Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.08.2020, Az.: 4 Ws 6/20

Zahlungen an terroristische Vereinigung stellen keine Vereitelung der Einziehung von Gegenständen dar

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.08.2020
Aktenzeichen
4 Ws 6/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 36447
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0817.4WS6.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 28.05.2020 - AZ: OGS 40/20
OLG Celle - 28.05.2020 - AZ: OGS 41/20

Fundstelle

  • wistra 2021, 119-121

Amtlicher Leitsatz

Verstößt der Täter gegen ein Bereitstellungsverbot aus Art. 2 Abs. 2 der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9), indem er einer gelisteten terroristischen Vereinigung Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zukommen lässt, ist darin nicht zugleich die Vereitelung der Einziehung des Einziehungsgegenstands im Sinne des § 74c StGB zu sehen.

Tenor:

Die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Celle vom 28. Mai 2020 (OGS 40/20 und 41/20) werden aufgehoben.

Die Anträge der Generalstaatsanwaltschaft Celle vom 14. Mai 2020 auf Anordnung eines Vermögensarrestes werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschuldigten insofern entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle führt gegen die Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie Verstoßes gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG.

Der Beschuldigten wird vorgeworfen, sie habe von Februar 2015 bis zum Dezember 2018 die ausländischen terroristischen Vereinigungen "Jabhat-al Nusra" (JaN) bzw. die Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) finanziell als auch materiell unterstützt, indem sie ihrem Sohn W. E. F. in fünf Fällen Geldbeträge über insgesamt 13.362,- EUR habe zukommen lassen sowie gemeinsam mit ihrem weiteren Sohn M. A. E. F. ein geländegängiges Fahrzeug der Marke M. P. im Wert von 5.000 EUR nach S. verbracht und dort ihrem erstgenannten Sohn zur Verfügung gestellt habe.

W. E. F. soll sich zuvor in D. im Raum W. radikalisiert haben und zusammen mit seiner Ehefrau - der deutschen Staatsangehörigen H. E. F. - im April 2014 nach S. ausgereist sein, wo er sich zunächst der JaN und - als diese militärisch unter Druck geriet - zwischen 2014 und 2015 dem IS angeschlossen sowie in ihre Befehlsstruktur eingliedert haben soll, um sich fortan aktiv an der Organisation zu beteiligen mit dem Bestreben, dauerhaft einen islamischen Staat zu errichten. Innerhalb der Organisation des IS habe sich W. E. F. in den von der Organisation gewaltsam angeeigneten Herrschaftsgebiet in S. und I. aufgehalten und dort unter anderem bis zu seiner gesundheitlichen Kampfunfähigkeit als Scharfschütze agiert und soll zuletzt eine führende Rolle im Kampfverband eingenommen haben.

Im Einzelnen soll die Beschuldigte die finanziellen Zuwendungen neben der Verbringung eines Geländewagens am 15. Mai 2015, 29. September 2015 und 29. Februar 2016 von D. aus mithilfe des Zahlungsdienstleisters M.G. i.H.v. 3.400,-, 1.000,- und 462,- EUR sowie im April 2016 und Dezember 2018 über nicht näher bekannte Mittelsmänner i.H.v. 7.500,- und 1.000,- EUR an ihren Sohn getätigt haben, wobei sie zumindest billigend in Kauf genommen haben soll, dass diese letztlich dem Zugriff der vorbezeichneten terroristischen Vereinigungen zugutekamen.

Der Tatverdacht gründet sich im Wesentlichen auf einer Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 22. November 2018, einem Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 23. November 2017 sowie Ermittlungshandlungen des Landeskriminalamtes Niedersachsen in Form von Finanzermittlungen und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen die Beschuldigte. Zudem konnte die Beschuldigte bei einer Kontrolle an der g.-t. Grenze gemeinsam mit ihrem Sohn M. A. E. F. als Insassin des vorbezeichneten Geländefahrzeugs festgestellt werden, wobei sie die T. als Reiseziel angegeben hatte.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts Celle - nachdem bereits zuvor ähnlich gelagerte Beschlüsse ergangen und zunächst wieder aufgehoben worden waren - unter dem 28. Mai 2020 gemäß §§ 111e StPO, 74 Abs. 2, 74c StGB, 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 20 Abs. 1 Nr. 1 AWG gegen die Beschuldigte in Höhe von 13.362,- EUR sowie in einem weiteren Beschluss von selben Tage gesamtschuldnerisch mit ihrem Sohn M. A. E. F. in Höhe von 5.000,- EUR den Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung angeordnet. Zur Begründung hat der Ermittlungsrichter ausgeführt, dass die vorbezeichneten Handlungen, derer die Beschuldigte verdächtig sei, gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 (ABl. L 139 v. 29.05.2002, S. 9), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/483 der Kommission vom 1. April 2020 (ABl. L.103 v. 3.04.2020) verstoße. Sowohl die JaN als auch der IS seien durchgängig gelistete Organisationen gewesen, denen Gelder oder sonstige wirtschaftliche Ressourcen weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden dürften. Die weitergeleiteten Geldbeträge bzw. das zur Verfügung gestellte Kraftfahrzeug stellten notwendige Gegenstände der Tat im Sinne von § 74 Abs. 2 StGB dar, welche nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 AWG der Einziehung unterliegen. Weil die Gegenstände bei der Beschuldigten nicht mehr vorhanden seien, komme vorliegend nach § 74c StGB eine Wertersatzeinziehung Betracht, wobei im Wege unionsrechtkonformer Auslegung die von der Vorschrift verlangte Vereitelungshandlung nicht erforderlich sei.

Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde vom 23. Juni 2020. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass für eine Wertersatzeinziehung nicht ausreiche, dass Vereitelungshandlung und einziehungsbegründende Tathandlung zusammenfielen. Vielmehr bedürfe es einer gesonderten der Tathandlung nachfolgenden Vereitelungshandlung. Eine erweiternde Auslegung des § 74c StGB bei Straftaten nach dem AWG sei nach der zugrundeliegenden Richtlinie auch nicht geboten und verstoße gegen Art. 104 Abs. 2 GG.

Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. § 74c i.V.m. § 20 AWG sei europarechtsfreundlich so auszulegen, dass die Vorschrift die größtmögliche Wirksamkeit des EU-Rechts ("effet utile") entfalte und daher die Vorschrift dahingehend zu verstehen sei, dass § 74c StGB lediglich als Rechtsfolgenverweis zu begreifen sei. Andernfalls seien die von der Verordnung bezweckten abschreckenden Sanktionen nicht gewährleistet. Systematisch damit einher gehe das in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/42/EU angeordnete Umgehungsverbot.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 Abs. 5 StPO), da vom Begriff der Beschlagnahme auch der Vermögensarrest gemäß § 111e StPO umfasst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 1979 - StB 26/79 -, BGHSt 29, 13-15; KK-StPO/Zabeck, 8. Aufl. 2019, StPO § 304 Rn. 8), und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Aufgrund der Übergangsvorschriften von Art. 316h Satz 1 EGStGB und § 14 EGStPO waren vorliegend die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 anzuwenden, auch wenn nach den bisherigen Ermittlungen die der Beschuldigten vorgeworfenen Taten überwiegend vor dem 1. Juli 2017 begangen worden sein sollen. Danach sind die mit dem Gesetz neugefassten Bestimmungen der §§ 73 ff. StGB und §§ 111b ff. StPO auf alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren anzuwenden, in denen noch keine erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, mithin auch auf das vorliegend gegen die Beschuldigte geführte Verfahren.

2. Ob die bisherigen Ermittlungen zumindest den einfachen Verdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO begründen, wonach sich die Beschuldigte einer Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie eines Verstoßes gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG oder gar einer Terrorismusfinanzierung nach § 89c Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat, kann hier offenbleiben.

Denn unter Berücksichtigung der im Rahmen der Ermittlungen der Beschuldigten angelasteten Tatsachen kommt vorliegend die Anordnung eines Vermögensarrestes zur Sicherung der Wertersatzeinziehung (vormals dinglicher Arrest) gemäß § 111e Abs. 1 StPO, §§ 74 Abs. 2, 74c Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 20 Abs. 1 Nr. 1 AWG gegen die Beschuldigte nicht in Betracht.

a) Nach § 111e Abs. 1 StPO kann ein Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen eines Betroffenen zur Sicherung der Wertersatzeinziehung nur dann angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden, § 111e Abs. 1 StPO n. F..

b) Zwar kann das Überlassen von Geldbeträgen sowie die Verbringung von wirtschaftlichen Ressourcen an eine gelistete Vereinigung gemäß § 20 Abs. 1 AWG i.V.m. § 74ff. StGB eine die Einziehung begründende strafbare Handlung darstellen, wenn dadurch einem Bereitstellungsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwidergehandelt wird, § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Variante 8 AWG.

Danach ist die Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften, welcher der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, mit Strafe bedroht. Ein solches Bereitstellungsverbot ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, wonach den in Anhang I der Verordnung aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen, Einrichtungen und Vereinigungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen. In dieser Anlage I ist seit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) auch der IS gelistet.

c) Vorliegend scheitert eine Anordnung des Vermögensarrestes jedoch bereits daran, dass nicht auf die inkriminierten Vermögensgegenstände selbst, sondern deren Wert zugegriffen werden soll, was nach der gesetzlichen Konzeption nur nach Maßgabe der Vorschrift des § 74c Abs. 1 StGB möglich ist.

So regelt das Außenwirtschaftsgesetz in § 20 zwar die Einziehung bei Verstößen gegen die dort kodifizierten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Die allgemeinen Regelungen über die Einziehung nach Maßgaben der §§ 73 bis 76b StGB bleiben hingegen unberührt, soweit durch § 20 AWG keine weitergehenden Möglichkeiten eröffnet werden (vgl. MüKoStGB/Wagner, 3. Aufl. 2019 Rn. 5, AWG § 20 Rn. 5; BeckOK OWiG/Straßer, 27. Ed. 1.7.2020 Rn. 9, AWG § 20 Rn. 9; Erbs/Kohlhaas/Diemer, 230. EL Mai 2020, AWG § 20 Rn. 1; Stein/Thoms in: Rüsken, Zollrecht, 1. Aufl. 2002, 193. Lieferung, § 20 AWG AWG, Rn. 5).

d) Da § 20 AWG keine Regelung im Falle des Wegfalls des Einziehungsgegenstandes vorsieht (wie etwa noch in der Fassung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961 in § 40 vgl. BGBl. I 1961, Nr. 29, S. 490), bedarf es für die Anordnung der Einziehung von Wertersatz eines Rückgriffs auf die allgemeinen Einziehungsvorschriften, namentlich die Vorschrift des § 74c StGB.

Die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes nach § 74c StGB erfordert zunächst, dass die Voraussetzungen der Einziehung im Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen hätten, wenn das Eigentum oder das Recht noch bei dem Tatbeteiligten vorhanden gewesen wäre (vgl. MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl. 2016, StGB § 74c Rn. 4). Hierfür ist neben dem Umstand der Unmöglichkeit des der Einziehung unterliegenden Gegenstandes erforderlich, dass der Tatbeteiligte als früherer Rechtsinhaber die Einziehung tatsächlich oder rechtlich unmöglich gemacht hat (vgl. Fischer StGB 67. Auflage 2020 § 74c Rn. 4).

Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift setzt eine Vereitelungshandlung voraus, dass sie der Tatbegehung nachfolgt (vgl. Fischer StGB aaO § 74c Rn. 3). Denn zum Vereiteln gehört nach dem Normverständnis und der Systematik, dass etwas im Hinblick auf die drohende Einziehung geschieht. Erfasst werden daher nur solche Fälle, in denen der Tatbeteiligte durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründenden Tathandlungen die Einziehung vereitelt (BGH NStZ 1992, 81; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 74c Rn. 5). Grund für dieses Normenverständnis nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung war, dass erst die funktionale Verwendung etwa das Geld zum Einziehungsgegenstand macht. Mithin kann eine solche Verwendung nicht zugleich als Vereitelungshandlung begriffen werden (vgl. BGH aaO; Lohse in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 74c Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern).

Der Begründung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (vgl. BT-Drs. 18/9525 S. 70) lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Neuregelung zur Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern vom bisherigen Normenverständnis des § 74c StGB abrücken wollte.

Auch ist kein sachliches Bedürfnis für eine erweiternde Auslegung dahingehend erkennbar, dass bereits die Begehung der Tat selbst als Vereitelungshandlung erfasst werden soll. Andernfalls wäre bei Taten, die eine Weitergabe von Tatobjekten kriminalisieren, stets die Einziehung von Wertersatz anzuordnen, sofern diese Objekte nicht mehr in einem anderen Verfahren eingezogen werden können. Eine derartige Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift ist jedoch angesichts ihrer Entstehungsgeschichte und ihres eindeutigen Wortlautes mit Rücksicht auf das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG abzulehnen.

e) Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters und der Generalstaatsanwaltschaft auch europarechtlich nicht geboten, die Anwendungsvoraussetzungen der Vorschrift des § 74c StGB im Rahmen einer Einziehung von Tatobjekten als notwendige Gegenstände der Tat im Sinne von § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 AWG zu verkürzen.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGHs der Begriff des Zurverfügungstellens weit auszulegen. Er umfasst jede Handlung, die erforderlich ist, damit eine Person die Verfügungsbefugnis über den betreffenden Vermögenswert erlangen kann (vgl. Stein/Thoms in: Rüsken, Zollrecht, 1. Aufl. 2002, 193. Lieferung, § 18 AWG Rn. 22; MüKoStGB/Wagner, 3. Aufl. 2019, AWG § 18 Rn. 32 m.w.N.). Denn Ziel des Bereitstellungsverbots ist es, den gelisteten Personen oder Einrichtungen in tatsächlicher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 - AK 8/20 -, Rn. 32, juris).

Insofern verlangt Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 - wie der Ermittlungsrichter zutreffend ausführt -, dass den gelisteten Personen und Organisationen Gelder weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Flankierend bestimmt die vorbezeichnete Verordnung in Artikel 10 Abs. 1 sowie in Nr. 10 der Erwägungsgründe, dass die aufgrund der Verordnung zu erlassenden Vorschriften wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

Bei Zugrundelegung der nach der Richtlinie aufgestellten Grundsätze ist jedoch keinesfalls zwingend eine Auslegung dahingehend geboten, dass bei der Zurverfügungstellung von Geldern an gelistete Personen oder Organisationen und damit einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot die Anordnung von Wertersatz geboten ist.

Den Eintritt des missbilligten Erfolges durch Erlangung von wirtschaftlichen Ressourcen kann die Anordnung von Wertersatz gerade nicht mehr verhindern, sodass dieser Aspekt allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung eine Rolle spielen kann. Insofern lässt die Richtlinie jedoch offen, auf welche Art und Weise im Einzelnen die Umsetzung der Ziele erreicht werden soll. Die abschreckende Wirkung der Verhinderung von Terrorismusfinanzierung kann jedoch auch auf andere Weise wie etwa der Höhe der strafrechtlichen Sanktionierung sichergestellt werden und verlangt nicht zwingend die Verhängung weiterer abschreckender Maßnahmen wie der Anordnung von Wertersatz, die im zugrundeliegenden Fall den Charakter einer zusätzlichen Strafe hätte und die Effektivität der Unterbindung von Terrorismusfinanzierung nicht nennenswert erhöhen würde.

Die Vorschrift des § 74c StGB steht auch systematisch im Einklang mit den europarechtlichen Vorstellungen. So lässt der Erwägungsgrund Nr. 17 der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union ausdrücklich zu, dass die Mitgliedstaaten berücksichtigen können ob und inwieweit eine Person dafür verantwortlich ist, dass die Einziehung von Tatwerkzeugen nicht möglich ist. Die Erwägung lässt somit durchaus erkennen, dass ein Spielraum bei der Auslegung durch die Mitgliedsstaaten besteht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO).