vorbringens wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2021 Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 28. Dezember 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einspruch der Klägerin gegen den streitigen Feststellungsbescheid für 2013 wegen Versäumens der einmonatigen Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) als unzulässig zu verwerfen war (§ 358 Satz 2 AO).
Die Einspruchsfrist war im Zeitpunkt des Eingangs des Einspruchs am 30. Januar 2019 bereits abgelaufen.
1. Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen.
Im Streitfall erfolgte die Bekanntgabe des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 am 29. Dezember 2018 durch Zustellung, § 2 Abs. 1 VwZG.
a) Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Für die Bekanntgabe stehen der Verwaltung grundsätzlich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. § 122 AO sieht für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte, wie vorliegend des Feststellungsbescheides, neben der Übermittlung durch die Post (Abs. 2) u.a. auch die förmliche Zustellung (Abs. 5) vor und regelt sie teilweise (vgl. Ratschow in: Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rz. 12). Für die Zustellung verweist Abs. 5 Satz 2 der Vorschrift auf das VwZG. Die Zustellung ist dabei eine formalisierte Art der Bekanntgabe (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 163. Lieferung 10.2020, § 2 VwZG Rz. 1), bei der die Behörde die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten hat (§ 2 Abs. 3 Satz 1 VwZG). Soll der Verwaltungsakt auf behördliche Anordnung durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, so gelten für die Ausführung der Zustellung die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich bereits hieraus der Schluss ziehen, dass § 122 Abs. 2 AO zwar allgemein für die Bekanntgabe von mit der Post zugesandten Verwaltungsakten gilt, aber dann nicht eingreift, wenn sich der Zeitpunkt der Bekanntgabe nach besonderen Vorschriften zu richten hat, wie zum Beispiel denen über die Zustellung (so auch FG Hamburg, Urteil vom 12. August 1986 II 96/86, EFG 1987, 99). Zwar ist grundsätzlich richtig, dass sich die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes, der durch die Post übermittelt wird, in der Regel nach § 122 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO bestimmt. Hiernach gilt der Verwaltungsakt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, dass er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Anders als noch seine Vorgängervorschrift in § 17 Abs. 2 VwZG (aufgehoben durch Art. 39 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I, 3341, 3365), welche als Sonderart der Zustellung die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten in einfacher Briefform regelte, enthält § 122 Abs. 2 AO nicht mehr den Zusatz der Übermittlung "durch einfachen Brief". Daher wäre es nach dem bloßen Wortlaut der Vorschrift durchaus möglich, dass § 122 Abs. 2 AO für alle Fälle der Übermittlung eines schriftlichen Verwaltungsaktes durch die Post gelten soll, somit auch für die Zustellung durch die Post mittels Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG) oder mittels eingeschriebenen Briefes (§ 4 VwZG). Dieser Annahme ist die Rechtsprechung jedoch entgegengetreten (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826; Beschluss vom 28. November 2007 IX B 175/07, juris; FG Hamburg, Urteile vom 22. Juni 1989 II 97/88, EFG 1989, 550 und vom 12. August 1986 II 96/86, EFG 1987, 99). Der BFH weist in seinen Entscheidungen dabei ausdrücklich darauf hin, dass § 122 Abs. 2 AO keine Anwendung auf die förmlichen Zustellungen gemäß § 122 Abs. 5 AO i. V. m. den Vorschriften des VwZG findet (Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826, noch zu der bis zum 31.12.1986 geltenden Fassung in § 122 Abs. 2 Halbsatz 1). Denn die Bestimmung des § 122 Abs. 5 AO und der darin enthaltene Verweis auf die Vorschriften des VwVG seien gegenüber der allgemeinen Regelung in § 122 Abs. 2 Satz 1 AO leges speciales. § 122 Abs. 2 AO ersetze lediglich die aufgehobene Vorschrift des § 17 VwZG; ihre Rechtsfolge beziehe sich daher ebenfalls nur auf die Zustellung von Steuerverwaltungsakten in einfacher Briefform (BFH, Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826).
Der erkennende Senat folgt der Auffassung des BFH. Zumal es für eine erweiterte Anwendung der in § 122 Abs. 2 Satz 1 AO getroffenen Regelung auf die Fälle der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde keinen sachlich gerechtfertigten Grund gibt. Auch Gründe der Rechtssicherheit und Vereinfachung greifen hier nicht Platz. Denn soll bei einer Anwendung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO lediglich der Ungewissheit des tatsächlichen Zugangs und der damit zusammenhängenden möglichen Kenntnisnahme des Schriftstücks durch den Empfänger Rechnung getragen werden, so ist bei einer Zustellung mit Zustellungsurkunde der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe in der Zustellungsurkunde festgehalten und durch sie belegt. Dabei erbringt die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde gemäß § 418 ZPO i. V. m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, mithin auch des Zeitpunkts ihrer Zustellung. Einen Rückgriff auf die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO bedarf es - auch aus Vereinfachungsgründen - daher nicht. Der Tag der (förmlichen) Bekanntgabe des Verwaltungsaktes lässt sich einfach und zweifelfrei unmittelbar aus der Zustellungsurkunde entnehmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin soll diese, gegenüber einer Bekanntgabe mit einfachem Brief erweiterte Funktion der Zustellung mit Zustellungsurkunde auch nicht lediglich die Finanzbehörde in die Lage versetzen, die Einhaltung von Festsetzungsfristen zweifelsfrei belegen zu können, sondern dient dem Nachweis des Zeitpunkts der Bekanntgabe in allen erdenklichen Fällen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs hält der Senat für sachlich nicht gerechtfertigt.
Darüber hinaus regelt § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG ausdrücklich, dass bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes, welche ebenfalls nach den Bestimmungen des VwZG und durch die Post vorgenommen wird, der eingeschriebene Brief mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Fiktion des § 122 Abs. 2 AO auch für die Bekanntgabe durch förmliche Zustellung zu gelten hätte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826 mit Verweis auf die Entscheidung des FG Hamburg vom 12. August 1986 II 96/86, EFG 1987, 99). Den Vorrang der Bestimmungen des VwZG über den Zugang von Verwaltungsakten gegenüber dem § 122 AO sieht der BFH dabei durch die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift bestätigt. Denn sie ersetze den durch Art. 39 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I 3341, 3365) aufgehobenen § 17 VwZG, der als Sonderart der Zustellung die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten in einfacher Briefform regelte; nur darauf beziehe sich somit die Rechtsfolge des § 122 Abs. 2 AO (BFH-Urteil vom 16. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826).
Den Vortrag der Klägerin, der BFH habe mehrfach in seinen Entscheidungen bestätigt, dass in Anwendung des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO eine Abkürzung der 3-Tagefrist auch bei einem vorzeitigen Zugang des Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht in Betracht komme, sieht der Senat ebenfalls als nicht zielführend an. Wie bereits ausgeführt, kommt die Vorschrift des § 122 Abs. 2 AO bei Vornahme einer Bekanntgabe durch (förmliche) Zustellung nicht zur Anwendung. Mithin können auch keine (Umkehr-)Schlüsse aus der gesetzlichen Formulierung in § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO gezogen werden. Weder der gesetzlichen Formulierung, noch dem Gesetzgebungsverfahren lassen sich Aspekte entnehmen, die auf eine Art "Mindestbekanntgabezeitraum" im Sinne der 3-Tagefrist des § 122 Abs. 2 AO schließen ließen. Dieses würde nach Ansicht des erkennenden Senats zudem dem Zweck der formalisierten Zustellung im Sinne des VwZG entgegenstehen, die einerseits gegenüber dem Zustellungsempfänger gewährleisten soll, dass dieser von dem Dokument Kenntnis erhält und seine Rechtsverfolgung darauf einrichten kann, andererseits den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs dokumentieren soll (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, a.a.O. § 2 VwZG Rz. 1). Im Gegensatz zur Klägerin sieht der Senat hierin auch keinen Verstoß gegen das vom BFH formulierte Ziel der erleichterten Fristenberechnung und Eröffnung des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz. Denn bei einer (förmlichen) Zustellung durch Zustellungsurkunde ergibt sich der Zeitpunkt der Zustellung zweifelfrei aus dem auf ihr festzuhaltendem Datum. Der für die Fristenberechnung nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO bzw. §§ 47 Abs. 1, 54 Abs. 1 FGO maßgebliche Zeitpunkt ist für die Beteiligten daher einfach festzustellen. Die Vorschrift steht somit auch im Lichte eines erleichterten Zugangs zu möglichen Rechtsmittelverfahren.
b) Die Zustellung des Feststellungsbescheides litt im Streitfall nicht an Mängeln, durch die die Wirksamkeit der Bekanntgabe eine Beeinträchtigung erfahren hätte oder infolge derer der Lauf der Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden wäre. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2018 durch den Beklagten mit ordnungsgemäß erteiltem schriftlichen Zustellungsauftrag an die Post übergeben wurde. Die Sendung, mit der der angefochtene Bescheid zugestellt wurde, entsprach den Anforderungen des § 3 Abs. 2 VwZG. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung von Verwaltungsakten wurden weder vorgetragen noch sind sie erkennbar. Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen zu den formellen Voraussetzungen einer Zustellung durch Postzustellungsurkunde ab.
c) Die Zustellung des streitigen Feststellungsbescheides wurde in Anwendung der vorgemachten Ausführungen am Sonnabend, den 29. Dezember 2018 im Wege der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegung des Bescheides in den zu den Geschäftsräumen gehörenden Briefkasten der steuerlichen Berater als Empfangsbevollmächtigte der Klägerin bewirkt. Die Ersatzzustellung nach § 180 Satz 2 ZPO war zulässig, weil der Zusteller ausweislich der Postzustellungsurkunde an diesem Tag weder die steuerlichen Berater der Klägerin als die Person, denen mit Wirkung gegenüber der Klägerin zugestellt werden sollte, noch eine dort beschäftigte Person in den Geschäftsräumen angetroffen hat (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Der Zusteller hat auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung vermerkt (vgl. § 180 Satz 3 ZPO).
2. Die Rechtsbehelfsfrist begann nach Zustellung des Bescheides am 29. Dezember 2018 am 30. Dezember 2018 um 0.00 Uhr zu laufen (§ 108 Abs. 1 AO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und endete mit Ablauf des 29. Januar 2019.
a) Unerheblich ist dabei, ob der Tag der Bekanntgabe oder der Beginn der Frist auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt. Das Gesetz sieht diesen Umstand lediglich für das Ende der Frist als bedeutsam an. Denn nach § 222 Abs. 2 ZPO endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt (BFH, Beschluss vom 28. November 2007 IX B 175/07, juris). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Briefkasten an diesem Tag gelehrt wurde bzw. gelehrt werden konnte und ob das Büro der steuerlichen Berater der Klägerin besetzt gewesen ist.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nicht voraus, dass der Empfänger den Verwaltungsakt tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Es genügt vielmehr, dass nach den allgemeinen Gepflogenheiten von ihm eine Kenntnisnahme erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219 mit weiteren Hinweisen aus der Rechtsprechung). Das ist wiederum regelmäßig anzunehmen, wenn die Sendung entsprechend dem postalischen Vorschriften zugestellt wurde (BFH, Urteile vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175 und vom 13. Oktober 1994 IV R 100/93, BFHE 176, 510, BStBl II 1995, 484, m. w. N.), wofür ein Einwurf in den Briefkasten des Empfängers ausreicht (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1974 V R 111/74, BFHE 114, 176, BStBl II 1975, 286). Dieses gilt mithin auch dann, wenn die Postsendung mit dem Verwaltungsakt an einem Sonnabend in den Briefkasten eines Betriebes eingeworfen wird und in dem betreffenden Betrieb sonnabends weder gearbeitet noch der Briefkasten geleert zu werden pflegt (BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764; FG Hamburg, Urteil vom 24 Januar 1985 V 199/82, EFG 1985, 378). Für die Berechnung der Rechtsbehelfsfrist ist in solchen Fällen regelmäßig der Tag des Einwurfs maßgeblich; eine Verschiebung des Fristbeginns auf einen nachfolgenden Tag sieht das Gesetz nicht vor (BFH-Beschluss vom 4. Juni 1993 V B 9/93, BFH/NV 1974, 183).
bb) Zu einer abweichenden Beurteilung führt auch nicht die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Berechnung des Fristbeginns in den Fällen des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. In seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2003 (IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898) hatte der BFH in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die 3-Tagefrist erst am nächstfolgenden Werktag ablaufe, wenn das (fiktive) Fristende auf einen Sonnabend oder einen Sonntag bzw. einen gesetzlichen Feiertag falle. Diese Rechtsfolge leitet der BFH aus § 108 Abs. 3 AO ab, der eine entsprechende Bestimmung für diejenigen Fälle enthält, in denen das Ende einer Frist auf einen der genannten Wochentage fällt. Die Annahme ist nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219) jedoch nicht auf Fälle übertragbar, in denen der tatsächliche Zugangszeitpunkt genau bestimmt wird. In der Entscheidung des BFH betraf dieses die Fälle des § 122 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz AO, in denen die 3-Tagefiktion aufgrund eines nachweislich späterem Zugang nicht greift. Die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Grundsätze sind nach Auffassung des erkennenden Senats auch auf die Fälle der Zustellung zu übertragen. Denn die genannte Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass der in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO genannte Zeitraum eine "Frist" im Sinne des § 108 Abs. 3 AO ist. Wird jedoch, wie auch bei der im Streitfall vorliegenden förmlichen Zustellung, der tatsächliche Zugangszeitpunkt festgestellt und die Bekanntgabe unmittelbar durch den Eintritt eines bestimmten Ereignisses ausgelöst, mangelt es an einem entsprechenden "Fristablauf", so dass § 108 Abs. 3 AO keine Anwendung findet.
cc) Ferner erscheint eine Übertragung der zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entwickelten Grundsätze auf die Fälle der förmlichen Zustellung eines Verwaltungsaktes auch nicht mit dem Sinn und Zweck des § 108 Abs. 3 AO gerechtfertigt. Zwar mag es richtig sein, dass diese Vorschrift darauf abzielt, die Sonn- und Feiertagsruhe zu wahren und der in Wirtschaft und Verwaltung üblichen 5-Tage-Woche Rechnung zu tragen (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898, 900). Der Gesetzgeber hat diesem Anliegen aber lediglich in der Weise Geltung verschafft, dass er im Hinblick auf den Ablauf von Fristen - insbesondere von Rechtsbehelfsfrist - eine entsprechende Hemmung angeordnet hat. Vorliegend geht es indes nicht um den Ablauf, sondern um den Anlauf jener Fristen, und dazu enthält das Gesetz keine vergleichbare Regelung. Der Gesetzgeber geht mithin ersichtlich davon aus, dass der Anlauf einer Rechtsbehelfsfrist - anders als deren Ablauf - auch auf einen Sonntag, Feiertag oder Sonnabend fallen kann. Mit dieser klaren Vorgabe wäre es daher nicht vereinbar, wenn die Gerichte den Anlauf der Einspruchsfrist generell dem Regelungsbereich des § 108 Abs. 3 AO unterstellen würden (entsprechend: BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219).
dd) Schließlich kann eine solche Handhabung auch nicht auf die Erwägung gestützt werden, dass ein an einem Sonnabend eingegangenes Schreiben häufig erst am nächstfolgenden Tag bearbeitet werde und dass dem Empfänger eines Verwaltungsakts die gesetzliche Rechtsbehelfsfrist ungekürzt als Überlegungs- und Bearbeitungsfrist zur Verfügung stehen müsse. Ein genereller Aufschub des Fristanlaufs unter diesem Gesichtspunkt müsste vielmehr vom Gesetzgeber angeordnet werden, was nicht geschehen ist. Ebenso verfehlt wäre es, den Fristanlauf von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig zu machen. Insbesondere kann es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen, ob die Bekanntgabe in einem privaten oder einem betrieblichen Bereich erfolgt und ob letzterenfalls in dem betreffenden Betrieb an Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet wird oder nicht. Denn damit würden genau diejenigen Unsicherheiten und Erschwernisse bei der Bestimmung der Rechtsbehelfsfrist, die durch die Vornahme einer förmlichen Zustellung und die neue Rechtsprechung zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO u.a. beseitigt werden sollten, für die Fälle der tatsächlichen Zugangszeitbestimmung neu geschaffen. Die Bestimmung des Bekanntgabezeitpunkts würde dann von den Gepflogenheiten des einzelnen Empfängers abhängen, die deshalb selbst dann von Fall zu Fall ermittelt werden müssten, wenn der Verwaltungsakt förmlich zugestellt würde.
c) Der unstreitig durch die Bevollmächtigten der Klägerin erhobene Einspruch gegen den Bescheid für 2013 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 28. Dezember 2018 ging beim Beklagten erst am 30. Januar 2019 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist ein. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden durch die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich; insbesondere dürfte die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO im Zeitpunkt der vermeintlichen Kenntnisnahme des Fristversäumnisses durch die Klägerin bereits verstrichen gewesen sein.
Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Insbesondere sind die Grundsätze für die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes mittels förmlicher Zustellung durch Postzustellungsurkunde und die sich hieran anschließende Fristberechnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Anwendung dieser Rechtsprechung unterliegt der Einzelfallwürdigung, die eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.