Sozialgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.06.2007, Az.: S 2 SO 66/07 ER
Begründungspflicht; Behinderter; besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung; Betreuungsperson; Eingliederungshilfe; einstweiliger Rechtsschutz; individuelle Begleitung zur Schule; lebensbedrohliche Gefahr; privates Aussetzungsinteresse; schriftliche Begründung; Schutz der Grundrechte; sofortige Vollziehbarkeit; sofortige Vollziehung; Warnfunktion
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 05.06.2007
- Aktenzeichen
- S 2 SO 66/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71693
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 86a Abs 2 Nr 5 SGG
- § 53 SGB 12
- § 54 SGB 12
- Art 19 Abs 4 GG
Tenor:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 14.02.2007 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
Sachverhalt siehe letzte Seite
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um den Umfang der dem Antragsteller zu gewährenden Eingliederungshilfe gem. §§ 53,54 Abs. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der im Jahre 1995 geborene Antragsteller ist geistig und körperlich behindert. Aufgrund einer lumbalen Myelomeningozele (bruchartiger Vorfall von Rückenmark und Rückenmarkshäuten bei angeborener Missbildung) in Höhe L 2/L 3 leidet der Antragsteller an Lähmungen beider Beine. Darüber hinaus hat er angeborene Lähmungsklumpfüße und eine Arnold-Chiari-Missbildung mit Störung des Hirnwasserkreislaufs und Entwicklung eines Hydrocephalus internus (Wasserkopf infolge krankhaft vermehrter Ansammlung von Zerebrospinalflüssigkeit in den Hirnventrikeln). Der Antragsteller ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.
In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Atemstillständen gekommen, die eine Beatmung des Antragstellers erforderlich machten.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2002 stellte die Bezirksregierung I. fest, dass für den Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht und ordnete die Beschulung des Antragstellers mit Wirkung ab 1. August 2002 in der Schule J. in K., einer Schule für Lern- und Geistigbehinderte, an.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2002 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller ambulante Eingliederungshilfe für den Schulbesuch.
Dieser Bescheid hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau L., wir erklären uns bereit, die Kosten der Betreuung und Eingliederung Ihres Sohnes M. zu tragen. Die Betreuung erfolgt als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung gem. § 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG. Der Betreuungsumfang entspricht den Unterrichtszeiten gemäß Stundenplan inklusive der Zeiten für die Hin- und Rückfahrt im Rahmen der Schülerbeförderung. Die Betreuung wird von einer durch Sie ausgewählten qualifizierten Fachkraft für 18,41 Euro je Stunde durchgeführt.“
Nach Einholung der pädagogischen Stellungnahme der Dr. N. vom 14. Juli 2006 und der amtsärztlichen Stellungnahme der Frau O. vom 18. Juli 2006 führte der Antragsgegner am 2. August 2006 ein Hilfeplangespräch durch. Gegenstand dieses Gespräches war im Wesentlichen der nach Auffassung der Dr. N. auf 10 Zeitstunden pro Woche gesunkene sonderpädagogische Förderbedarf des Antragstellers und die Ansicht der Amtsärztin O., wonach wegen des Rückgangs während der Vergangenheit aufgetretener Atemstillstände aktuell keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch eine zusätzliche Person mehr erforderlich sei.
Daraufhin hob der Antragsgegner den Bescheid vom 17. Juli 2002 mit sofortiger Wirkung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf: Bei dem Antragsteller hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass des Bescheides vom 17. Juli 2002 wesentlich geändert. Aufgrund der neuen Feststellungen des Gesundheitsamtes entspräche die mit Bescheid vom 17. Juli 2002 gewährte Hilfe zur Schulbildung nicht mehr dem aktuellen Hilfebedarf (Bescheid vom 10. August 2006).
Mit weiterem Bescheid vom 10. August 2006 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit bis zum 18. Juli 2007 ambulante Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Umfang von bis zu maximal 10 Zeitstunden pro Woche zu einem Entgeltsatz von 17,30 Euro pro Stunde.
Der Antragsteller hat gegen beide vorgenannten Bescheide Widerspruch erhoben.
Der Antragsgegner wies den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 10. August 2006 (Bewilligung ambulanter Eingliederungshilfe im Umfang von maximal 10 Zeitstunden pro Woche) mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 zurück. Hiergegen hat der Antragsteller am 11.04.2007 Klage erhoben (Verfahren S 2 SO 62/07), über welche noch nicht entschieden worden ist.
Den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10.08.2006 (Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2002) hat der Antragsgegner – soweit ersichtlich – noch nicht beschieden.
Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 26. September 2006 die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheides vom 10. August 2006 gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet. Der Hilfebedarf des Antragstellers sei nachweislich gesunken. Die bisher bewilligte Leistung sei deshalb entsprechend anzupassen gewesen. Es liege insbesondere im Hinblick auf die knapper werdenden Finanzmittel im Sozialleistungsbereich und unter dem Gebot eines sparsamen wirtschaftlichen Umgangs mit öffentlichen Geldern im besonderen öffentlichen Interesse, dass Leistungen nur im anspruchsberechtigten Umfange gewährt werden. Es könne deshalb – auch im Interesse anderer Leistungsberechtigter – nicht hingenommen werden, dass im vorliegenden Falle die Eingliederungshilfe bis zur Entscheidung der Hauptsache in unveränderter Höhe weiter gewährt werde, obwohl durch den eingetretenen Erfolg der bisher geleisteten Hilfe der Hilfebedarf sich nachweislich reduziert habe.
Das Sozialgericht Oldenburg hat mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss vom 12.01.2007 die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 26.09.2006 aufgehoben (Verfahren S 2 SO 210/06 ER).
Mit Schreiben vom 14.02.2007 hat der Antragsgegner erneut (konkludent) die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheides vom 10.08.2006 gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet: Ergänzend zu der im Bescheid vom 26.09.2006 erfolgten Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auszuführen, dass die Reduzierung des Leistungsumfanges beim Antragsteller das Ergebnis einer bisher erfolgreich erfolgten Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur angemessenen Schulbildung sei. Eine Reduzierung des Hilfeumfangs könne in diesem Zusammenhang – wie auch vorliegend – zielführend für die weitere positive Entwicklung im Hinblick auf eine dem Behinderungsbild entsprechende mögliche Verselbständigung sein. Aufgrund der dargestellten Verbesserung der Selbständigkeit des Antragstellers sei es erforderlich und unabdingbar, diesen bisherigen Erfolg der Eingliederungsmaßnahme in der Zukunft nicht zu gefährden. Genau dies wäre jedoch der Fall, wenn der Rechtsbehelf des Widerspruchs im Hauptsacheverfahren aufschiebende Wirkung entfalten würde. Der Selbständigkeit des Hilfeempfängers komme eine zentrale Rolle zu.
Hiergegen hat der Antragsteller am 18.04.2007 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Er ist der Ansicht, dass eine individuelle Begleitung zur Schule auch bei Rückläufigkeit der Anzahl der auftretenden Atemstillstände wegen des erheblichen Risikos einer Gesundheitsgefährdung unerlässlich ist. Da das Verbleiben der Risiken eines Atemstillstandes nicht hinnehmbar sei, nehme er deshalb auch nicht am Unterricht teil. Eilbedürftigkeit sei gegeben, denn er könne eine Entscheidung des Hauptsacheverfahrens aufgrund des zwischenzeitlich eintretenden Lernrückstandes nicht abwarten.
Zur Stützung seines Begehrens verweist er auf die ärztliche Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. P. vom 14.05.2007.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 14.02.2007 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Er hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für zutreffend.
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist begründet. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners gilt dessen Leistungsverpflichtung aus seinem Bescheid vom 17. Juli 2002 weiter, die streitige Eingliederungshilfe ist in unverändertem Umfang zu gewähren.
Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend hatte zwar der von dem Antragsteller gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 10.08.2006 erhobene Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Der Antragsgegner hat jedoch mit Bescheid vom 14.02.2007 (konkludent) die sofortige Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet. Dies ist vorliegend zu beanstanden, denn der Antragsgegner hat die formalen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides nicht beachtet.
Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG muss die Behörde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich begründen. Die Begründung hat den Zweck, dass der Betreffende durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zum Sofortvollzug veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abschätzen kann. Die Begründungspflicht soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber herausgestellte „Warnfunktion“ der Begründungspflicht beruht auf dem hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert, der aufgrund von Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen belastende Verwaltungsakte zuzumessen ist. Erforderlich ist daher eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses daran, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und das hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (vgl. Landessozialgericht – LSG – Hessen, Beschluss vom 05.01.2007 – L 7 SO 60/06 ER m. w. N.). Fehlt die erforderliche Begründung oder ist sie unzulänglich, ist der Sofortvollzug rechtswidrig.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 14.02.2007 genügt diesen Erfordernissen nicht. Soweit der Bescheid vom 14.02.2007 hinsichtlich der Begründung des Sofortvollzuges auf den Bescheid vom 26.09.2006 verweist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich auf den Beschluss der Kammer vom 12.01.2007 im Verfahren S 2 SO 210/06 ER verwiesen. Die im Bescheid vom 14.02.2007 vorgenommene ergänzende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges des Bescheides vom 10.08.2006 vermag die bisherige Einschätzung der Kammer, wonach in diesem Einzelfall die ausnahmsweise sofortige Vollziehung des Bescheides vom 10. August 2006 nicht geboten erscheint, nicht zu erschüttern. Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug im Bescheid vom 14.02.2007 damit begründet, dass die im öffentlichen Interesse liegende möglichst umfangreiche Verselbständigung des Antragstellers konterkariert würde, wenn bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens weiterhin (die nach Ansicht des Antragsgegners nicht erforderlichen) zusätzlichen Stunden Integrationshilfe geleistet würden. Dies sei keinesfalls zielführend im Sinne des Eingliederungshilfegedankens, bei dem der Selbständigkeit des Hilfeempfängers eine zentrale Rolle zukomme.
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner die Reduzierung des Integrationshilfebedarfes nicht in erster Linie mit einer zunehmenden Verselbständigung des Antragstellers begründet, sondern mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes des Antragstellers, welcher nach Auffassung des Antragsgegners keine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ mehr erforderlich macht.
Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, das Ziel jeder Eingliederungshilfe die möglichst weitgehende Verselbständigung des Behinderten ist (vgl. § 53 Abs. 3 SGB XII). Dies zeigt jedoch gerade, dass der Antragsgegner die Anordnung des Sofortvollzuges mit einer typischen Aufgabe der Eingliederungshilfe begründet, mithin gerade kein Ausnahmefall vorliegt, der die Anordnung des sofortigen Vollzuges im (atypischen) Einzelfall rechtfertigt. Hätte der Gesetzgeber die Absicht gehabt, für den Bereich der Eingliederungshilfe einen von § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG abweichenden Ausnahmefall von der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage zu regeln, so hätte er dies gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG im SGB XII tun können. Da dies nicht der Fall ist, kann der o. g. typische Fall die Anordnung eines Sofortvollzuges nicht begründen.
Berücksichtigt man zudem, dass die Gerichte sich im Rahmen einstweiliger Rechtsschutzverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05), ist die Anordnung des sofortigen Vollzuges des Bescheides vom 10.08.2006 keinesfalls gerechtfertigt, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht gegeben. Denn unstreitig leidet der schwerstbehinderte Antragsteller an lebensbedrohlichen Atemstillständen. Es mag sein, dass diese Atemstillstände sich in den letzten Monaten reduziert haben. Aber selbst der Antragsgegner schließt nicht aus, dass es während des Schulunterrichtes zu einem weiteren Atemstillstand kommen könnte. Der behandelnde Arzt des Antragstellers weist in seiner Bescheinigung vom 14.05.2007 darauf hin, dass es beim Antragsteller bei für ihn akuten Stresszuständen zu reanimationspflichtiger Atemlähmung und Herzstillstand gekommen sei. Frau O. (Gesundheitsamt des Antragsgegners) führt in ihrer Stellungnahme vom 18.07.2006 hierzu aus, dass die Betreuungsperson eine Ausbildung in der Reanimation von Teenagern haben müsse, für den Antragsteller eine langfristig betreuende Person erforderlich sei. Ein entsprechender Atemstillstand wäre – sofern für den Antragsteller nicht sofort fachkundige Hilfe zur Verfügung steht – lebensbedrohlich. Dieses Risiko kann aufgrund der überragenden Bedeutung des dann betroffenen Grundrechtes nicht hingenommen werden. Im Übrigen nimmt der Antragsteller derzeit ja gerade nicht am Unterricht teil, weil er wegen der o. g. Problematik um sein Leben fürchtet. Um den bisherigen Erfolg der geleisteten Betreuung des Antragstellers in der Schule nicht zu gefährden, erscheint die Anordnung des sofortigen Vollzuges des Bescheides vom 10.08.2006 ebenfalls nicht angebracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Aufgrund des bisherigen Verlaufes dieses Rechtsstreits weist die Kammer zur Klarstellung auf Folgendes hin:
Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 12.01.2007 zum Verfahren S 2 SO 210/06 ER ausgeführt, hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG Wirkung nur für die Zukunft. Da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung erstmals mit Bescheid vom 26.09.2006 angeordnet hat, wäre er verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zumindest für die Zeit vom 31.08.2006 (Eingang des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 10.08.2006 beim Antragsgegner) bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 26.09.2006 die Eingliederungshilfe im bisherigen Umfang weiter zu gewähren.
Dies gilt im Übrigen auch für den Zeitraum 17.01.2007 (Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts Oldenburg vom 12.01.2007, mit welchem die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben worden ist) bis zur Bekanntgabe des Schreibens vom 14.02.2007 gegenüber dem Antragsteller. Denn die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 12.01.2007 hatte keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 175 Satz 1 SGG).
Sachverhalt
Der 1995 geborene Antragsteller ist geistig und körperlich behindert und leidet u. a. unter lebensbedrohlichen Atemstillständen. Ihm wurde seit 2002 für die Zeit seiner Betreuung in einer Schule für Geistig- und Körperbehinderte durch den Landkreis Oldenburg eine Betreuung für die Unterrichtszeit durch eine qualifizierte Fachkraft gewährt. Im Jahr 2006 wurde nach einer pädagogischen und einer amtsärztlichen Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass aufgrund eines gesunkenen sonderpädagogischen Förderbedarfes nur noch eine Betreuung von zehn Stunden während der Unterrichtszeit erforderlich sei. Der Landkreis setzte aufgrund dessen durch Bescheid den Betreuungsumfang auf zehn Stunden herab. Zudem ordnete er die sofortige Vollziehung der Entscheidung über die Herabsetzung der Eingliederungshilfe an. Der Antragsteller legte gegen beide Entscheidungen Widerspruch ein. Das Sozialgericht Oldenburg hat mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss vom 12.1.2007 die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, so dass aufgrund dieser Entscheidung der Landkreis verpflichtet gewesen wäre, die Betreuung des Antragstellers im gesamten Umfang der Unterrichtszeiten incl. der Zeiten für Hin- und Rückfahrten zu bezahlen. Am 14.2.2007 ordnete der Landkreis erneut die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheides an. Gegen diese Entscheidung beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Oldenburg einstweiligen Rechtsschutz. Diesem Begehren gab das Sozialgericht Oldenburg mit dem ihnen übersandten Beschluss erneut statt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass nach Auffassung des behandelnden Arztes des Antragstellers es bei ihm in akuten Stresszuständen zu reanimationspflichtigen Atemlähmungen und Herzstillstand kommen könne und das deshalb eine Betreuungsperson mit einer speziellen Ausbildung in der Reanimation von Teenagern für ihn zur Verfügung stehen müsse. Es sei eine langfristig betreuende Person erforderlich. Wenn entsprechende Atemstillstände einträten, wären diese lebensbedrohlich. Weiter hat das Sozialgericht ausgeführt, dass dieses Risiko aufgrund der überragenden Bedeutung des betroffenen Grundrechtes nicht hingenommen werden könne und aus diesem Grunde die sofortige Vollziehung des Entziehungsbescheides des Landkreises aufgehoben werden müsse, um dem Antragsteller einen weiteren Schulbesuch ohne Gefährdung seiner Gesundheit bis zur endgültigen Entscheidung der Behörde über das Widerspruchsverfahren zu ermöglichen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 6 und 7 des Beschlusses Bezug genommen.