Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 30.10.2014, Az.: 1 U 42/14

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.10.2014
Aktenzeichen
1 U 42/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 36467
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:1030.1U42.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 22.05.2014

Fundstellen

  • ArbRB 2015, 34 (Pressemitteilung)
  • BB 2015, 115
  • NZA 2015, 7 (Pressemitteilung)

Amtlicher Leitsatz

Eine Klausel in den AGB eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags über die Entrichtung einer allein an das Überlassungsentgelt zwischen Entleiher und Verleiher gekoppelten Vermittlungsvergütung für den Fall der Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher ist nach §§ 307 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 310 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 9 Nr. 3 AÜG wegen unangemessener Höhe der Vermittlungsvergütung unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die sich daraus ergebende Vermittlungsvergütung das Zweifache des vom Entleiher nach der Übernahme gezahlten Bruttomonatsgehaltes übersteigen kann.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.05.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätiges Unternehmen. Sie beansprucht von der Beklagten Vermittlungsprovisionen nach vorangegangener Arbeitnehmerüberlassung. Die Provisionen haben sich auf drei Arbeitnehmer bezogen, die die Beklagte von der Klägerin in den Jahren 2012 und 2013 entliehen hatte und mit denen die Beklagte anschließend eigene Arbeitsverhältnisse begründete. Es handelte sich dabei u.a. um den Pflegehelfer S ...... für den Überlassungszeitraum von vier Wochen zu einem Stundenlohn von 17,50 Euro und den Altenpfleger F .... für den Überlassungszeitraum von 60 Tagen zu einem Stundenlohn von 27,50 Euro jeweils bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Die Klägerin fügte jedenfalls dem Überlassungsvertrag betreffend Herrn S .... ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei, wegen deren Inhaltes auf die Anlage K4 (Bl. 20 d.A.) Bezug genommen wird. Darin heißt es zur Übernahme eines Leiharbeitnehmers durch den Entleiher unter Ziffer 6 der AGB:

"Übernimmt der [Entleiher] oder ein mit ihm rechtlich, wirtschaftlich oder persönlich verbundenes Unternehmen den [Mitarbeiter der Klägerin] oder Bewerber von [der Klägerin] vor oder während eines bestehenden Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses bzw. bis zu 12 Wochen nach Ablauf des AÜ-Vertrages, so gilt dies als Vermittlung. Für diese Vermittlung wird eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von

a) 200 Stunden bei Überlassung von bis zu 3 Monaten

b) 175 Stunden bei Überlassung von bis zu 6 Monaten

c) 150 Stunden bei Überlassung von bis zu 9 Monaten

des vereinbarten Stundenverrechnungssatzes dieses Überlassungsvertrages in Rechnung gestellt.

Nach einer ununterbrochenen Überlassungsdauer von mehr als 9 Monaten wird keine Bearbeitungsgebühr berechnet. Der Anspruch auf die Vermittlungsgebühr entsteht unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Übernahme des Mitarbeiters noch ein Arbeitsverhältnis mit [der Klägerin] besteht. (...)"

Die Beklagte übernahm den Pflegehelfer S .... mit Wirkung zum 01.01.2013 als Arbeitnehmer und beschäftigte ihn zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.513,52 Euro. Der Altenpfleger F .... ist als Arbeitnehmer bei der Beklagten seit März 2013 zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von durchschnittlich 2.260,10 Euro beschäftigt. Ob die Beklagte auch die dritte Leiharbeitnehmerin, Frau B ......, ebenfalls übernommen hat, ist zwischen den Parteien umstritten gewesen.

Mit Rechnungen vom 18.10.2013 berechnete die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage ihrer AGB eine Vermittlungsgebühr für die genannten drei Arbeitnehmer in Höhe von insgesamt 17.112,20 Euro. Für Herrn S .... beanspruchte sie 3.500 Euro netto, d.h. 4.165,- € Euro brutto und für Herrn F .... 5.500,- Euro netto, d.h. 6.545,- Euro jeweils inkl. Mehrwertsteuer. Die Beklagte leistete hierauf keine Zahlung an die Klägerin. Die Klägerin hat in erster Instanz die Zahlung von insgesamt 17.112,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2013 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 50,- Euro begehrt.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat Ziff. 6 der AGB der Klägerin für unwirksam gehalten. Die auf Grundlage der Klausel errechneten Vermittlungsgebühren seien unangemessen hoch. Sie hat bestritten, die Altenpflegerin B .... nach Überlassung durch die Klägerin angestellt zu haben. Im Falle des Herrn F .... seien die AGB der Klägerin nicht in den Vertrag einbezogen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Ziff. 6 der AGB der Klägerin wegen einer unangemessenen Höhe der sich daraus ergebenden Vermittlungsgebühr unwirksam sei. Eine Erhaltung der Klausel auf einen angemessenen Teil der Vergütung komme nicht in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten des vom Landgericht zugrunde gelegten Sachverhalts, des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Begründung dieser Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch noch für die Übernahme der beiden ehemaligen Leiharbeitnehmer F .... und S .... weiter. Die Klägerin erachtet Ziff. 6 ihrer AGB weiterhin für wirksam und vertieft hierzu ihren Standpunkt. Die Klausel erfülle die Vorgaben, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Wirksamkeit von AGB-Klauseln über Vergütungen zwischen Arbeitnehmerüberlasser und Entleiher für den Fall der Übernahme von Mitarbeitern gemacht habe. Das betreffe auch die Angemessenheit der sich daraus ergebenden Vergütungshöhe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.710,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2013 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 50,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihre bereits in erster Instanz vertretene Argumentation zur Unwirksamkeit der Klausel. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht Oldenburg hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die Vermittlung der übernommenen Arbeitskräfte S .... und F .... nicht zusteht. Die Vergütungsvereinbarung in Ziff. 6 ihrer AGB, auf den sich dieser Anspruch allein stützen lässt, ist unwirksam. Die Klausel beinhaltet eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten, weil die darin vorgesehene Vergütungshöhe für die Vermittlung einer Arbeitskraft gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen hoch ist. Das ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 9 Nr. 3 AÜG nicht vereinbar.

Bei den vorliegenden Vertragsbedingungen handelt es sich um AGB gem. § 305 Abs. 1 BGB. Auf diese ist gem. § 310 Abs. 1 BGB auch bei einer Verwendung gegenüber Kaufleuten die Vorschrift des § 307 BGB zur Inhaltskontrolle wegen unangemessener Benachteiligung anzuwenden.

Der wesentliche gesetzliche Grundgedanke, an dem die Klausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB hier zu messen ist, ergibt sich vorliegend aus § 9 Nr. 3 AÜG. Danach sind Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und dem Entleiher über die Vergütung für den Fall der Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher nur wirksam, wenn die Vergütung "angemessen" ist. Bei der Frage der Angemessenheit der nach der Klausel vorgesehenen Vergütung ist der mit § 9 Nr. 3 AÜG verfolgte gesetzgeberische Zweck zu berücksichtigen.

Gemessen daran erfüllt die vorliegende Klausel mit der darin vorgesehenen degressiven Staffelung der Vermittlungsgebühr je nach der Dauer der Überlassung und der Koppelung der Vergütung an den vertraglich vereinbarten Stundenverrechnungssatz, den der Entleiher zu zahlen hat, nur bedingt den mit § 9 Nr. 3 AÜG verbundenen Regelungszweck. Denn damit erfüllt die Klausel die Kriterien für die Angemessenheit der Vergütung nur insoweit, als sich die Höhe der Vergütung nach der Dauer der vorangegangenen Überlassung, der Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten Entgelts und dem Aufwandes für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu bemessen hat (vgl. BT-Dr 15/1749, S. 29; BT-Dr 15/6008, S. 11; BGH, Urt. vom 10.11.2011, III ZR 77/11, NZA-RR 2012, 67 ff., Tz. 18 m.w.N.).

Darüber hinaus hängt die Angemessenheit der Vergütung nach dem Regelungszweck des § 3 Nr. 9 AÜG aber auch davon ab, dass die Vergütung verkehrsüblich ist und diese das Marktniveau einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung sowie die Qualifikation des betroffenen Arbeitnehmers hinreichend berücksichtigt (BGH, aaO., Tz. 18). Diesen nach § 3 Nr. 9 AÜG ebenfalls maßgeblichen Kriterien trägt die hier in Rede stehende Vergütungsregelung in Ziff. 6 der AGB der Klägerin nicht, jedenfalls in nicht ausreichendem Maße Rechnung. Denn darin wird ausschließlich auf den zwischen der Klägerin als Verleiherin und der Beklagten als Entleiherin vereinbarten Stundenverrechnungssatz für die Überlassung angeknüpft. Damit bleibt der "Marktwert" des vom Entleiher übernommenen Mitarbeiters und des damit vom Entleiher gewonnenen wirtschaftlichen Vorteils bei der Bemessung der Höhe Provision völlig außer Betracht. Der BGH (aaO., Tz. 31) betont, dass sich der wirtschaftliche "Wert" der Arbeitskraft des jeweiligen Arbeitnehmers in dem Einkommen aus dem hierdurch angebahnten Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher, das dieser mit dem Arbeitnehmer selbst aushandeln kann, niederschlägt. Denn hierdurch wird ein Bezug zum Wert der Arbeitsleistung, zur Qualifikation und zur bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers hergestellt. Das jeweilige Bruttoeinkommen korrespondiert mit dem wirtschaftlichen Wert des mit dem Wechsel des Arbeitnehmers einhergehenden wirtschaftlichen Nachteils für den Verleiher, des entsprechenden Vorteils für den Entleiher und einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung (BGH, aaO., Tz. 21).

Die hier in Rede stehende Klausel sieht eine Koppelung oder Begrenzung der Vergütungshöhe, die an das jeweilige Bruttoeinkommen des betroffenen Arbeitnehmers nach der Übernahme durch die Entleiherin anknüpft, aber nicht vor. Eine solche undifferenzierte Vergütungsklausel ohne eine am Einkommen des Leiharbeitnehmers orientierte Beschränkung ermöglicht eine unangemessen hohe Vergütung im Sinne des § 9 Nr.3 AÜG (so auch LG Flensburg, Urt. vom 06.12.2013, Az. 2 O 89/13, BecksRS 2014, 03715, hinsichtlich einer mit der vorliegenden Klausel vergleichbaren Vergütungsregelung).

Für die Angemessenheit einer Provisionsregelung im Sinne des § 3 Nr. 9 AÜG reicht es demnach nicht aus, - wie hier - eine degressive Staffelung vorzunehmen und für die Höhe der Vergütung allein an den Stundenverrechnungssatz zwischen Verleiher und Entleiher anzuknüpfen.

Gemessen an den vom BGH in der Entscheidung vom 10.11.2011 (aaO.) aufgestellten Kriterien wäre die hier vorliegende Vergütungsregelung, die ausschließlich an den Stundenverrechnungssatz zwischen Entleiher und Verleiher gekoppelt ist, allenfalls dann als noch angemessen zu beurteilen, wenn sich die danach bestimmte maximale Vergütung innerhalb der branchenüblichen Sätze, gemessen am Bruttoeinkommen des Leiharbeitnehmers, bewegte (LG Flensburg, aaO. Urt. vom 06.12.2013, Az. 2 O 89/13, BecksRS 2014, 03715). Insoweit hat der BGH eine Provisionsregelung mit einer Begrenzung auf jedenfalls zwei Bruttomonatsgehälter für noch zulässig erachtet (aaO., Tz. 22.). Vorliegend führt die Regelung in Ziff. 6 der AGB der Klägerin aber zu einer Vermittlungsprovision, die das zweifache Bruttomonatseinkommen des Leiharbeitnehmers generell deutlich übersteigen kann. Das zeigt sich gerade auch bei den hier geforderten Provisionen für die Mitarbeiter S .... und F .... : Im Falle des Mitarbeiters S .... übersteigt die Provisionsforderung von netto 3.500 € das Zweifache des Bruttomonatseinkommens, welches 3.027,50 € beträgt, um mehr als 15%. Die Provision entspricht damit dem 2,3fachen des Bruttomonatseinkommens. Im Falle des Mitarbeiters F .... liegt die Provisionsforderung von netto 5.500 € sogar um mehr als 20% über dem zweifachen Bruttomonatseinkommen, welches sich auf 4.520,- € beläuft. Das entspricht dem 2,4fachen des Bruttomonatseinkommens.

Aus der von der Berufung angeführten Entscheidung des BGH vom 11.03.2010 (Az. III ZR 240/09, NZA 2010, 511 ff.) ergibt sich keine andere Beurteilung. Der BGH hatte zwar die Wirksamkeit einer Klausel über eine Vergütung für die Übernahme von Leiharbeitnehmern zu überprüfen, die sich - wie hier - aus einem Vielfachen des zwischen Ent- und Verleiher vereinbarten Stundenverrechnungssatzes errechnete. Allerdings hat der BGH die Klausel schon mangels einer degressiven Staffelung der Vergütung für unwirksam erachtet und die Frage der Angemessenheit der Vermittlungsprovision im Hinblick auf deren Höhe ausdrücklich offen gelassen (aaO., Tz. 21).

Nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil kommt eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf ein angemessenes Maß nicht in Betracht (vgl. BGH, NZA 2010, 511 [BGH 11.03.2010 - III ZR 240/09], [BGH 11.03.2010 - III ZR 240/09] Tz. 19).

Ob die AGB der Klägerin auch in den Überlassungsvertrag betreffend den früheren Leiharbeitnehmer F .... mit einbezogen worden sind, konnte nach alledem dahinstehen.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Das Rechtsmittel der Revision ist nicht zugelassen worden, weil dafür die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hier nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die hier vertretene Auffassung zur Unwirksamkeit der vorliegenden Klausel hält sich im Rahmen der rechtlichen Bahnen, die der BGH zu §§ 3 Nr. 9 AÜG, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgezeichnet hat. Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgericht Oldenburg hat dem Senat mitgeteilt, dass er an seiner abweichenden Auffassung gemäß Urteil vom 14.12.2012 (Az. 11 U 4/13), wonach eine AGB-Klausel mit identischem Inhalt wie der vorliegenden Ziff. 6 der AGB der Klägerin wirksam sei, nicht festhält.