Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.01.2005, Az.: 6 B 545/04

aufschiebende Wirkung; Aussetzungsantrag; Kosten; Kostenanforderung; Kostenbescheid; Kostenforderung; unselbständige Kostenforderung; Vollziehbarkeit; Widerspruch

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.01.2005
Aktenzeichen
6 B 545/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50510
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anforderung von "Kosten", die für eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde geltend gemacht werden (sog. unselbstständige Kostenforderung), unterfällt jedenfalls dann nicht dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, wenn die Sachentscheidung, derentwegen Kosten eingefordert werden, angefochten und noch nicht bestandskräftig ist.

2. § 22 Abs. 1 Hs. 2 VwKostG erstreckt die Folgen eines gegen die Sachentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs auch auf die Kostenentscheidung und beschränkt damit den Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.

Gründe

1

I. Mit Bescheid vom 05.11.2004 hat der Antragsgegner den Antragsteller verpflichtet, für die Dauer von 18 Monaten ein Fahrtenbuch für den auf ihn zugelassenen Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen B. zu führen. Mit gesondertem Kostenbescheid vom selben Tag hat er die dafür von dem Antragsteller zu tragenden Kosten auf insgesamt 85,60 Euro (Verwaltungsgebühr in Höhe von 80,00 Euro zuzüglich Auslagen für Portokosten in Höhe von 5,60 Euro) festgesetzt. Im Kostenbescheid heißt es u.a.: „Die Gebühr ist in jedem Fall zu zahlen. ... Ein evtl. eingelegter Widerspruch hat gem. § 80 Abs. 2 Ziff. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ... keine aufschiebende Wirkung.“

2

Gegen beide Bescheide hat der Antragsteller unter dem 08.12.2004 Widerspruch eingelegt. Darüber ist - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden. Zugleich mit dem Widerspruch gegen den Kostenbescheid hat der Antragsteller beim Antragsgegner beantragt, „die aufschiebende Wirkung des vorstehenden Widerspruchs anzuordnen“. Hierüber hat der Antragsgegner eine Entscheidung bislang nicht getroffen.

3

Am 23.12.2004 hat der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

4

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

5

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Klage gegen den Kostenfestsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 05.11.2004 anzuordnen.

6

Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),

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den Antrag zurückzuweisen.

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Er hält an seiner dem Verwaltungsgericht bekannten Auffassung fest, der Widerspruch gegen seinen Kostenbescheid entfalte gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

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II. Auf den zulässigen Antrag des Antragstellers ist festzustellen, dass seinem Widerspruch und einer eventuell nachfolgenden Klage gegen den Kostenbescheid des Antragsgegners vom 05.11.2004 gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, die noch nicht beendet ist (§ 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Die Zulässigkeit des Rechtsschutzantrages hängt nach der Auffassung der Kammer nicht gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO davon ab, dass zuvor der Antragsgegner einen bei ihm zu stellenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat.

12

a. Schon nach seinem Wortlaut ist § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO auf den Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO beschränkt, der hier - wie auszuführen sein wird - nicht betroffen ist. Das bedarf hier indessen unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit keiner Vertiefung.

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b. Wäre ein Rechtsschutzbegehren auch in den Fällen, in denen - wie hier - der Sache nach um die Reichweite des Anwendungsbereichs des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gestritten wird, gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Aussetzungsantrag ganz oder teilweise abgelehnt hat, ergäbe sich im vorliegenden Fall ein anderes Ergebnis nicht. Nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO hängt die Zulässigkeit eines Rechtsschutzantrages dann nicht (mehr) von einer vorangegangenen Entscheidung der Behörde ab, wenn diese über den Aussetzungsantrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller hat mit seinem Widerspruch gegen den Kostenbescheid des Antragsgegners zugleich beantragt, „die aufschiebende Wirkung des vorstehenden Widerspruchs anzuordnen“. Darin ist bei verständiger Würdigung ein Antrag im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zu sehen. Ein zureichender Grund, dessentwegen der Antragsteller darauf zu verweisen wäre, weiterhin auf eine Entscheidung des Antragsgegners über seinen Aussetzungsantrag zu warten, liegt nicht vor. Nach dem Inhalt seines Schreibens vom 14.12.2004 beabsichtigt der Antragsgegner nicht, über den Aussetzungsantrag gesondert zu entscheiden. Mit diesem Schreiben hat er - wie er gegenüber dem Berichterstatter der Kammer telefonisch mitgeteilt und der Antragsteller schriftlich bestätigt hat - den Antragsteller vielmehr gebeten, (sogleich) einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen.

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2. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt, geht sein Antrag ins Leere, da seinem mit Schreiben vom 08.12.2004 (auch) gegen den Kostenfestsetzungsbescheid des Antragsgegners eingelegten Widerspruch gemäß § 80 Abs. 1 VwGO bereits aufschiebende Wirkung zukommt. Mit Blick auf die gegenteilige Rechtsauffassung des Antragsgegners und zum Schutze der berechtigten Interessen des Antragstellers ist es jedoch geboten, dies festzustellen.

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Entgegen der Auffassung beider Beteiligten ist die Kostenforderung des Antragsgegners nicht im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar. Nach ganz überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung unterfällt die Anforderung von „Kosten“ (Gebühren und Auslagen, vgl. § 1 Verwaltungskostengesetz des Bundes - VwKostG), die für eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde geltend gemacht werden (sog. unselbstständige Kostenforderung), jedenfalls dann nicht dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, wenn die Sachentscheidung, derentwegen Kosten eingefordert werden, noch nicht bestandskräftig ist. Soweit die Kostenforderung auf einer Grundentscheidung über die Kostenlast beruht, wie etwa nach § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO, ergibt sich dies bereits daraus, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auch die Kostengrundentscheidung erfasst. Aber auch dann, wenn eine Kostengrundentscheidung - wie hier - nicht ergeht, gilt das Gleiche. § 22 Abs. 1 Hs. 2 VwKostG ordnet ausdrücklich an, dass ein Rechtsbehelf, der sich gegen die Sachentscheidung richtet, auch die Kostenentscheidung angreift. Der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist in diesem Sinne systematisch beschränkt. § 22 Abs. 1 Hs. 2 VwKostG bewirkt eine Erstreckung der Folgen eines Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung auch auf die Kostenforderung, sodass ein ausdrücklicher Widerspruch gegen den (unselbstständigen) Kostenbescheid entbehrlich ist. Für den hier gegebenen Fall, dass der Kostenbescheid (gleichwohl) mit einem gesonderten Widerspruch angefochten wird, kann nichts anderes gelten. Die öffentliche Hand hat ein legitimes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit einer Kostenforderung nicht, wenn diese von einem Verwaltungsakt abhängt, dessen Vollziehbarkeit durch die aufschiebende Wirkung gehemmt ist. Es widerspräche dem Rechtsschutzsystem des § 80 VwGO, wenn im Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine unselbstständige Kostenforderung eine gerichtliche Vorabprüfung der ihr materiell zugrunde liegenden Sachentscheidung erfolgen müsste, obwohl der gegen die Sachentscheidung eingelegte Rechtsbehelf grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfaltet und einer Überprüfung (erst) im Hauptsacheverfahren unterliegt (vgl. zum Ganzen: Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2003, § 80 Rn. 119; Kopp/ Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., 2003, § 80 Rn. 62; Funke-Kaiser in: Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 2002, § 80 Rn. 28; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., 1998, Rn. 691; Redeker/ von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., 1997, § 80 Rn. 15 jew. m. w. Nw. auch zur Rechtsprechung; VG Braunschweig, Beschl. vom 23.09.2002 - 6 B 562/02, Beschl. vom 03.06.2004 - 6 B 257/04, dem Antragsgegner bekannt).

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3. Deshalb ist dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und folgt der Empfehlung unter Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (DVBl. 2004, 1525), wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO und bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten ¼ des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes anzusetzen ist.