Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 03.02.1999, Az.: 8 A 8566/98

Möglichkeiten der Anordnung von Auflagen im Rahmen der Erteilung einer Duldung; Räumliche Beschränkung einer Duldung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.02.1999
Aktenzeichen
8 A 8566/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 30829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1999:0203.8A8566.98.0A

Fundstellen

  • AUAS 1999, 209-211
  • InfAuslR 1999, 461-462
  • NdsVBl 1999, 298-299

Verfahrensgegenstand

Ausländerrecht

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht Krause und
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr Göhner und Herr Kocker
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der nach seinen Angaben am 20.4.1963 geborene Kläger stammt (wiederum nach seinen Angaben, die in dem Asylverfahren nicht bestritten worden sind) aus der Bundesrepublik Jugoslawien/Kosovo. Er reiste am 27.5.1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl, weil er als albanischer Volkszugehöriger einer politischen Verfolgung ausgesetzt sei. Nach rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens erhielt der Kläger Duldungen. Am 14. September 1996 sprach er auf Veranlassung des Beklagten beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Jugoslawien in Hamburg vor. Ihm wurde bescheinigt, daß er die Ausstellung eines Reisepasses beantragt habe. Der beantragte Paß wurde dem Kläger aber offenbar bis heute nicht ausgestellt. Unter dem 27.1.1997 stellte der Beklagte ein Rückübernahmeersuchen. Daraufhin teilten die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien am 31.7.1997 mit, daß für den Kläger keine Rückübernahmepflicht bestehe und ihm deshalß auch kein Paßersatzpapier ausgestellt werde. Sodann beantragte der Beklagte am 17.3.1998 bei der Botschaft der Republik Albanien die Ausstellung von Paßersatzpapieren. Darauf ist offenbar bis heute eine Reaktion nicht erfolgt.

2

Wegen Zweifel an der Identität des Klägers änderte der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 14.5.1998 die Wohnsitzauflage in der Duldung des Klägers dahingehend, daß dieser nunmehr seinen Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft bei der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Braunschweig, Boeselager Straße 4 zu nehmen habe. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Kläger sei nicht im Besitz von Paßersatzpapieren, so daß der zur Aufnahme verpflichtete Staat nicht festgestellt werden könne. Die bisher durchgeführten Maßnahmen seien erfolglos geblieben. Deshalb seien intensivere behördliche Aufklärungsmaßnahmen erforderlich. Diese sollten nunmehr in der Zentralen Anlaufstelle durchgeführt werden.

3

Wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Verfügung vom 14.5.1998 ist vom Kläger ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren durchgeführt worden. Mit Beschluß vom 15.6.1998 hat das Gericht dem Eilantrag entsprochen, weil das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht hinreichend begründet worden sei und der Schluß, der Antragsteller habe eine falsche Identität angegeben, nicht zwingend sei.

4

Es gebe insbesondere keine hinreichenden Erkenntnisse dafür, daß es sich bei dem Antragsteller um einen albanischen Staatsangehörigen handele.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.5.1998 zurück und führte aus: Durch die Ablehnung der Rückübernahme sei davon auszugehen, daß der Kläger falsche Angaben zur Person und Herkunft gemacht habe, um einen längeren Aufenthalt in Deutschland zu erwirken. Aufgrund der in Einzelfällen mit der Feststellung der Staatsangehörigkeit und der Beschaffung von Heimreisedokumenten verbundenen Schwierigkeiten gebe es nunmehr in Niedersachsen zur Aufklärung der Identität und Beschaffung von Papieren besondere Einrichtungen. Dazu müsse der Ausländer unmittelbar und ohne Aufwand erreichbar sein. In den Einrichtungen seien Mitarbeiter mit spezifischen Erkenntnissen und Erfahrungen vorhanden; ferner gebe es Dolmetscher am Ort. Durch regelmäßige Gespräche mit dem Betroffenen, qualifizierten Dolmetschereinsatz und gegebenenfalls durch Botschaftsvorführungen könne festgestellt werden, aus welchem Land der Ausländer tatsächlich stamme. Die örtlichen Ausländerbehörden seien in derartigen Fällen meist überfordert. Es liege im öffentlichen Interesse, daß eine schnelle Rückführung des Ausländers in sein Heimatland erfolge. Voraussetzung dafür sei die Klärung der Identität. Dem gegenüber müsse das private Interesse des Ausländers zurückstehen. Der Kläger könne im übrigen durch wahrheitsgemäße Angaben über seine Staatsangehörigkeit dazu beitragen, daß der von ihm nicht gewünschte Aufenthalt in der Gemeinschaftsunterkunft möglichst kurz gehalten werde.

6

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

7

Er beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 14.5.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30.10.1998 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er tritt dem Vorbringen des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides entgegen.

10

In der mündlichen Verhandlung ist ein Vertreter der Bezirksregierung Braunschweig zu der Einrichtung "Modellversuch Identitätsfeststellung" gehört worden. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die bei der Beratung und Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

13

Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme ist § 56 Abs. 3 Satz 2 des Ausländergesetzes. Danach können in Bezug auf die erteilte Duldung, die ihrer Natur nach bereits räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt ist, weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden. Es steht folglich im Ermessen der Behörde, ob sie eine Auflage anordnet. Dieses Ermessen ist nicht schrankenlos. Die Auflage muß (vgl. § 36 Abs. 3 VerwVfG) ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes finden. Sie muß also vorliegend aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. Die Ausländerbehörde darf durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können. Hierzu gehören auch finanzielle Belange der Bundesrepublik Deutschland, ferner die Anordnung und Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1981, BVerwGE 64, S. 285, 288) [BVerwG 15.12.1981 - 1 C 145/80]. Danach kann also grundsätzlich auch die Auflage in einer bestimmten Unterkunft (zeitweilig) zu wohnen sachlich gerechtfertigt sein. So liegt es hier.

14

Es kann zunächst keinen Zweifel daran geben, daß es in erster Linie Aufgabe des Ausländers, der sich zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet aufhält, ist, seine Identität nachzuweisen bzw. alles in seiner Macht stehende zu tun, um die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren einen Studentenausweis vorgelegt. Die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien haben seine Rückübernahme abgelehnt. Das mag vielleicht darauf beruhen, daß es sich bei dem Kläger - wie er behauptet - tatsächlich um einen albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo handelt. Dieser Schluß ist aber nicht zwingend. Jedenfalls bestehen noch auszuräumende Zweifel an seiner Identität.

15

In der mündlichen Verhandlung ist ein Mitarbeiter der Bezirksregierung, der im Rahmen des "Modellprojekts Identitätsfeststellung" tätig ist, angehört worden. Dieser hat ausführlich, nachvollziehbar und klar dargelegt, über welche organisatorischen, personellen und finanziellen Kapazitäten die Einrichtung verfügt und welche weitergehenden Möglichkeiten zwecks Identitätsfeststellung bestehen:

Die Einrichtung verfügt über ausreichend qualifizierte Dolmetscher. Durch die zentrale Unterbringung können wiederholt Anhörungen durchgeführt werden. Die Mitarbeiter sind in der Lage, Anträge auf Paßersatzpapiere zu stellen und machen Botschaftsvorführungen. Es bestehen Kontakte zur Polizei, Papiere können beispielsweise durch eine UV-Untersuchung auf ihre Echtheit geprüft werden. Der Einrichtung sind ausreichend Haushaltsmittel zugewiesen worden. Es gibt größere Personalkapazitäten. Eine Dokumentation, bestehend aus Kartenmaterial und Länderinformationen, ist vorhanden. Das ist so von der Beklagten als Ausländerbehörde nicht leistbar.

16

Bei der im Streit befindlichen Auflage handelt es sich infolgedessen um eine sachlich gerechtfertigte Maßnahme und nicht etwa um ein bloßes Druckmittel oder gar eine Sanktion des bisherigen Verhaltens des Klägers.

17

Der Kläger wird dadurch, daß er sich für einige Tage oder Wochen vorübergehend nicht in dem bisher zugewiesenen Wohnort, sondern in der Einrichtung "Modellprojekt" aufhalten muß, auch nicht übermäßig belastet. Schutzwürdige private Belange, die einem zeitweiligen Umzug nach Braunschweig entgegenstehen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Büschen
Krause
Dr. Struß