Sozialgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.06.2007, Az.: S 2 SO 22/07 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 15.06.2007
- Aktenzeichen
- S 2 SO 22/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61701
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOLDBG:2007:0615.S2SO22.07ER.0A
Fundstelle
- BtMan 2008, 106
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Oldenburg - 2. Kammer -
am 15. Juni 2007
durch die Richterin am Sozialgericht de Groot - Vorsitzende - beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Übernahme der ungedeckten Kosten für die ambulante Betreuung des Antragstellers in einer Wohngemeinschaft.
Bei dem im I. 1985 geborenen Antragsteller liegt eine zumindest mittelgradige geistige Behinderung mit schweren Kommunikationsstörungen, ausgeprägten Sprachstörungen und sehr ausgeprägten autistischen Zügen vor. Der Antragsteller bezieht ein Pflegegeld der Stufe II sowie eine Waisenrente in Höhe von 134,04 Euro pro Monat. Für ihn wird Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro pro Monat gezahlt. Seit dem 16.02.2007 gewährt die Antragsgegnerin ihm darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 222,46 Euro pro Monat.
Der Antragsteller, der bis zum 15.02.2007 bei seiner Pflegemutter und Betreuerin lebte, besucht regelmäßig die Förderstätte der J.. Für ihn gewährte die Antragsgegnerin zuletzt mit Bescheid vom 18.12.2006 Eingliederungshilfe im Umfang von 6 Stunden pro Woche für die Zeit ab 01.11.2006.
Zum 16.02.2007 zog der Antragsteller in eine Vier-Personen-Wohngemeinschaft in der K. in L.. Alle vier Personen dieser Wohngemeinschaft benötigen Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Bereits am 8. August 2006 hatte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege für den beabsichtigten Einzug in eine betreute Wohnform gestellt. Er ist unter Vorlage der Stellungnahme der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin M. vom 12.08.2006 der Ansicht, aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht auf eine stationäre Einrichtung verwiesen werden zu können. Vielmehr sei ihm nur eine Unterbringung in einer kleinen ambulant betreuten Wohngemeinschaft zumutbar.
Die Antragsgegnerin zog den Sozialbericht der J. vom 12.10.2006, den Befundbericht des Internisten Dr. N. vom 08.09.2004, die Unterlagen des Amtsgerichts O. vom August 2006 hinsichtlich der zwischenzeitlichen Unterbringung des Antragstellers sowie die Stellungnahme des Diplom-Sozialarbeiters P. vom 23.01.2007 bei. Im Anschluss lehnte sie die Übernahme der ungedeckten Kosten für die ambulante Betreuung des Antragstellers in der Wohngemeinschaft mit Bescheid vom 25.01.2007 ab: Grundsätzlich habe der Antragsteller Anspruch auf Eingliederungshilfe. Allerdings sei dem Antragsteller die Unterbringung im Q. - einem Heim für Erwachsene mit geistiger Behinderung - zumutbar. Der Antragsteller habe das erforderliche Mindestmaß an Gruppenfähigkeit. Es gebe keine objektiven Gründe, die gegen eine Betreuung des Antragstellers in einer Gruppe von 10 Personen mit entsprechend höherem Betreuungsschlüssel sprächen. Mehrere zweiwöchige Ferienaufenthalte des Antragstellers in den Sommerferien zeigten, dass der Antragsteller sich offenbar in Gruppen zurechtfinde. Zwar hätten ambulante Leistungen gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII grundsätzlich Vorrang vor stationären Hilfen. Dies gelte gem. § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII jedoch nicht in den Fällen, wenn eine geeignete stationäre Einrichtung dem Antragsteller zumutbar sei und die gewählte ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Dieser Fall sei vorliegend gegeben. Denn der von der Antragsgegnerin für die gewünschte Wohnform der Vierer-Wohngemeinschaft zu entrichtende Betrag liege um mehr als 300 % über den Aufwendungen für eine stationäre Einrichtung.
Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben, welchen die Antragsgegnerin bisher nicht beschieden hat.
Am 05.02.2007 hat er darüber hinaus die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er ist weiterhin unter Hinweis auf die Stellungnahme der R. vom 16.02.2007 (Sonderpädagogin S.) und des Entwicklungsberichtes der Gemeinnützigen Werkstätten O.e.V. vom 01.06.2007 (T.) der Ansicht, dass ihm eine stationäre Betreuung im Q. nicht zumutbar ist. Im Übrigen sei seine Betreuung in der Wohngemeinschaft nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII verbunden. Zunächst einmal sei zu berücksichtigen, dass er mit drei weiteren Personen in einer Wohngemeinschaft lebe, die wie er selbst auf die Gewährung von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege angewiesen sind. Dadurch minderten sich die für den einzelnen Mitbewohner zu tragenden Kosten nach dem SGB XII erheblich. Zu seinen Gunsten sei auch zu berücksichtigen, dass spätestens ab 01.01.2008 ein Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget bestehe. Unabhängig hiervon erschöpfe sich die Prüfung der in § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII genannten "unverhältnismäßigen Mehrkosten" nicht in einem rein rechnerischen Vergleich, sondern bedürfe auch einer wertenden Betrachtungsweise unter Einbeziehung seiner schützenswerten Rechtsgüter. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich die ungedeckten Kosten seiner ambulanten Betreuung auf Dauer reduzieren würden. Darüber hinaus sei ihm ein Wohnen im Q. nicht zumutbar, weil dort kein selbst bestimmtes und eigenständiges Leben im Sinne der §§ 1, 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch geführt werden könne. Im Übrigen sei das Durchschnittsalter der Bewohner dieser Einrichtung von 42 Jahren für ihn zu hoch.
Im Erörterungstermin am 16.04.2007 hat er noch vorgetragen, dass er seit dem 16. Februar 2007 Leistungen für seine ambulante Betreuung beziehe, wobei die ungedeckten Kosten seit dieser Zeit gegenüber der J. nicht gezahlt worden sind. Eine Begleichung der ausstehenden Rechnungen sei ihm aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht möglich. Deshalb liege Eilbedürftigkeit vor. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die J. ohne vollständige Bezahlung die benötigten Leistungen noch länger erbringen würde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ungedeckten Kosten seiner ambulanten Pflege gem. der §§ 61 ff SGB XII sowie der für ihn geleisteten Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII vorläufig zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie hält ihren angefochtenen Bescheid weiterhin für zutreffend. Sie ist der Ansicht, dass die mit der ambulanten Betreuung des Antragstellers in der Wohngemeinschaft verbundenen Mehrkosten gegenüber einer stationären Betreuung auch dann unverhältnismäßig hoch sind, wenn man berücksichtigt, dass die für die ambulante Wohnform zu erbringenden Kosten nach dem SGB XII durch die drei Mitbewohner anteilig reduziert werden. Denn auch dann beliefen sich die gegenüber einer stationären Einrichtung bestehenden Mehrkosten noch immer auf knapp 33 %. Im Übrigen sei hinsichtlich einer ambulanten Betreuung in einer Wohngemeinschaft unklar, was passiere, wenn ein Bewohner aus der Wohngemeinschaft ausziehe. Auch die Zeiten, in welchen die Bewohner der Wohngemeinschaft erkrankt seien oder deren Förderstätten geschlossen seien, seien nicht geklärt. Das Q. sei dem Antragsteller auch im Hinblick auf dessen Lebensalter zumutbar. Denn laut Auskunft der Leitung dieses Heimes seien 9 Bewohner zwischen 20 und 25 Jahre und 2 Bewohner unter 20 Jahre alt.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf deshalb grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz nicht erreicht werden kann und dieser Zustand dem Antragsteller unzumutbar ist (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 31). Sowohl die schützenswerte Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, als auch die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsverfügung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG liegen nicht vor, denn der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Es ist unstreitig, dass der Antragsteller dem Grunde nach einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege gemäß der §§ 61 ff SGB XII und auf Eingliederungshilfe gemäß der §§ 53 ff SGB XII hat. Streitig ist unter den Beteiligten allein die Frage, ob dem Kostenübernahmeanspruch des Antragstellers der Einwand unverhältnismäßiger Mehrkosten (§ 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII) entgegengehalten werden kann. Das ist vorliegend der Fall.
Nach § 13 Abs. 1 SGB XII können die Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Stationäre Einrichtungen sind Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten. Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.
Vorliegend hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Kosten für seine ambulante Betreuung in der Wohngemeinschaft, denn die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII liegen vor. Dabei ist die Kammer mit der Antragsgegnerin der Auffassung, dass die von der Antragsgegnerin im Rahmen des vorzunehmenden Kostenvergleichs benannte stationäre Einrichtung Q. eine geeignete stationäre Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 SBG XII darstellt, eine Unterbringung des Antragstellers in diesem Wohnheim zumutbar ist.
Zielgruppe dieser Einrichtung sind Menschen, bei denen eine geistige Behinderung im Vordergrund steht. Dabei ist Ziel der Betreuung dieser Einrichtung, die Bewohner zu einem weitestgehend selbst bestimmten Leben zu befähigen und sie dauerhaft in die Gesellschaft einzugliedern. Das Q. nimmt Menschen ab dem 18. Lebensjahr auf, die auf nicht absehbare Zeit ständige Betreuung benötigen. Voraussetzung ist ein Mindestmaß an Gruppenfähigkeit.
Dass der Antragsteller dieses Mindestmaß an Gruppenfähigkeit hat, wird dadurch deutlich, dass er in der Lage ist, eine Tagesförderstätte regelmäßig aufzusuchen und in den Sommerferien an ein- bis mehrwöchigen Ferienbetreuungen der R. teilzunehmen. Auch die spezifische geistige Behinderung des Antragstellers und die damit einhergehende psychische Erkrankung vermögen die Unzumutbarkeit der o.g. stationären Einrichtung für den Antragsteller nicht zu begründen. Beim Antragsteller besteht eine mittelgradige Intelligenzminderung sowie eine Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit aggressiven Verhaltensauffälligkeiten und autistischen Zügen. Der Antragsteller selbst verweist auf sein aggressives und/oder selbst verletzendes Verhalten, das er im Rahmen seiner Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gezeigt hat und das letztlich zu seinem Wechsel von der WfbM in eine Tagesförderstätte geführt hat (vgl. Stellungnahme der Gemeinnützigen Werkstätten O.e.V. vom 01.06.2006). Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Aggressionsschübe offenbar auf eine Überforderung des Antragstellers in der WfbM zurückzuführen waren, die mit den gesteigerten Anforderungen an die Tätigkeit in der WfbM und offenbar nicht mit der Gruppengröße zu tun hatten. Dementsprechend konnte der Antragsteller nach Verlassen der WfbM stabilisiert werden und kommt in seiner Gruppe in der Tagesförderstätte ebenso wie innerhalb der Ferienbetreuungen besser zurecht. Da das Q. gemäß der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung mit dem U. vom 30.09.2002 ausschließlich Menschen mit wesentlicher Behinderung aufnimmt, die die Aufnahmevoraussetzungen für eine WfbM nicht oder noch nicht erfüllen (vgl. Punkt 2.1 dieser Vereinbarung), ist angesichts der von dieser Einrichtung betreuten Menschen sichergestellt, dass der Antragsteller hinsichtlich der an ihn gestellten Anforderungen nicht überfordert wird.
Darüber hinaus ist dem Antragsteller entgegen seiner eigenen Auffassung die stationäre Einrichtung Q. auch nicht wegen seines Alters unzumutbar. Der Antragsteller ist knapp 22 Jahre alt. Aus der Gesetzesbegründung zu § 13 SGB XII ergibt sich der im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitige Grundsatz, dass je nach den bestehenden Umständen des Einzelfalles die Verweisung eines pflegebedürftigen jungen Menschen in ein Altenheim nicht zulässig ist. Vorliegend wird der Antragsteller jedoch nicht auf ein Altenheim verwiesen, sondern auf eine stationäre Einrichtung, die Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr aufnimmt, bei welchen die geistige Behinderung im Vordergrund steht. Dementsprechend beträgt das Durchschnittsalter dieser Einrichtung auch nur 42 Jahre, wobei 9 Bewohner dieser Einrichtung zwischen 20 und 25 Jahre und 2 Bewohner unter 20 Jahre alt sind. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Antragsteller bei einem Wechsel ins Q. im Hinblick auf seine persönlichen Bedürfnisse schon deshalb unzureichend betreut würde, weil die Betreuung dieses Heimes an einer Generation von Bewohnern ausgerichtet ist, denen der Antragsteller nicht zugerechnet werden kann. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang in ihrem Bescheid vom 25.01.2007 darauf hingewiesen, dass in dem Wohnheim für den Antragsteller ein Einzelzimmer frei sei. Die zu betreuende Gruppe bestehe aus 10 Personen, die je nach Schwere und Auswirkung der Behinderung von 2 bis 3,5 Betreuern direkt betreut werden. Im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördere diese stationäre Einrichtung die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie der Begegnungsstätte "V.", der Volkshochschule, der Kirchengemeinde und dem örtlichen Bürgerverein. Der Antragsteller könne wie bisher vom Wohnheim aus die Förderstätte besuchen. Durch die Lage der Einrichtung und die verkehrsgünstige Anbindung seien Außenaktivitäten im Zentrum der Stadt O. möglich, eine gute Anbindung an das Elternhaus sei gewährleistet.
Insgesamt gesehen sprechen die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände nicht gegen eine Aufnahme des Antragstellers in das Q..
Die Stellungnahme der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin M. vom 12.08.2006 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Unabhängig davon, dass diese Therapeutin nicht den Antragsteller selbst, sondern dessen Schwester behandelt, äußert sie in ihrer Stellungnahme lediglich Vermutungen, ohne dass klar wird, ob sie die konkrete Unterbringungssituation im Q. überhaupt kennt.
Zuzustimmen ist ihr wie im Übrigen auch dem Diplom-Sozialarbeiter Hüttemann in dessen Stellungnahme vom 23.01.2007, dass eine auf den Antragsteller abgestimmte Unterstützung gewährleistet sein muss, die eine individuelle pädagogische Begleitung des Antragstellers mit konstanten Bezugspersonen ermöglicht. Diese Konstellation ist entsprechend der o.g. Ausführungen im Q. gegeben, so dass von einer Zumutbarkeit dieser Einrichtung für den Antragsteller im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ausgegangen werden muss.
Es mag sein, dass die gewählte ambulante Wohnform einen besseren Betreuungsschlüssel bietet als die stationäre Einrichtung. Dies kann für sich allein genommen jedoch nicht zu einer fehlenden Geeignetheit, bzw. Zumutbarkeit der stationären Einrichtung führen. Denn die Antragsgegnerin ist verpflichtet, die notwendigen Leistungen zu erbringen, die dem Antragsteller ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Diese Versorgung ist im Q. gewährleistet. Die optimalen Leistungen kann der Antragsteller nicht verlangen.
Die Beurteilung, ob ein Wunsch nach § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII deshalb unberücksichtigt bleiben darf, weil seine Erfüllung mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" verbunden ist, setzt die Feststellung voraus, ob und ggf. welche Mehrkosten entstehen. Diese sind aufgrund eines Vergleichs zu bestimmen. Verglichen werden müssen im vorliegenden Fall die Kosten, die die von dem Antragsteller gewünschte ambulante Pflege verursacht, und die Kosten, die bei seiner Unterbringung in einem - geeigneten - Wohnheim entstehen würden (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 22.01.1987 - 5 C 10.85 ). Dabei können in diesem Zusammenhang nur die Kosten berücksichtigt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer für die ambulante, bzw. stationäre Betreuung des Antragstellers tatsächlich anfallen. Vermutungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des betroffenen Behinderten, bzw. seines Umfeldes, können bei der Erstellung des Kostenvergleiches nicht einbezogen werden. So kann weder zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden, dass die Kosten seiner ambulanten Betreuung bei einer zukünftigen Reduzierung der Wohngemeinschaft auf z.B. 3 Mitbewohner steigen noch kann zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass die Kosten seiner ambulanten Betreuung infolge einer intensiveren Betreuung in der Wohngemeinschaft zukünftig sinken könnten.
Die Mehrkosten sind dann "unverhältnismäßig", wenn die hieraus folgende Mehrbelastung des Soziahilfehaushaltes zum Gewicht der vom Hilfebedürftigen angeführten Gründe für die von ihm getroffene Wahl der Hilfemaßnahme nicht mehr im rechten Verhältnis steht. Dem Antragsteller ist darin zuzustimmen, dass die Frage nach der (Un-)Verhältnismäßigkeit wunschbedingter Mehrkosten sich nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich erschöpft, sondern eine wertende Betrachtungsweise verlangt (BVerwG, Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 13/92 = BVerwGE 97, 103 bis 110). Mithin kann auch für die Frage, ob unverhältnismäßige Kosten im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII vorliegen, keine starre Kostengrenze im Sinne einer Prozentzahl oder eines absoluten Betrages genannt werden. Vorzunehmen ist immer eine Einzelfallprüfung, die sich neben den zu vergleichenden konkreten Kosten an der konkreten Situation des betroffenen Behinderten zu orientieren hat.
Hiernach ergibt sich Folgendes:
Die monatlichen Aufwendungen für die ambulante Betreuung des Antragstellers belaufen sich auf insgesamt 3757,30 Euro (961,01 Euro pro Monat für geleistete Hilfe zur Pflege + 2541,83 Euro pro Monat für geleistete Eingliederungshilfe + 254,46 Euro monatliche Grundsicherungsleistungen). Dabei ergibt sich der monatliche Betrag für die zu leistende Hilfe zur Pflege aus dem von der Antragsgegnerin aus der Rechnung der J. (für den Monat März 2007) anerkannten Leistungen in Höhe von 1745,34 Euro, die um das von der Pflegeversicherung des Antragstellers gezahlte Pflegegeld in Höhe von 921,- Euro (der Antragsteller erhält Pflegegeld der Stufe II) zu reduzieren sind, wobei der verbleibende Betrag um das zu gewährende Restpflegegeld in Höhe von 136,67 Euro zu addieren ist.
Diesen Kosten sind die Kosten für die Heimunterbringung (im Q.) gegenüber zu stellen. Diese belaufen sich bei Unterstellung der höchsten Bedarfsgruppe dieser stationären Einrichtung auf insgesamt 2831,74 Euro (3282,63 Euro Heimkosten + 93,15 Euro an den Antragsteller zu zahlendes Taschengeld - 256,- Euro Pflegegeld - 134,04 Euro Waisenrente - 154,- Euro Kindergeld).
Der Vergleich der Kosten der stationären Betreuung des Antragstellers mit den Kosten seiner ambulanten Pflege ergibt zu tragende Mehrkosten in Höhe von 925,56 Euro oder 33 % gegenüber den Kosten der stationären Betreuung. Mehrkosten in dieser Größenordnung müssen noch als unverhältnismäßig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII angesehen werden, wenn die im Rahmen des Kostenvergleichs neben der reinen Kostenbetrachtung vorzunehmende wertende Betrachtung - wie vorliegend - keine gewichtigen Gründe ergibt, die ausnahmsweise Mehrkosten in dieser Höhe noch als verhältnismäßig erscheinen lassen. Denn das Gewicht, das der vom Antragsteller gewünschten Gestaltung der Hilfe im Hinblick auf seine individuelle Notsituation beizumessen ist, rechtfertigt vorliegend nicht die Annahme von verhältnismäßigen Mehrkosten i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII.
Mangels bestehenden Anordnungsanspruchs musste nicht mehr darüber entschieden werden, ob auch ein Anordnungsgrund vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.