Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.09.2020, Az.: 3 Ws 210/20 (MVollz)
Kein Ermessensspielraum der Vollstreckungsbehörde bei vollzugsöffnenden Maßnahmen; Beurteilung der Flucht- und Missbrauchsgefahr unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots; Erreichung der Vollzugsziele als zusätzliches Tatbestandsmerkmal bei vollzugsöffnenden Maßnahmen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.09.2020
- Aktenzeichen
- 3 Ws 210/20 (MVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 43085
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2020:0908.3WS210.20MVOLLZ.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 75 StVK 197/19
Rechtsgrundlage
- § 119 Abs. 4 S. 3 StVollzG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Anordnung vollzugsöffnender Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG liegt nicht im Ermessen der Vollzugsbehörde. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf vollzugsöffnende Maßnahmen.
- 2.
Die Versagungsgründe der Flucht- oder Missbrauchsgefahr nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG eröffnen einen behördlichen Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Bei Ausübung des Beurteilungsspielraums sind die besonderen Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots zu beachten.
- 3.
Soweit § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG vorsieht, dass vollzugsöffnende Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG erforderlich sein müssen, handelt es sich um eine zusätzliche tatbestandliche Voraussetzung. Auch insoweit ist der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der allerdings in besonderer Weise den Beschränkungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots unterliegt. Deshalb kommt diese Voraussetzung in erster Linie bei der Entscheidung über den Umfang der vollzugsöffnenden Maßnahmen zum Tragen.
Tenor:
- 1.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
- 2.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.
- 3.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 1000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Gegen den Beschwerdeführer wird nach Verbüßung einer Gesamtheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen seit dem 30. März 2014 die Sicherungsverwahrung vollstreckt. Die Justizvollzugsanstalt H., in deren sozialtherapeutischer Abteilung der Beschwerdeführer sich seit dem 8. Februar 2011 befand, bewilligte dem Beschwerdeführer mit der Vollzugsplanfortschreibung vom 4. November 2019 sowohl Begleitausgang als auch Ausgang. Die Begründung zur Bewilligung von Ausgang enthielt aber den Hinweis, dass dem Beschwerdeführer auch "weiterhin die Weisung erteilt" werde, "sich bis auf weiteres durch einen Vollzugsbediensteten begleiten zu lassen". Weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen gewährte die Vollzugsbehörde nicht, weil sie zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG nicht erforderlich seien und ihnen zwingende Gründe entgegen ständen.
Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19. November 2019 mit dem Ziel der Gewährung umfassender Lockerungen und des Einstiegs in die Entlassungsvorbereitung.
Am 20. Mai 2020 wurde der Beschwerdeführer dauerhaft in die Justizvollzugsanstalt R. verlegt.
Mit Beschluss vom 16. Juli 2020 hat die 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen, weil die Antragsgegnerin den ihr nach § 13 Abs. 2 NJVollzG zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten und von ihrem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat (zumindest vorläufig) Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts geboten. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Leitsätze für die Auslegung von § 16 Nds. SVVollzG aufzustellen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts Hannover greift allerdings nicht durch.
Zwar ist es zutreffend, dass bei einem Antrag auf Gewährung von Lockerungen die Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt zu einem Parteiwechsel auf Antragsgegnerseite führt, weil nunmehr nur noch die neue Anstalt über die Bewilligung von Lockerungen entscheiden kann und deshalb gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG am Verfahren beteiligt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1988 - 2 ARs 536/88, BGHSt 36, 33). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Antragsteller nicht konkrete Lockerungen, sondern die Verpflichtung der für die Vollzugsplanfortschreibung verantwortlichen früheren Anstalt begehrt, in der angegriffenen Vollzugsplanfortschreibung seine generelle Eignung für Vollzugslockerungen festzustellen und hierdurch die neue Justizvollzugsanstalt zu seinen Gunsten zu binden. In derartigen Fällen kommt es auch nach einer Verlegung nicht zu einem Parteiwechsel und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der die Vollzugsplanfortschreibung erlassenden Justizvollzugsanstalt besteht fort (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 2 ARs 398/16, NStZ-RR 2017, 232 [BGH 26.04.2017 - 4 StR 645/16]). So liegt es hier.
Ungeachtet dessen würde auch bei einem Parteiwechsel das Unterbleiben einer gebotenen Verweisung hier keinen durchgreifenden Rechtsfehler begründen. Denn gemäß § 17a Abs. 5 GVG i.V.m. § 83 VwGO prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden hat, nicht, ob die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gegeben war (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. April 2011 - 1 Ws 115/11 (StrVollz), juris). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt hat und entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG eine Vorabentscheidung hierüber unterblieben ist (BGHZ 130, 159, 163). Das hat die Rechtsbeschwerde indes nicht vorgetragen.
b) Die angefochtene Entscheidung erweist sich aber deshalb als rechtsfehlerhaft, weil sie auf der Grundlage des hier nicht anwendbaren § 13 NJVollzG getroffen worden ist und deshalb von einem Ermessen der Vollzugsbehörde ausgeht, welches die stattdessen anzuwendende Vorschrift des § 16 Nds. SVVollzG nicht einräumt.
aa) Gemäß § 1 NJVollzG gelten die Regelungen dieses Gesetzes ausschließlich für den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft in Niedersachen. Der Vollzug der Maßregel der Sicherungsverwahrung ist abschließend im Nds. SVVollzG geregelt.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG sind die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen anzuordnen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere nicht konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Vorschrift sieht - anders als § 13 Abs. 1 NJVollzG - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen kein Ermessen vor (vgl. Reichenbach in BeckOK Nds. SVVollzG § 16 Rn. 57). Damit hat der Landesgesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 128, 326, 381) umgesetzt, nach der die Konzeption der Sicherungsverwahrung Vollzugslockerungen vorsehen muss und diese nicht ohne zwingenden Grund - etwa auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - versagt werden dürfen (LT-Drucks. 16/4873, S. 62). Die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Formulierung wurde deshalb auf Empfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen geändert, um zu verdeutlichen, dass der Behörde "insoweit ein Ermessen nicht eingeräumt" wird und es einen grundsätzlichen Anspruch auf Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen gibt (vgl. LT-Drucks. 16/5519, S. 13). Ermessen folgt auch nicht etwa daraus, dass nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift als vollzugsöffnende Maßnahme insbesondere angeordnet werden "kann", dass die oder der Sicherungsverwahrte die Anstalt für eine bestimmte Zeit eines Tages mit einer von der Vollzugsbehörde zugelassenen Begleitung (Begleitausgang) oder ohne Begleitung (Ausgang) verlassen darf. Diese Regelung hat lediglich den Zweck, "die zur Verfügung stehenden Arten von vollzugsöffnenden Maßnahmen in Form von Regelbeispielen aufzuzählen" (vgl. LT-Drucks. aaO).
bb) Vor diesem Hintergrund begegnet es auch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht offen gelassen hat, ob es das im Vollzugsplan beschriebene und vom Beschwerdeführer bestrittene grenzüberschreitende Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber einer Therapeutin der Forensischen Institutsambulanz am 9. Oktober 2019 gegeben hat. Denn die Vollzugsbehörde hat diesem Umstand ausweislich der Begründung des Vollzugsplans maßgebliche Bedeutung beigemessen bei der Frage, ob dem Beschwerdeführer auch unbegleitete vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren sind. Entgegen der Auffassung des Landgerichts genügt hier eine Überprüfung allein anhand der sonstigen Erwägungen im Vollzugsplan nicht.
Zwar eröffnen auch die Versagungsgründe der Flucht- oder Missbrauchsgefahr nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG einen Beurteilungsspielraum, der nur der eingeschränkten gerichtlichen Prüfung nach § 115 Abs. 4 StVollzG darauf unterliegt, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat (ebenso Reichenbach aaO Rn. 61). Denn mit Ausnahme der Tatsache, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG der Vollzugsbehörde kein Ermessen einräumt, gelten die im Strafvollzugsrecht für die Annahme eines Beurteilungsspielraums angeführten Argumente (vgl. BGHSt 30, 320, 324) auch für den Vollzug der Sicherungsverwahrung. Hier wie dort erfordert die Entscheidung über die Versagungsgründe der Flucht- oder Missbrauchsgefahr eine mit Unwägbarkeiten behaftete Vorhersage über innere Vorgänge, die sich auf eine Vielzahl von objektiven Umständen und subjektiven Eindrücken stützt. Deshalb sind auch hier die Vollzugsbehörden wegen ihrer Nähe zu den Sicherungsverwahrten besser als die Gerichte in der Lage, diese Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände zu treffen, weil sie den Sicherungsverwahrten und sein Verhalten im Vollzug kennen oder wenigstens Erkenntnismöglichkeiten darüber haben, die den Gerichten nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen.
bb) Allerdings muss die Vollzugsbehörde bei Ausübung des durch § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG eingeräumten Beurteilungsspielraums die besonderen Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots beachten, das verlangt, dass die Sicherungsverwahrung in deutlichem Abstand zum Strafvollzug so auszugestalten ist, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt, wozu es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung bedarf (BVerfGE 128, 326, 375). Deshalb muss auch hier der vom Bundesverfassungsgericht zu Vollzugslockerungen bei lebenslanger Freiheitsstrafe entwickelte Prüfungsmaßstab (BVerfG NJW 1998, 1133 [BVerfG 13.12.1997 - 2 BvR 1404/96]) zum Tragen kommen. Danach hat die Vollzugsbehörde bei einem Verurteilten, dessen Entlassung nur noch von der positiven Kriminalprognose des Gerichts abhängt, zu beachten, dass sie dem Gefangenen, soweit vertretbar, eine Bewährung zu ermöglichen und ihn auf eine Entlassung vorzubereiten hat und dass der Aussetzungsmaßstab auch auf solche strafvollzuglichen Entscheidungen Einfluss gewinnt, die im Vorfeld einer Entscheidung über die bedingte Entlassung die Sozialprognose tatsächlich oder rechtlich zu beeinflussen geeignet sind. Deshalb darf die prognostische Entscheidung, die der Vollzugsbehörde bei der Bewilligung von Lockerungen zukommt, nicht ohne zwingenden Grund die prognostische Basis der Gerichtsentscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung schmälern, indem sie an die Gewährung der Vollzugslockerung einen unverhältnismäßig strengen Maßstab anlegt. In einem solchen Fall hat die Strafvollstreckungskammer, wenn sie im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG die Versagung der Vollzugslockerungen überprüft, auch der Frage nachzugehen, ob die Vollzugsbehörde diese Einschränkung beachtet hat, der ihr Beurteilungsspielraum unterliegt (BVerfG aaO).
b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Bei Anlegen des vorstehenden Prüfungsmaßstabs kann nicht offen bleiben, ob das im Vollzugsplan beschriebene Ereignis am 9. Oktober 2019 tatsächlich stattgefunden hat.
aa) Im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gilt der Untersuchungsgrundsatz. Das Gericht darf seiner Entscheidung nicht den Sachvortrag einer Seite ungeprüft zugrunde legen. Wenn die Vollzugsbehörde Tatsachen vorgetragen hat, die ihre Maßnahme gegenüber dem Gefangenen begründen sollen, muss das Gericht aufklären, ob sie zutreffen oder nicht, ehe es sie übernimmt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13. Juni 2008, 1 Ws 268/08 [StrVollz]; ebenso BVerfGE 21, 195 [BVerfG 15.02.1967 - 2 BvR 658/65]; OLG Stuttgart NStZ 1987, 295; Arloth/Krä StVollzG 4. Aufl. § 115 Rn. 2; jew. mwN). Zwar genügt im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG der Freibeweis (vgl. Arloth/Krä aaO Rn. 3 mwN). Dies mindert jedoch nicht den erforderlichen Grad der richterlichen Überzeugungsbildung (vgl. OLG Hamm NStZ 1984, 574; Arloth/Krä aaO Rn. 2).
bb) Der Bewertung des Landgerichts, dass die sonstigen im Vollzugsplan aufgeführten Erwägungen die Ablehnung weitergehender Lockerungen rechtfertigen, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist es durchaus zulässig, einen Mangel an therapeutischer Aufarbeitung als einen Gesichtspunkt bei der Einschätzung der Flucht- und Missbrauchsgefahr zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2018 - 2 BvR 286/18, juris). Zutreffend wäre die Auffassung des Landgerichts aber nur dann, wenn hier festzustellen wäre, dass die Vollzugsbehörde auch ohne das streitige Ereignis die gleiche Entscheidung getroffen hätte, der Beurteilungsspielraum also bereits aufgrund der sonstigen Umstände auf null reduziert war. Das ist indes nicht der Fall.
(1) Ausweislich des Vollzugsplans ist die Vollzugsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gewährung von Ausgang zu Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG erforderlich ist und dass dessen Anordnung zwingende Gründe nicht entgegen stehen. Dennoch hat die Vollzugsbehörde in der Begründung bereits darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer "weiterhin die Weisung erteilt" werde, "sich bis auf weiteres durch einen Vollzugsbediensteten begleiten zu lassen". Indes würde mit dieser Weisung die nach der gesetzlichen Definition des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Nds. SVVollzG ausdrücklich "ohne Begleitung" anzuordnende Lockerungsstufe "Ausgang" faktisch auf die weniger freiheitsorientierte Lockerungsstufe "Begleitausgang" reduziert. Ungeachtet dessen, dass die hier angekündigte Weisung im jeweiligen Einzelfall erst noch erteilt werden müsste und die Formulierung "bis auf weiteres" einen gewissen Spielraum lässt, haben die insoweit bestehenden rechtlichen Bedenken (vgl. Reichenbach aaO Rn. 33, der die Weisung für unzulässig hält) Auswirkungen auf die Überprüfung des Vollzugsplans. Denn nach dem Gesetz ist bei Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen - wie hier - die nächsthöhere Lockerungsstufe nicht nur anzuordnen, sondern selbstredend auch tatsächlich umzusetzen. Hingegen dürfen gemäß § 18 Abs. 1 Nds. SVVollzG Weisungen für vollzugsöffnende Maßnahmen nur erteilt werden, soweit dies erforderlich ist, um die Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 zu erreichen oder um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme erfüllt werden. Die Erfüllung der Voraussetzungen für die Anordnung von Ausgang kann aber nicht dadurch sichergestellt werden, dass dieser faktisch in einen Begleitausgang umgewandelt wird. Die Weisung käme damit einem Widerruf der Anordnung der höheren Lockerungsstufe nach § 18 Abs. 3 Nds. SVVollzG oder deren Rücknahme nach § 18 Abs. 4 Nds. SVVollzG gleich. Vor diesem Hintergrund sind im Streitfall die Grenzen des Beurteilungsspielraums jedenfalls nur dann eingehalten, wenn alle angeführten Umstände auch tatsächlich zutreffen.
(2) Eine Reduktion des Beurteilungsspielraums auf das gefundene Ergebnis kommt auch mit Blick auf die Vielzahl der im Vollzugsplan dargelegten positiven Umstände nicht in Betracht. So wurde zugunsten des Beschwerdeführers angeführt, dass Hinweise auf einen Suchtmittelkonsum und Kontakte zur Subkultur nicht bekannt seien, dass er im Rahmen des Vollzuges regelkonformes und angepasstes Verhalten zeige, im Arbeitsbereich hervorragende Leistungen aufweise und "mittlerweile wieder" die erforderliche Mitarbeitsbereitschaft sowie das Bestreben nach einer guten Arbeitsbeziehung zu seinem Behandlungsteam vermittle und an der Erstellung seines Rückfallvermeidungsplanes im Einzelsetting gearbeitet habe. Zudem habe er in über 500 begleiteten und unbegleiteten Lockerungen keine Fluchttendenzen erkennen lassen. Er habe sich bisher verlässlich und absprachefähig erwiesen. Einzig kritische Erwägung ist sodann, dass der Beschwerdeführer sich im Ausgang zur Forensischen Institutsambulanz seiner Therapeutin gegenüber "grenzüberschreitend verhalten" habe. Hiernach ist nicht erkennbar, dass die Vollzugsbehörde bei Außerachtlassung des zwischen den Parteien streitigen Vorfalls die gleiche Entscheidung getroffen hätte.
c) Die angefochtene Entscheidung lässt auch eine nähere Überprüfung vermissen, soweit der Vollzugsplan Langzeitausgang und weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen als zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 nicht erforderlich einstuft, weil der Beschwerdeführer "in Ausgängen erprobt" werde und weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen "derzeit nicht indiziert" seien. Insoweit gilt Folgendes:
aa) Sowohl der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG als auch der ausdrücklich erklärte Wille des Gesetzgebers (LT-Drucks. 16/5519, S. 13) belegen, dass die Erforderlichkeit der vollzugsöffnenden Maßnahme zur Erreichung der Vollzugsziele neben dem Fehlen zwingender Versagungsgründe eine zusätzliche tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung darstellt (so bereits zutreffend LG Göttingen, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 62 StVK 37/15, juris, mit Anm. Peglau, jurisPR-StrafR 20/2015 Anm. 2; ebenso OLG Nürnberg NStZ-RR 2016, 191 [OLG Nürnberg 11.08.2015 - 1 Ws 224/15], zu Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG; KG, Beschluss vom 28. Dezember 2016 - 2 Ws 235/16 Vollz, juris, zu § 40 SVVollzG-Berlin; offen gelassen bei Reichenbach aaO Rn. 56.3). Es handelt sich insoweit nicht lediglich um eine Beschreibung des Zwecks, dem vollzugsöffnende Maßnahme zu dienen bestimmt sind (so OLG Hamm NStZ 2015, 110, zu § 53 Abs. 2 SVVollzG NRW).
bb) Ebenso wie bei der Flucht- oder Missbrauchsgefahr ist der Vollzugsbehörde auch bei der Prüfung der Erforderlichkeit der vollzugsöffnenden Maßnahme zur Erreichung der Vollzugsziele ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der nur der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach § 115 Abs. 4 StVollzG unterliegt (so auch LG Göttingen aaO; OLG Nürnberg aaO; KG aaO). Denn es handelt sich auch hier um eine wertende Entscheidung, die ausgehend vom Behandlungsstand eine Prognose erfordert, in die eine Vielzahl von objektiven Umständen und subjektiven Eindrücken einfließen, welche die sachnähere Vollzugsbehörde besser beurteilen kann, als die in der Folge angerufenen Gerichte.
cc) Indes unterliegt dieser Beurteilungsspielraum in besonderer Weise den Beschränkungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots. Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Bedeutung von Vollzugslockerungen für das freiheitsorientierte Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung und die Aussetzungsprognose sowie das Verbot, Vollzugslockerungen ohne zwingenden Grund zu versagen (BVerfGE 128, 326, 381), wird es regelmäßig nicht in Betracht kommen, einer Lockerungsstufe, für die keine zwingenden Versagungsgründe vorliegen, generell die Erforderlichkeit zur Erreichung der Vollzugsziele abzusprechen. Denn schon der mit jeder vollzugsöffnenden Maßnahme verbundene Effekt, den schädlichen Auswirkungen der Freiheitsentziehung entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 3 Nds. SVVollzG), sowie die gleichzeitige Erweiterung der Behandlungserkenntnisse und der Prognosebasis leisten auch einen Beitrag zur Erreichung der in § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG normierten Vollzugsziele, die Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann, und die Sicherungsverwahrten zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (vgl. LG Göttingen aaO; OLG Hamm aaO; Reichenbach aaO Rn. 56.3; Peglau aaO).
Diese Voraussetzung kommt vielmehr in erster Linie bei der Entscheidung über den Umfang der vollzugsöffnenden Maßnahmen zum Tragen. Denn aufgrund der Ausgestaltung von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG als Vorschrift des zwingenden Rechts bedarf es - gleichsam als Ersatz für das nicht eröffnete Ermessen - eines zusätzlichen Beurteilungskriteriums, um überhaupt Anzahl und Frequenz der vollzugsöffnenden Maßnahmen festlegen zu können. Ansonsten würde beim Fehlen zwingender Versagungsgründe ein unbegrenzter Anspruch des Sicherungsverwahrten auf Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen bestehen, ohne dass eine sachgerechte Entscheidung darüber möglich wäre, in welchem Umfang diese therapeutisch sinnvoll und nach den konkreten Umständen - etwa im Hinblick auf eine mögliche Überforderung des Sicherungsverwahrten - vertretbar sind.
III.
Angesichts der aufgezeigten Rechtsfehler, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geheilt werden können, kann der Senat keine eigene Sachentscheidung treffen und hat die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen (§ 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG).
Für das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit auch nach erfolgter Aufhebung und Zurückverweisung nicht erneut aufgeworfen und anders beurteilt werden kann (OLG Celle, Beschluss vom 7. April 2011 - 1 Ws 115/11 (StrVollz), juris).
IV.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Nr. 8, 63 Abs. 3, 65 GKG.